MAN - Live At The Padget Rooms Penarth (United Artists Records USP 100, 1972)
Es gibt Platten, die man als wahren Glücksfall bezeichnen kann. Die Veröffentlichung dieses Konzertmitschnitts in England gehört zu diesen Glücksfällen, weil die Umstände, die schliesslich zu dieser Platte führten, eher ungewöhnlich waren. MAN sind eine britische, genauer gesagt, eine walisische Band, was nicht dasselbe ist, wenn man die Musikszene in Wales betrachtet, die damals, zu Anfang der 70er Jahre, ihre ganz eigene und oftmals rein lokale Szene feierte. MAN waren die grosse Ausnahme, denn sie wurden beispielsweise durch ihre Studioplatten auch ausserhalb Englands, und sogar in den USA wahrgenommen und auch geschätzt. Ihr lockerer, bisweilen etwas verkiffte, manchmal auch sehr spaceige Jam-Sound fand zahlreiche Liebhaber ausserhalb Britanniens. Nur im eigenen Land schien die Band etliche Jahre Probleme zu haben, die Fans zu mobilisieren. Besonders zahlreich waren ihre Fans in Deutschland, wo sie unter anderem mit der ebenfalls im eigenen Land weniger populären Gruppe NEKTAR öfters Auftritte vor einem begeisterten Publikum feiern konnte. Bei MAN waren diese Erfolge schliesslich so gross, dass sie sich kurzerhand dazu entschlossen, sich in Deutschland niederzulassen. Dies änderte sich schlagartig am 27. März 1971, als die Gruppe MAN in der Deutschlandhalle in Berlin aus Anlass der sogenannten "London Week" auftrat. Ueber diesen Auftritt, bei welchem auch die britische Band FAMILY mit Roger Chapman spielte, kam es zu Tumulten mit anschliessendem Polizei-Einsatz, worüber in der britischen Presse ausführlich berichtet wurde. In dem Bericht war allerdings auch zu lesen, dass die Gruppe MAN die mit weitem Abstand qualitativ beste Performance hingelegt habe, was nun auch endlich im Vereinigten Königreich zur Kenntnis genommen wurde.
Bereits am 1. Mai 1971 spielte die Gruppe dann live in Penarth's "Padget Rooms", gefolgt von zahlreichen Auftritten in England, lediglich unterbrochen durch Studioaufnahmen und einige Konzerte in der Schweiz und in Deutschland. Das nächste Projekt, an welchem die Gruppe mitarbeitete, nannte sich "The Greasy Trucker's Party" in London. Die Greasy Truckers waren eine Gruppe von unabhängigen Hippies, die zumeist in Fronarbeit Gutes im Namen des Herrn taten - heute würde man das vielleicht als Charity Unternehmen bezeichnen. Um diese uneigennützige Non Profit Gruppe zu unterstützen, fand im legendären Roundhouse in London ein Konzertanlass statt, dessen Einnahmen vollumfänglich dieser Organisation zugute kommen sollten. Mit von der Partie waren neben der Band MAN auch die Gruppen Brinsley Schwarz, Hawkwind und Magic Michael (Moorcock). Das Konzert wurde live mitgeschnitten und als limitiertes Doppelalbum veröffentlicht.
Da MAN inzwischen auch in England viele neue Fans gewinnen konnten, entschlossen sie sich, raschmöglichst ein eigenes Live-Album nachzureichen, weil die "Greasy Truckers Party" wider Erwartens so erfolgreich war. Die Band wählte für die Aufnahmen das nahe Cardiff gelegene Penarth, wo die Gruppe bereits im Jahr zuvor in den "Padget Rooms" gespielt hatte. Geplant war, den Auftritt vom 8. April 1972 live mitzuschneiden und ebenfalls in einer limitierten Auflage vor allem für Fans der Band zu veröffentlichen und wie das "Greasy Truckers"-Album zu einem reduzierten Verkaufspreis anzubieten. Mit einer als State Of The Art zu bezeichnenden Aufnahme-Ausrüstung lief die Band dann an dem Abend zur Höchstform auf und spielte ein phantastisches Konzert, das von Vic Maile komplett aufgezeichnet wurde. Für die Aufnahme stellte die Plattenfirma Pye Records ihre Mobile Recording Unit zur Verfügung, ein damals auf dem neuesten Stand der Studiotechnik basierendes mobiles Tonstudio. Vic Maile war ein alter Hase: Das von ihm mit demselben Equipment aufgezeichnete Live-Dokument "Live At Leeds" von The Who gilt noch heute als eines der grössten Live-Meisterwerke der Rockmusik. Der Abend in Penarth wurde von Vic Maile auf für damalige Verhältnisse revolutionäre 8 Spuren gemastert, was den späteren Nachbearbeitungen (Mixdowns) im Studio enorme klangtechnische Möglichkeiten eröffnete, weshalb die Platte schliesslich einen phantastischen Klang aufwies.
Drei lange Jams wurden für die Veröffentlichung der Platte ausgewählt: "Many Are Called, But Few Get Up", "H. Samuel (Jam)" und "Daughter Of The Fireplace". Da sich der Keyboarder Clive John zuvor aus der Band verabschiedet hatte, spielte die Gruppe zu viert an diesem Konzert. Besonders die beiden Gitarren von Micky Jones und Deke Leonard lieferten sich wundervolle teils harmonische, teils auch konträre Gitarren-Dialoge, und aufgrund des Fehlens eines den Gesamtsound füllenden Keyboards waren vor allem die äusserst melodiereichen und solierenden Bassläufe von Martin Ace ein zusätzliches Highlight. Es verkaufte sich so gut, dass es bereits nach einer Woche restlos ausverkauft war, jedoch nicht mehr nachgelegt wurde. Es wurde auch zu einem reduzierten Verkaufspreis angeboten, was die Käufe zusätzlich steigerten. In der Mid Price Weekly Charts war das Album von 0 auf Rang 1 geschossen, eine Woche später schon nicht mehr verzeichnet (weil die 8000 Exemplare bereits ausverkauft waren!).
Während mehr als 30 Jahren war dieses hervorragende Live-Dokument von MAN dann nicht mehr erhältlich, was zu teils astronomischen Preisen auf dem Second Hand Markt führte. Die “Special Limited Edition For Man Fans” wurde zum begehrten Sammelobjekt nicht nur der zahlreichen begeisterten Fans der Truppe. Erst im Jahre 2002 wurde die Platte erstmalig auf CD wiederveröffentlicht. Und noch einmal fünf Jahre später veröffentlichte dann das Label Esoteric Recordings das komplette Konzert jenes Abends erstmals auch in korrekter Titelabfolge auf einer Doppel-CD, klanglich hervorragend restauriert von den originalen Master-Bändern. Es gibt zahlreiche Live-Produktionen der Gruppe MAN, die allesamt als interessant bezeichnet werden können (beispielsweise das 1975er Werk "Maximum Darkness" mit John Cipollina), jedoch bietet gerade dieses Konzert von 1972 in Penarth, und im speziellen die Komplett-Variante auf der Doppel-CD Wiederveröffentlichung einen einmaligen Eindruck vom wundervoll verspielten Jam-Sound der Musiker, die sich selbst auch immer als Hippies bezeichnet hatten und die auf dem Gras definitiv nicht herumtrampelten, sondern es rauchten.