Apr 30, 2016


MAN - Live At The Padget Rooms Penarth (United Artists Records USP 100, 1972)

Es gibt Platten, die man als wahren Glücksfall bezeichnen kann. Die Veröffentlichung dieses Konzertmitschnitts in England gehört zu diesen Glücksfällen, weil die Umstände, die schliesslich zu dieser Platte führten, eher ungewöhnlich waren. MAN sind eine britische, genauer gesagt, eine walisische Band, was nicht dasselbe ist, wenn man die Musikszene in Wales betrachtet, die damals, zu Anfang der 70er Jahre, ihre ganz eigene und oftmals rein lokale Szene feierte. MAN waren die grosse Ausnahme, denn sie wurden beispielsweise durch ihre Studioplatten auch ausserhalb Englands, und sogar in den USA wahrgenommen und auch geschätzt. Ihr lockerer, bisweilen etwas verkiffte, manchmal auch sehr spaceige Jam-Sound fand zahlreiche Liebhaber ausserhalb Britanniens. Nur im eigenen Land schien die Band etliche Jahre Probleme zu haben, die Fans zu mobilisieren. Besonders zahlreich waren ihre Fans in Deutschland, wo sie unter anderem mit der ebenfalls im eigenen Land weniger populären Gruppe NEKTAR öfters Auftritte vor einem begeisterten Publikum feiern konnte. Bei MAN waren diese Erfolge schliesslich so gross, dass sie sich kurzerhand dazu entschlossen, sich in Deutschland niederzulassen. Dies änderte sich schlagartig am 27. März 1971, als die Gruppe MAN in der Deutschlandhalle in Berlin aus Anlass der sogenannten "London Week" auftrat. Ueber diesen Auftritt, bei welchem auch die britische Band FAMILY mit Roger Chapman spielte, kam es zu Tumulten mit anschliessendem Polizei-Einsatz, worüber in der britischen Presse ausführlich berichtet wurde. In dem Bericht war allerdings auch zu lesen, dass die Gruppe MAN die mit weitem Abstand qualitativ beste Performance hingelegt habe, was nun auch endlich im Vereinigten Königreich zur Kenntnis genommen wurde.

Bereits am 1. Mai 1971 spielte die Gruppe dann live in Penarth's "Padget Rooms", gefolgt von zahlreichen Auftritten in England, lediglich unterbrochen durch Studioaufnahmen und einige Konzerte in der Schweiz und in Deutschland. Das nächste Projekt, an welchem die Gruppe mitarbeitete, nannte sich "The Greasy Trucker's Party" in London. Die Greasy Truckers waren eine Gruppe von unabhängigen Hippies, die zumeist in Fronarbeit Gutes im Namen des Herrn taten - heute würde man das vielleicht als Charity Unternehmen bezeichnen. Um diese uneigennützige Non Profit Gruppe zu unterstützen, fand im legendären Roundhouse in London ein Konzertanlass statt, dessen Einnahmen vollumfänglich dieser Organisation zugute kommen sollten. Mit von der Partie waren neben der Band MAN auch die Gruppen Brinsley Schwarz, Hawkwind und Magic Michael (Moorcock). Das Konzert wurde live mitgeschnitten und als limitiertes Doppelalbum veröffentlicht.

Da MAN inzwischen auch in England viele neue Fans gewinnen konnten, entschlossen sie sich, raschmöglichst ein eigenes Live-Album nachzureichen, weil die "Greasy Truckers Party" wider Erwartens so erfolgreich war. Die Band wählte für die Aufnahmen das nahe Cardiff gelegene Penarth, wo die Gruppe bereits im Jahr zuvor in den "Padget Rooms" gespielt hatte. Geplant war, den Auftritt vom 8. April 1972 live mitzuschneiden und ebenfalls in einer limitierten Auflage vor allem für Fans der Band zu veröffentlichen und wie das "Greasy Truckers"-Album zu einem reduzierten Verkaufspreis anzubieten. Mit einer als State Of The Art zu bezeichnenden Aufnahme-Ausrüstung lief die Band dann an dem Abend zur Höchstform auf und spielte ein phantastisches Konzert, das von Vic Maile komplett aufgezeichnet wurde. Für die Aufnahme stellte die Plattenfirma Pye Records ihre Mobile Recording Unit zur Verfügung, ein damals auf dem neuesten Stand der Studiotechnik basierendes mobiles Tonstudio. Vic Maile war ein alter Hase: Das von ihm mit demselben Equipment aufgezeichnete Live-Dokument "Live At Leeds" von The Who gilt noch heute als eines der grössten Live-Meisterwerke der Rockmusik. Der Abend in Penarth wurde von Vic Maile auf für damalige Verhältnisse revolutionäre 8 Spuren gemastert, was den späteren Nachbearbeitungen (Mixdowns) im Studio enorme klangtechnische Möglichkeiten eröffnete, weshalb die Platte schliesslich einen phantastischen Klang aufwies.

Drei lange Jams wurden für die Veröffentlichung der Platte ausgewählt: "Many Are Called, But Few Get Up", "H. Samuel (Jam)" und "Daughter Of The Fireplace". Da sich der Keyboarder Clive John zuvor aus der Band verabschiedet hatte, spielte die Gruppe zu viert an diesem Konzert. Besonders die beiden Gitarren von Micky Jones und Deke Leonard lieferten sich wundervolle teils harmonische, teils auch konträre Gitarren-Dialoge, und aufgrund des Fehlens eines den Gesamtsound füllenden Keyboards waren vor allem die äusserst melodiereichen und solierenden Bassläufe von Martin Ace ein zusätzliches Highlight. Es verkaufte sich so gut, dass es bereits nach einer Woche restlos ausverkauft war, jedoch nicht mehr nachgelegt wurde. Es wurde auch zu einem reduzierten Verkaufspreis angeboten, was die Käufe zusätzlich steigerten. In der Mid Price Weekly Charts war das Album von 0 auf Rang 1 geschossen, eine Woche später schon nicht mehr verzeichnet (weil die 8000 Exemplare bereits ausverkauft waren!).

Während mehr als 30 Jahren war dieses hervorragende Live-Dokument von MAN dann nicht mehr erhältlich, was zu teils astronomischen Preisen auf dem Second Hand Markt führte. Die “Special Limited Edition For Man Fans” wurde zum begehrten Sammelobjekt nicht nur der zahlreichen begeisterten Fans der Truppe. Erst im Jahre 2002 wurde die Platte erstmalig auf CD wiederveröffentlicht. Und noch einmal fünf Jahre später veröffentlichte dann das Label Esoteric Recordings das komplette Konzert jenes Abends erstmals auch in korrekter Titelabfolge auf einer Doppel-CD, klanglich hervorragend restauriert von den originalen Master-Bändern. Es gibt zahlreiche Live-Produktionen der Gruppe MAN, die allesamt als interessant bezeichnet werden können (beispielsweise das 1975er Werk "Maximum Darkness" mit John Cipollina), jedoch bietet gerade dieses Konzert von 1972 in Penarth, und im speziellen die Komplett-Variante auf der Doppel-CD Wiederveröffentlichung einen einmaligen Eindruck vom wundervoll verspielten Jam-Sound der Musiker, die sich selbst auch immer als Hippies bezeichnet hatten und die auf dem Gras definitiv nicht herumtrampelten, sondern es rauchten.




Apr 29, 2016


HORSE - The Same Sky (Capitol Records C1-48966, 1990)

Horse ist eine absolute Ausnahme-Sängerin. Okay, "Pferd" ist jetzt vielleicht nicht unbedingt der kommerziell wirkungsvollste Name für eine Sängerin, und dennoch trifft der Name voll ins Schwarze. Horse McDonald, mit bürgerlichem Namen eigentlich Sheena Mary McDonald hat eine unglaublich powervolle Stimme, die manchmal in dieses unwiderstehliche Roger Chapman-Tremolo verfällt (was man bei einer Frau normalerweise nicht zu hören kriegt - ebenso ungewöhnlich wie einnehmend.

Als ich vor mehr als 25 Jahren die erste Platte der Band ("The Same Sky") ungehört bestellt hatte, bekam ich eigentlich eine Scheibe, die ich gar nicht wollte. Es gab da nämlich so eine Progressive Rock-Legende, ebenfalls mit dem Namen "Horse" - ein hartes progressives Rock-Werk, das im Original von 1970 stammt. Offenbar hatte ich einfach die falsche Platte bestellt. Anfänglich nervte ich mich ziemlich ob des Fehlkaufs, doch dann hörte ich mir diese in meiner Hörgunst ständig wachsende Scheibe immer und immer wieder an. Dabei empfand ich diese gewaltige Stimme von Sängerin Horse je länger je interessanter. Nach einiger Zeit landete die Platte gleichwohl irgendwo in den hintersten Ecken meiner Sammlung, und dort fristete die Scheibe fortan ein unbeachtetes Dasein.

Gegen Ende der 90er Jahre tauchte dann auf einmal ein Stück in den Clubs auf mit dem Titel "Careful". Der Song war als Jimmy Gomez Club Mix veröffentlicht worden und wurde zum Disco-Dauerbrenner. Der Song entstammte jenem Album der Gruppe Horse, und lebte als letztes Stück der originalen LP lediglich von Horse's Stimmgewalt und dezent unterlegten Streichern. Für diese Neuauflage als Dancefloor Remix jedoch wurden richtig coole Club-Grooves unterlegt - garantiert technofrei. Dank dieses unwiderstehlich locker groovenden "Careful" erinnerte ich mich dann auch wieder an jene Platte, die ich doch seinerzeit mal zufällig "falsch" bestellt hatte. Nach etlichen Jahren wurde ich so zum eigentlichen Fan von Miss McDonald.

Im Zuge meiner Recherchen stiess ich dann auf ein Album aus dem Jahre 1993, betitelt "God's Home Movie". Tatsächlich konnte ich diese CD dann noch in einem Second Hand Laden ergattern und als ich dieses Zweitwerk zum erstenmal hörte, fragte ich mich einmal mehr völlig frustriert, warum denn genau diese Band keinen nennenswerten Erfolg gehabt hat. Diese zweite Scheibe der Gruppe hätte eigentlich ebenfalls alles gehabt, was es zu einem Durchbruch im grossen Stil braucht. Tolle Stimme, exzellente Band und hervorragend eingespielte und arrangierte Songs. Wenn ich heute einen musikalischen Vergleich ziehen müsste, würde ich Horse irgendwo zwischen der deutschen Band Peacock Palace (Sängerin Petra Jansen), dem typischen 80er und 90er Jahre Pop-Rock und der US-Band Lone Justice (Sängerin Maria McKee) ansiedeln. Man kann bei dieser Gruppe echt eine Entdeckung machen.

Insgesamt 9 Platten hat die Sängerin mit ihrer Band bislang veröffentlicht, und noch immer fasziniert ihre Stimme und noch immer warte ich darauf, dass diese Frau endlich mal den Durchbruch schaffen könnte. An den Songs kann es nicht liegen, aber auch nicht an den Begleitmusikern der Dame. Im Oktober und November 2010 liess sich die Gruppe etwas Besonderes einfallen: Für eine Tournee spielte sie das erste Album "The Same Sky" komplett zum 20 jährigen Jubiläum, und diese Tournee wurde durchaus gefeiert. Die schottische Sängerin stand im Laufe der letzten zweieinhalb Dekaden unter anderem mit Bryan Ferry, B.B. King oder Tina Turner auf der Bühne und ihr bis dato bekanntester Song "Careful" wurde auch von Will Young gecovert.





Apr 28, 2016


JOHN & BEVERLEY MARTYN - The Road To Ruin (Island Records ILPS 9133, 1970)

Von all den Musikern, die der britische Folk Music Boom zu Mitte der 60er Jahre hervorgebracht hatte, war John Martyn mit Sicherheit der progressivste und auch einer der einflussreichsten Künstler. In seine Folk Musik liess er Elemente aus dem Jazz, dem Blues und der Rockmusik einfliessen und inspirierte mit diesem überaus innovativen und faszinierenden musikalischen Gebräu ganze Generationen von nachfolgenden Künstlern. Dass Folk Music plötzlich derart anmachend und sexy grooven konnte, war bis dato von keinem Folk Künstler zu hören. Tanzbarer Sound war das zwar nicht wirklich, aber stilistisch enge Grenzen wurden von John Martyn mit einer Leichtigkeit aufgebrochen, dass man schon von einer kleinen Sensation sprechen konnte. Die vielen nachfolgenden Künstler, die gerne John Martyn's offensichtliche Innovation als wesentlichen Einfluss ihrer eigenen Musik nannten, bestätigen die grosse Nachhaltigkeit von Martyn's grenzenüberwindendem Schaffen sehr eindrücklich.

Im Alter von 15 Jahren erlernte John Martyn das Gitarrenspiel autodidaktisch und bereits nach zwei Jahren spielte er regelmässig an Folk Abenden in den Pubs um die Ecke und in den vielen Folk Clubs rund um die Stadt Glasgow, wo er aufgewachsen war. Der bekannte lokale Folkmusiker Hamish Imlach entdeckte und förderte den jungen Musiker, der seinerseits von der klassischen Musik inspiriert war, aber auch vom barocken Folk-Stil eines Davey Graham. Durch Imlach's Kontakte konnte John Martyn zusammen mit der sehr bekannten Incredible String Band als Support Act erste professionelle Auftritte bestreiten, und wurde so einem stetig wachsenden Publikum bekannt, das den aussergewöhnlichen Stil des Künstlers sehr schätzte. Es dauerte nicht lange, da wurde Chris Blackwell, der Besitzer der Plattenfirma Island Records, auf das eigenwillige Talent aufmerksam und er verpflichtete den Künstler für sein Label. Das Resultat war John Martyn's erste LP, betitelt "London Conversations". Es ist überliefert, dass die Einspielung der gesamten Platte lediglich die Summe von 158 englischen Pfund gekostet haben soll. Nicht gerade teuer für ein Album, das trotz seiner spärlich instrumentierten und eher introvertierten musikalischen Auslegung sowohl von Kritikern wie Käufern mit ausgezeichneten Lobeshymnen versehen wurde, was letztlich dazu führte, dass Chris Blackwell dem jungen Talent einen langjährigen Plattenvertrag offerierte. Nach dem Debutalbum im Oktober 1967 folgte im Dezember 1968 das Nachfolge-Album mit dem Titel "The Tumbler", und das stellte einen grossen Schritt vorwärts dar, denn hier baute John Martyn zum erstenmal auch Jazz-Elemente in seine Folkmusik mit ein, was seinen Stil nachhaltig prägen sollte. Zum einen offenbarte diese zweite Platte seine Fähigkeiten als Songschreiber mit weit offenen stilistischen Empfindungen, andererseits war der jazzige Anteil in der Musik auch den Mitstreitern geschuldet, etwa dem Jazz-Flötisten Harold McNair. Diese LP wurde von Al Stewart produziert, einem Künstler, der auch noch selber mit hervorragenden Platten erfolgreich werden würde.

Im Januar 1969 lernte John Martyn die Folksängerin Beverley Kutner kennen, die damalige Freundin von Paul Simon. Nach einem Achtungserfolg durch einen Auftritt am Monterey Pop Festival 1967 war Beverley Kutner auf der Suche nach Begleitmusikern für weitere Konzerte, sowie die Ausarbeitung ihrer eigenen Stücke, auch im Hinblick auf die Veröffentlichung einer Platte. Die beiden lernten sich rasch auch lieben und heirateten schon im Frühsommer 1969 und gingen gemeinsam auf Tournee. Der Plattendeal mit Warner Brothers in den USA, der Beverley Kutner in Aussicht gestellt worden war, wurde nicht erfüllt. Stattdessen spielte das Ehepaar Martyn nun ihre eigene Platte für Island Records ein, das dann in den USA von Warner Brothers vertrieben wurde. Die Platte hiess "Stormbringer" und war ziemlich erfolgreich, weil sie mit ihren Arrangements und ihrer offenen Folk Rock-Attitüde durchaus mit Bob Dylan und The Band vergleichbar war. Bei den Sessions zu dem Album war denn auch der Schlagzeuger Levon Helm von The  Band zu hören, ausserdem einige weitere hochkarätige Musiker. Das Album erhielt jedoch unerwartet nicht die Resonanz wie sein Vorgänger, weshalb sich John und Beverley Martyn schon bald nach der Veröffentlichung im Februar 1970 damit beschäftigten, neue Songs zu schreiben.

Produzent Joe Boyd verpflichtete für die Aufnahmen diesmal gleich zwei weitere Jazz-Musiker, nämlich den Saxophonisten Ray Warleigh, der zuvor für Alexis Korner, die Keef Hartley Band und für John Mayall tätig gewesen war und Lyn Dobson (ebenfalls Keef Hartley Band und Soft Machine) an Querflöte und Saxophon. Auch der Saxophonist Dudu Pukwana von Chris MacGregor's Brotherhood Of Breath und Assagai spielte auf dem Album mit, das den Titel "The Road To Ruin" erhielt. Mit Alan Spenner, Dave Pegg und Danny Thompson spielten auch Rockmusiker auf diesem Album mit. So entstand dann eine einmalige musikalische Mixtur, die im weitesten Sinne den Zweck erfüllte, Folkmusik leicht jazzig und gleichzeitig bodenständig rockig erklingen zu lassen, was zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im November 1970 als durchaus progressiv bezeichnet werden konnte.

Der coole und lockere leicht jazzige Groove von "Primrose Hill", das auch als Single veröffentlicht wurde, eröffnete dieses Album sehr geschmackvoll, gesungen von Beverley Martyn mit sehr viel Feeling. Abwechselnd sangen John und Beverley Martyn die Leadstimmen, was den jeweiligen Songs viel Abwechslung gab und das Werk zu einem äusserst vielschichtigen Charakter verhalf: Immer passten die Songs perfekt auf die jeweilige Leadstimme: Das verträumte "Auntie Aviator", das wohl wundervolle subjektive "Give Us A Ring" und das Titelstück sind die musikalischen Höhepunkte hier, obgleich das ganze Album wie aus einem Guss klingt. Trotz opulenter Besetzung sind die Stücke immer sehr transparent arrangiert, wirken zu keiner Zeit überladen, respektive überproduziert und umschmeicheln jederzeit gekonnt die wundervollen Stimmen der beiden Hauptakteure. Der Anteil an Jazz-, respektive Rockmusik wirkt hier immer unterstützend und gibt den Songs Lebendigkeit und Erdung - ein perfekter Kontrast zu den eher träumerischen Stimmen der beiden.

Leider schaffte es aber auch diese zweite Platte des Ehepaars Martyn nicht in die Charts, weder in Amerika, noch in Europa, weshalb John Martyn später wieder als Solokünstler in Erscheinung trat und auch weiterhin qualitativ hervorragende Alben ablieferte, von denen sein 1973 veröffentlichtes Werk "Solid Air" heute als eines der grossen Meisterwerke des Folkrock gilt. Auch spätere Werke wie "Inside Out" (ebenfalls von 1973) oder "One World" (1977) waren hervorragend. John Martyn starb nach zahlreichen gesundheitlichen Problemen (unter anderem musste ihm ein Bein amputiert werden, weshalb er in den letzten Lebensjahren nur noch im Rollstuhl auftreten konnte) am 29. Januar 2009 60-jährig in Irland, nachdem ihm noch eine ganz besondere Ehre zuteil geworden war: Queen Elizabeth die Zweite ernannte den Künstler zum "Officer Of The Order Of The British Empire".



 

Apr 27, 2016


TONY BANKS - A Curious Feeling (Charisma Records CAS 1148, 1979)

Tony Banks war der massgebliche kreative Eckpfeiler bei Genesis. Doch während sämtliche Musiker der Gruppe erfolgreiche Solokarrieren lancieren konnten, blieben die eigenwilligen Werke von Tony Banks eher erfolglos. Heute ist vielen Musikhörern vermutlich nicht einmal bekannt, dass er überhaupt Soloplatten veröffentlicht hat. Den Künstler Tony Banks frustrierte das so sehr, dass er lange Zeit gar keine Soloalben mehr veröffentlichte und sich ziemlich aus dem Rampenlicht verabschiedete. Dass Tony Banks' Soloalben durchwegs erfolglos blieben, liegt hauptsächlich daran, dass er stets versucht hat, massenkompatible Popmusik zu schreiben. Er hatte mit Nik Kershaw oder Fish sehr illustre Gastsänger, mal versuchte sich Banks auch selbst als Sänger. Am Ergebnis änderte das nie etwas: seine Popmusik war meist farblos und langweilig und extrem erfolglos. Ein Teil des Niedergangs von Genesis mag auch darin begründet liegen, dass Tony Banks wohl auf Gedeih und Verderb erfolgreiche Popsongs schreiben wollte.

In Kooperation mit Phil Collins und Mike Rutherford war ihm das in den 80er Jahren durchaus gelungen. Doch auf sich alleine gestellt gelang ihm das nie. Es mag deshalb vielleicht etwas seltsam anmuten, dass es zu Anfang durchaus vielversprechend für Tony Banks' Solokarriere aussah. Nach dem Genesis Album "And Then There Were Three" und den akuten Ehe- und Alkoholproblemen von Phil Collins einigten sich die verbliebenen Genesis Musiker auf eine einjährige Bandpause. Collins wollte sein Leben und seine Ehe in den Griff kriegen (und sammelte dabei erste Ideen für sein Debutalbum), während Mike Rutherford und Tony Banks ihre ersten Soloalben produzierten. "A Curious Feeling" ist ein Konzeptalbum mit einer recht seltsam anmutenden Geschichte. Etwas, das man im Progressive Rock Bereich kennt und liebt und es sollte durchaus aufhorchen lassen. Banks erzählt auf seinem Album die Geschichte eines Mannes, der einst als Kind eine Wette mit dem Teufel einging und schwor, sich niemals in eine Frau zu verlieben. Als der Mann sich Jahre später dann schliesslich doch verliebt (und die Wette mit dem Teufel vergessen hat) fordert die Wette ihren furchtbaren Tribut. 

"A Curious Feeling" war zwar musikalisch nicht unbedingt auf dem bekannten Genesis Sound aufgebaut, trotzdem vermischte Tony Banks die Sounds von "Wind And Wuthering" und "And Then There Were Three" und liess bereits viel vom späteren Genesis Album "Duke" erahnen, doch Banks setzte die Thematik des Albums mit sehr viel Gefühl und Stilsicherheit um. "A Curious Feeling" war das Album, auf welchem man am besten den grossen Einfluss von Tony Banks auf die Musik von Genesis heraushören konnte. Einige Stücke von "A Curious Feeling" könnten durchaus auch auf den erwähnten Genesis Alben vorhanden sein.

Der Einstieg in das Album mit dem opulenten "From The Undertow" fiel sehr schwermütig aus, was vor allem die Melodielinie des Klaviers unterstrich. Die nachfolgend teilweise recht bombastisch arrangierten Instrumentaltitel wie "Forever Morning" und "The Waters Of Lethe" hingegen boten erstklassigen Progressive Rock, der zeitlich sehr viel früher angesiedelt war als im Jahre 1979, in welchem diese Platte erschien. Somit konnte man hier durchaus ein "Déjà Vu" erleben, wenn man sich beispielsweise noch an die Genesis etwa von 1974 erinnerte. Das Stück "You" war eines der Highlights auf dem Album, das eher verhalten begann, sich gegen die Mitte hin jedoch kontinuierlich steigerte und förmlich zu explodieren schien und schliesslich in einem phänomenalen Instrumentalteil überzeugte. Hier zog Tony Banks alle Register seines Könnens. Einer der besten Songs, die er überhaupt komponiert hatte. Daneben fanden sich auf dem Album allerdings auch Nummern, die nahe an der Popmusik angesiedelt waren, wohl auch, um noch einmal den Versuch zu unternehmen, kommerziell zu reüssieren. Im Kontext zur ganzen Platte fallen diese Titel jedoch leider etwas ab. Mir persönlich gefällt das natürlich, denn ich mag solche Stilbrüche immer, bringen sie doch nebst der Abwechslung auch immer eine gewisse Ruhe und etwas leichte Konsumierbarkeit in den Gesamtsound mit ein. Kritiker jedoch sehen darin immer ein Zugeständnis in Richtung Vermarktbarkeit und Loslösung vom Gesamtkonzept. Ich halte das für etwas übertrieben. Ein Beispiel für diesen Pop-Appeal bietet der Song "Lucky You". Schön gemacht, losgelöst vom Rest der Musik und eine ganz eigene Facette und vor allem ein hervorragender Songtext, was im klassischen Pop ja auch nicht wirklich Standard bedeutet, oder ? 


Tony Banks zeigte auf diesem alles in allem hervorragenden Album, dass er leichten Pop gekonnt mit teilweise recht anspruchsvollem und bisweilen leicht sperrigem Progrock hervorragend zu kombinieren wusste. Seine Popeinflüsse waren hier weit weg von jeglicher Banalität und in seinen progressiv ausgelegten Stücken zeigte er, welch herausragenden Titel er auch in diesem Bereich stets imstande war, zu schreiben. Warum diese Progressive Rock Einflüsse dann immer mehr zurück gingen in seiner Musik, ist wohl vor allem mit dem Zeitgeist und den damit verbundenen musikalischen Trends und den grundsätzlichen Veränderungen in der Musikwelt zu erklären. Hätte Tony Banks die Linie seines ersten Soloalbums fortgesetzt, hätte er womöglich einen ähnlich populären Status wie Steve Hackett erreichen können.

"A Curious Feeling" ist die Musik, die jedem Fan der älteren Genesis und jedem Freund von keyboarddominierten Konzeptalben der etwas schwermütigen Sorte gefallen wird. Tony Banks liess sich auf seinem Debütalbum von Kim Beacon am Gesang und dem damaligen Konzert-Schlagzeuger von Genesis, Chester Thompson, unterstützen. Banks spielte ansonsten sämtliche Instrumente selbst, auch die Saiteninstrumente. Im charakteristischen Klaviersound des Musikers spielten die Gitarren hier aber eher eine untergeordnete Rolle. Das Album atmete noch wunderbar den Geist der ausgehenden 70er Jahre und war der etwas wehmütige Beweis, dass Tony Banks zweifellos ein begabter Komponist war. Der kommerzielle Erfolg war ihm nie beschieden, doch eine treue Hörerschaft attestierte ihm stets ein unglaubliches Talent für komplexe, anspruchsvolle und nachhaltige Musik, die man sich noch nach vielen Jahren mit Genuss anhören kann, und die nie etwas von ihrer Faszination verliert. "A Curious Feeling" ist hierfür ein eindrücklicher Beweis.





Apr 26, 2016


THE GATHERING - How To Measure A Planet ? 
(Century Media Records CM 77268-2, 1998)

Die holländische Band THE GATHERING unterzog sich mit "How To Measure A Planet" einem spürbaren Wandel in ihrer Musik. Auch personell richtete sich die Band neu aus. Der zweite Gitarrist Jelmer Wiersma hatte die Band verlassen, so dass René Rutten nunmehr der alleinige Gitarrist blieb. Musikalisch war der Wandel allerdings um einiges gravierender. So sehr, dass man einige alte Fans wohl vergraulte, zumindest aber sehr irritierte. The Gathering verabschiedeten sich bei diesem Album nämlich von ihrem bis anhin erfolgreichen Konzept der vorangegangenen Alben und legten einen Grossteil der Heavy Metal Anleihen ab, um sich statt dessen elektronisch veränderten Gitarrenklängen, sanft dahinfliessenden Melodien und einer gehörigen Portion progressivem Rock zu widmen. Die Sängerin Anneke Van Giersbergen hatte nach eigener Aussage auch keine Lust mehr, stets als sogenannte Metal-Braut verstanden zu werden. The Gathering ist dieser Imagewandel aber auf jeden Fall gelungen.


Schon der erste Track des Albums, der hypnotische Zeitlupen-Schweber "Frail" zeigte die neue Richtung an: Anstelle von krachenden Metal Riffs oder der gewohnten grob-stürmischen Dynamik gab es ein sehr sinnliches und zerbrechliches, ätherisches und schwebendes Stück zu hören. Anneke Van Giersbergens Stimme kam nun plötzlich völlig losgelöst und wesentlich einnehmender zur Geltung. Sie bewies hier eindrücklich, dass sie in der Tat sehr viel mehr in ihrer manchmal fast elfenhaften Stimme hatte, als nur eine harte Rock-Stimme. Auch die beiden nachfolgenden Titel "Great Ocean Road" und "Rescue Me" liessen keinen Zweifel offen, dass The Gathering sich musikalisch weiterentwickelt hatten. Hier gab es durchaus sehr viel Power, doch saftige Keyboardklänge und durch geschickte Effekte veränderte elektrische Gitarren verliehen den Stücken ein ganz neues Gewand. Geblieben war die emotionale Wirkung der Songs und das Melodiegefühl. 

Auf "Rescue Me" mit einer instrumentalen Tour de Force im Mittelteil, auf dem unter anderem auch das exotische Theremin eingesetzt wurde, zeigte die Band, dass sie es immer noch krachen lassen konnte, doch wirkten die Kompositionen an sich jetzt reifer, komplexer und sehr viel atmosphärischer. Man entdeckte die etwas filigraneren Seiten, probierte neue Klangmöglichkeiten aus, was auch hervorragend gelang. Und so ungewohnt dieser neue Stil zuerst klingen mochte für die bisher doch eher rockige Klientel - es war letztlich gar nicht möglich, sich dieser wundervollen neuen Musik zu entziehen. Diese Mischung aus Sinnlichkeit und Kraft, welche die Band in Ansätzen bereits vorher auszeichnete, war nach wie vor präsent und erzeugte wie gewohnt eine grosse Wirkung, mit dem veränderten Klangbild und der stilistischen Neuausrichtung allerdings noch um einiges gefühlvoller und einnehmender. Musikalisch gab es nun eine grössere Bandbreite. Sinnliches, Zärtliches, Rockiges, Episches, Progressives und auch Härteres fügte sich auf "How To Measure A Planet" zu einem überzeugenden Gesamtwerk zusammen. 

Ursprünglich war "How To Measure A Planet" in der Erstauflage einmalig als Doppel-CD Version geplant. Spätere Auflagen sollten nur noch die erste CD beinhalten. Aber das wurde dann wieder fallengelassen, so dass man auch heute immer noch das Album mit beiden CDs erwerben kann. Es wäre auch seltsam gewesen, die zweite CD wegzulassen, befindet sich dort doch das Titelstück. Die zweite CD bietet mit "Probably Built In The Fifties" auch noch ein weiteres Highlight - wer aber beim fast 29-minütigen Titelstück zuerst als Progfan in Entzückung gerät, wird leider enttäuscht. Das Titelstück entpuppt sich mehr als experimentelle Klang-Collage ohne konkretes, eigentliches Leitmotiv. Hier fliesst die Musik allerdings am schönsten, wirkt am spaceigsten und am meisten sphärisch. Ansatzweise kann man in den anderen Stücken dieses herausragenden Werkes ebenfalls Spacerock-Effekte aus wabernden und wobbelnden Synthesizern hören, doch dieses Titelstück ist, auch weil es über die gesamte Distanz instrumental gehalten bleibt, eine Reise in den rockmusikalischen Orbit, wobei die fast meditativen Passagen den konkret-rockenden weitaus überlegen sind. Eine herrliche Space Jam, die im Booklet der CD als erklärenden Text die mathematische Formel enthält, wie unser Heimatplanet exakt vermessen wird.

The Gathering schafften mit diesem Album den Ausbruch aus der eigenen Formel, die bei erneuter Anwendung vielleicht zur Gefahr geworden wäre, stilistisch vor Ort zu treten. So aber war der Band mit "How To Measure A Planet" ein äusserst beeindruckendes Werk gelungen. Die späteren Jahre sollten zeigen, dass die Gruppe mit diesem Stilwechsel alles richtig gemacht hatte. Nach vielen Jahren war ihr ätherischer, manchmal mystisch-losgelöster Rock längst zu ihrem Markenzeichen geworden. Eine stilistische Richtung, die hier in diesem Werk ihren Anfang nahm.


Apr 25, 2016

Eric "Roscoe" Ambel
Punk, Rock'n'Roll und Americana


Der Name Eric "Roscoe" Ambel fällt mir erstmals Ende der 70er Jahre auf, als ich an eine Single der Band DIRTY DOGS mit dem Titel "Sonority Girl" gelange, die musikalisch in etwa dem entspricht, was ich zu der Zeit am liebsten höre: Punkig trashiger Power-Pop. Ich behalte den Namen einigermassen in guter Erinnerung und werde dadurch auf die Band ACCELERATORS aufmerksam, die in Wirklichkeit nur die Vorgänger-Band unter neuem Namen ist. Von ihnen kaufe ich mir eine LP, die mir zwar in punkto Gitarrenarbeit (Eric Ambel) sehr gut gefällt, aber die Songs sind nicht unbedingt das Gelbe vom Rock-Ei, weshalb ich die Band ad acta lege. Zeitgleich mit seinen ACCELERATORS arbeitet "Roscoe" auch als Gitarrist in Joan Jett's Blackhearts, und bei Joan Jett überzeugt mich das Gitarrenspiel von Eric Ambel auf dem Album "I Love Rock'n'Roll".

Anfang der 80er Jahre gründet Eric Ambel die geniale Band THE DEL-LORDS zusammen mit Scott Kempner, der zuvor bei den DICTATORS schon abrockte, und die mir natürlich auch ein Begriff waren. Die DEL-LORDS waren eine unglaublich tolle Roots Rock Band, die leider ziemlich übersehen wurde. Ihr Album "Based On A True Story" gehört für mich zum Besten, was in den 80er Jahren erschienen ist, und gänzlich ohne synthetische Mittel auskam. Der Band gehörte auch der spätere Drummer von Cracker an (Frank Funaro). Die Songwriter-Qualitäten von Scott Kempner waren enorm. Er schrieb für die Platte vom taffen Wüstenrock ("Crawl in Bed"), über leidenschaftlich vorwärtspreschende Blues-Rocker ("A Lover's Prayer", "River of Justice") bis zu ohrwurmigem Power-Poprock ("I'm Gonna Be Around" oder "Whole Lotta Nothing Going On") hervorragende, zeitlos gute Songs und mit der Ballade "Poem of the River" im Duett mit Pat Benatar ein Akustik gewordener Traum der absoluten Ausnahmeklasse. Auf dem Album darf sich auch Reverend Mojo Nixon am Rande etwas austoben und die Platte profitiert zusätzlich durch Gast-Contributions von Jimmy Powers, Curtis James, Syd Straw und Lenny Castro. "Roscoe" hat später weiter Roots-Rock gemacht, aber die Klasse dieses Albums hat er meiner Meinung nach nie mehr ganz erreicht.

Noch als er die Band DEL-LORDS am Leben erhielt, spielte Eric Ambel schon mit einer weiteren Band, seiner "Roscoe's Gang" zusammen. Mit dieser Band spielte er mehrheitlich Roots Rock der eher gemässigten Sorte, sprich: eher countryinfiszierter Americana Sound. Da er sich inzwischen auch als Produzent unter anderem für die BOTTLE ROCKETS, die BLOOD ORANGES oder NILS LOFGREN einen Namen gemacht hatte, konnte er die Sache mit der eigenen Mucke natürlich lockerer angehen. So erstaunt es nicht, dass Eric Ambel immer mal wieder ziemlich nicht-chartsorientierte Songs aufnahm, mit dener er unter Insidern natürlich einen hohen Status erreichte, kommerziell aber in der Regel immer floppte. "Loud And Lonesome" ist zum Beispiel ein absolutes Klasse-Album (mit seiner "Roscoe's Gang"), aber leider ging die Platte völlig unter. Da halfen nicht mal ausgezeichnete songs aus den Federn von Dan Baird (Ex-Georgia Satellites), Terry Anderson oder Greg Trooper.

Es folgten Produzenten-Jobs für Freedy Johnston (einem hervorragenden Songwriter der amerikanischen Ostküste), Blue Mountain, The Backsliders, Go To Blazes (texanisch angehauchter Roots-Rock), Tammy Faye Starlite und Mary Lee's Corvette.

1996 dann der Ueberhammer: Eric Ambel gründet zusammen mit dem ehemaligen Satellites-Frontmann Dan Baird die Haudrauf-Kapelle THE YAYHOOS, Bassist Keith Christopher und Drummer Terry Anderson sind auch dabei. Die Band veröffentlicht ein hervorragendes, staubig-trockenes Holzfäller-Rockalbum, betitelt "Fear Not The Obvious", das ebenso wie fast alle Vorgänger-Alben von Eric Ambel, bei uns leider praktisch überhaupt nicht zur Kenntnis genommen wird (Bloodshot Records, 2001).

1999 baut er mit "Cowboy Technical Services" sein eigenes Tonstudio und gelangt damit - sowie seinem Ruf als hervorragendem Produzenten - zu grossem Erfolg. Zu seiner aufnehmenden Klientel gehören etwa Ryan Adams, Robert Randolph & The Family Band, Steve Wynn, Marshall Crenshaw, Laura Cantrell, The Silos, The Damnwells und Martin's Folly.

Im darauffolgenden Jahr tourt er mit der Band von Steve Earle ("The Dukes") und ist zu einem Grossteil verantwortlich für den Erfolg von Earle's Album "Jerusalem".

Zu absoluten Produktions-Highlights von Eric Ambel zähle ich auch die Alben "Perfect City" von Florence Dore und das Klasse Rock-Album"The Knitter" von Cheri Knight (von der Band Blood Oranges, welche Ambel ebenfalls produzierte). Diese beiden Ladies-Alben gehören eigentlich in jede Sammlung.

Für mich gilt daher sei jeher: Wo Eric "Roscoe" Ambel draufsteht, ist immer tolle Musik drin! Denn überall, wo Eric "Roscoe" Ambel produziert, spielt er in der Regel auch Gitarre, komponiert und singt mit.

Zu den Referenzplatten, auf denen das Talent von Eric "Roscoe" Ambel als Musiker und/oder als Produzent/Arrangeur nachgehört werden kann, gehören unter anderem:

THE DEL-LORDS - Based On A True Story (1988, Enigma Records)
ERIC AMBEL & ROSCOE'S GANG - Loud And Lonesome (1994, Survival Records)
THE YAYHOOS - Fear Not The Obvious (2001, Bloodshot Records)
CHERI KNIGHT - The Knitter (1995, East Side Digital Records)
FLORENCE DORE - Perfect City (2002, Slew Foot Records) 
NILS LOFGREN - Crooked Line (1992, Rykodisk Records)
SYD STRAW - War And Peace (1996, Capricorn Records)
BIG IN IOWA - Green Pop (2001, Blue Rose Records)
BLOOD ORANGES - The Crying Tree (1994, East Side Digital Records)
BOTTLE ROCKETS - Brand New Year (1999, Dolittle Records)
DEMOLITION STRING BAND - Pulling Up Atlantis (2001, Okra-Tone Records)
GO TO BLAZES - Anytime, Anywhere (1994, Glitterhouse Records)
JONO MANSON - Little Big Man (1998, Paradigm Records)
MOJO NIXON - Whereabouts Unknown (1995, Ripe Records)
YAYHOOS - Fear Not The Obvious (2001, Bloodshot Records)

nebst vielen weiteren.

Eric "Roscoe" Ambel zum anhören:









JASPER WRATH - Jasper Wrath (Sunflower Records SNF-5003, 1971)

Eines der vielen Merkmale der Rock Revolution, die ab 1967 einsetzte und der Kreativität keine Grenzen mehr setzte war der Umstand, dass es zahlreiche Bands und Musiker gab, die kaum je in den Genuss einer Plattenveröffentlichung kamen. Ebenso viele Interpreten erhielten die Chance, eine Single oder gar ein Album eufzunehmen, das dann oft sang- und klanglos unterging. Und schliesslich gab es diese grossen Lichtblicke: Alben, denen irgendwelche Kritiker-Orakel eine grosse Zukunft verhiessen, letztlich aber doch nicht reüssieren konnten, obwohl eigentlich alles perfekt zu sein schien: Tolle Musiker, hervorragende Songs und ein Top-Produkt. Die Gruppe Jasper Wrath aus New Haven, Connecticut, gehörte zu diesen verheissungsvollen Bands. Sie wurde im Jahre 1969 ins Leben gerufen. Die vier originalen Gründungsmitglieder Jeff Cannata (Schlagzeug), Michael Soldan (Keyboards), Robert Giannotti (Gitarre) und Phil Stone (Bass) schafften es schon ein Jahr später, einen Plattenvertrag beim Label MGM Records zu ergattern. Zwei Jahre später erschien dann auf deren Unterlabel Sunflower Records das selbstbetitelte Debütalbum der Gruppe. Auf diesem Album spielte die Band einen noch in den späten 60er Jahren verwurzelten Psychedelik Rock, der sich gar nicht so sehr von der Musik unterschied, die in jener Zeit und etwas früher an der amerikanischen Westküste, wie zum Beispiel von Jefferson Airplane gespielt wurde.

Bisweilen herrlich laidback und gefühlvoll groovy rockten die Titel, die von den Arrangements her sehr einnehmend gestaltet waren und vor allem von der spielerisch abwechslungsreichen Gitarre, den geschmackvollen Keyboards (zumeist dem Klavier) und dem auffälligen mehrstimmigen Chorgesang bestimmt wurden. Streckenweise finden sich auch dezent progressive Klänge in ihrer Musik, die dann bisweilen auch jazzige Gitarrenlinien aufweisen, Quer- und Blockflöteneinlagen (mitunter auch elektrisch verstärkt und verzerrt - man höre "Odyssey"), elektronische Rhythmuselemente (in "Drift Through Our Cloud"), klassikinspirierte Pianoausflüge und umfangreichere, durchaus komplexe Jam-Abschnitte (in den längeren Stücken). Insbesondere die zweite Seite der LP (ab "Did You Know That") macht richtig Spass und bietet einen abwechslungsreichen angejazzt-psychedelischen US-Proto Prog, der wirklich gut unterhält.

Auf dem Cover der LP tauchten die vier Musiker (bis auf Michael Soldan) übrigens aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen unter Pseudonymen, respektive mit nicht ganz korrekt geschriebenen Namen auf. Jeff Cannata hiess dort Christopher Hawke, Robert Giannotti firmierteals Robert Gennette und Phil Stone als Philip Stoltie. Hier ist vielleicht ein schönes Stpck spekulative Mystik verborgen, die sich heute wohl nicht mehr aufklären lässt.

Nach dem Erscheinen des Albums, als sich die Band eigentlich für einer US-Tournee vorbereiten sollte, verliess überraschend der Gitarrist Robert Giannotti die Gruppe, die sich, da offenbar kein passender Ersatz gefunden werden konnte, in der Folge abrupt auflöste. Cannata und Soldan versuchten daraufhin ihr Glück zwischenzeitlich in Europa, wo sie unter anderem in Spanien (auf Mallorca) und in England eifrig neue Songs komponierten und bisweilen auch in unterschiedlichen Besetzungen hin und wieder live auftraten, jedoch ohne einen nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen. Als die Musiker dann 1973 recht frustriert wieder zurück nach Connecticut kamen, hatten sie allerdings ein Mellotron im Gepäck und diverse Konzerte britischer Progressive Rock Bands erlebt. Die erneut ins Leben gerufene zweite Inkarnation der Gruppe Jasper Wrath bewegte sich musikalisch daher in weitaus progressiveren Gefilden, als sie das auf ihrem Debütalbum präsentierte. Die reaktivierte Band gab etliche Konzerte, war an der amerikanischen Ostküste auch einige Zeit lang recht populär, veröffentlichte auch noch eine Single, löste sich aber 1976 erneut und diesmal endgültig auf, ohne dass noch ein weiteres Album worden wäre, obwohl alleine der Umstand, dass Jasper Wrath zusammen mit nur einer Handvoll weiterer Progressive Rock Bands weltweit im Besitz eines Mellotrons war, das einen orchestralen Sound erzeugen konnte und den neuen Musikstil der Gruppe ziemlich bereichern konnte.

Der ehemalige Band Promoter John Dubuque erinnerte sich später: "Ich hatte Christopher Hawke für eine Outdoor-Show in Milford gebucht. Tatsächlich trat dann eine Band namens, Jasper Zorn auf. Ich glaube, es war ihr erstes Konzert. Obwohl für mich überraschend und unerwartet, spürte ich schon, sobald die Band zu spielen begann, dass sie grosses Potential hat. Ich ermunterte die Band, seine Handvoll Songs in den nächsten sechs bis acht Monaten zu schreiben und ein paar Demos einzuspielen. Innerhalb von ein paar Wochen weckten diese Demos dann das Interesse der Plattenfirma MGM Records, worauf auch umgehend Verträge ausgehandelt wurden und Jasper Wrath ihren ersten Plattenvertrag in der Tasche hatten". Aufgenommen in sechs Wochen in Phil Ramone's A & R Studio in New York, hatte die Gruppe danach ihr selbstbetiteltes Debütalbum eingespielt und veröffentlicht.

Leider kam es innerhalb der Band schon kurz nach der Veröffentlichung der finalen Single aufgrund mangelnden kommerziellen Erfolges erneut zu musikalischen Differenzen, was den Musikstil der Gruppe betrifft, und so gingen die Mitglieder von Jasper Wrath letztlich getrennte Wege. James Christian, Phil Stone und Jeff Batter gründeten mit der Gruppe EYE eine andere Band, die vor allem in Connecticut sehr populär war, bevor James Christian zu den Glam-Metallern HOUSE OF LORDS wechselte. Jeff Cannata und Michael Soldan gründeten später die Band ARC ANGEL, bevor Cannata eine Solokarriere anstrebte. Scott Zito wiederum spielte auf ausgezeichneten Alben etwa von Grace Slick und Michael Bolton mit. Er schrieb auch die meisten Songs auf Grace Slick's 1981er Album "Welcome To The Wrecking Ball", bei welcher auch Bandkumpel Phil Stein den Bass spielte.

Das kleine Independent Label Dellwood Records veröffentlichte später noch zwei Alben mit bislang unveröffentlichtem Studio-Material von Jasper Wrath. Leider ziemlich irreführend war allerdings, dass diese beiden Alben nicht unter dem eigentlichen Bandnamen Jasper Wrath erschienen, sondern unter den fiktiven Namen COMING HOME und dem Titel "Arden House", während die andere als das unbetitelte Debüt-Album von ZOLDAR & CLARK in Verkehr gebracht wurde.

1996 veröffentlichte der Musiker Jeff Cannata in Eikgenregie eine zwei Alben umfassende Anthologie mit Jasper Wrath Material. Das Set enthielt die Stücke der ursprünglichen Debüt-LP, der nachfolgenden Single, ausserdem einige Titel aus den beiden Alben, die unter den mysteriösen Namen Arden House und Zoldar & Clark posthum erschienen waren, plus bisher unveröffentlichtes Live-Material. Jasper Wrath feierten für kurze Zeit eine Wiedervereinigung, die jedoch lediglich ein einziges Reunion-Concert in New Haven am 13. Juni 2010 umfasste. Diie Performance bestritten die Original-Mitglieder Jeff Cannata, Robert Gianotti, Michael Soldan und Jeff Batter sowie zwei neue Musiker an Gitarre und Bass.

Wenn der Band auch lediglich eine äusserst kurze Karriere beschieden war, so bleibt Jasper Wrath letztlich eine der angesehensten und einflussreichen Bands ihrer Zeit aus Connecticut.