Sep 30, 2017


MASTODON - Once More 'Round The Sun (Reprise Records 543021-1, 2014)

Mastodon ist eine im Jahr 2000 gegründete US-amerikanische Metalband aus Atlanta (Georgia), die verschiedene Musikstile von Progressive Metal über Sludge und Math- bis Hardcore in sich vereint. Typisch für Mastodon sind lange Instrumentalteile, anspruchsvolle Rhythmusvariationen und komplexe Gitarrenriffs. Der Schlagzeuger Brann Dailor und der Gitarrist Bill Kelliher spielten bis 1999 zusammen in der experimentellen Death Metal Band Lethargy. Nachdem die Band auseinander brach, gaben die Musiker ein kurzes Gastspiel bei der Band Today Is The Day, mit der sie das Album "In The Eyes Of God" einspielten. Anfang 2000 lernten Dailor und Kelliher bei einem Konzert der Band High on Fire in Atlanta den Gitarristen Brent Hinds und den Bassisten Troy Sanders kennen. Hinds und Sanders kannten sich bereits seit 1993 und waren zum damaligen Zeitpunkt gerade von Rochester nach Atlanta umgezogen. Die Musiker fanden schnell heraus, dass sie die gleichen Bands wie etwa Neurosis, die Melvins oder Thin Lizzy mochten. Nach zwei Jam Sessions im Januar 2000 wurde die Band dann offiziell gegründet.

Der Bandname stammt von den Mastodonten, einer Familie der Rüsseltiere. Die Idee dazu kam Brent Hinds, der eines Tages auf eine seiner Tätowierungen zeigte und fragte, wie dieses Tier hiesse, welches wie ein prähistorischer Elefant aussehe. Die gleiche Tätowierung trägt Bill Kelliher auf seinem Oberarm. Das Motiv stammt aus dem Film Krieg der Sterne und ist auf den Rüstungen der Figur Boba Fett zu sehen. Mit dem Sänger Eric Saner war die erste Besetzung komplett. Im Juni 2000 nahm die Band ein Demo mit neun Liedern auf. Saner verliess die Band nach wenigen Monaten aus persönlichen Gründen, kurz bevor Mastodon auf eine fest gebuchte Tournee gehen wollten. Aus Zeitgründen übernahmen Hinds und Sanders den Gesang. Mastodon tourten mit Bands wie Cannibal Corpse, Morbid Angel und Queens Of The Stone Age an der Ostküste der USA. Anfang 2001 wurde über Reptilian Records die EP "Slick Leg" veröffentlicht, bevor die Band von Relapse Records unter Vertrag genommen wurde.

Im Frühjahr 2001 folgte eine weitere Tournee an der US-amerikanischen Ostküste zusammen mit den Bands Eyehategod, Keelhaul und Burnt By The Sun sowie Auftritte beim Milwaukee Metal Festival. Im August 2001 erschien mit der EP "Lifesblood" die erste Veröffentlichung über Relapse Records. Kurze Zeit später wurde in den Zero Return Studios in Atlanta das Debütalbum "Remission" aufgenommen. Nach der Veröffentlichung im Mai 2002 konnten Mastodon einige kleine Erfolge im Untergrund verbuchen. Ende 2002 tourten Mastodon zusammen mit Darkane und High on Fire durch Japan, bevor die Band 2003 zusammen mit The Haunted und Hatesphere die ersten Konzerte in Europa spielten. Weitere Konzerte in den USA zusammen mit Clutch folgten. Ebenfalls 2003 nahm Mastodon für eine Split-EP mit der Band American Heritage eine Coverversion des Thin Lizzy Songs "Emerald" auf. Mitte 2004 nahm die Band in Seattle ihr zweites Studioalbum "Leviathan" auf, welches im August veröffentlicht wurde. "Leviathan" war ein Konzeptalbum, das sich lose auf Herman Melville's Roman 'Moby Dick' bezog. Mit etwa 8000 verkauften Einheiten in der ersten Woche schafften Mastodon zum ersten Mal den Sprung in die Charts und erreichten in den USA Platz 139. Die britischen Rockmagazine Kerrang! und Terrorizer kürten "Leviathan" zum Album des Jahres.

Mastodon tourten mit Fear Factory und Sworn Enemy durch Nordamerika, bevor sie zusammen mit Killswitch Engage an der 'Jägermeister Music Tour' von Slayer teilnahmen. Nach einer Europatournee mit den Bands Dozer und Extol wurden Mastodon von Reprise Records, einer Tochterfirma des Major-Labels Warner Music unter Vertrag genommen. Im Sommer 2005 nahmen Mastodon an der Ozzfest-Tour durch Nordamerika teil und teilten die Bühne mit Bands wie Black Sabbath und Iron Maiden. Ende des Jahres begann die Band mit den Aufnahmen für ihr drittes Studioalbum. Relapse Records veröffentlichten im Januar 2006 unter dem Titel "Call Of The Mastodon" eine neu gemasterte Version des Demos. Später folgte mit "The Workhorse Chronicles" die erste DVD, die Konzertmitschnitte und Interviews enthielt. Im September 2006 erschien mit dem von Matt Bayles produzierten "Blood Mountain" das dritte Album Mastodons. Das Konzeptalbum über das Element Erde, nach Feuer ("Remission") und Wasser ("Leviathan") das dritte Album über die vier Elemente, bot neben Gastauftritten von Neurosis-, The Mars Volta- und QOTSA-Musikern den bislang massenkompatibelsten Zugang zur Musik der Band: Der Anteil extremen Metals wurde zurückgeschraubt und dafür vermehrt auf melodische Bögen und Progressive Rock Elemente Wert gelegt. Musikkritiker hoben erneut die instrumentalen Fähigkeiten der Bandmitglieder positiv hervor, so seien die Hochgeschwindigkeits-Licks und gitarristische Akrobatik brillant, nahezu unglaublich und setzten neue Genre-Standards. Vermehrt wurden Vergleiche mit Bands wie Rush und King Crimson bemüht.

Im Herbst 2006 spielten Mastodon im Vorprogramm der Europatour von Tool, Anfang 2007 folgten Shows unter anderem mit Slayer und Converge. Das Stück "Colony Of Birchmen" erhielt in der Kategorie 'Best Metal Performance' eine Grammy Nominierung. Der Preis ging jedoch an Slayer. Im März 2007 spielten Mastodon beim Dubai Desert Rock-Festival ihr erstes Konzert im Nahen Osten. Am 9. September 2007 spielten Mastodon zusammen mit Josh Homme das Stück "Colony Of Birchmen" bei den MTV Video Music Awards. In der Nacht legte sich Brent Hinds in betrunkenem Zustand mit dem System Of A Down-Bassisten Shavo Odadjian an. Es kam zu einer Schlägerei, bei der Hinds schwere Kopfverletzungen, eine gebrochene Nase, zwei blaue Augen und Hirnblutungen erlitt. Hinds musste daraufhin für längere Zeit im Krankenhaus behandelt werden. Nach Hinds Genesung machte sich die Band an die Arbeiten zu ihrem vierten Studioalbum "Crack The Skye", das von Brendan O’Brien produziert und am 24. März 2009 veröffentlicht wurde. Es komplettierte die Elemente-Serie der Vorgängerwerke. Zwischenzeitlich tourte die Band Ende 2008 zusammen mit Slayer, Trivium und Amon Amarth im Rahmen von Slayers 'Unholy Alliance'-Tour durch Europa. Nach der Veröffentlichung von "Crack The Skye", das eher an den Progressive Rock der 70er Jahre angelehnt war und mit positiven Kritiken ausgezeichnet wurde, folgten Nordamerika-Touren mit den Bands Dethklok, Between The Buried and Me und Baroness sowie Auftritte in Europa mit Metallica. Bei den ausgiebigen Touren für "Crack The Skye" entstand Mastodon's erste Live-DVD "Live at the Aragon" mit einer kompletten Aufführung des Albums. Es erschien im März 2011.

Im Jahre 2010 schrieben Mastodon auf Anfrage von Jimmy Hayward einen instrumentalen Soundtrack zu dessen auf dem gleichnamigen DC Comics-Helden basierenden Film 'Jonah Hex'. Brent Hinds bekam zusätzlich einen Cameo-Auftritt in diesem Film. Zwei Wochen nach dem Filmstart in den Vereinigten Staaten wurde die EP "Jonah Hex: Revenge Gets Ugly" digital über Reprise Records veröffentlicht. Ein Jahr später steuerten Mastodon zum offiziellen Soundtrack des Science Fiction Films 'Transformers 3 - Die dunkle Seite des Mondes' mit "Just Got Paid" eine Coverversion des gleichnamigen ZZ Top-Titels bei. Anschliessend begann die Band mit dem Songwriting für ein fünftes Studioalbum. Seit Ende April wurden auf der offiziellen Facebook Seite von Mastodon Fotos veröffentlicht, die die vier Musiker bei Aufnahmen zeigen. Unter anderem war auch Dave Grohl von der Band Foo Fighters zu sehen, der jedoch nicht auf dem Album zu hören war. Mit Mike Elizondo arbeiteten Mastodon mit einem neuen Produzenten, der zuvor hauptsächlich mit Hip Hop-Künstlern wie Dr. Dre oder Eminem gearbeitet hatte. Das Album mit dem Titel "The Hunter" wurde am 23. September 2011 veröffentlicht. Erstmals konnte sich die Band in den Top 10 der US-amerikanischen Albumcharts platzieren. Die Single "Curl Of The Burl" wurde im Jahre 2012 für den Grammy in der neu geschaffenen Kategorie 'Best Hard Rock/Metal Performance' nominiert. Der Preis ging jedoch an die Foo Fighters.

Ende 2012 begann die Band mit dem Schreiben neuer Musik. Mitte des folgenden Jahres nahm die Band zusammen mit Rob Zombie, Five Finger Death Punch und Amon Amarth an der Rockstar Energy Drink Mayhem-Festivaltournee teil. Im Dezember 2013 später kam das Livealbum "Live At Brixton" heraus, das am 11. Februar 2012 in der Londoner Brixton Academy mitgeschnitten wurde. Gleichzeitig begannen die Aufnahmen für das sechste Studioalbum, das von Nick Raskulinecz produziert wurde. Das Album trug den Titel "Once More ’Round the Sun" und erschien am 20. Juni 2014. Das Album erreichte Platz sechs der US-amerikanischen Albumcharts und erreichte in Finnland gar die Spitzenposition.

"Once More ’Round the Sun" war das inzwischen sechste Studioalbum. Die Single "High Road" wurde für den Grammy in der Kategorie 'Best Metal Performance' nominiert. Die Musiker begannen im Herbst 2012 mit den Arbeiten am neuen Album. Gitarrist Brent Hinds erklärte in einem Interview mit MTV, dass er an unheimlich-gespenstischer Musik arbeitet, die in G-Moll gehalten sei und an Radiohead erinnere. Die ersten Arbeiten zogen sich in einer Tourpause bis Mai 2013, bevor die Band die durch Europa und Nordamerika tourte. Bis dahin hatten die Musiker 18 oder 19 neue Songs fertig geschrieben. Die Unterbrechung hatte laut Schlagzeuger Brann Dailor keine negativen Auswirkungen auf die Arbeit. Die Musiker liessen sich während des Songwritings von Filmen wie '2001: Odyssee im Weltraum', 'Shining' oder 'Rosemarie's Baby' inspirieren.

Die 15 aufgenommenen Titel brachten es auf eine Spielzeit von rund 90 Minuten. Davon wurden rund 30 Minuten Musik nicht auf dem Album verwendet, da die Band eine Albumlänge von einer Stunde anstrebte. In einem Interview erklärte Sänger und Bassist Troy Sanders, das die nicht verwendete Musik als EP veröffentlicht werden könnte. Brann Dailor ergänzte, dass die für die EP vorgesehene Musik düsterer klingen und mehr Elemente des Doom Metal enthalten würde als die Titel, die auf dem Album veröffentlicht wurden. "Es hört sich einfach mehr nach Winter an. So haben wir die Songs auch aufgeteilt. Auf dem Album findest du diejenigen, die mehr nach Sommer klingen. Natürlich kannst du das Album auch im Winter hören, aber wenn es jetzt rauskommt, rockt es noch mehr". Das Albumcover wurde von dem aus Oakland stammenden Künstler Skinner entworfen. Die Musiker wollten, dass das Leben und der Tod von gigantischen Monstern auf der linken und der rechten Seite des Covers dargestellt werden soll. Alles, was dazwischenliege, stelle den im Album behandelten Zyklus von Leben und Tod dar. Für die Songs "High Road", "The Motherload" und "Asleep In The Deep" wurden auch Musikvideos gedreht. Das Video zu "The Motherload" brachte der Band aufgrund der in dem Video gezeigten halbnackten Frauen, die Twerking tanzen, Sexismusvorwürfe ein.

Wie schon beim Vorgängeralbum "The Hunter" handelte es sich bei "Once More Round The Sun" nicht um ein eindeutiges Konzeptalbum. Laut Brann Dailor beschrieb der Albumtitel, dass ihm und seinen Bandkollegen im letzten Jahr grosse Ereignisse passiert seien. Da es um persönliche Dinge ging, wollte sich Dailor in einem Interview mit dem Magazin Spin nicht weiter dazu äussern, beschrieb aber das Album als eine Art Exorzismus. Gitarrist Bill Kelliher erklärte in einem Interview, dass das Album in loser Form auf dem Leben und den Erlebnissen der einzelnen Bandmitglieder im letzten Jahr beruhe. Im Jahre 2013 hatten die Musiker einige Menschen verloren und weitere Tiefschläge wie Nahtod-Erfahrungen, Krankheiten oder Sucht einstecken müssen. "Aber gerade weil es uns alle zur gleichen Zeit getroffen hat, war es kathartisch, darüber zu schreiben. Wir haben es uns von der Seele geschrieben und hinter uns gelassen. Wir haben diese schlechten Kräfte gebündelt und kehrten sie in etwas Positives um".

Der Titel des Songs "Tread Lightly" war eine Anspielung auf die Fernsehserie 'Breaking Bad'. "Aunt Lisa" und "The Motherload" bezogen sich auf die Tante, respektive die Mutter von Brann Dailor. Das Titellied enthielt ein Sample des Thin Lizzy Titels "Cowboy Song". "Ember City" bezog sich auf eine Situation, in der Brann Dailor auf der Intensivstation eines Krankenhauses neben dem Bett seiner Mutter sass und nicht wusste, was er tun sollte, ausser Musik zu schreiben. Die deutschen Magazine Metal Hammer und Rock Hard kürten "Once More ’Round The Sun" zum Album des Monats Juli 2014. Laut Lothar Gerber vom Metal Hammer präsentierte sich die Band noch nie fokussierter und noch nie wäre ihr Songwriting so auf den Punkt gekommen. Darüber hinaus würde die Band die wärmende Gewissheit festigen, dass sie keine schlechten Alben aufnehmen könne, wofür Gerber sechs von sieben Punkten vergab. Michael Rensen vom Rock Hard schrieb, dass Mastodon endgültig da angekommen wären, wo sie künstlerisch schon länger hinwollten und dabei auf allerhöchstem Niveau durch ihre eigenen, schön garstigen Teil der Gitarrenlärm-Galaxis donnern würden. Rensen bewertete das Album mit 8,5 von zehn Punkten. Peter Kubaschk vom Onlinemagazin Powermetal.de lobte die gemässigtere Ausrichtung ohne Sludge-Anteil und hob die bärenstarken Hooklines hervor. Er bewertete das Album mit 8,5 von zehn Punkten.

Das Album verkaufte sich in der ersten Woche nach der Veröffentlichung in den USA rund 34000 Mal. Damit erreichte das Album Platz sechs in den US-amerikanischen Albumcharts. Das Vorgängeralbum "The Hunter" verkaufte sich in der ersten Woche mit 39000 Exemplaren zwar besser, erreichte seinerzeit aber nur Platz zehn. Im Vereinigten Königreich erreichte das Album Platz zehn und in der Schweiz Platz 13. In Deutschland platzierte sich das Album auf Platz 16 und in Österreich auf Platz 23. Das US-amerikanische Onlinemagazin Artistdirect kürte "Once More 'Round The Sun" zum Rockalbum des Jahres. Im deutschen Magazin Metal Hammer wurde "Once More 'Round The Sun" zum zweitbesten Album des Jahres und besten Progressive-Album des Jahres gewählt. Produziert wurde das Album von Nick Raskulinecz. Die Band entschied sich für ihn, weil sie Raskulineczs Arbeit mit befreundeten Bands wie den Deftones, Alice In Chains oder Queens Of The Stone Age vom Klang her mochten. Die Aufnahmen begannen im November 2013 in den Rock Falcon Studios in Franklin bei Nashville und endeten im Februar 2014. Es war der bis dato längste Entstehungsprozess der Bandgeschichte. Als Gastsänger war Scott Kelly von der Band Neurosis bei dem Titel "Diamond In The Witch House" zu hören. Bei dem Stück "Aunt Lisa" steuerte die rein weibliche Punkband The Coathangers Hintergrundgesänge bei, die an Gesänge von Cheerleadern erinnerten. Gastmusiker bei dem Titel "Asleep In The Deep" waren Vailent Thorr Sänger Vailent Himself (Gesang) sowie Isaiah Owens (Keyboard).

Die vorab ausgekoppelte Single "High Road" wurde für den Grammy in der Kategorie 'Best Hard Rock/Metal Performance' nominiert. Der Preis ging jedoch an Tenacious D. James Christopher Monger vom Onlinemagazin Allmusic bezeichnete Mastodon als eine der herausragendsten Metalbands des frühen 21. Jahrhunderts. Laut der BBC schreibt die Band zwar beknackte Texte, zeigt aber seit ihrem Debütalbum verblüffende Resultate. Mastodon wären die ambitionierteste, furchtloseste und lustigste Heavy Metal Band, seit das Genre in den 70er Jahren seinen Weg aus den Midlands sickerte. Für das US-amerikanische Magazin Alternative Press gehören Mastodon zu den grössten Hard Rock Bands aller Zeiten, während das Magazin Rolling Stone Mastodon für die beste Metalband ihrer Generation hält. Keine andere Band würde ihnen Nahe kommen. Laut Peter Kubaschk vom Onlinemagazin Powermetal.de würden Mastodon ohne Rücksicht auf Verluste Musik schreiben, mit jedem Album einen eigenständigen Sound kreieren und so auch in Zukunft wohl ein Unikat bleiben werden. Ein viel grösseres Kompliment könne man einer Band wohl nicht machen.









Sep 29, 2017

 
BADGER - One Live Badger (Atlantic Records K 40473, 1973)

Nachdem Tony Kaye, der vormals erste Keyboarder der Progressive Rock Legende Yes die Gruppe Flash, die er zusammen mit Peter Banks, der zuvor ebenfalls ein Originalmitglied von Yes war, gegründet hatte, bereits nach relativ kurzer Zeit wieder verliess, lancierte er Anmfang des Jahres 1972 zusammen mit dem Bassisten David Foster, der bereits zusammen mit dem Yes-Sänger Jon Anderson bei The Warriors gearbeitet hatte, die Band Badger als seine eigene 'Progressive Supergroup'. Die Band wurde ergänzt durch den Schlagzeuger Roy Dyke, ein ehemaliges Mitglied der Gruppen Remo Four, Family und Ashton, Gardner & Dyke, mit denen er 1971 den Welthit "Resurrection Shuffle" aufnahm. Das vierte Mitglied wurde Brian Parrish, ehemals Medicine Head (wo er bereits mit Roy Dyke zusammentraf), Three Man Army und Paul Gurvitz.

Das Debütalbum der neu formierten Gruppe, betitelt "One Live Badger" aus dem Jahre 1973 enthielt, ähnlich wie bei den ersten Yes-Alben, lange instrumentale Stücke. Das Interessante und mithin auch Besondere an diesem Debutalbum war indes, dass es keine Studioaufnahmen präsentierte, sondern ein Live-Mitschnitt war. Das Album wurde co-produziert von Jon Anderson und Geoffrey Haslam und die Aufnahmen stammten von zwei Auftritten der Gruppe am 15. und 16. Dezember 1972, als sie für die Band Yes das Vorprogramm bestreiten konnte im legendären Londoner Rainbow Theatre. Die Verbindung zur Gruppe Yes zahlte sich in mancherlei Hinsicht für Badger aus: Nicht nur durfte die Gruppe Badger über das Live-Equipment der Band Yes spielen - ihre Performance konnte dadurch über eine hervorragende Technik auf Band aufgenommen werden - sondern es gab auch eine direkte Connection zum Künstler Roger Dean, welcher einige der Yes Plattencovers designed hatte. So bekam die erste Platte von Badger (übersetzt: Dachs) ein wunderschönes Cover von Roger Dean verpasst, das zwei Dachse in einer Schneelandschaft zeigte.

Insgesamt präsentierten Badger auf diesem Debutalbum sechs Songs, sämtlich aus eigener Feder, von denen fünf von der ganzen Band gemeinsam geschrieben worden waren, sowie ein weiterer Titel aus der Feder von Brian Parrish stammte ("The Preacher"). Der Gesamtsound auf diesem Livealbum war sehr ausgewogen, mal dominierte die Gitarre von Brian Parrish, dann wieder die Keyboards, zumeist die Orgel, gespielt von Tony Kaye. Schon der Opener "Wheels Of Fortune" liess aufhorchen, denn der Track war von einer energetischen Dynamik und verfügte sowohl über eine prägnante Grundmelodie, als auch über einen nachhaltigen kompositorischen Anspruch. Dabei klangen Badger jedoch keineswegs kopflastig oder gar an Yes erinnernd, sondern ziemlich forsch und recht rockig. Auch das nachfolgende "Fountain" setzte auf diese Formel, allerdings mit etwas gebremsterem Tempo. "Wind Of Change" erhöhte dann den Dynamikpegel wieder. Auch die restlichen Songs "River", "The Preacher" und das finale "On The Way Home", das als das rockigste und härteste Gitarrenstück des Auftritts in Erscheinung trat, wussten zu überzeugen. Das Besondere an diesen teils exzellenten Stücken dürfte der Umstand gewesen sein, dass alle Songs zuvor nicht als Studioversionen verfügbar waren, sondern von der Band geschrieben und live aufgeführt wurden und auf dieser Live-Platte zum ersten und einzigen Mal veröffentlicht wurden.

Als die Gruppe im Jahr darauf die Möglichkeit erhielt, ein Studioalbum aufzunehmen, hatte sich das Band Line-Up geändert: Auf der Suche nach neuen musikalischen Inspirationen fanden Tony Kaye und Roy Dyke den Ex-Stealers Wheel Gitarristen Paul Pilnick, der David Foster ersetzte. Gleichzeitig wurde Roy Dyke's alter Wegbegleiter Kim Gardner als Bassist verpflichtet. Die Suche nach einem Frontmann und Songwriter endete bei Jackie Lomax aus Liverpool, der sich zuvor mit The Undertakers und als Soloartist auf dem Beatles Label Apple Records verdient gemacht hatte. Lomax transformierte Badger von einer progressiven Rockband zu einer Soul-orientierten Rhythm & Blues-Band und schrieb alle Songs für die zweite LP der Band. Das Album "White Lady" wurde in New Orleans im Tonstudio des renommierten Produzenten Allen Toussaint aufgenommen, jedoch löste sich die Band nach einem Auftritt in der Croydon's Fairfield Hall als Vorgruppe des Electric Light Orchestra auf. Es muss dabei angemerkt werden, dass dieses Studioalbum in keinerlei Hinsicht mit der Qualität und der Dynamik des Debutalbums mithalten konnte. Natürlich war die Musik eine komplett andere als jene, welche Badger live ein Jahr zuvor präsentiert hatte. In qualitativer Hinsicht war es aber eine mittlere Katastrophe, denn auch die von Jackie Lomax geschriebenen Songs konnten in keinster Weise überzeugen.

Nach dieser ernüchternden Erfahrung kehrte Jackie Lomax zurück zu seiner Solokarriere und nahm weitere Alben für Capitol Records und Warner Brothers auf. Als Studiomusiker arbeitete er zusammen mit Rod Stewart auf dessen "Foolish Behaviour"-LP. Roy Dyke fand man an Projekten im Cafe Society zusammen mit Pat Travers und Chris Barber, während Tony Kaye Mitglied nach kurzen Auftritten bei Detective (mit Michael Des Barres) und Badfinger im Jahre 1983 zu Yes zurückkehrte. Paul Pilnick war bei der Gruppe Deaf School und bei Joe Egan aktiv, Kim Gardner wurde Session-Bassist bei der Dwight Twilley Band. "One Live Badger" blieb ein Unikum in der Rockgeschichte: Eine Band veröffentlichte eine denkwürdige Liveplatte eines mitreissenden Konzertauftritts im Vorprogramm einer der herausragendsten Progressive Rock Bands (Yes), um nach einer absolut faden und uninspirierten Studioplatte den Bettel wieder hinzuschmeissen. Auch nicht eben eine alltägliche Geschichte aus den Annalen der Rockgeschichte. "One Live Badger" aber gehört zu den richtig guten Konzertalben der 70er Jahre.









Sep 28, 2017

 
GARY BURTON & KEITH JARRETT - Gary Burton & Keith Jarrett
(Atlantic Records SD 1577, 1971)

Keith Jarrett ist der älteste von fünf Söhnen einer christlich geprägten Familie. Er hatte seit dem dritten Lebensjahr Klavierunterricht und stand als Siebenjähriger zum ersten Mal auf der Bühne. Als Wunderkind spielte er weitere Konzerte, auch 1962 ein eigenes zweistündiges Klavierkonzert, ohne jemals Orchestrierungs- oder Kompositionsunterricht erhalten zu haben. Seine Mutter und er schlugen ein Angebot zur Ausbildung bei Nadia Boulanger in Paris aus. Jarrett verbrachte ein Jahr am Berklee College of Music in Boston, dem er aber, ausserordentlich begabt und spieltechnisch versiert, wenig abgewinnen konnte. Schon zuvor begann er als Barpianist seine Laufbahn als Live-Musiker. Anschliessend arbeitete er ab 1963 mit bekannten Jazzmusikern wie Chet Baker, Lee Konitz und für längere Zeit mit Art Blakey zusammen. Im Jahr 1966 engagierte ihn der Saxophonist Charles Lloyd für seine Band, mit der er mehrere Europatourneen und auch Auftritte beim Monterey Jazz Festival und im Fillmore West absolvierte. Mitte 1968 gründete er mit dem Bassisten Charlie Haden und dem Schlagzeuger Paul Motian ein eigenes Trio, das er von 1971 bis 1976 um den Saxofonisten Dewey Redman ergänzte (so genanntes amerikanisches Quartett).

Der Durchbruch jedoch gelang Jarrett als Mitglied der Jazz Rock Formationen von Miles Davis, wo er zwischen 1969 und 1971 vor allem Piano und Orgel spielte. Erst im Anschluss trat er auch als Solokünstler auf und spielte Soloplatten ein. Unter anderem veröffentlichte er im Jahre 1971 zusammen mit Gary Burton ein gleichnamiges, gemeinsames Abum für das Plattenlabel Atlantic Records ein. Die gewagte Kombination funktionierte hervorragend und brachte eines der wenigen Alben hervor, das Musik an der Schnittstelle zum Fusion Sound präsentierte, als dieser Begriff vorsichtig ausgedrückt noch in den Kinderschuhen steckte. Der stilistische völlig offene Gitarrist Gary Burton und der von allen Eckpfeilern stets getrennte Keith Jarrett erarbeiteten gemeinsam aus allerlei losen Jams ein paar ganz hervorragende Stücke, die zuletzt ein hervorragendes und aller noch jazzig zu nennenden Konventionen beraubtes Album hervorzauberten. Dabei gelang es den beiden Künstlern, mit Elementen aus schier endlos zu scheinenden Ideenfetzen verschiedenster moderner Musikstile ein ebenso homogenes, wie unprätentiöses Werk zu vollbringen, das man so auf die Art in der Tat noch nicht gehört hatte. Waren bei Keith Jarrett stets die unvorhersehbaren Solo-Schwünge Pflicht, so diente er nun im Zusammenspiel mit Gary Burton dem schier unerschöpflichen Musik-Reichtum der vergangenen 30 Jahre an, und brachte dabei so Gegensätzliches wie unterschwellig immer spürbare Rock'n'Roll-Reminiszenzen, aber auch Pop, Rock, Country gar und - natürlich - jede Menge Jazz-Avantgarde meist gleichzeitig zum strahlen.

Das gemeinsame Werk wurde unterstützt durch den hervorragenden Bass von Steve Swallow und dem Schlagzeug von Bill Goodwin. Das Studio-Quartett spielte insgesamt vier Originalsongs ein, welche die beiden Jazzmusiker gemeinsam geschrieben hatten, ausserdem präsentierten sie mit dem Stück "Como en Vietnam" eine Komposition aus der Feder von Steve Swallow. Gerade Letztere gab dem gesamten Programm eine weitere wunervolle stilistische Note, insbesondere natürlich durch Swallow's lockeren Swing in seinem Basspiel und auch dank seiner recht aussergewöhnlichen Art des Spiels am Bass. Swallow spielte insbesondere den sogenannten 'Double Bass', den er im Laufe der Jahre und seiner Erfahrung in zahlreichen Jazz-Combos präsentiert und angewendet hatte, so beispielsweise bei seinen Engagements zusammen mit Jimmy Guiffre, Paul Bley oder Art Farmer. Ab 1960 hörte er in Yale mit dem Studium auf, wo er zeitgenössische Komposition studiert hatte. Erst in den 70er Jahren wechselte er dann mehrheitlich und schliesslich vorwiegend zum elektrischen Bass. Steve Swallow war mit Carla Bley verheiratet. Swallow war einer der ersten Musiker, welche das hohe 'C' am Bass einsetzten. Auch mit dem Jazzgitarristen John Scofield hatte Steve Swallow zusammengearbeitet.

Der Schlagzeuger Bill Goodwin wiederum war ein Paradebeispiel für einen offenen Musiker, der nicht nur ein offenes Ohr hatte für allerlei Rock-Spielarten, sondern seinen einzigartigen Groove auch in den Dienst der hervorragendstgen Jazz- und Rockmusiker stellte. Seine professionelle Musikkarriere begann er während der 60er Jahre an der Seite von Charley Lloyd, Mike Melovin, Art Pepper, Paul Horn, Gabor Szabo und vielen anderen. Nachdem er von Gary Burton 1969 rekurutiert worden war und diesen drei Jahre lang begleitete, war er im Jahre 1974 einer der Mitbegünder des Phil Woods Quartet. Ihm blieb Goodwin fast 40 Jahre treu und erhielt während dieser langen Zeit insgesamt drei Grammy Awards. Sein Renommée als Schlagzeuger war immens. Neben klassischen Jazzmusikern, wie beispielsweise Bill Evans, Dexter Gordon, Jim Hall, Bobby Hutcherson, June Christy, Joe Williams, Tony Bennett, Mose Allison, sowie The Manhattan Transfer wurde er auch immre wieder von Rockmusikern gebucht. So war er unter anderem auf Tom Waits's Album "Nighthawks At The Diner" von 1975, sowie auf Jefferson Airplane's Werk "Crown Of Creation" zu hören, wo er das sogenannte 'Talking Drum' spielte.

Die vier Kompositionen "Grow Your Own", "Moonchild / In Your Quiet Place", "Fortune Smiles" und "The Raven Speaks" waren zwar offiziell von Keith Jarrett komponiert worden, jedoch in gemeinsamer Arbeit mit Gary Burton und nicht zuletzt veredelt durch die beeindruckende Rhythmusgruppe entstanden. Noch heute steht dieses Werk im Schaffen von Keith Jarrett ziemlich alleine da. So nahe an die 'Contemporary Pop & Rock Music' hat er sich später nie mehr gewandt. Deswegen ist dies eine hervorragende Alternative zu seinem übrigen und extrem vielfältigen und qualitativ überragenden Werk. Er gilt als schwieriger Mensch, der fast wie ein Choleriker agieren kann. Auf der anderen Seite ist er aber auch unbestritten eines der grössten musikalischen Genies unserer Zeit. Bis zum Jahre 1975 spielte Keith Jarrett rund 50 Solokonzerte in aller Welt. Aufnahmen wie "Solo Concerts Bremen/Lausanne" (1974) und "The Köln Concert" (1975) dokumentieren dies. Die Aufnahmen von fünf Soloauftritten in Japan vor 40000 Zuhörern wurden 1979 unter dem Titel "Sun Bear Concerts" in einer Kassette mit zehn LPs veröffentlicht.

Ungefähr zur gleichen Zeit brachte ihn sein Produzent Manfred Eicher zu Projekten wie seinem sogenannten 'Europäischen Quartett' mit dem Saxofonisten Jan Garbarek und der aus Palle Danielsson und Jon Christensen bestehenden Rhythmusgruppe ("Belonging", 1974, "My Song", 1978). Während der frühen 70er Jahre arbeitete Jarrett aber auch mit anderen Musikern wie Freddie Hubbard, Airto Moreira, Kenny Wheeler ("Gnu High", 1975) und Charlie Haden ("Closeness") zusammen. Neben den Aktivitäten im Konzertsaal begann Keith Jarrett auch, sich für klassische Musik und im Jazz unübliche Instrumente zu interessieren. Die Alben "Hymns" , "Spheres" und "Invocations - Moth And The Flame" entstanden an der Riepp-Kirchenorgel in Ottobeuren, die Aufnahme "In The Light" brachte ihn 1973 mit dem Deutschen Südfunk-Sinfonieorchester zusammen, "Book Of Ways" präsentierte ihn am Clavichord; die während der folgenden Jahre entstandenen, mehrfach preisgekrönten, bei der Kritik umstrittenen Einspielungen von Johann Sebastian Bachs Goldberg-Variationen (1989) und seines Wohltemperierten Klaviers (1987/90) spielte er zum Teil auf dem Cembalo.

Zu Beginn der 80er Jahre, nach einer ersten grossen persönlichen Krise, belebte er mit der 1983 einsetzenden Serie von Standards-Einspielungen das Broadway- und Tin Pan Alley-Repertoire wieder und gab im Trio mit Gary Peacock am Kontrabass und Jack DeJohnette am Schlagzeug auch dem Klaviertrio-Format neue Impulse. Seitdem folgten zahlreiche, überwiegend live aufgenommene Einspielungen dieser Gruppe, wobei die Schallplattenfirma allerdings auf eine abwechselnde Veröffentlichung mit Solo-Darbietungen (aus Paris 1988, Wien 1991 und Mailand 1995) achtete. Jarrett litt seit Mitte der 90er Jahre am chronischen Erschöpfungssyndrom. Erst 1998 konnte er wieder mit dem Klavierspiel beginnen. Nach der Genesung nahm er das Soloalbum "The Melody At Night, With You" auf, das zunächst nur ein privates Weihnachtsgeschenk für seine zweite Frau Rose Anne war. In einem Interview äusserte Jarrett, jedes Solokonzert sei für ihn etwas ganz Besonderes, weil ihm diese Krankheit klargemacht habe, dass jedes Konzert sein letztes sein könnte. Das höre man auch seiner Musik an. Er gebe sich sichtlich Mühe, bei seinen neuen Konzerten vollkommen zu spielen und nicht mehr einfach drauflos wie bei seinen berühmten Aufnahmen aus den 80er Jahren. Ausserdem setzte er seine internationale Konzerttätigkeit mit seinem Trio fort. Zu seinen wichtigsten Aufnahmen der neuesten Zeit gehören "Always Let Me Go" (2001), "Up For It" (2002) und die Solo Doppel-CD "Radiance" (2005).

Die Musik von Keith Jarrett ist, wie er in einem Fernsehinterview 2005 berichtete, geprägt durch die Philosophie und Lehre Georges I. Gurdjieffs, dessen "Sacred Hymns" (ECM) er bereits 1980 veröffentlichte, sowie durch die Beschäftigung mit verschiedenen aussermusikalischen Themenbereichen. Keith Jarretts jüngerer Bruder Chris Jarrett ist ebenfalls Pianist und lebt in Deutschland. Sein Bruder Scott Jarrett ist als Singer-Songwriter und Produzent tätig. Keith Jarrett gehört zu den erfolgreichsten und stilprägenden Musikern der vergangenen vier Jahrzehnte und hat vor allem durch seine frühen Solokonzerte massgeblich die Vorstellung vieler Menschen von zeitgenössischer Improvisation beeinflusst. Dabei baute er ein leicht verständliches, transparentes Prinzip des freien Flusses motivisch geprägter Improvisationen aus und kultivierte es. Der grosse Durchbruch kam 1975 schlagartig mit der Veröffentlichung seines legendären, eigentlich unter unglücklichen Umständen stattfindenden "The Köln Concert", das von der damals achtzehnjährigen Konzertveranstalterin Vera Brandes organisiert wurde. Bei Kritikern und beim Publikum war das Köln Concert ein grosser Erfolg. Die Platte bekam den Preis der Deutschen Phono-Akademie und wurde vom Time Magazine zu einer der 'Records of the Year' gewählt. Die Verkaufszahlen liegen bei rund 3,5 Millionen verkaufter CDs und Schallplatten. Die Platte mit ihrem markanten weissen Cover war in vielen Haushalten zu sehen und zierte die Plattenschränke jener Zeit wie die Poster von Che Guevara in Studentenbuden ein Jahrzehnt zuvor. Es ist nach wie vor Jarrett's bekannteste Plattenaufnahme.






Sep 27, 2017


STONE TEMPLE PILOTS - Purple (Atlantic Records 82607-2, 1994)

1987 trafen sich Scott Weiland und Robert DeLeo zum ersten Mal auf einem Konzert der Gruppe Black Flag. Wenig später gründeten sie eine Band. Als Schlagzeuger holten sie sich Eric Kretz, der ihnen bei einer lokalen Band aufgefallen war und nannten sich Mighty Joe Young. Nachdem sie auch Roberts älteren Bruder Dean überreden konnten, als Gitarrist in der Band mitzuwirken, war die Aufstellung komplett. Durch Aufkleber mit den Buchstaben STP (eine Motorenölmarke) inspiriert, versuchten sie, einen Namen daraus zu entwickeln und nannten sich daraufhin Shirley Temple’s Pussy. Nach Demoaufnahmen und Auftritten nahm Atlantic Records die Band 1992 unter Vertrag und brachte sie dazu, sich künftig Stone Temple Pilots zu nennen. Im selben Jahr erschien im November mit "Core" das erste Album der Band. Bis heute ist "Core" rund 7 Millionen mal in den USA verkauft worden. Eine Vielzahl der Alben wurde durch Brendan O’Brien produziert. Der dynamische, anfangs stark vom Grunge beeinflusste Hardrock der Band brachte den Mitgliedern neben einer wachsenden Anhängerschaft auch die Häme vieler Kritiker ein, die die Musik für epigonal und zu kommerziell hielten: Nicht wenige Rezensenten beschäftigten sich in der Folge eher mit den (tatsächlichen oder vermeintlichen) Anleihen bei Bands wie Soundgarden oder Pearl Jam sowie teils auch mit den Drogenproblemen des Sängers Scott Weiland, die sich in der Folge verschärften. Die Singles "Plush" und "Creep" wurden in den Staaten und Europa derweil grosse Erfolge, und die vielfach bissige Berichterstattung in der Fachpresse konnte dem Erfolg der Band nicht viel anhaben.

Im Mai 1994 folgte das zweite Album "Purple", mit dem sich die Band durch einen poppigeren Stil von der Grunge-Szene löste. Durch das Einfügen psychedelischer Elemente prägte die Band stärker einen eigenen Stil. Das Album stieg sofort auf Platz 1 in den Billboard Charts und hielt sich dort drei Wochen. Die Singles "Vasoline" und vor allem der eingängige "Interstate Love Song" wurden grosse Hits. Mit dem Erfolg verschlimmerten sich aber auch die Drogenprobleme des Sängers weiter; die 1995 begonnenen Sessions in einem Studio, um neues Material einzuspielen, scheiterten an der mangelnden Disziplin Weilands, der jetzt immer öfter unentschuldigt abwesend war und den Verpflichtungen der Band fernblieb. Die Arbeiten am Album begannen Ende 1993 und dauerten bis Anfang 1994. Produzent war wie beim Debütalbum Core Brendan O’Brien, der auch die drei folgenden Studioalben der Band produzierte. Es wurde schliesslich in den USA am 7. Juni 1994 über Atlantic Records veröffentlicht. Als erste Single wurde "Big Empty" ausgekoppelt, die bereits 1993 im Rahmen des MTV Unplugged-Konzertes der Band live aufgeführt wurde. Weitere Singles waren im Laufe des Jahres "Vasoline" und "Interstate Love Song", zu denen es - bis auf "Big Empty" - auch Musikvideos gab, die unter der Leitung von Kevin Kerslake gedreht wurden. Als Promosingles, die an Radiostationen und Zeitschriften verteilt wurden, wurden zusätzlich "Unglued" und "Pretty Penny" ausgekoppelt.

Auf dem Artwork wurde der Titel "Purple" durch ein chinesisches Schriftzeichen dargestellt (einzige Ausnahme ist die europäische Limited Edition im Vinyl-Format), genauso wie das gesamte Cover asiatische Einflüsse aufwies. Es zeigte ein Kind, welches auf einem Drachen reitet und dem Betrachter zuwinkte. Im Hintergrund war eine Gruppe von Menschen zu sehen. Auf dem Cover der Kassette hielt das Kind das chinesische Schriftzeichen in der winkenden Hand und war nicht in der Ecke, wie auf dem CD-Cover dargestellt. Aktuell gab es zwei unterschiedliche Pressungen der CD mit einem anderen Muster. Eine mit Blumen und eine andere mit Drachenschuppen. Die Tönung des LP-Covers war in verschiedenen Ländern und Versionen ebenfalls unterschiedlich. Auf der Rückseite der Hülle waren auch nicht wie sonst üblich die Titel angegeben. Stattdessen war in Form einer Torte die Aufschrift "12 Gracious Songs" angebracht.

"Purple" stellt bis heute anhand der Chartplatzierungen das beste Stone Temple Pilots Album dar. An die Verkäufe und auch die Auszeichnungen für Musikverkäufe konnte das Album jedoch nicht an das Debütwerk heranreichen. In den USA erreichte die Band mit "Purple" ein einziges Mal die Spitzenposition der amerikanischen Billboard 200, wo sich das Album drei Wochen hielt. In England gelangte es auf Platz zehn, in der Schweiz auf Platz 25, in Österreich auf Platz 18 und in Deutschland auf Platz 15. In allen genannten Ländern war es die höchste Platzierung, welche die Band je mit einem Album erreichen konnte. Die ersten drei Singleauskopplungen waren in den amerikanischen Charts erfolgreich vertreten. Die erste Single "Big Empty" schaffte es auf Platz 50 der Billboard Hot 100, die zweite Single "Vasoline" sogar auf Platz 38. "Interstate Love Song" schaffte es bis auf Platz 18 und war damit der erfolgreichste Charteinstieg, den die Band mit einer Single geschafft hatte. In Europa waren die Singles weniger erfolgreich. Lediglich in England konnten sich die beiden letzteren Singles in der britischen Hitliste platzieren. Mit "Purple" nahm die Band in den USA bislang sechsmal die Platin-Schallplatte für über sechs Millionen verkaufte Einheiten entgegen. In Kanada wurden bis heute über 300000 Exemplare verkauft (dreimal Platin). In England konnte die Band 1995 eine Silberne Schallplatte für das Album entgegennehmen. Für die erste Single "Big Empty", die auch Soundtrack zu dem Film The Crow – Die Krähe war, nahm die Band im gleichen Jahr den MTV Movie Award in der Kategorie Best Song From a Movie entgegen.

Das Album "Tiny Music…Songs From The Vatican Gift Shop" erschien schliesslich Ende März 1996 und stieg auf Platz 5 der Charts ein. Die Veröffentlichung erhielt Doppelplatin für über zwei Millionen verkaufte Exemplare. Das Songmaterial war von sehr unterschiedlicher Qualität, andererseits verstummten jetzt erstmals viele Kritiker, die der Band zuvor Uneigenständigkeit vorgeworfen hatten. Die Stone Temple Pilots präsentierten eine deutlich 60´s lastige Platte, die an den Beatles geschult war und zwischen Pop-Grandezza und Hard Rock hin und her pendelte. Je stärker die Entwicklung der Band als Musiker voranschritt, desto mehr sanken aber auch die Plattenverkäufe. Die Kritik wies zwar darauf hin, dass es der Band nun offenbar gelinge, einen eigenen Stil zu entwickeln, das Publikum zeigte sich jedoch ungnädig. Abgesagte Tourneen und Auftritte waren aufgrund der Drogensucht Weilands zudem an der Tagesordnung und verhinderten eine entsprechende Promotion des Materials. Die Mitglieder widmeten sich schliesslich 1997 Soloprojekten. So nahm Weiland 1998 sein Album "12 Bar Blues" auf, während die verbleibenden drei Musiker mit dem Sänger von Ten Inch Men, Dave Coutts, das Album "Talk Show" einspielten. 1999 nahmen die Stone Temple Pilots das Album "No. 4 auf", welches einen Querschnitt aus den vorangegangenen Alben enthielt: Das zerfahrene Element von Weilands Soloplatte, die 60er Jahre Einflüsse der Band und der psychedelische Hardrock der ersten beiden Alben prägten die Platte. Zur ersten Single "Down" konnte kein Video gedreht werden, da Scott Weiland gegen seine Bewährungsauflagen verstossen hatte und für fünf Monate ins Gefängnis musste. Die Band griff daher auf Archivmaterial zurück. Die Single "Sour Girl" war indes in Deutschland ein kleiner Erfolg. Bei der nachfolgenden Tournee durch die USA absolvierte die Band rund 200 Auftritte, ein Teil davon fand mit den Red Hot Chili Peppers statt. Das Album "No. 4" erhielt schliesslich Platin für vier Millionen verkaufte Platten in den USA.

Im Jahre 2001 erschien das vorerst letzte Album der Band, "Shangri-La Dee Da". Die Stone Temple Pilots gingen mit Staind und Linkin Park auf Tournee. Nach einer Prügelei zwischen Scott Weiland und Dean DeLeo zerbrach die Band im Jahre 2003. Es folgte im selben Jahr das Best Of Album "Thank You". Die Bandmitglieder gingen von dort an vorerst getrennte Wege. Sänger Scott Weiland gründete im Jahre 2003 mit ehemaligen Mitgliedern von Guns N’ Roses die All-Star-Band Velvet Revolver. Dean und Robert DeLeo gründeten 2005 mit Richard Patrick von Filter die Band Army Of Anyone. Schlagzeuger Eric Kretz eröffnete das Bomb Shelter Studio in Los Angeles. Scott Weiland verliess Velvet Revolver im April 2008, kurz darauf kam es zur Wiedervereinigung seiner alten Band: Am 21. Mai 2010 veröffentlichten die Stone Temple Pilots das erste neue Studioalbum seit 2001, es hiess schlicht "Stone Temple Pilots" und stiess bei den Fans auf positive Resonanz. Es folgten zahlreiche Auftritte auf mehreren Kontinenten. Am 28. Februar 2013 gab die Band über die Website überraschend bekannt, dass man sich per offizieller Kündigung von Sänger Scott Weiland getrennt habe. Die Gründe hierfür wurden zunächst noch nicht angegeben. Am 19. Mai 2013 wurde dann bekannt, dass Chester Bennington der neue Sänger der Band sei. Bennington, der bereits 2001 einmalig mit den Stone Temple Pilots gearbeitet hatte, trat gemeinsam mit der Band auf, die dabei unter anderem den neuen Song "Out Of Time" spielte. Er war zugleich Frontmann seiner bisherigen Band Linkin Park geblieben.

Während Scott Weiland sich öffentlich zu Wort meldete und feststellte, weder habe er die Stone Temple Pilots, die er mitgegründet habe, verlassen noch sei es rechtens, wenn die drei anderen Musiker mit Bennington als Stone Temple Pilots aufträten, wurde gleichzeitig bekannt, dass seine bisherigen Kollegen ihn verklagt hatten, da er während der letzten Tournee durch Unzuverlässigkeit erhebliche finanzielle Verluste und Vertragsbrüche zu verantworten gehabt hätte. Im Oktober 2013 erschien mit "High Rise" die erste und einzige EP mit Chester Bennington. Anfang November 2015 verliess Bennington die Band. Sowohl er als auch die Band erklärten, die Trennung voneinander sei einvernehmlich. Bennington gab Termine mit Linkin Park und familiäre Gründe an, die eine Fortführung seiner Zeit als Sänger bei den Stone Temple Pilots unmöglich zuliessen. Bennington starb im Juli 2017. Am 3. Dezember 2015 wurde Scott Weiland kurz vor einem Auftritt in Bloomington, Minnesota leblos im Tourbus seiner Band Scott Weiland & The Wildabouts aufgefunden. Er starb mit 48 Jahren. Nachdem die Position des Sängers in der Band durch den Abgang Benningtons abermals vakant wurde, entschied sich die Band im Februar 2016, den Posten durch ein Casting neu zu besetzen. Das Vorsingen begann am 18. April 2016 und dauert bis heute an.






Sep 26, 2017


TRIUMVIRAT - Illusions On A Double Dimple (Harvest Records 1C 062-29 491, 1974)

Die deutsche Rockband Triumvirat, beheimatet in Köln, galt in den frühen 70er Jahren als deutsches Pendant zur britischen Art Rock Szene, entwickelte aber relativ bald schon einen sehr eigenständigen und unverwechselbaren Stil. Ab 1976 konnte die von Beginn an in den USA gefeierte Band auch in ihrer Heimat sehenswerte Verkaufszahlen vorweisen. Triumvirat's kreativer und musikalischer Kopf war Hans-Jürgen Fritz, ein klassisch ausgebildeter Pianist, der die Band schon im Alter von gerade mal 16 Jahren gründete und sie mehr als zehn Jahre als wichtigster Ideengeber leitete. Sieben Studiowerke veröffentlichten Triumvirat in der Zeit zwischen 1972 und 1980, die wichtigsten von ihnen avancierten vor allem in Uebersee zu absoluten Topsellern, begleitet von gut besuchten Tourneen und regelmässigen Charts-Notierungen. Ursprünglich waren Triumvirat als reine Instrumentalband gestartet. Inspiriert durch die Musik von The Nice (Keith Emerson), entschied sich Fritz gemeinsam mit dem Bassisten Dick Frangenberg und dem Schlagzeuger Hans Bathelt eine eigene Gruppe zu gründen. Anfänglich beschränkte sich das Live-Repertoire von Triumvirat auf das Adaptieren von Fremdkompositionen, welche die Band bei Konzerten in und um Köln einem zunehmend grösser werdenden Publikum vorstellten.

Mit der Zielsetzung, einen Plattenvertrag zu erhalten, änderte sich ab Winter 1971 nicht nur die konzeptionelle Ausrichtung, sondern auch die Besetzung. Für Dick Frangenberg kam Hans Pape. zudem probten Triumvirat bis zu fünfmal pro Woche und feilten fortan ausschliesslich an eigenen Songs. Es wurden einige Demoaufnahmen im eigenen Probelokal aufgenommen, mit denen die drei Musiker das Interesse von Hartmut Priess (De Bläck Fööss) wecken konnten. Priess vermittelte der Band einen Termin beim Arrangeur und Komponisten Reinhard Pietsch, der seinerzeit als Produzent bei der Plattenfirma EMI Electrola in Köln arbeitete. Die Verantwortlichen von EMI hatten soeben als Gegenstück zu Metronome's Brain Label und auch als Pendant zu Bellaphon's Bacillus Label das auf deutsche Formationen ausgerichtete Harest-Label ins Leben gerufen, und waren auf der Suche nach einheimischen talentierten Bands und Musikern. Triumvirat überzeugte die Verantwortlichen von EMI Electrola sofort. Kaum durften sie dort ihre Probeaufnahmen spielen, kam es auch schon gleichentags zur Vertragsunterzeichnung mit Harvest Records. Innerhalb von nur drei Tagen wurde im Januar 1972 in den Kölner Electrola Studios das Debutalbum "Mediterranean Tales" eingespielt, welches drei Monate später veröffentlicht wurde. Mit der darauf enthaltenen, eine ganze Albumseiten füllenden Suite "Across The Waters", in welcher unter anderem ausgedehnte Mozart-Zitate zu hören waren, konnten Triumvirat ihren Anspruch, an The Nice erinnernde, an der Klassik orientierte Rockmusik zu spielen, erfüllen.

Nach einigen wenigen Konzerten und einem gefeierten Gastspiel beim Krefelder Deutsch Rock Festival gingen Triumvirat erneut ins Tonstudio, um ihr zweites Album "Illusions On A Double Dimple" einzuspielen. Für den in der Zwischenzeit wieder aus der Band ausgestiegenen Bassisten Hans Pape verpflichtete die Gruppe den Multi-Instrumentalisten Helmut Köllen. Gemeinsam mit einem Streicher-Ensemble des Kölner Opernhaus Orchesters, der Bläserabteilung der Kurt Edelhagen Band und einem Background Chor arbeiteten Triumvirat von Juni bis Oktober 1973, und damit deutlich länger als geplant, am neuen Songmaterial. Im März 1974 kam das Album dann in die Läden, gefolgt von einer Tournee, welche die Gruppe zusammen mit der Band Birth Control absolvierte. Nachdem Triumvirat nach dieser Tournee zurück nach hause kamen, nahm plötzlich auch die internationale Karriere ihren Lauf. Der Leiter der Exportabteilung von EMI Records hatte das Album seinem A&R-Kollegen Chan Daniels bei der amerikanischen Plattenfirma Capitol Records angeboten, der angesichts der musikalischen Darbietungen auf "Illusions On A Double Dimple" sofort Feuer und Flamme war. Da die Verantwortlichen von Capitol Records das Album für eine der besten Aufnahmen des Jahres hielten, sich aber insgesamt trotzdem nicht sicher waren, ob dies eine breite Veröffentlichung auf einem US Mayor Label rechtfertigen würde, liessen sie einige Kopien der LP an Radiostationen im ganzen Land zukommen, um deren Reaktionen zu testen. Die Reaktionen waren überwältigend. Ueberall riefen die Zuhörer an und fragten nach einer Bezugsmöglichkeit für diese tolle Musik.

Das Ergebnis waren schliesslich mehr als 180000 verkaufter Exemplare des Albums und auch die versammelte Musikpresse war sich ziemlich einig, dass Triumvirat zu den handwerklich versiertesten und kreativsten deutschen Formationen zählten. Ihre abwechslungsreiche, dynamische musikalische Konzeption baute auf der europäischen Musiktradition auf und liess sich am ehesten mit der von Genesis und stilverwandten Gruppen vergleichen. "Illusions On A Double Dimple" wurde gefeiert wie ein geschlossenes Musik-Konzept, das sich mehr oder weniger wie Emerson, Lake & Palmer's Werk "Tarkus" anhörte, mit weniger technischem Feuerwerk und etwas mehr klassischer Konstruktion und Ausstattung. Im September 1974 starteten Triumvirat auf eine grossangelegte und überaus erfolgreiche USA-Tournee, bei der die Gruppe insgesamt 43 Konzerte gemeinsam mit der Band Fleetwood Mac absolvierte. Das Album platzierte sich ausserdem unter den Top 40 der amerikanischen Billboard Charts, so hoch wie noch keine deutsche Band vor ihnen.

Mit dem zweiten Triumvirat-Album war zum ersten Mal der Bassist und Sänger Helmut Köllen mit von der Partie. Zusammen mit im Vergleich zum Debütalbum variantenreicheren Synthesizer-Einsätzen trugen seine geschmeidig-emotionalen Gesangslinien zu einem ausgewogeneren Klangbild bei, das bereits im die Platte eröffnenden Longtrack "Illusions On A Double Dimple" seinen Höhepunkt erfuhr. Jürgen Fritz verstand es hier - in den Fusstapfen von Keith Emerson wandelnd - dem Moog eine fanfarenartige Dynamik zu entfalten und in behutsamer Manier zusammen mit einer präzise und punktgenau agierenden Rhythmusgruppe für wohl dosierte Bombastschübe zu sorgen. Auch wenn die Musiker von Triumvirat das Rad des von Keyboardsounds dominierten Progressive Rocks nicht neu erfanden, geriet das ganze Klangbild doch sehr viel hymnischer und symphonischer als bei dem grossen britischen Vorbild, wobei der sporadisch auftauchende weibliche, recht lautmalerische Chorgesang im Hintergrund ein Beigewürz war, das nicht einmal nötig gewesen wäre. Die als positiv empfundene symphonische Melodieseligkeit wirkte über die gesamten rund 23 Minuten der ersten Plattenseite schön ausgejammt und mit wohlig-warmen Sounds versehen. Das erweckte den Anschein, als ob die Band ihren Keyboardprunk ein wenig auflockern wollte.

Im zweiten Longtrack "Mister Ten Percent" wurden noch mehr griffige Melodien und mainstreamartige Bläsereinsätze integriert. Bisweilen hatte das den Anschein einer pompös groovenden Rockoper, wozu einige dezente Streichereinsätze auch sehr gut passten. Die jeweils manchmal gesungenen, manchmal intrumental gehaltenen einzelnen Teile der Suite wirkten zusammenhängend und schlüssig, ohne irgendwo den durchgehenden Faden zu verlieren. Aehnlich gut verbaut klangen auch die verschiedenen einzelnen Teile beispielsweise auf Nektar's Werk "Remember The Future". "Illusions On A Double Dimple" geriet zu einem überaus ansprechenden, von Keyboardsounds dominierten Progressive Rockwerk. Es verwundert vielleichth, warum Triumvirat in ihren beiden Epen doch phasenweise auf airplayartige Mainstreamsequenzen setzten. Insgesamt kann man "Illusions On A Double Dimple" als ein progressives Meisterwerk deutscher Musikbands bezeichnen, auch wenn die Gruppe bereits ein Jahr später mit dem Konzeptalbum "Spartacus", dem 1976 erschienenen "Old Loves Die Hard" und dem erneuten Konzeptwerk "Pompeii" von 1977 dieselbe Klasse angediehen liessen und insgesamt betrachtet auf jeden Fall zu den qualitativ bedeutendsten deutschen Rockbands der 70er Jahre gezählt werden können.





Sep 25, 2017


RINGO STARR - Beaucoups Of Blues (Apple Records PAS 10002, 1970)

Bevor sich Ringo Starr (alias Richard Starkey) den Beatles anschloss, war er in der Zeit von 1959 bis 1962 Schlagzeuger in der Liverpooler Band Rory Storm & The Hurricanes. Da die Bands einander sowohl in Liverpool als auch bei ihren Auftritten in Hamburg oft ablösten und untereinander aushalfen, hatte Starr bereits in dieser Zeit engen Kontakt mit John Lennon, Paul McCartney und George Harrison. Als die Beatles im August 1962 ihren Plattenvertrag erhielten und einen neuen Schlagzeuger benötigten, holten sie Ringo Starr fest in die Band. Starr ersetzte den von George Martin als spielerisch zu schwach eingeschätzten Pete Best. Trotzdem wurde Ringo Starr auf Wunsch von George Martin während der zweiten Aufnahme-Session in den Abbey Road Studios durch den Schlagzeuger Andy White ersetzt, mit dem ebenfalls das Stück "Love Me Do" eingespielt wurde, das bereits in der ersten Aufnahmesession am 4. September 1962 mit Ringo Starr als Schlagzeuger aufgenommen worden war. Für die Single "Love Me Do", die dann am 5. Oktober 1962 erschien, wurde eine Aufnahme mit Ringo Starr verwendet. Auf der LP "Please Please Me" von 1963 erschien hingegen eine Version mit Andy White am Schlagzeug.

Bereits vor der endgültigen Trennung der Beatles arbeitete Ringo Starr, zwischen Oktober 1969 und März 1970, an seinem ersten Soloalbum "Sentimental Journey", bei dem er mehrere alte sogenannte Standards der 30er und 40er Jahre einspielte. Der Produzent des Albums war George Martin, der zahlreiche Freunde als Arrangeure gewinnen konnte, darunter Paul McCartney, Klaus Voormann sowie auch prominente Arrangeure wie Quincy Jones oder Elmer Bernstein. Das Album erschien im März 1970 und erreichte die Top Ten der britischen Charts. Ringo Starr verfolgte parallel auch eine Filmkarriere, so wirkte er schon im Jahre 1968 bei dem Spielfilm Candy mit, es folgte im nächsten Jahr The Magic Christian mit Peter Sellers. Im Jahre 1971 spielte Ringo Starr eine Nebenrolle in dem Frank Zappa-Film 200 Motels und in dem Western Blindman. Ringo Starr hatte während der Aufnahmen zu George Harrisons Studioalbum "All Things Must Pass", an dem er als Schlagzeuger mitwirkte, den Pedal Steel-Gitarristen Pete Drake kennengelernt, der dann der Produzent seines nächsten Albums "Beaucoups Of Blues" wurde, das im September 1970 folgte und ein Ausflug in die Countrymusik bedeutete. Das Album sowie die gleichnamige Single blieben kommerziell jedoch erfolglos.

"Beaucoups Of Blues" war somit das zweite Studioalbum von Ringo Starr nach der Trennung der Beatles. Es wurde am 25. September 1970 in England und am 28. September 1970 in den USA veröffentlicht. Ringo Starr wusste, dass Pete Drake mit Elvis Presley und Bob Dylan zusammengearbeitet hatte und sein Ziel war es, in wenigen Tagen ein Country Album in London aufzunehmen. Drake überzeugte Ringo Starr, auch aufgrund von finanziellen Erwägungen, die geplanten Aufnahmesessions nach Nashville (USA) zu verlegen. Ringo Starr wählte Pete Drake als Produzenten, der Komponisten für Countrymusik bat, passende Songs für ein Ringo Starr Album zu komponieren, weiterhin organisierte er die Aufnahmetermine so, dass Ringo am 22. Juni 1970 nach Nashville kam und am 1. Juli 1970 wieder zurück nach England flog. Die ausgewählten Begleitmusiker waren in der US-amerikanischen Countrymusik-Szene wohlbekannt; darüber hinaus war der Schlagzeuger von Elvis Presley, D. J. Fontana, und seine ehemaligen Backgrundsänger The Jordanaires dabei, der ehemalige Gitarrist von Elvis Presley, Scotty Moore, fungierte bei diesem Album als Toningenieur. Die Aufnahmen fanden vom 25. bis 27. Juni 1970 statt. Ringo Starr selber steuerte nur eine Komposition "Coochy Coochy" bei. Dieses Stück wurde in gekürzter Form als B-Seite der Single "Beaucoups Of Blues" veröffentlicht, die bisher unveröffentlichte Originalversion ist 28 Minuten lang. Es wurden zwei weitere Titel aufgenommen: "Nashville Jam" erschien 1995 ebenfalls gekürzt (wie auch "Coochy Coochy") auf der CD-Version der Platte. Ein weiteres Stück mit dem Titel "The Wishing Book" wurde bisher nicht offiziell, sondern nur auf Bootlegs veröffentlicht. Der Designer des aufklappbaren LP-Covers war John Kosh. Die Coverfotos wurden von Marshall Fallwell Jr. in Nashville aufgenommen.

Ringo Starr wirkte in den 70er Jahren bei diversen Alben und Singles von George Harrison wie beispielsweise "All Things Must Pass", "Living In The Material World" und "Dark Horse", sowie bei John Lennon auf dessen Album "John Lennon/Plastic Ono Band" und den Singles "Cold Turkey" und "God Save Us" mit. Der Durchbruch als Solointerpret gelang Ringo Starr dann im April 1971 mit seiner ersten Poprock-Single "It Don’t Come Easy". Die Platte erreichte sowohl in den USA, in England und auch in Deutschland die vorderen Plätze in den Charts. "It Don’t Come Easy" wurde von George Harrison produziert. An der Gitarre war Stephen Stills zu hören, auf dessen gleichnamigem Debütalbum Starr 1970 Schlagzeug gespielt hatte. Ringo Starr wirkte auch am 1. August 1971 beim Konzert für Bangladesch mit, bei dem er Schlagzeug spielte und das Lied "It Don’t Come Easy" sang. Im Jahre 1972 freundete sich Starr mit Marc Bolan an, der zu dieser Zeit mit seiner Gruppe T. Rex erfolgreich war. Starr kümmerte sich damals um Apple Films. Im Film Born to Boogie wirkten ausser Marc Bolan & T.Rex auch Elton John und Ringo Starr selbst mit. Der Film bestand in der Hauptsache aus einem am 18. März 1972 im Londoner Empire Pool aufgezeichneten Konzert vor 10000 Fans. Aber auch zahlreiche Sketche waren enthalten. Im März 1972 erschien die zweite erfolgreiche Single von Ringo Starr mit zwei Eigenkompositionen, dem von Marc Bolan inspirierten "Back Off Boogaloo" und dem von Klaus Voormann produzierten Lied "Blindman" (das im Film nicht zu hören war). Produziert wurde "Back Off Boogaloo" wiederum von George Harrison. Im November 1972 wurde das Album "Tommy – As Performed by the London Symphony Orchestra & Chamber Choir with The Who and Various Artists" veröffentlicht, bei dem Ringo Starr als Uncle Ernie die Titel "Fiddle About" und "Tommy’s Holiday Camp" sang.

Ringo Starrs Single "Photograph" erreichte im Jahre 1973 Platz 1 der Billboard Hot 100. Hierbei handelte es sich um eine Auskopplung aus seinem dritten Soloalbum "Ringo", das im November 1973 erschien, die er gemeinsam mit George Harrison verfasst hatte. Auch die zweite Singleauskopplung des Albums, "You’re Sixteen", erreichte in den USA Platz 1 und "Oh My My" noch Platz 5 der dortigen Charts. Ringo Starr erreichte somit mit seinen drei Singleauskopplungen aus einem Album in den USA drei Top Fünf Single-Hits, davon zwei Nummer 1 Hits. Diesen Charterfolg konnten weder John Lennon, Paul McCartney noch George Harrison erreichen. Ringo Starr gelang es, alle Beatles-Mitglieder zur Mitwirkung an diesem Album zu bewegen. John Lennon überliess Ringo Starr seine Komposition "I’m The Greatest". Bei der Aufnahme des Songs am 13. März 1973 spielte John Lennon Klavier und übernahm den Hintergrundgesang, George Harrison spielte Gitarre, Ringo Starr sang und spielte Schlagzeug. Damit fehlte nur Paul McCartney zu einer Beatles-Reunion. Den Bass spielte allerdings Klaus Voormann, die Orgel Billy Preston. Paul McCartney überliess Ringo Starr seine Komposition "Six O’Clock", bei der er auch musikalisch mitwirkte. Seit dieser Zeit veröffentlichte Starr in Abständen Alben mit einer grossen Zahl von befreundeten Gastmusikern. Allerdings wurde kein weiteres Album kommerziell so erfolgreich wie "Ringo". Neben den Musikproduktionen arbeitete Ringo Starr weiter an seiner Filmkarriere, so erschien im Jahre 1973 That’ll be the Day mit David Essex und im Jahr 1974 Son of Dracula, bei dem er auch am Soundtrack mitwirkte. Im November 1974 erschien "Goodnight Vienna", dessen Titellied John Lennon geschrieben hatte, Lennon wirkte insgesamt bei drei Liedern mit. Zwei Singles des Albums kamen in die Top 10 der Billboard Charts. Die vorab veröffentlichte Coverversion des Platters-Hits aus den 50er Jahren "Only You (And You Alone)", schaffte es bis auf Platz 6, die Single "The No No Song" erreichte sogar Platz 3. Die dritte Auskopplung "(It’s All Down To) Goodnight Vienna" war weniger erfolgreich und kam über Platz 31 nicht hinaus. Als Produzent war wie beim Vorgängeralbum Richard Perry tätig. Im März 1975 wurde das Album "Two Sides Of The Moon" von Keith Moon veröffentlicht, das die Duette "Solid Gold" und "Together" von Ringo Starr und Keith Moon enthielt. Im Juli 1975 wurde Starrs Ehe mit Maureen Starkey geschieden. Im Jahr 1975 kam der Film Lisztomania in die Kinos, bei dem Ringo Starr in einer Nebenrolle mitwirkte.

Im Dezember 1975 erschien das Greatest Hits Album "Blast From Your Past", das alle sieben US Top Ten Hits, beziehungsweise vier Top Ten Hits aus England beinhaltete. Da der Vertrag mit Apple und EMI Records endete, wechselte Ringo die Plattenfirma und unterschrieb im März 1976 bei Atlantic Records. Anfang 1976 nahm er mit Guthrie Thomas noch seine Eigenkomposition "Band Of Steel" als Duett auf, die auf dem Album "Lies And Alibies" von Guthrie Thomas erschien. Im September 1976 erschien Starrs erste Veröffentlichung für Atlantic Records: die Vorabauskopplung "A Dose Of Rock ’n’ Roll" aus Starrs neuem Album, das in den US-amerikanischen Charts nur bis auf Platz 26 kam. Das Album mit dem Titel "Ringo’s Rotogravure" kam eine Woche später auf den Markt. Das Label und der Produzent, am Mischpult war dieses Mal Arif Mardin verantwortlich, waren neu, das Rezept des Albums allerdings ein altes. Wie bei Starrs Erfolgsalbum "Ringo" gelang es, seine ehemaligen Bandkollegen zur Mitarbeit zu bewegen. Lennon, McCartney und Harrison steuerten jeweils eine Komposition bei, ausserdem schrieb Eric Clapton ein Stück für das Album. Wie bei Ringo komplettierte die Coverversion eines erfolgreichen Titels von Bruce Channel aus den 60er Jahren, die zweite, noch erfolglosere Singleauskopplung "Hey Baby" (Platz 74 der US-amerikanischen Charts) die Zusammenstellung der Titel des Albums. Die beste Platzierung des Albums in den USA war Platz 28, in England und Deutschland platzierte es sich nicht in den Charts. Die mässigen Erfolgszahlen des Vorgängeralbums "Ringo’s Rotogravure" mögen ein Grund des musikalischen Stils des Albums "Ringo The 4th", im September 1977 veröffentlicht, gewesen sein, das wie eine Mischung aus Disco und Pop der 70er Jahre klang. Produzent war wieder Arif Mardin. Im Gegensatz zu früheren Alben verzichtete Starr auf die Hilfe prominenter Komponisten und schrieb stattdessen sechs der zehn Titel des Albums selbst in Zusammenarbeit mit dem US-amerikanischen Musiker Vini Poncia. Das Album verkaufte sich schlecht und erreichte in den USA nur Platz 162 der Hitparade, in England und Deutschland verfehlte es wie der Vorgänger den Einzug in die Hitlisten. Die beiden Singleauskopplungen des Albums "Drowning In The Sea Of Love" und "Wings" kamen nicht in die Charts. Im Dezember 1977 erschien der Soundtrack zum Kinderhörspiel mit Musik "Scouse the Mouse", in dem Ringo Starr die Titelrolle der Maus sprach und sang. Im Jahre 1978 übernahm Ringo Starr eine Nebenrolle in dem Spielfilm Sextette.

Nach zwei Misserfolgen trennte sich Atlantic Records von Ringo Starr, der ein neues Label suchte und es bei Portrait Records, damals ein Unterlabel von CBS Records, fand. Dort erschien im April 1978 sein Album "Bad Boy". Um das Album zu vermarkten, wurde ein Musical-Film mit dem Titel "Ringo" zur Ausstrahlung im US-amerikanischen Fernsehen produziert. Der Film war von Mark Twains Der Prinz und der Bettelknabe inspiriert und erzählte die Geschichte eines reichen Pop-Stars (Ringo Starr), der den Erfolgsdruck nicht mehr aushält und den Platz mit einem armen Burschen namens Ognir Rrats tauscht. Ringo Starr spielte eine Doppelrolle: sich selbst und Ognir Rrats. Trotz namhafter Schauspieler wie Carrie Fisher, Vincent Price und John Ritter sowie der Mitwirkung George Harrisons in der Funktion des Erzählers war die Sendung kein Erfolg, und eine positive Werbewirkung für das Album blieb aus. "Bad Boy" war musikalisch ausgereifter als sein Vorgänger, fiel aber bei Kritikern und Käufern durch und kam in den US-Charts nur auf Platz 129. Die beiden Singleauskopplungen des Albums "Lipstick Traces (On A Cigarette)" und "Heart On My Sleeve" verfehlten den Einzug in die Charts. Ringo Starr hatte im Jahre 1978 keinen Plattenvertrag für Kontinentaleuropa mehr. In dieser Situation begab er sich mit Russ Ballard als Produzent im Juli 1978 in Kopenhagen (Dänemark) ins Studio, um ein neues Album aufzunehmen, was dann aber nicht fertiggestellt wurde. Nach den Fehlschlägen in seiner musikalischen Karriere war Ringo Starr während des Jahres 1979 mit mehreren weiteren Krisen konfrontiert. Im April brach er zusammen und musste sich in Monte Carlo einer Operation unterziehen. Am 28. November 1979 zerstörte ein Feuer sein Haus in Los Angeles. Starr blieb unverletzt, aber ein grosser Teil seiner gesammelten Andenken aus der Beatles-Zeit ging verloren. Andererseits traf er im Februar 1980 zu Dreharbeiten des Kinofilms Caveman seine zukünftige Frau Barbara Bach, die er am 27. April 1981 heiratete. Auf der Hochzeitsfeier waren George Harrison und Paul McCartney anwesend, eines der Hochzeitsbilder zeigte die drei ehemaligen Beatles erstmals seit der Trennung der Gruppe wieder zusammen.

Aufgrund der Ermordung von John Lennon am 8. Dezember 1980 nahm George Harrison das Lied "All Those Years Ago", das ursprünglich für Ringo Starr vorgesehen war, als Hommage an John Lennon neu auf. Dazu änderte er den Text und lud Paul und Linda McCartney sowie Denny Laine ein, den Hintergrundgesang beizusteuern. Da Ringo Starr schon bei den ursprünglichen Aufnahmen im November 1980 Schlagzeug spielte, waren bei dieser Aufnahme erstmals alle drei lebenden Beatles an einem neuen Stück beteiligt. Im November 1981 erschien das Album "Stop And Smell The Roses", das ebenfalls kein kommerzieller Erfolg wurde (Platz 98 in den US-Charts), obwohl auch McCartney und Harrison mitwirkten. Die ersten Aufnahmen fanden im Juli 1980 in den Super Bear Studios in Frankreich statt, wo Starr mit Paul McCartney als Produzenten die Songs "Private Property", "Attention", "Sure To Fall (In Love With You)" und "You Can’t Fight Lightning" einspielte. George Harrison fungierte im November 1980 als Produzent der von ihm komponierten Songs "Wrack My Brain" und "You Belong To Me". Am 15. November 1980 traf sich John Lennon zum letzten Mal mit Ringo Starr im Plaza Hotel in New York, wo er Starr eine Musikkassette mit vier Songs überreichte. Es wurden gemeinsame Aufnahmen im Januar 1981 an dem Album "Stop And Smell The Roses" geplant. Ebenfalls mit dabei war erneut Stephen Stills, dieses Mal als Co-Autor und Produzent des Titels "You’ve Got A Nice Way". Auf dem Cover des Albums verarbeitete Ringo Starr seine Trauer um John Lennon. Das folgende Album "Old Wave" wurde im Juni 1983 nur in wenigen Ländern veröffentlicht, darunter in Deutschland, aber nicht in England und den USA. Ringo Starr wirkte mehrere Jahre nicht mehr als Solo-Interpret, sondern als Gast- und Studiomusiker, unter anderem bei Paul McCartney und George Harrison. Im Fernsehfilm Princess Daisy übernahmen Ringo Starr und seine Ehefrau Barbara Bach eine kleine Nebenrolle. Im Jahre 1984 erschien der Kinofilm Broad Street von und mit Paul McCartney, in dem Starr und seine Ehefrau erneut eine Rolle übernahmen. Im Mai 1985 übernahm er eine kleine Fernsehrolle im Musical Alice in Wonderland und sang das Lied "Nonsense".

Am 20. Juni 1989 verkündete Ringo Starr im Palladium Theatre in New York, dass er mit Freunden als Ringo Starr and His All-Starr Band auf USA-Tournee gehen werde. Vom 23. Juli bis zum 4. September 1989 gab die All-Starr Band 23 Konzerte. Danach tourte Ringo Starr regelmässig unter dem Namen Ringo And His All Starr Band mit Gruppen wechselnder Besetzung. So trat er mit Musikern wie Jack Bruce, Peter Frampton, Greg Lake, Gary Brooker, Dave Edmunds, Joe Walsh, Randy Bachman, Nils Lofgren, John Entwistle und zahlreichen anderen auf. Zwischen 1990 und 2010 veröffentlichte Ringo Starr elf Live-Alben. Im November 1991 erschien auf dem Soundtrackalbum des Spielfilms Curly Sue das neue Ringo Starr Stück "You Never Know". Im Juni 1992 erschien dann nach neunjähriger Pause Starrs neues Studioalbum "Time Takes Time", das gute Kritiken erhielt. Das Konzept der Produktion wurde vom Album "Stop And Smell The Roses" übernommen, da wiederum mehrere Produzenten für das Album engagiert wurden. Einige Songs des Albums erinnerten in Teilen an die Musik der Beatles Mitte der 60er Jahre und unterschieden sich somit deutlich von den Vorgängeralben. An die Verkaufszahlen der frühen 70er Jahre konnte jedoch auch dieses Album nicht anschliessen. Die Singleauskopplung "Weight Of The World" schaffte es kurzzeitig in die Charts. Am 16. April 1993 gab Paul McCartney anlässlich des Earth Day Concert in der Hollywood Bowl (Los Angeles) ein Konzert. Während des letzten Songs "Hey Jude" kam unter anderem Ringo Starr auf die Bühne und sang im Chor mit. Im August 1998 folgte das kommerziell relativ erfolgreiche Album "Vertical Man". Im März 2003 erschien das Album "Ringo Rama", es enthielt das Stück "Never Without You", das Ringo Starr zum Andenken an George Harrison aufnahm. Im März 2015 erschien Starrs bisher letztes Studioalbum mit dem Titel "Postcards From Paradise", das mit "Rory And The Hurricanes" die vierte Hommage an seine Jugend enthielt. In einem Interview erwähnte Ringo Starr, dass mehrere Buchverlage eine Autobiographie von ihm veröffentlichen möchten, doch sei die Bedingung, sich thematisch auf die Zeit mit den Beatles zu fokussieren. Das sei der Grund, warum er Ausschnitte seines Lebens musikalisch verarbeite. Im April 2015 wurde Ringo Starr als letzter Beatle in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen; die Einführungsrede hielt Paul McCartney. Im Dezember 2015 erschien das Starr-Tributalbum "Ringo Starr: The Lifetime of Peace & Love Tribute Concert", bei dem Starr die Songs "Photograph", "Boys" und "With A Little Help From My Friends" sang, weitere Künstler waren unter anderen Ben Harper und Joe Walsh. Das Konzert fand im Januar 2014 statt.











Sep 24, 2017


FAITH NO MORE - Angel Dust (Slash Records 9 26785-2, 1992)

Faith No More gelten als Gründerväter und als eine der wichtigsten Bands des Crossover, da sie verschiedene Stile wie Artrock oder Funk mit Metal und Hardcore Punk verschmolzen. Anfang der 80er Jahre spielten der Bassist Billy Gould, der Schlagzeuger Mike Bordin und der Keyboarder Wade Worthington in San Francisco in einer Band, die vom Sänger und Gitarristen Mike 'The Man' Morris gegründet und geleitet wurde und sich Faith No Man nannte. Nach dem Ausstieg von Worthington schloss sich Goulds Mitbewohner Roddy Bottum als Keyboarder an. Nachdem Gould, Bordin und Bottum der Dominanz Morris' überdrüssig wurden, gründeten sie eine neue Band, die auf Empfehlung eines Freundes Faith No More, in Anspielung an den alten Bandnamen ('The Man' is no more), getauft wurde. Bald fand man mit Jim Martin einen Gitarristen, und nach einem enormen Verschleiss an Sängern (beispielsweise auch Courtney Love) erschien schliesslich 1985 mit Chuck Mosley am Mikrophon das Debüt "We Care A Lot". Dieses führte die Band mit dem gleichnamigen Titelsong zu einem kleinen Erfolg. Nach diversen Streitigkeiten wurde jedoch 1988 Mike Patton, der zuvor bei Mr. Bungle und Fantômas am Mikrophon stand, der neue Sänger der Band.

Die Single-Auskopplung "Epic" aus dem folgenden Album "The Real Thing", bei welcher der die Band einen harten Gitarrensound mit Rap kombinierte, wurde der erste grosse Erfolg und machte die Band auch über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Mit Mike Patton als Sänger wurden bis zur vorläufigen Trennung vier Studioalben aufgenommen. In Europa wurde eine im Rahmen des 1992er Albums "Angel Dust" aufgenommene Coverversion des Songs "Easy" von Lionel Richie aus dem Jahre 1977 mit The Commodores ein besonderer Erfolg. Bereits bei den Aufnahmen zum Album "Angel Dust" zeichneten sich aber Differenzen zwischen Martin und der Band hinsichtlich der musikalischen Richtung ab, weshalb Gould einen Grossteil der Gitarrenparts des Albums einspielte. Zwischen 1990 und 1993 waren Faith No More insgesamt dreimal für den Grammy nominiert. "Angel Dust" wurde zu einem der erfolgreichsten Alben von Faith No More.

Auf "Angel Dust" war Mike Patton erstmals intensiv am Songwriting beteiligt. Im Gegensatz dazu hielt sich Gitarrist Jim Martin zusehends zurück, da er mit der musikalischen Entwicklung der Band unzufrieden war. Angeblich übernahm Bassist Billy Gould sogar einen Teil der Gitarrenparts auf "Angel Dust". Folge dieser Entwicklung war der Rauswurf von Jim Martin und ein Richtungswechsel der Band. Zum ersten Mal lastete auf Faith No More ein gewisser Druck bei der Produktion eines Albums, da der Vorgänger "The Real Thing" weltweit ein grosser Erfolg geworden war. Die Band reagierte trotzig auf die kommerziellen Erwartungen und erweiterte ihr musikalisches Spektrum erheblich und kombinierte dabei Stile wie Metal, Funk, Country, Filmmusik und weitere Genres. Sänger Mike Patton liess sich für seine Texte ebenfalls einiges einfallen. So führte er zum Beispiel ein Schlafentzugs-Experiment durch, das ihn zu dem Song "Caffeine" inspirierte. Für den Songtext zu "Land Of Sunshine" kombinierte Patton Fragen aus einem Scientology-Buch mit Sprüchen aus chinesischen Glückskeksen.

In der Country-Ballade "RV" ("Recreational Vehicle") besang Mike Patton das Leben des White Trash in den USA, der Titel "Crack Hitler" beschrieb das despotische Verhalten eines Crack-Dealers. Bei "Be Aggressive", einer Fellatio-Beschreibung, forderte eine Cheerleader-Gruppe zu aggressivem Verhalten auf, während sich die Stücke "Midlife Crisis", "Everything's Ruined" und "Kindergarten" mit spezifischen Problemen menschlicher Lebensphasen beschäftigten. Alle Songs wurden von Faith No More geschrieben, ausser dem Stück "Midnight Cowboy", das von John Barry geschrieben wurde und "Easy", welches von Lionel Richie stammte, das als Bonustrack auf einer Wiederveröffentlichung des Albums "Angel Dust" zu finden war und zu Faith No Mores grösstem Hit in Europa avancierte. Es waren einige Samples zu hören, so unter anderem das Streichquartett Nr. 8 von Dmitri Schostakowitsch, in der Version von Kronos Quartet in "Malpractice" oder "Cecilia" von Simon & Garfunkel im Schlagzeug-Track von "Midlife Crisis", in welchem auch ein Sample von "Car Thief" von den Beastie Boys zu finden war.

Vor den Aufnahmen zum Folgealbum "King For A Day, Fool For A Lifetime" wurde Jim Martin aus der Band entlassen, und somit erfolgte wieder ein Besetzungswechsel, der auch das Klangbild der Band weiter veränderte. Im Studio kam der Mr. Bungle Gitarrist Trey Spruance zum Einsatz, der die Band aber nach den Aufnahmen wieder verliess und für die anschliessende Tournee von Dean Menta, einem ehemaligen Roadie, abgelöst wurde. "King For A Day, Fool For A Lifetime" drängte die Crossover-Elemente endgültig in den Hintergrund, auch die Keyboards waren nun nur noch wenig prominent vertreten. Stattdessen prägten Spruance' harte Gitarren und vor allem der kompromisslose, sehr expressive Gesang Pattons das melodisch wenig eingängige Album. Diese Erkundung neuer musikalischer Ufer und besonders die Trennung von Martin wurde von einigen Fans und Fanzines skeptisch aufgenommen. Das Album verkaufte sich besonders auf dem amerikanischen, aber auch auf dem europäischen Markt weitaus schlechter als die beiden Vorgänger. Heute jedoch gilt das Album vielen Kritikern als das unterbewertete Highlight der Bandgeschichte.

Nach einem weiteren Werk mit dem Titel "Album Of The Year" im Jahre 1997 mit dem neuen Gitarristen Jon Hudson, wieder deutlich konventionelleren Songs und einer ausgiebigen Tournee (unter anderem spielten Faith No More als einer der Headliner des Bizarre-Festivals) kamen Anfang 1998 Auflösungsgerüchte auf, welche am 19. April 1998, kurz nach einem Konzert in Lissabon, in der tatsächlichen Auflösung der Band mündeten. Die Plattenfirma reagierte hierauf mit der Single-Veröffentlichung der Bee Gees Coverversion "I Started A Joke", welche schon zuvor als B-Seite dem Publikum vorgestellt worden war. Das Aushängeschild der Band, Mike Patton, hatte bereits früh neben diversen Projekten weitere Bands namens Fantômas, Tomahawk und Peeping Tom gegründet. Des Weiteren unterhält er mit Ipecac eine eigene Plattenfirma, die Künstler unterschiedlichster Stile veröffentlichte. Der Schwerpunkt lag vor allem bei kreativen Grenzgängen. Patton selbst beteiligte sich darüber hinaus dauerhaft an diversen Projekten seines eigenen Labels. Auch der Bassist Billy Gould führte eine eigene Plattenfirma mit dem Namen Kool Arrow Records. Diese widmete sich Underground-Formationen aus aller Welt. Neben seiner Tätigkeit als Produzent war er bei der skandinavischen Cover-Band Black Diamond Brigade zu hören, deren Mitglieder, ebenso wie bei Pattons Kollaborationen, aus anderen namhaften Bands bekannt waren. Im November 2006 stieg Gould bei der deutschen Band Harmful, deren im Februar 2007 erschienenes Album "7" er produziert hatte, zeitweilig als zweiter Gitarrist ein. Der ehemalige Schlagzeuger Mike Bordin war neben regelmässigen Aushilfsjobs unter anderem bei der Band Korn, aber auch bei Jerry Cantrell längere Zeit fester Schlagzeuger bei Ozzy Osbourne und auch bei Black Sabbath. Keyboarder Roddy Bottum betrieb sein Indie Pop-Projekt Imperial Teen.

Im Februar 2009 wurde überraschend bekannt gegeben, dass die Band sich für eine Europatour wiedervereinigen würde. Nach der Europatournee im Sommer 2009 mit über 30 Auftritten (vornehmlich im Rahmen von Festivals) wurden im Herbst Konzerte in Südamerika (Chile, Argentinien, Peru, Brasilien) und Mexiko gespielt. Im Februar und März 2010 gaben Faith No More Konzerte in Neuseeland und Australien, im April und im Juni in den USA. Bei Konzerten in San Francisco spielten sie das erste Mal seit 1988 mit Chuck Mosley. Im Juli traten sie erneut in Europa auf. Im September 2010 wurde bekanntgegeben, dass Faith No More nach dem letzten Konzert, das im Dezember in Chile stattfand, vorerst keine weiteren Aktivitäten verfolgen würden. Diese Meldung wurde vielfach als die endgültige Auflösung der Band interpretiert. Allerdings trat die Band im November des Jahres 2011 bei vier Festivals in Südamerika auf, zuletzt am 14. November in São Paulo, Brasilien, beim SWU Festival. Billy Gould hielt weiterhin offen, ob weitere Aktivitäten der Band zu erwarten seien. Im Juni und Juli 2012 fanden dann tatsächlich wieder mehrere Live-Auftritte bei verschiedenen europäischen Festivals statt, bei denen auch der neue Song "Matador" gespielt wurde.

Danach wurde es zunächst für zwei Jahre wieder still um die Band, bis sie am 4. Juli 2014 gemeinsam mit Black Sabbath im Londoner Hyde Park auftrat, wobei sie neues Songmaterial spielte. Kurz darauf wurde ein neues Album, das fünfte mit Patton, angekündigt. Seit dem 20. November 2014 war die neue Single "Motherfucker" über den Streamingdienst Sound Cloud zu hören. Ab dem 9. Dezember 2014 war der Song als Download verfügbar. Am 15. Mai 2015 erschien dann erstmals seit 18 Jahren ein neues, von Bassist Billy Gould produziertes Studioalbum namens "Sol Invictus" auf dem bandeigenen Plattenlabel Reclamation Records. Das Werk wurde von Siouxsie And The Banshees und Roxy Music inspiriert. Es wurde von der Kritik überwiegend positiv aufgenommen. Faith No More erlangten vor allem Berühmtheit durch ihre Extravaganz. Ihr Stil wechselte bei nahezu jedem Album. Zu Beginn ihrer Laufbahn spielten sie noch eine harte Version von Post-Punk im Stil von Killing Joke. Nach dem Einstieg von Mike Patton dominierten die Elemente Metal und Funk, weshalb ihr Stil anfangs als Funk Metal bezeichnet wurde. Später kamen immer mehr Elemente hinzu, andere gingen wieder verloren. Von Soul und Easy Listening bis Hardcore Punk, Industrial Rock und Weltmusik-Elementen wurde die Bandbreite ergiebig ausgeschöpft. Es wurden sogar klassische Elemente und Filmmusik ins Klangspektrum der Band einbezogen, zum Beispiel endete "Epic" (von "The Real Thing") mit einem Klavier-Thema und "Jizzlobber" ("Angel Dust") mit einer Art Kirchenmusik.