Dec 31, 2017


ASIA - Asia (Geffen Records GEF 85577, 1982)

Nach dem Niedergang des Progressive Rock zum Ende der 70er Jahre hatten sich die meisten namhaften Bands des entsprechenden Genres aufgelöst, weshalb zahlreiche Musiker plötzlich ohne eigene Band oder Plattenvertrag dastanden. Seit 1980 wurden mehrere Anläufe zur Gründung einer sogenannten 'Supergroup' unternommen. Sie wurden von Managern und Plattenfirmen vermittelt und drehten sich meist um den südafrikanischen Gitarristen und Sänger Trevor Rabin, der kurz zuvor nach London gekommen war. Eine mögliche Neubesetzung, die jedoch nicht zustande kam, bestand neben Rabin aus dem ehemaligen Yes-Keyboarder Rick Wakeman, dem früheren King Crimson, Uriah Heep  und UK Mitglied John Wetton sowie dem Schlagzeuger Carl Palmer von Emerson, Lake And Palmer. John Wetton tat sich jedoch auf Anregung des Yes-Managers Brian Lane mit dem Gitarristen Steve Howe zusammen, der gerade die Zusammenarbeit mit den Progressive Rock Vorreitern Yes beendet hatte. Zusammen wurden frühe Fassungen der späteren Asia-Songs "Cutting It Fine", "Without You" und "Here Comes The Feeling" erarbeitet, die alle auf Ideen John Wettons beruhten. John Kalodner, damals bei Atlantic Records, hatte seit dem Ende von King Crimson versucht, ein neues Projekt mit John Wetton auf die Beine zu stellen. Er brachte ein Team um Wetton und Howe zusammen, das aus den Managern Brian Lane und David Geffen, (dem späteren Mitbegründer der Dreamworks-Filmstudios) bestand. Letzterer hatte soeben sein eigenes Plattenlabel Geffen Records gegründet. Zudem holte Kalodner den Queen-Produzenten Mike Stone hinzu.

Zunächst probten John Wetton und Steve Howe mit dem Schlagzeuger Simon Phillips, doch eine nachhaltige Zusammenarbeit funktionierte nicht. Zudem verlangte Phillips einen zu hohen finanziellen Anteil. Dann war der Yes-Schlagzeuger Alan White im Gespräch. Als Nächstes wandte man sich aber an den Schlagzeuger Carl Palmer, zuvor bei Emerson Lake And Palmer und PM. Der sagte zu und regte an, noch einen Keyboarder mit in die Band zu nehmen, da er mit den 80er Jahren eine keyboardorientierte Rockmusik kommen sah. Zunächst wurde erneut eine Beteiligung von Rick Wakeman diskutiert, Howe schlug jedoch den Autor des Hits "Video Killed The Radio Star" (The Buggles, 1980), Geoff Downes vor, mit dem er kurz zuvor bei Yes, welcher er auch einige Zeit angehört hatte, zusammengearbeitet hatte. Einige Zeit lang dachte man daran, zusätzlich einen zweiten Sänger zu engagieren, und es wurde eine Reihe von Musikern eingeladen, darunter wieder Trevor Rabin, doch letztlich entschied man sich dagegen, vor allem weil John Wetton den Gesang und Steve Howe die Gitarrenarbeit nicht aufteilen wollten. Rabin hatte mit der Band die Songs "Here Comes The Feeling" und "Starry Eyes" (das spätere "Only Time Will Tell") gespielt. Der Bandname Asia ging auf einen Vorschlag von Brian Lane zurück. Zuvor hatte man an MI5, den Namen des britischen Geheimdienstes, gedacht.

Das neu gegründete Label Geffen Records hatte Asia bereits unter Vertrag genommen, bevor man überhaupt eine einzige Note der neuen Stücke gehört hatte. Die Arbeiten begannen im Sommer 1981 in den Londoner Townhouse Studios. Von Anfang an war allen Beteiligten klar, dass man trotz der Vergangenheit der Musiker kein Progressive Rock-Album machen wollte. Konzisere Songs und ein einheitlicher, geschlossener Bandsound sollten die neue Formation charakterisieren. Zu den Songs "Cutting It Fine", "Without You", "Here Comes The Feeling" und "One Step Closer" aus der gemeinsamen Feder von John Wetton und Steve Howe traten nun immer mehr Stücke, die Wetton mit Geoff Downes zusammen schrieb, darunter "Wildest Dreams", "Sole Survivor", "Only Time Will Tell" und "Heat Of The Moment". Mit den beiden Musikern fand sich ein sehr erfolgreiches und kreatives Songwriter-Team zusammen, das in den nächsten Jahren die äusserst erfolgreichen Kompositionen der Band bestimmen sollte. Die beiden schlossen schnell Freundschaft, etwas das Wetton mit Howe nie gelingen sollte. Auch zu Mike Stone hatten die beiden ein sehr gutes Verhältnis. Damit traten die Progressive Rock Elemente, für die Steve Howe stand, in der Folge immer weiter zurück. Die Arbeiten am Debütalbum schritten schnell voran und im November 1981 waren die Aufnahmen abgeschlossen. Das Album wurde schliesslich am 8. März 1982 veröffentlicht.

Bedingt durch die Strategie David Geffens, sich am amerikanischen Mainstream Rock Markt zu orientieren, richteten vor allem Wetton, Downes und Stone, die diese Linie unterstützten, ihr Augenmerk auf eingängige, radiotaugliche Melodien. Asia spielten auf ihrem Debütalbum den sogenannten Stadionrock, der unter dem Genrenamen 'Adult-oriented Rock', oder kurz 'AOR' im Amerika der 80er Jahre sehr erfolgreich werden würde. Auffallend war das grosse Pathos einiger Melodie-Erfindungen, das vor allem auf John Wetton zurückging, nachzuhören beispielsweise bei den Stücken "Without You" oder "Only Time Will Tell", das mit gleichartigen Stücken der Gruppe Queen vergleichbar war. Stark verzerrte Gitarrenklänge, ein aggressives Schlagzeugspiel und andere am Hard Rock oder Heavy Metal ausgerichtete Stilelemente fehlten hingegen. Die Gitarrensounds waren klar und die vielfältigen Keyboardklänge von Geoff Downes dominierten das Gesamt-Klangbild. Die Songs bewegten sich zwischen einer Länge von knapp 4 ("Heat Of The Moment") und knapp 6 Minuten ("Here Comes The Feeling"), was typisch für den Pop und Rock, nicht aber für den Progressive Rock war. Dennoch waren auf dem Album einige seiner Stilelemente zu hören, etwa ungerade Takte - "Heat Of The Moment" begann in einem 10/4-Takt - rhythmische Ambiguität (der Beginn von "Time Again"), zahlreiche Rhythmuswechsel in kurzer Zeit (auf "Time Again" wechselte der Takt zwischen 4/4, 12/8, 9/8, 6/8 und 3/4, "Sole Survivor" begann mit sieben 4/4-Takten, es folgte ein 3/3-, drei 4/4-Takte, ein 5/4-Takt, dann erneut 4 gerade Takte und so weiter), spieltechnische Virtuosität vor allem von Steve Howe, selten auch von Carl Palmer, das Aufgreifen von Elementen klassischer Musik und eine ungewöhnliche Vielfalt an Soundvariationen. Im Vergleich zu späteren Alben der Band ohne Steve Howe fielen die vielfach gesetzten ornamentalen Akzente des Gitarristen auf, die er meist zwischen die Verse von John Wetton platzierte.

Diese Stilelemente verschwanden auf den nachfolgenden Alben "Alpha" und "Astra" nach und nach, auf den Asia-Alben der Downes/Payne-Ära fehlten sie nahezu vollständig. Sie wurden auch auf dem Comeback-Album der Originalbesetzung "Phoenix", das im Jahre 2008 erschien, nicht wieder aufgegriffen. Die marktgerechte Stilmischung fand schnell ihr Publikum und Asia waren mit einem siebenmillionenfach verkauften Debütalbum eine der erfolgreichsten Bands des Jahres 1982, sowie eine der stilprägenden Bands des Genres 'Adult-oriented Rock'. Unterstützt von einer gross angelegten Werbekampagne Geffens konnten sich Asia trotz nicht allzu positiver Kritiken überraschend in den obersten Regionen vieler Musikcharts platzieren. Das Album war 1982 das meistverkaufte Album in den USA und 9 Wochen lang Nr. 1 in den US Billboard Charts. Dort wurden aus Asia nicht weniger als sechs Singles ausgekoppelt. "Heat Of The Moment" wurde ein weltweiter Hit. Das Video dazu wurde von Kevin Godley und Lol Creme (vormals bei 10cc) gedreht. Aufgrund des überraschenden Erfolges hatte man eine zu kurze Tournee in zu kleinen Hallen gebucht. Sie dauerte lediglich von April bis Oktober 1982, und man beschloss, am Ende der Tour so schnell wie möglich wieder ins Studio zurückzukehren, um an einem Nachfolgealbum zu arbeiten, das den Erfolg des Debüts noch übertreffen sollte. Im Nachhinein erwies sich diese Entscheidung allerdings als unklug.

Manche Kritiken am ersten Album bemängelten die Glattheit der Produktion, andere bezogen sich auf die Progressive und Bombast Rock Vergangenheit der vier Musiker, die sich in Songs wie "Here Comes The Feeling" offenbarte. Management und Plattenfirma drängten darauf, diese Progressive Rock Elemente auf dem Nachfolger komplett zu eliminieren und den Stil weiter in Richtung Mainstream zu verschieben. Eine Marktstudie ergab, dass die Songs des Teams Wetton/Downes ("Heat Of The Moment", "Only Time Will Tell", "Sole Survivor" und "Wildest Dreams") die erfolgreicheren waren, sodass man der Band vermittelte, Wetton und Downes als alleinige Songwriter für das nächste Album einzusetzen. Diese Entscheidung sorgte für erste Spannungen in der Band: Steve Howe fühlte sich in die zweite Reihe versetzt, während Wetton und Downes den Druck verspürten, einen noch erfolgreicheren Nachfolger für die Hitsingle "Heat Of The Moment" zu schreiben. Aus steuerlichen Gründen arbeitete die Band nicht in England, sondern im kanadischen Morin Heights, einer Stadt in den Laurentinischen Bergen mit gut 3500 Einwohnern. Morin Heights erwies sich als derart einsam, dass sich die Bandmitglieder bei den winterlichen Aufnahmen auf die Nerven gingen. Howe und Wetton zerstritten sich in der Folge derart, dass die beiden kaum noch zusammenarbeiten konnten: Howe wollte die progressiven Elemente des ersten Albums beibehalten, Wetton wollte in eine kommerziellere Richtung gehen und hatte dabei die Unterstützung der Plattenfirma und damit des Produzenten Mike Stone.

Der Druck, den man auf ihn ausübte, ein weiteres Hitalbum zu schreiben und seine Alkoholkrankheit trugen ebenfalls nicht zum Gelingen des Albums bei: Wetton konnte an einigen Tagen nur eineinhalb Stunden lang singen, sodass die Aufnahmearbeiten oft allzu früh abgebrochen werden mussten. Zudem war Geoff Downes lange Zeit krank. Howe wurde am Songwriting nicht mehr beteiligt, mit der Ausnahme des Stückes "Lying To Yourself", das aber lediglich als Single B-Seite veröffentlicht wurde. Als dann noch technische Probleme dazukamen und das Studio für drei Wochen ausfiel, verliessen die Bandmitglieder, die ohnehin möglichst wenig Zeit gemeinsam verbracht hatten, Kanada. Mike Stone mischte das Album nun alleine ab, was bei den Musikern für Unzufriedenheit sorgte. Die sogenannte 'Wall of Sound'-Produktion Stones vereinheitlichte den Klang des Albums so stark, dass die einzelnen Instrumente längst nicht mehr so differenziert zu hören waren wie noch auf dem Debütalbum. Mehrere Abmischungen wurden sogar vom Labelchef David Geffen abgelehnt, sodass am Ende ein Kompromiss veröffentlicht wurde.

Das Album war zwar ein Erfolg, verkaufte sich aber nur etwa halb so oft wie das Debütalbum. Das Album und die Singles "Don’t Cry" und "The Smile Has Left Your Eyes" erreichten erst nach dem Ende der 'Asian Invasion'-Tour am 10. September 1983 Spitzenplätze in den Charts. Diese Tour startete in den Vereinigten Staaten im Sommer 1983 noch vor der Veröffentlichung des neuen Albums. Viele Hallen waren in Städten gebucht, in denen die Band bereits zuvor gespielt hatte, sodass die Ticketverkäufe nur schleppend anliefen. So wurden beispielsweise in Toledo im Bundesstaat Ohio nur 2500 Karten für eine Halle von 15000 Plätzen verkauft. Also wurde die zweite Hälfte der Tour abgesagt. Aufgrund dieses Missmanagements konnte die Band viele Hallen nur halb ausverkaufen. Das Ausbleiben des grossen Erfolgs und die schwierigen Aufnahmesessions führten zu weiterem Zoff in der Band. Die Musiker reisten getrennt und sprachen kaum noch miteinander. Nach einigen Wochen hatte sich besonders das Verhältnis zwischen Wetton und Howe weiter verschlechtert. 

Wetton ging danach nach Südfrankreich in Urlaub und erschien nicht zu einem Meeting mit Kalodner und Geffen. Von dort aus rief er Geoff Downes an, um mit ihm Einzelheiten zum nächsten Album zu besprechen, und erfuhr von diesem, dass Brian Lane ihn ersetzen wollte. Am nächsten Tag noch reiste Wetton nach London, wo man ihm eröffnete, dass die Band, vor allem Howe und Palmer, aber auch Management und Plattenfirma sich tatsächlich von ihm trennen wollten. Die Begründung war der Misserfolg des zweiten Albums, für den man den Songwriter Wetton und seine Alkoholkrankheit verantwortlich machte. Gleichzeitig wollten aber weder Lane noch Geffen Wetton gehen lassen - ein lukratives Angebot von Atlantic Records musste er ausschlagen. In dieser Situation musste schnell Ersatz für Wetton gefunden werden. Man dachte zunächst an Brad Delp von Boston, und sogar Trevor Horn, Downes' ehemaliger Partner bei den Buggles, war im Gespräch. Letztlich einigte man sich dann aber auf Palmers ehemaligen Mitstreiter Greg Lake, ein Gedanke, der aufgrund stimmlicher Ähnlichkeiten zu Wetton ohnehin nahe lag. Palmer kontaktierte ihn und Lake sagte zu, nachdem er ein Gespräch mit seinem Freund Wetton geführt hatte. Für Dezember waren bereits Konzerte in Japan gebucht worden, zu denen eine weltweite Live-Übertragung eines Konzerts vom 6. Dezember in Tokio durch den Fernsehsender MTV gehörte. Im Sommer waren dafür Werbespots sowie eine Dokumentation gedreht, in denen John Wetton bereits kaum zu sehen gewesen war. Lake bestritt die Tour mit Hilfe eines Teleprompters. Die Songs mussten um eine Terz tiefer transponiert werden, um sie seiner Stimme anzupassen. Kurz nach den Konzerten erschienen unter dem Titel "Asia in Asia" eine Videokassette und eine Laser Disc mit dem MTV-Mitschnitt. Erst 2005 folgte unter dem Titel "Enso Kai - Live at the Budokan Tokyo" der Audiomitschnitt. Lake wollte den musikalischen Stil der Band in eine anspruchsvollere Richtung lenken, was aber von den anderen Musikern abgelehnt wurde. An Weihnachten war klar, dass er nicht bei Asia bleiben würde.

In der Zwischenzeit hatte John Wetton mit der Arbeit an einem Soloalbum begonnen. Im Januar 1984 entschieden Management und Plattenfirma dann, dass er zur Band zurückkehren sollte. Auch Downes und Palmer waren dafür. Wetton sagte zu, wenn auch zunächst zögernd. Er begann, neue Songs in Zusammenarbeit mit Downes zu schreiben. Im April ging die Band ins Studio, um erste Demos aufzunehmen. Nach einiger Zeit machte Wetton dann deutlich, dass er mit Howe nicht mehr zusammenarbeiten könne. Da man Wetton erst in die Band zurückgeholt hatte, war klar, dass Howe gehen musste. Er verliess Asia und gründete, zusammen mit dem ehemaligen Genesis Gitarristen Steve Hackett, daraufhin die Band GTR. Ein Ersatz für Howe war schwer zu finden. Zunächst dachte man darüber nach, jemanden wie Jeff Beck oder David Gilmour als Session-Gitarristen zu engagieren. Auch beim Magnum Gitarristen Robin George wurde angefragt. Letztlich schlug Geffen Records den Schweizer Armand 'Mandy' Meyer (ehemals Krokus) vor, der durch die Vermittlung Kalodners schliesslich neues Bandmitglied wurde.

Ebenso schwierig war es, sich auf einen Produzenten zu einigen. Zunächst dachte man an Martin Rushent, der zuvor Joy Division, XTC und The Stranglers produziert hatte. Dieser sagte jedoch ab, da er mit einem Human League Album beschäftigt war. Schliesslich einigte man sich erneut auf Mike Stone - eine Entscheidung, die bei der Band durchaus umstritten war. Die Band nahm in der Folge zehn von 25 vorbereiteten Songs für das nächste Album auf. Die Aufnahmen nahmen vier Monate länger in Anspruch als vorgesehen und Mike Stone, der bereits für andere Projekte zugesagt hatte, verliess das Team frustriert. Für eine Weile übernahm Downes dessen Aufgaben, bis mit Greg Ladanyi jemand gefunden war, der das Album endgültig abmischen sollte. Dieser Mix stellte sich jedoch als vollkommen ungeeignet heraus. So wurde Mike Stone, der seine anderen Projekte mittlerweile beendet hatte, zurückgeholt. Er sollte gemeinsam mit Downes die Arbeiten an dem zunächst "Arcadia" genannten Album beenden. Das gesamte Projekt hatte bis zu seiner Veröffentlichung am 15. November 1985 fast zwei Jahre in Anspruch genommen.

In letzter Minute musste der Titel des Albums, für dessen Cover erneut Roger Dean verantwortlich zeichnete, in "Astra" geändert werden, da ein Duran Duran Ableger sich und seinem Debütalbum den Namen "Arcadia" geben wollte. Das Album enthielt einige sehr eingängige Stücke und wurde von einigen Kritikern als bestes Album der frühen Asia bezeichnet. Es hatte jedoch keinen nennenswerten Erfolg mehr. Auch mit Hilfe eines aufwändigen Videos, das die Geschichte eines Roboters namens Aza erzählte, die in späteren Videos weitergeführt werden sollte, kam die Single "Go" nur auf Platz 46 in den amerikanischen Charts, dem mittlerweile wichtigsten Markt für Asia. "Astra" selbst erreichte lediglich Platz 67. Auch eine nur in Japan veröffentlichte Compilation-EP namens "Aurora" half den Plattenverkäufen nur wenig. Die geplante Tour zu "Astra" kam daher nie zustande, woraufhin die Band auseinanderfiel. Die Gruppe kam aber einige Male wieder zusammen und spielte auch weitere Alben ein, von welchen aber keines mehr an den grossen Erfolg des Debutalbums "Asia" anknüpfen konnte.






Dec 30, 2017


BAKERLOO - Bakerloo (EMI Harvest Records SHVL 762, 1969)

Die Band Bakerloo, die von Dave 'Clem' Clempson (Gitarre und Gesang), Terry Poole (Bass) und Keith Baker (Schlagzeuger) Mitte der 60er Jahre als The Bakerloo Blues Line gegründet wurde, stammte aus Tamworth in Staffordshire (England) und hatte sich seit Anbeginn dem sogenannten 'Jazzy Power Blues' verschrieben. Heute kann man sich unter dieser Bezeichnung sicherlich kaum mehr etwas Konkretes vorstellen. Dennoch traf diese Bezeichnung mehr oder weniger gut zu bei der Formation Bakerloo. Nur fanden sich, entgegen anderer vom Jazz beeinflusster Hard Blues Bands bei Bakerloo keine Bläsersätze. Der Groove der Platte wurde praktisch durchgehend von Clem Clempson's Gitarre getragen, einem äusserst talentierten Musiker, der in späteren Jahren in einigen der rockmusikalisch wichtigsten und populärsten Gruppen landen würde. 

Bereits der Opener "Big Bear Ffolly", eine Eigenkomposition, rollte satt und überzeugend sofort in den Bauch und auch beim Blues Covertitel "Bring It On Home" aus der Feder von Willie Dixon überraschte der satte, fette Basis-Sound, der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Platte fast schon wie eine Kreuzung aus dem bleischweren Rock von Black Sabbath und dem exaltierten Gitarrenblues von Ten Years After erinnerte. Von dieser Willie Dixon Adaption war dann Jim Simpson, in jenen Tagen der Manager der Gruppe Cream ganz besonders angetan, und dank seinem Einsatz gelangte die Band schliesslich zu einem Plattenvertrag bei Harvest Records, welcher zu dieser leider einzigen LP der Band Bakerloo führte. 

Bakerloo tourten in der Folge, noch ohne ihre erste Platte veröffentlicht zu haben, einige Zeit zusammen mit der Gruppe Earth, einer Band, die Simpson ebenfalls managte, und die sich später umbenannte in Black Sabbath. Ausserdem wurde von Simpson eine recht umfangreiche Tournee zusammengestellt, die unter dem Namen "Big Bear Ffolly" firmierte, und dessen Line-Up sich neben Bakerloo auch aus Bands wie Tea & Symphony, Locomotive und Earth zusammensetzte. Eine interessante Fussnote in der Geschichte der Rockmusik blieben Bakerloo später auch deswegen, weil sie jene Formation war, die das Vorprogramm zum allerersten Auftritt von Led Zeppelin im Londoner Marquee Club am 18. Oktober 1968 bestritt. Zu diesem Zeitpunkt gab es immer noch keine Platte von Bakerloo zu kaufen. 

Erst im Juli 1969 erschien von Bakerloo die Single "Driving Bachwards" mit der B-Seite "Once Upon A Time" auf dem Harvest Label (Harvest HAR5004). Die LP erblickte erst im Dezember desselben Jahres das Licht der Musikwelt. Leider konnte die Platte in der Folge weder breit promotet werden, noch konnten Termine für eine längere Tournee ins Auge gefasst werden. Dies, weil Clem Clempson schon kurz nach der Veröffentlichung der LP eine Anfrage von Colosseum erhielt, ob er den dort ausscheidenden Gitarristen James Litherhand ersetzen wolle. Clempson sagte zu, was mit dem Auseinanderbrechen von Bakerloo einher ging. Clem Clempson blieb für zwei Jahre und drei Alben bei Colosseum, als er 1973 Peter Frampton's Humble Pie beitrat und 1975 mit Roger Daltrey tourte. 1977 folgte ein Engagement bei Rough Diamond, der kurzlebigen Band des Ex-Uriah Heep Sängers David Byron.

Die beiden anderen Bakerloo Musiker Terry Poole und Keith Baker - nach kurzen Gastspielen bei Uriah Heep (Baker) und Graham Bond (Poole) wieder zusammen unterwegs - bildeten dann 1971 die Rhythmus-Abteilung von May Blitz, einer heftigen aber leider ebenfalls nur relativ kurzlebigen Rockband, die 1970 und 1971 zwei Alben für das Vertigo Swirl Label veröffentlichten, bei denen die beiden Musiker jedoch bereits nicht mehr mit dabei waren. Danach verlor sich ihre Spur weitgehend. Terry Poole spielte noch auf zwei Alben von Colin Blunstone, dem Sänger der Band The Zombies mit, während Keith Baker erst im Jahre 2016 auf einer Soloplatte des ehemaligen Decameron-Musikers Dik Cadbury wieder auftauchte. Clem Clempson blieb als einziger Musiker von Bakerloo bis heute bekannt, seine musikalischen Stationen gelten bis heute als rockhistorisch prägend und wichtig. Neben den bereits erwähnten Colosseum und Humble Pie spielte er im Laufe der Jahre auch für die Bands Strange Brew, Steve Marriott’s All Stars, Rough Diamond, Champion, Snafu und arbeitete als Begleitmusiker für Roger Chapman, Cozy Powell, Ken Hensley (Uriah Heep), Jack Bruce, Jon Anderson (Yes) und Bob Dylan.




Dec 29, 2017


SAVOY BROWN - A Step Further (Parrot Records PAS 71029, 1969)

Es stimmt wohl, dass jede Savoy Brown LP, an welcher der Sänger Chris Youlden beteiligt war, fabelhaft ausfiel, und dies gilt in ganz besonderem Masse für das im Jahre 1969 veröffentlichte Werk "A Step Further", das sich - damals nicht ganz unüblich - in eine Studio- und eine Live-Seite aufteilte. Vielleicht war das damals ein erster Kompromiss im Zuge der aufkommenden Spannungen und Differenzen über die zukünftige musikalische Ausrichtung der Band zwischen dem Bandleader und Gitarristen Kim Simmonds und Chris Youlden: auf der ersten Seite der Platte dominierten Stücke, die aus der Feder von Chris Youlden stammten, bis auf eine Ausnahme, nämlich dem - zugegebenermassen absolut brillianten - "Waiting In The Bamboo Grove", wohingegen die B-Seite einen einzigen überlangen "Savoy Brown Boogie" aufwies, der sich als eine Art Medley präsentierte, für welchen Kim Simmonds verantwortlich zeichnete. Auffallend war hierbei, dass die Stücke von Chris Youlden bemerkenswert gut waren und wohl bis heute zu den besten Kompositionen der Band zählen, wie etwa der Opener und vorwärtstreibende Boogie Rocker "Made Up My Mind", der Blues "Life's One Act Play", sowie das sehr groovy klingende und jazzig-funky ausgerichtete Stück "I'm Tired".

Ueberhaupt zeigte die erste Seite der Platte mit den vier Studioaufnahmen eine recht jazzig ausgerichtete Truppe, und bei diesen Songs wurden auch stellenweise viele zusätzliche Musiker, allesamt mit Streich- und Brassinstrumenten ausgestattet, eingesetzt, wie dies bereits zuvor auf dem Studiowerk "Blue Matter" der Fall gewesen war. Auch dieser Vorgänger war aufgeteilt in eine Studio- und eine Live-Seite. Chris Youlden bewies auf keiner anderen Platte seine hohen songschreiberischen Qualitäten so eindrücklich wie bei "A Step Further", und ein Schritt weiter bedeutete dieses Album durchaus, denn weiter weg vom traditionellen British Blues und dem damit verbundenen und vor allem von Savoy Brown bis dato präsentierten Boogie Rock war die Truppe noch nie. Einzig der 22 Minuten lange "Savoy Brown Boogie" war der klassische Live-Stoff, aus dem die Boogie-Träume sind. Diese lange und kompromisslos vorwärts preschende Jam verband einige bekannte Blues- und Rocktitel der damaligen Zeit und zeigte sich in einzelnen eingeflochtenen Teilen im ständig wiederkehrenden Boogie-Muster des Grundthemas. Nach einem genialen Gitarrensolo und dem ersten Teil des Jams präsentierten Savoy Brown Teile der Titel "Feel So Good" von Chuck Willis, "Whole Lotta Shakin' Goin' On" von Little Richard, "Little Queenie" von Chuck Berry, das vermutlich deshalb eingeflochten worden war, weil dieses Stück gerade zu jener Zeit als ebenfalls live geschnittene Single von den Rolling Stones erschienen war, in den Charts Einzug gehalten hatte und äusserst erfolgreich war.

Ein weiterer Bestandteil des "Savoy Brown Boogie" war das Grundthema von Jimi Hendrix' "Purple Haze", zu welchem Kim Simmonds ein exzellentes Gitarrenspiel zeigte, das schliesslich in "Hernando's Hideaway" mündete, einem Titel, der wiederum ursprünglich eigentlich als ein Tango Stück von Richard Adler und Jerry Ross geschrieben worden war, und mit welchem die grossartige Sängerin Ella Fitzgerald einen grossen Erfolg feiern konnte. Natürlich klang dies in der Ausarbeitung von Savoy Brown keineswegs mehr wie ein Tango, aber es fügte sich perfekt in die übrigen Teile dieses Medleys mit ein, das immer wieder gesprochene Passagen von Chris Youlden enthielt, die einerseits Bezug nahmen auf die Band selber, aber auch auf die jeweiligen Themen, die in die Jam eingebaut worden waren. Dazu zeigte die Band immer wieder interessante und sehr abwechslungsreiche Spannungsbögen, die beispielsweise auch vor einem klassischen Flamenco-Thema nicht halt machten. Zentral aber war das immer wiederkehrende Grundthema, das "Savoy Brown Boogie"-Thema, das in seiner Grundcharakteristik frappant an den Boogie-Stil der amerikanischen Gruppe Canned Heat erinnerte. Das war vermutlich auch absolut gewollt, denn auch die Gruppe Canned Heat war damals in England wie fast überall auf der Welt äusserst populär.

Der "Savoy Brown Boogie" wurde am 12. Mai 1969 im Cooks Ferry Inn in Edmonton bei London aufgezeichnet, und wenn man sich die Dynamik des Jams anhört, dann hätte man sich durchaus ein Album mit den gesamten Aufnahmen dieses Auftritts gewünscht. Verglichen mit den Live-Titeln für das Vorgänger-Album "Blue Matter", das aus drei Bluestiteln bestand ("May Be Wrong", "Louisiana Blues" und "It Hurts Me Too") , mitgeschnitten lediglich ein halbes Jahr zuvor, am 6. Dezember 1968 in Scraptoft Leicester, dann war das Dynamik-Plus beeindruckend hoch und auffallend. Vermutlich war aber genau dieser enorm gestiegene Sound-Druck das, was für den Sänger Chris Youlden später den entscheidenden Ausschlag bedeutete, weshalb er aus der Band ausschied. Seinem musikalischen Verständnis nach war diese Art von Blues Rock und Boogie Rock schlicht zu rudimentär. Er strebte eine eindeutig differenziertere musikalische Ausrichtung an. Noch einmal liess sich Kim Simmonds später davon jedoch überzeugen und produzierte im Folgejahr das musikalisch vielleicht interessanteste und differenzierteste Album in seiner gesamten Karriere: "Raw Sienna". Damit liess sich zwar nicht mehr sehr viel Geld verdienen, doch aus der Sicht des künstlerischen Gehalts war "Raw Sienna" ein Meilenstein, der schliesslich noch die letzten Boogie-Resten hinter sich gelassen hatte. Doch da war dann auch schon Schluss und Chris Youlden verliess die Band.

So gehört "A Step Further" mit seiner A Seite, einschliesslich dem von Kim Simmonds komponierten Instrumental "Waiting In The Bamboo Grove" zum Besten, was Savoy Brown aufgenommen haben in ihren Jahren mit Chis Youlden. Youlden strebte später eine Solokarriere an, die beim selben Label, Decca Records, initiiert worden war, und mit zwei absolut erfolglosen Alben mit den Titeln "Nowhere Road" (1972) und "City Child" (1973) so schnell beendet war, wie sie begonnen hatte. Kim Simmonds jedoch blieb bis heute bei seiner Erfolgsformel Savoy Brown und dem nie enden wollenden Mix aus britisch gefärbtem Blues und rollendem Boogie Rock, der bis heute insbesondere auf den Bühnen dieser Welt perfekt funkioniert.









Dec 28, 2017


JERRY GARCIA BAND - Cats Under The Stars (Arista Records AB-4160, 1978)

Die Jerry Garcia Band war eine Band des Grateful Dead Leaders Jerry Garcia. Diese Band war das grösste und längste Nebenprojekt Garcias. Seit ihrem ersten Auftritt 1975 existierte die Band bis zu seinem Tod im Jahre 1995. 1996 wurde zwar die Band unter dem Namen JGB zu seiner Erinnerung weitergeführt, jedoch in anderer Besetzung und auch teilweise anderer Stilrichtung. Neben der Jerry Garcia Band gab es noch die Jerry Garcia Acoustic Band, die sich dadurch unterschied, dass sie rein akustisch war und die Jerry Garcia Band rein elektrisch. Die Band entstand während einer Pause von Grateful Dead mit Musikern, die schon zusammen mit ihm bei Legion Of Mary spielten. Neben Garcia war John Kahn das einzig konstante Mitglied über 20 Jahre. Danach war Melvin Seals (Keyboard und elektronische Orgel), der spätere Gründer von JGB, das längste Mitglied. Er trat der Band 1980 bei und blieb bis zur Auflösung. Kahn starb 1996 vor der Gründung von JGB, sodass Seals der neue Leader wurde. Das stilistische Spektrum der Band war weit gefächert. Die Hauptrichtung war Rockmusik, die von Country, Blues, Folk und Jazz beeinflusst war und dem sogenannten Roots Rock wohl am nähesten kam. Doch Garcia liess sich auch von Rhythm & Blues und Reggae inspirieren. Seals brachte viel Gospelorgel in den Stil mit ein. Wie auch bei Garcia's Stammband Grateful Dead war musikalische Improvisation ein fester Bestandteil bei den Auftritten. Auffällig war auch, dass Garcia viele Songs von Bob Dylan coverte. 1978 erschien das erste Studioalbum "Cats Under The Stars", erst 1991 erschien das nächste Album "Jerry Garcia Band", das gleichnamige Livealbum wurde 1990 während eines Auftrittes im Musiktheater The Warfield aufgenommen. Zehn weitere Livealben wurden erst posthum nach Garcias und Kahns Tod veröffentlicht. Mehrere Grateful Dead Mitglieder gehörten zeitweise zur Formation, die ständig wechselte. Die Jerry Garcia Band tourte nicht nur in Pausen von Grateful Dead, sondern häufig auch parallel, so dass es auch zu gemeinsamen Auftritten kam.

Jerry García war der Sohn der Krankenschwester Ruth (geb. Clifford) und des spanischen Swingmusikers José Ramon Garcia und wurde nach dem Tin Pan Alley Komponisten Jerome Kern benannt. Mit vier Jahren verlor Garcia den Mittelfinger seiner rechten Hand, als sein älterer Bruder ihm diesen beim Holzhacken mit einer Axt abtrennte. Ein Jahr später musste Garcia mitansehen, wie sein Vater bei einem Angelunfall ertrank. Er wuchs in den folgenden Jahren bei seinen Grosseltern auf, während seine Mutter arbeiten ging. Zu seinem 15. Geburtstag im Jahre 1957 bekam er seine erste Gitarre. Jerry Garcia nahm Zeichenstunden in einem College und spielte in seiner Freizeit Gitarre, hauptsächlich Country, Jazz, Folk und Blues. 1960 verliess er die Highschool und trat in den Militärdienst ein, wurde aber bald wieder entlassen, nachdem er wiederholt nicht zum Dienst erschienen war. Er kehrte zurück nach San Francisco und traf dort den Dichter Robert Hunter, mit dem er später so gut wie alle seine Lieder für die Grateful Dead und seine Soloprojekte schrieb. Garcia kaufte in Dana Morgans Musikladen ein Banjo von dem jungen Angestellten Bill Kreutzmann, der später Schlagzeuger bei den Grateful Dead wurde. Garcia spielte zu dieser Zeit in einigen Bluegrass-Bands. Zu dieser Zeit gründete er mit Bob Weir, Bob Matthews, Marshall Leicster, Tom Stone und Ron McKernan (alias Pigpen), die sich alle regelmässig in Dana Morgans Musikladen aufhielten, die Bluegrass Band Mother McCree's Uptown Jug Champions. Auf Drängen Pigpens entwickelte sich Mother McCree immer mehr zum Elektrischen hin, und so wurden aus der Formation 1965 die Warlocks und später im selben Jahr schliesslich die legendären Grateful Dead.

1972 begann Jerry Garcia aktiv an seiner Solokarriere zu arbeiten. Bereits 1971 hatte er zusammen mit Howard Wales ein Soloalbum aufgenommen, bei dem aber alle Songs von Wales geschrieben wurden. Sein erstes wirkliches Soloalbum enthielt dann aber hauptsächlich Garcia / Hunter-Kompositionen, von denen einige Eingang in das Grateful Dead Repertoire fanden. Bei diesem Album spielte Jerry Garcia auch alle Instrumente (Gitarren, Keyboards, Gesang) selbst, wodurch es eine der seltenen Aufnahmen wurde, bei den man Jerry Garcia an einem Tasteninstrument hören konnte. Nur das Schlagzeug wurde vom Grateful Dead Kollegen Bill Kreutzmann gespielt. In der Folgezeit spielte Garcia regelmässig mit seiner Jerry Garcia Band. Ausserdem war er Mitglied (beziehungsweise Bandleader) bei Legion Of Mary und Old And In The Way. Bei fast allen Soloprojekten begleiteten ihn John Kahn am Bass und Merl Saunders an den Keyboards. Auch Mitglieder der Gruppe Grateful Dead waren oft Gastmusiker bei Garcias Solobands. Seine Soloarbeiten wurden auch stark von seiner Freundschaft zu David Grisman geprägt, einem Mandolinenspieler, der auch schon mit Jazz-Ikonen wie Stephane Grappelli gespielt hatte. Bei Old And In The Way hatte Garcia schon mit Grisman zusammengearbeitet. 1990 hatten sie wieder Kontakt aufgenommen und seither viel zusammen gejammt und auch Konzerte gegeben. Ihr Stil beinhaltete unter anderem Jazz, Folk und Bluegrass, war aber immer akustisch. 1991 veröffentlichten sie "Garcia / Grisman", worauf einige weitere Alben sowie der Film 'Grateful Dawg' im Jahr 2000 folgten. Besonders waren hier die "Pizza Tapes" hervorzuheben. Dabei handelte es sich um die Aufnahme einer Jam-Session, die den Musikern von einem Pizza-Auslieferer gestohlen wurde. Als das Bootleg immer weitere Kreise zog, wurde die Session offiziell veröffentlicht.

"Cats Under The Stars" war und blieb das einzige Studioalbum der Jerry Garcia Band. Das im Jahre 1978 veröffentlichte Wer war Jerry Garcias erstes Album auf dem Label Arista Records und seine erste LP unter dem Bandnamen Jerry Garcia Band. Auf den Aufnahmen waren auch die Grateful Dead Mitglieder Keith und Donna Godchaux zu hören, die viel zur Musik des Albums beitrugen. Das Album war der erste, das im Grateful Dead Club Front in San Rafael in einem Lagerraum aufgezeichnet wurde, der von der Band für Probe-Sessions und später auch in ein Studio umgewandelt wurde. Garcia erklärte später, dass Ron Tutt den Schlagzeug-Sound dieses Lagerraums sehr mochte, weshalb es zum Umbau in ein Tonstudio kam. Die Aufzeichnung war zwar kein nennenswerter finanzieller Erfolg, aber es blieb Garcias Favorit, wie er in einem Interview in den späten 80er Jahren sagte: "Das Album war irgendwie wie mein Baby. Es klang schlechter als andere Platten, die ich gemacht hatte. Ich denke, dass ich wahrscheinlich mehr Kopien verschenkte als ich verkauft hatte". Bei einer anderen Gelegenheit in den frühen 80er Jahren sagte er hingegen: "Cats Under The Stars" ist mein Favorit. Das ist diejenige Platte, die mich am glücklichsten macht, aus jedem Blickwinkel betrachtet". Obwohl Ron Tutt auf dem Album Schlagzeug spielte, verliess er die Band, noch bevor das Album veröffentlicht wurde, er wurde durch Buzz Buchanan ersetzt. So blieb das Werk letztlich ein Ergebnis der Idee eines Musikers, der noch vor der Veröffentlichung ausgeschieden war, was recht ungewöhnlich war und vielleicht auch erklärt, warum Jerry Garcia es persönlich später so sehr mochte.

Jerry Garcia besass etwa 25 Gitarren und spielte so immer wieder sehr different, was seine Musik so ungemein interessant und abwechslungsreich machte. Seine erste Gitarre, die er zu seinem 15. Geburtstag geschenkt bekommen hatte, war eine Danelectro. 1965 spielte er bei den Warlocks auf einer roten Guild Starfire, die auch auf dem ersten Grateful Dead Album "The Grateful Dead" von 1967 zu hören war. Später in diesem Jahr wechselte er zu einer schwarzen Gibson Les Paul von 1957, mit P90-Tonabnehmern und Bigsby-Tremolo. Im darauf folgenden Jahr spielte er auf einer Gold-Top Les Paul mit P90 Single Coil-Tonabnehmern. Im Sommer 1968 wechselte er zu einer anderen, schwarzen Les Paul, diesmal ohne Tremolo. Im Jahr 1969 spielte er auf einer Gibson SG, mit der er auch auf dem legendären Live-Album "Live/Dead" zu hören war. 1970 sah man ihn dann mit einer 63er Sunburst Fender Stratocaster, bevor er im Mai wieder auf seine Gibson SG zurückgriff. Bei den akustischen Aufnahmen in diesem Jahr spielte er eine Martin D-18 und eine ZB Pedal Steel. 1971 wechselte er ein weiteres Mal, diesmal zu einer Sunburst Gibson Les Paul. Im März und April sah man ihn auch mit einer Spezialanfertigung, die von der Firma Alembic stammen soll. Im Mai zeigte er sich mit einer 57er Strat, die er von Graham Nash bekommen hatte.

Zwischen all diesen Gitarren wechselte Garcia immer wieder hin und her und war doch nie ganz zufrieden mit den Fabrikprodukten, bis er 1972 die erste Gitarre kaufte, die der Gitarrenbauer Doug Irwin jemals baute. Sie kostete 850 $ und wurde bekannt als '001'. Er bestellte von Doug Irwin eine weitere Gitarre, die speziell auf seine Wünsche zugeschnitten war und erhielt sie im Mai 1973 für 1500 $. Wie viele andere seiner Gitarren verschenkte er die '001'. Ihr neuer Besitzer war das Crew-Mitglied Ramrod. Seine neue Gitarre wurde wegen einer entsprechenden Intarsie 'Wolf' genannt. Kaum hatte Garcia die neue Gitarre in den Händen, bestellte er bei Doug Irwin eine weitere Gitarre. Er stellte dabei keine besonderen Anforderungen, sondern verliess sich dabei voll auf Doug. Nachdem er eine Zeit lang eine Aluminium-Gitarre von Travis Bean ausprobiert hatte, spielte er 1977 wieder die Wolf, die er 1979 durch die Tiger ersetzte. Doug Irwin hatte sechs Jahre damit verbracht, sie zu bauen, und Jerry García spielte das 7 kg schwere Instrument 11 Jahre lang. Die Tiger erlaubte es Jerry Garcia, seine Effektgeräte von der Gitarre aus zu steuern. Ausserdem besass die Gitarre einen versteckten Vorverstärker. 1988 wurde die Wolf zeitweise reaktiviert, um für Jerrys MIDI Synthesizer Experimente zu dienen. Jerry benutzte die MIDI-Geräte, um seine Gitarre wie eine Trompete oder andere Instrumente klingen zu lassen. 1989 lieferte Doug Irwin die Rosebud aus, die 11000 $ kostete und als sein Meisterwerk galt. Diese für Jerry Garcia angefertigten Gitarren waren mit den Tonabnehmern Di Marzio Super II (Humbucker) bzw. Di Marzio SDS-1 (Single Coil) bestückt.

Im Jahre 1993 kam Jerrys nächste Gitarre mit der Post: Stephen Cripe, ein Schreiner aus Florida, der Jahre damit verbracht hatte, individuell angefertigte Inneneinrichtungen von karibischen Yachten zu bauen, hatte eine Gitarre gebaut. Dazu kopierte er Doug Irwins Design der Tiger und veränderte es leicht. Die Gitarre baute er aus einem einzigen Stück ostindischen Palisanders, das er aus einem Opiumbett aus dem 19. Jahrhundert gewann. Garcia war begeistert. Er liess zwar das elektrische Innenleben überarbeiten, ansonsten war er aber hingerissen von der Gitarre. Er nannte sie die Gitarre, auf die er immer gewartet hatte, und spielte fast nur noch auf diesem Instrument. Sie wurde bekannt unter dem Namen 'Lightning Bolt' (Blitzstrahl). Garcia traf Cripe bei einem Konzert in Florida und bestellte für 6500 $ eine weitere Gitarre, die als 'Top Hat' bekannt wurde, obwohl Garcia fast nie auf ihr spielte. Sein letztes Konzert in Chicago begann Jerry Garcia mit Irwins Rosebud, aber während des Konzerts gab es Probleme und Garcia griff auf die Ersatzgitarre der Tour zurück - die Tiger - und beendete sein letztes Konzert mit seinem alten, vertrauten Handwerkszeug. Über die akustischen Gitarren, die Garcia benutzte, ist weniger bekannt. Ausser der oben erwähnten Martin spielte er auf verschiedenen Takamine-Instrumenten und einer 1939er Gibson Super 400N, von der angenommen wird, dass es die letzte Gitarre war, auf der Garcia gespielt hatte.

In seinem Testament verfügte Jerry Garcia, dass Doug Irwin alle fünf Gitarren, die dieser für Garcia gebaut hatte, bekommen sollte. Die anderen Bandmitglieder, ausgenommen Phil Lesh, erhoben dagegen Einspruch. Da die Gitarren vom Geld der Band gekauft worden wären, könnten sie nicht Garcias alleiniger Besitz gewesen sein. Diese Kontroverse verärgerte viele Fans, die immer auf die nichtkommerzielle Ausrichtung der Band stolz gewesen waren. Man einigte sich im Januar 1996 schliesslich darauf, dass Irwin die Modelle 'Tiger' und 'Wolf' behalten durfte. Da Irwin 1998 auf Grund eines Autounfalls verarmte, beschloss er, diese Gitarren zu versteigern. Zusammen brachten sie 1,74 Millionen US-Dollar ein, wobei die Käufer unbekannt blieben. Vom Rolling Stone wurde er auf den 46. Platz der 100 besten Gitarristen sowie gemeinsam mit Robert Hunter auf Platz 36 der 100 besten Songwriter aller Zeiten gewählt. In den frühen 70er Jahren benutzte Garcia fast nur ein Wah Wah Pedal von Vox. In den späten 70er Jahren erweiterte er sein Equipment um einen Mutron Octave Divider, MXR Distortion und einige andere Geräte, zum Beispiel das Mutron III Auto-Wah, das man auf dem Stück "Estimated Prophet" hören konnte. Auf dem epischen "Terrapin Station" benutzte Jerry Garcia auch einen direkt von seiner Gitarre angesteuerten Synthesizer, mit dem er rasend schnelle, spacige Tonfolgen produzierte. In den späten 80er Jahren verwendete er hauptsächlich Boss-Effektgeräte, zum Beispiel Octave Divider, Turbo Overdrive und zwei Effektschleifen. Ausserdem benutzte er Lexicon-Effektgeräte, die eigentlich zur Verwendung im Studio hergestellt waren.

1957 hatte Jerry Garcia Bekanntschaft mit Marihuana gemacht und nahm seit 1965 regelmässig Drogen. Vor allem gegen seine Heroinsucht kämpfte er lange Zeit. 1986 fiel er in ein mehrtägiges Koma. Die Diagnose war Diabetes. Im Jahre 1991 hatte er einen weiteren Zusammenbruch. 1992 musste sogar die Herbsttour abgesagt werden, weil Garcia zu schwer erkrankt war. Im Sommer 1995 begab er sich in ein Drogen Rehabilitations-Zentrum 50 km nördlich von San Francisco. Seinen Bandkollegen hatte er erzählt, er ginge mit seiner Frau nach Hawaii in den Urlaub. Am 9. August 1995 um 4:23 Uhr morgens wurde Jerry Garcia in seinem Zimmer von einer Krankenschwester am Boden liegend gefunden. Sie stellte fest, dass er nicht mehr atmete. Wiederbelebungsversuche blieben erfolglos. Die Todesursache war ein Herzinfarkt. Am 13. August wurde im Golden Gate Park ein Erinnerungs-Gottesdienst gehalten, an dem Bandmitglieder, seine Familie und Freunde und Tausende Fans teilnahmen. US-Präsident Bill Clinton ehrte ihn dabei als eine amerikanische Ikone. Jerry Garcia heiratete 1963 Sarah Ruppenthal, mit der er seine erste Tochter hatte. Vom 31. Dezember 1981 bis zum Januar 1994 war er mit Carolyn Adams Garcia, auch bekannt als 'Mountain Girl', verheiratet. Bereits vorher hatte er mit ihr die zwei Töchter bekommen. Aus der ausserehelichen Beziehung zu Manasha Matheson entsprang am 20. Dezember 1987 eine weitere Tochter. Nach der Scheidung heiratete er Deborah Koons García, mit der er vom 14. Februar 1994 bis zu seinem Tod verheiratet war. Nach seinem Tod brach zwischen seinen letzten beiden Frauen ein erbitterter Streit über seinen Nachlass aus. Garcia hatte seiner Ex-Frau Carolyn ein beträchtliches Vermögen hinterlassen. Seine letzte Frau bezweifelte seine Zurechnungsfähigkeit aufgrund seiner Drogensucht und beanspruchte das Vermögen für sich. Das Gericht entschied gemäss Garcias Willen und sprach Carolyn ihren Teil des Nachlasses zu.

Jerry Garcia war auch als Maler und Zeichner sehr aktiv. Er schuf über 500 Bilder und Zeichnungen. Er studierte Kunst an der California School of Fine Arts, die jetzt San Francisco Art Institute heisst. Er arbeitete mit Wasserfarben, Bleistift und Tinte, fand aber auch Gefallen an digitaler Kunst, wovon beispielsweise das Cover des Grateful Dead Albums "Infrared Roses" zeugt. In den USA gibt es eine Krawattenserie, auf der Jerry Garcias Kunst abgedruckt ist. Ausserdem werden seine Bilder auf Etiketten von Weinflaschen abgedruckt. Garcia zu Ehren benannte der bekannte Speiseeis-Produzent Ben & Jerry’s eine Eiscreme und einen Low Fat Frozen Yogurt nach ihm. Die Eiscreme wurde noch zu Garcias Lebzeiten 1987 nach ihm benannt. Es hat Kirschgeschmack mit Kirsch- und Knusperschokoladen-Stücken. Nach dem Tod von Garcia wurde anstelle der Bing-Kirsche die schwarze Späte Traubenkirsche verwendet.






Dec 27, 2017


PAUL KANTNER - Blows Against The Empire
(RCA Victor Records 461 038 (LSP.4448), 1970)

Paul Kantner war der erste Musiker, den der Sänger Marty Balin im Jahre 1965 zum Projekt Jefferson Airplane einlud. Kantner schrieb etliche Songs für die Band, die sich häufig um Themen aus der Science Fiction drehten: Der Text des Songs "Crown Of Creation" vom gleichnamigen Album aus dem Jahre 1968, bestand zum Beispiel nur aus Zitaten aus dem 1955 erschienenen Science Fiction Roman 'Wem gehört die Erde ?' von John Wyndham. Mit David Crosby und Stephen Stills schrieb Paul Kantner das Stück "Wooden Ships", das auf dem Jefferson Airplane-Album "Volunteers" erschien. Paul Kantner's Soloalbum "Blows Against The Empire" von 1970, mit musikalischen Beiträgen von David Crosby, Grace Slick, Jerry Garcia und Graham Nash, handelte davon, dass um das Jahr 1990 herum 7000 Hippies ein von der Regierung gebautes Raumschiff kapern, um damit ins All auszuwandern. "Blows Against The Empire" war das erste Album Paul Kantners. Das durchaus hippieske und trippige Konzeptalbum wurde im November 1970 veröffentlicht. Der Name Jefferson Starship wurde hier zum ersten Mal auf der Vorderseite und im Innern des Klappcovers für die Musiker verwendet. Ab 1974 firmierten dann Jefferson Airplane schliesslich offiziell unter diesem abgeänderten Namen.

Das Jahr 1970 war eine Zeit des personellen Umbruchs für Jefferson Airplane. Der langjährige Schlagzeuger Spencer Dryden verliess die Band und Marty Balin sollte ihm bald folgen. Jorma Kaukonen und Jack Casady widmeten sich mit ihrer eigenen neuen Gruppe Hot Tuna dem Bluesrock, Jefferson Airplane veröffentlichten in diesem Jahr, vom Best Of-Album "The Worst Of Jefferson Airplane" abgesehen, kein weiteres oder gar neues Album. Zusammen mit seiner damaligen Lebensgefährtin Grace Slick und weiteren Musikern der Gruppe Jefferson Airplane sowie anderer Gruppen aus der San Francisco Bay Area wie Grateful Dead, Crosby, Stills And Nash und Quicksilver Messenger Service nahm Paul Kantner das Album in den Pacific High Recordings und in Wally Heiders Studio auf. Das Album erzählte von einer Gruppe das Establishment ablehnender Angehöriger der Gegenkultur. Aussagen wie "Hey Dick, Whatever you think of us is totally irrelevant" und weitere Anspielungen waren auf den damaligen amerikanischen Präsidenten Richard Nixon bezogen, dessen Spitzname 'Dick' lautete. Diese imaginäre Gruppe entführte ein Raumschiff, bauten es für ihre Zwecke um, und flogen damit mit 7000 weiteren Menschen an Bord um 1990 ins All auf der Suche nach einem Planeten für einen Neubeginn der Menschheit. Mitverwoben in diese Geschichte wurde auch die private Situation Grace Slicks und Paul Kantners: Während der Aufnahme war Grace Slick mit ihrer Tochter China schwanger und sie meinte: "I won't carry the government's children".

Musikalisch reichte die Bandbreite vom nur mit einem Banjo begleiteten Wiegenlied "The Baby Tree" über aussergewöhnliche und sehr spacige Klangcollagen wie in "Home" oder "XM", deren Bezug zum Spacerock offensichtlich waren, bis zu der vom Jefferson Airplane Album "Volunteers" bekannten stilistischen Mixtur aus Country- und Psychedelic Rock mit den für Jefferson Airplane so typischen mehrstimmigen Gesängen. Der Musikkritiker William Ruhlmann hob die dichte Instrumentierung und die komplexen Arrangements mit genug Hooklines und Harmonien um das ganze interessant zu halten hervor und gab dem Album vier von fünf möglichen Sternen. Das Album war im Jahr nach seiner Erstveröffentlichung für den Science Fiction Preis 'Hugo' nominiert.

Erst 13 Jahre später erschien mit dem brillianten Album "The Planet Earth Rock And Roll Orchestra" (kurz "PERRO") eine Fortsetzung. Die Sängerin Grace Slick und Paul Kantner wurden ein Paar, ihre gemeinsame Tochter China wurde 1971 geboren. Sie nahmen nach "Blows Against The Empire" weitere Alen zusammen auf, so etwa die Werke "Sunfighter" (1971) und "Baron Von Tollbooth & The Chrome Nun" (1973) auf, bevor sie 1974 Jefferson Airplane endgültig in Jefferson Starship umbenannten. Den Namen hatte Kantner schon 1970 für "Blows Against The Empire" verwendet. Unter dem Namen Jefferson Starship wurde die Gruppe zunehmends kommerzieller und verlor nach und nach den Bezug zu Hippietum und Space-Phantasien vollständig, etablierte sich dadurch aber zu einer äusserst erfolgreichen Poprock-Band in den USA in den 70er Jahren.

1980 erlitt Paul Kantner eine Hirnblutung. 1983 erschien sein Soloalbum "The Planet Earth Rock And Roll Orchestra". 1984 verliess Paul Kantner die Gruppe Jefferson Starship und erreichte auf gerichtlichem Weg, dass die Band ihren Namen ändern musste und sich fortan Starship nannte. Mit Marty Balin und Jack Casady formierte er 1985 die KBC Band, die lediglich ein nicht sonderlich beachtetes Album aufnahm. 1989 gkam es zu einer kurzzeitigen Wiedervereinigung von Jefferson Airplane. Danach belebte Paul Kantner Jefferson Starship wieder. Diese jüngste Inkarnation der Band wurde allgemein als 'Jefferson Starship - The Next Generation' bezeichnet. Paul Kantner starb am 28. Januar 2016 an multiplen Organversagen und septischem Schock als Folgen eines Herzinfarkts, den er einige Tage zuvor erlitten hatte. Er hinterliess ein recht umfangreiches musikalisches Vermächtnis, das zu den herausragenden Werken der amerikanischen Hippiekultur zählt.









Dec 24, 2017


MAN AND FRIENDS - Christmas At The Patti 
United Artists Records UDX 205/6, 1973)

Ursprünglich als 'kleines' Doppelalbum im Format 10" veröffentlicht, präsentierten die Waliser im Juli 1973 für ihre Fans in einer streng limitierten Ausgabe die Aufnahmen einer Weihnachtsparty vom 19. Dezember 1972 im Patti Pavillion in Swansea, wo die Jam Band zusammen mit Gästen wie den Flying Aces, Dave Edmunds, Help Yourself, Ducks Deluxe, Plum Crazy und The Jets auftrat. Gleichzeitig war dies aber auch für die damals aktuelle Man-Besetzung mit den Gitarristen Micky Jones und Clint Space, dem Bassisten Will Youatt, Phil Ryan an den Keyboards und dem Schlagzeuger Terry Williams ein Familientreffen mit den früheren Man-Mitgliedern Gitarrist Deke Leonard und Martin Ace. Wie nicht anders zu erwarten, war dabei ein nicht gerade sehr festliches Party-Album entstanden. Dazu beigetragen hatten vor allem die legendäre englische Pub Rock Band Ducks Deluxe mit "Boogaloo Babe", der nicht minder legendäre Dave Edmunds mit einem Cover von Chuck Berry's "Run Rudolph Run", Help Yourself mit Deke Leonard und B.J. Cole und dem E. McDaniels Standard "Mona", den bekanntlich auch schon die Man-Vorbilder Quicksilver Messenger Service auf deren Album "Happy Trails" gecovert hatten, und natürlich Man selbst mit Dave Edmunds und einer 14-minütigen Version des Titels "Life On The Road", der auf dem kurz zuvor veröffentlichten Studioalbum "Be Good To Yourself At Least Once A Day" vertreten war. Ein durch und durch sympathisches Weihnachtsfest von brettharten Hippies war die Folge, und es ist einfach schön, dass die Band Man diesen Anlass damals komplett aufgenommen hatte. Bis heute blieb "Christmas At The Patti" eine meiner allerliebsten Weihnachtsplatten, weshalb ich hier sehr gerne mal dafür Werbung machen wollte.

Mein Blog steht inzwischen seit zwei Jahren, ich hätte nicht gedacht, dass ich ihn so lange betreiben würde. Aber die vielen positiven Feedbacks, die ich in diesen zwei Jahren von Euch erhalten habe und die vielen netten Kontakte, die dadurch entstanden, sind für mich Motivation genug, den Music Corner auch weiterhin mit interessanten und eher wenig bekannten Alben der Jazz-, Blues-, Rock- und Popmusik zu füttern. Ganz besonders freue ich mich über fast 200'000 Besuche in den vergangenen zwei Jahren, damit hätte ich nie gerechnet.

Ich wünsche allen Lesern ein friedvolles Weihnachtsfest und ein gutes neues Jahr.

Herzliche Grüsse
Beatnik









Dec 23, 2017


BILLY COBHAM - Crosswinds (Atlantic Records SD 7300, 1974)

Der Schlagzeuger und Komponist Billy Cobham wurde in Panama geboren, zog aber im Alter von drei Jahren mit seiner Familie nach New York City und wuchs dort auf. Sein Vater war Pianist und Cobham absolvierte bereits im Alter von 8 Jahren seine ersten Auftritte mit ihm. Cobham besuchte in seiner frühen Jugend Workshops mit Jazz-Grössen wie Thelonious Monk und Stan Getz. 1959 begann er sein Schlagzeug-Studium an der High School of Music and Art in Brooklyn, New York, das er 1962 mit Diplom abschloss. Nach drei Jahren in einer Band der United States Army (1965 bis 1968) wurde Cobham von Horace Silver entdeckt, mit dem er 1968 seine ersten Platten aufnahm. Anfangs näherte Cobham sich dem Free Jazz an, setzte sich aber Ende der 60er Jahre stilistisch davon ab und trug massgeblich zur Entwicklung von Jazz-Rock und Fusion bei. Er zählt seit den 70er  Jahren zur Elite der Jazz Rock Schlagzeuger, was auch durch seine Mitgliedschaft im Mahavishnu Orchestra unterstützt wurde. Er wirkte auch bei Miles Davis' legendärem Album "Bitches Brew" mit.

Billy Cobham brachte zuvor unbekannte Spielweisen in die Rockmusik ein, die bis heute diese Musikrichtung beeinflussen; so verwendete er lateinamerikanische Techniken, die er auf das 'American Drumset' übersetzte. Hervorstechend war seine Technik wie beispielsweise die Nutzung der Double Bassdrum. Der spieltechnische Unterschied zwischen rechter und linker Hand war bei ihm aufgehoben, ein Hinweis auf Cobham's hohes spieltechnisches Niveau. Der kritisierten Kommerzialisierung des Jazz hielt er 1985 entgegen: "Wenn ich kein Geld verdiene, verliere ich die Chance, künstlerisch zu machen, was ich will. Ohne Geld hat man nichts zu essen, man kann nicht denken, man stirbt". Cobham spielte unter anderem mit Horace Silver und George Benson; Larry Coryell holte ihn für seine Produktion "Spaces" (1969). Von 1971 bis 1973 markierte er im Mahavishnu Orchestra den elaborierten Gegenpart zum Fusion Gitarristen John McLaughlin. 1973 bekam er einen Vertrag beim Atlantic Label und veröffentlichte sein erstes Album "Spectrum", welches vom Billboard Magazine als beste Jazz Platte ausgezeichnet wurde. Auf dem Album wirkten unter anderem mit: Tommy Bolin an der elektrischen Gitarre, Jan Hammer am Klavier und Leland Sklar am Bass. Seine erste Solo-Platte hatte zweifelsohne Jazz Rock Geschichte geschrieben.

Im selben Jahr landete er zusammen mit Eumir Deodato und Stanley Clarke mit dem Titel "Also sprach Zarathustra" in den USA und in England einen Top Ten Erfolg. In der Folge spielte er vorwiegend als Studiomusiker, in Sessions und in eigenen Projekten, dabei häufig zusammen mit Jan Hammer und George Duke (Keyboards), John Abercrombie und John Scofield (Gitarre) sowie Randy und Michael Brecker (Trompete und Tenorsaxophon). Auch wenn sein Erstling "Spectrum" ein Meilenstein der Fusionsmusik wurde, geriet meiner Meinung nach das zweite Album "Crosswinds" in seiner Gesamtheit noch eine Spur besser und war letztlich auch nicht so anstrengend zu hören, wie es teilweise beim Vorgänger der Fall war. Hier hatte Billy Cobham wieder eine Topmannschaft um sich geschart: die Brecker Brothers an Saxophon und Trompete, dazu an der Posaune Garnett Brown, an der Gitarre John Abercrombie, den Keyboards George Duke, die Percussions bediente Lee Pastora. Der erste Teil des Werks bestand aus einem Titel namens "Spanish Moss - A Sound Portait", der sich über 17 Minuten erstreckte und aus 4 Teilen bestand, die zusammengehalten wurden von Synthesizer-Windklängen. Aus dem Wind, in welchem auchch eine Glocke klang, schälte sich das "Spanish Moss"-Thema vom Saxophon vorgespielt und fugenartig von Trompete und Posaune aufgenommen, danach folgte das wunderbare "Savannah The Serene", stimmungsvoll, entspannt mit Posaunen- und einem E-Piano Solo in Szene gesetzt, dann wurde der Wind zum "Storm", ein wuchtiges Schlagzeug-Solo, das dem Titel gerecht wurde. Der vierte Teil "Flash Flood" kam schnell und äusserst dynamisch daher, mit einem hervorragenden Wah Wah Trompetensolo von Randy Brecker, gefolgt von einem Gitarrensolo von John Abercrombie.

Die B-Seite des Albums begann mit "The Pleasant Pheasant" mit funky Bläsersounds, einem sehr guten Tenorsaxophon-Solo von Michael Brecker, genial übergleitend in ein Moog Synthesizer Solo, gespielt von George Duke, gefolgt von beeindruckenden Schlagzeug- und Perkussions-Soli und darum herum kräftigen Bläsersätzen. Zum Ende hin bekam auch noch John Abercrombie seine Anteile. "Heather" war ein sehr besonderes Stück, sehr behutsam kam es aus dem Nichts, zart, meditativ, das Saxophon setzte wundervoll ein, später übernahm George Duke mit E-Piano Sprengeln. Als dann nach knapp achteinhalb Minuten der Titelsong folgte, wurde der Zuhörer richtiggehend aus einer inneren Versunkenheit geholt. "Crosswinds" zeigte sich dann wieder funky und kraftvoll mit der Gitarre von John Abercrombie als zentralem und auch solierenden Instrument. Dabei blieb die gesamte Platte jederzeit unangestrengt hörbar, auch für die eher weniger am Jazz-, als vielmehr am Rock- und Fusions-Bereich interessierten Hörer.

1977 bis 1980 spielte Billy Cobham dann unter Vertrag von CBS Records, danach wurde er als Freelancer selbständig. In den 90er Jahren spielte er häufiger mit jungen Musikerinnen und Musikern und überschritt auch die Genre-Grenzen. Dies manifestierte sich zum Beispiel in der Zusammenarbeit mit The Grateful Dead oder Peter Gabriel. Ausserdem beteiligte sich Billy Cobham an TV-Produktionen über Jazz. 1992 und 1993 spielte und lehrte er im Auftrag der UNICEF in Brasilien, wo er ein Musikprojekt für Strassenkinder unterstützte. Um 2008 arbeitete er oft mit McCoy Tyner und Stanley Clarke im McCoy Tyner Trio zusammen. Darüber hinaus trat er auch mit der kubanischen Band Asere unter dem Namen Billy Cobham & Asere auf. Zum vierzigjährigen Jubiläum seines Debutalbums "Spectrum" formierte er das Projekt "Spectrum 40 Band" mit den Musikern Dean Brown, Ric Fierabracci und Gerry Etkins. Billy Cobham tourte auch mit seiner Billy Cobham Band in wechselnden Besetzungen durch Europa und Nordamerika, zuletzt mit Jean-Marie Ecay an der Gitarre, Michael Mondesir am Bass, Steve Hamilton an den Tasteninstrumenten und Camelia Ben Naceur, ebenfalls an den Keyboards. Daneben trat Cobham beispielsweise im April 2016 auch mit Ron Carter und Donald Harrison im Blue Note Club auf. Das Rolling Stone Magazine listete Billy Cobham im Jahre 2016 auf Rang 45 der 100 besten Schlagzeuger aller Zeiten.









Dec 22, 2017


EDDIE MONEY - Playing For Keeps (Columbia Records FC 36514, 1980)

Wenn ich hier in diesem Blog sogenannte 'alternative Plattentipps' vorstelle, dann sind das natürlich auch immer Platten, zu denen ich ganz persönlich einen Bezug habe. Sei es, weil sich die Songs auf einem Album für immer in meinem Gedächtnis festgekrallt haben, sei es, weil es Platten sind, die irgendeine Art von recht ungewöhnlicher Musik gegenüber dem allgegenwärtigen Mainstream darstellen oder weil es Werke sind, die ganz einfach für gute Laune bei mir sorgen, und das seit vielleicht 20, 30 oder gar 40 Jahren. Eine dieser Platten, neben all den anderen Werken, welche dieser Künstler ausserdem noch veröffentlicht hat, war und ist Eddie Money's "Playing For Keeps" von 1980. Zu einem Zeitpunkt, da dem ausgehenden Punk und dem Aufkommen der britischen New Wave fast meine ganze musikalische Aufmerksamkeit galt, veröffentlichte Eddie Money ein einmaliges gute Laune Album, das mich mitten in mein Herz traf. Zuvor hatte der Musiker bereits einige Platten veröffentlicht, die dank gutem Import-Service in den örtlichen Plattenläden verfügbar waren, von mir auch zur Kenntnis genommen wurden, jedoch nicht wirklich als unbedingte 'Must Have's' angesehen wurden. Ganz anders dieses Werk, das sich mir als ein Album präsentierte, das neun Songs umfasste und neun absolute Ohrwürmer zeigte, an denen ich einfach nicht vorbei kam, und die ich mir noch heute mit derselben Freude anhören kann wie damals, als ich mir dieses Vinyl zulegte, als es gerade neu erschienen war.

Eddie Money, geboren am 21. März 1949 in New York City, mit bürgerlichem Namen Edward Joseph Mahoney eiferte erst einmal in den frühen 70er Jahren seinem Vater nach, der Polizist war und besuchte die New York Police Academy, um ebenfalls Polizeibeamter zu werden. Bald entdeckte er jedoch sein Talent als Sänger und unterschrieb schliesslich im Jahre 1976 bei CBS Records einen Plattenvertrag. Er siedelte nach Berkeley in Kalifornien über. Sein Debütalbum "Eddie Money" enthielt unter anerem das Stück "Two Tickets To Paradise", mit dem er Platz 22 in den Billboard Hot 100 erreichte. Im darauffolgenden Jahr schaffte er es mit "Baby Hold On" auf Platz 11 der US-Hitparade. "Playing for Keeps" war Eddie Money's drittes Studioalbum, veröffentlicht im Jahre 1980. Es wies gegenüber seinen vorherigen beiden Alben im Grunde keine grossen stilistischen Aenderungen auf, dennoch unterschied es sich insofern, als dass der Gesamtsound wesentlich fetter, erdiger und rockiger ausfiel, was vor allem an der tollen Produktion des ausführenden Produzenten Ron Nevison lag, der in den Tagen damals beispielsweise auch für den relativ druckvollen Sound von Jefferson Starship verantwortlich zeichnete. Ausserdem wies das Album gegenüber seinen beiden Vorgängern einen stilistisch eher breiteren Rahmen auf. So sorgte bereits der wundervolle Opener "Trinidad" für etwas karibisches Flair, und auch im Stück "Running Back" kam ein unterschwelliger Reggae-Touch zum tragen, der aber nie die rockige Bodenhaftung verlor, oder nach irgendwelchen nebelverbreitenden Rauchgeräten klang.

Aber auch hier fanden sich catchy Poprock-Nummern, welche die volle Westcoast-Breitseite auf den Hörer übertrugen, wie etwa das schöne und romantische "When You Took My Heart" oder das tolle "Let's Be Lovers Again", das ein Gesangs-Duett mit Valerie Carter präsentierte. Allerdings hatte sich Eddie Money später relativ kritisch über diese Nummer geäussert, weil er eigentlich nicht wollte, dass seine Stücke allzu überzuckert produziert werden sollten. Es war dennoch eine gute Idee von Ron Nevison, dem Produzenten. Denn die Nummer punktete beim Publikum, ebenso wie der treibende Rocker "Satin Angel". Ueberhaupt stellte Eddie Money bald einmal fest, dass dieses dritte Album keiner eigentlichen Hit-Single bedurfte, um nicht pausenlos im Radio rauf und runter gespielt zu werden. Dieses Werk half auch, die beiden Vorgänger erneut zu verkaufen, sodass "Playing For Keeps" im Grunde Eddie Money's Garant dafür war, dass sich frühere und auch spätere Alben gut verkaufen lassen würden. Eddie Money war im Radio omnipräsent, seine Stücke wurden in den USA landesweit überall gespielt, und man kann gut nachvollziehen, was der legendäre Konzertveranstalter und Musikproduzent Bill Graham (Fillmore) gedacht hat, als er Eddie Money zum erstenmal an einem Konzert gehört hatte und ihn schnurstracks an CBS Records empfohlen hatte.

Der exzellente Sound der Platte "Playing For Keeps" war schliesslich das Werk von Ron Nevison, der kurz zuvor die Gruppe Jefferson Starship mit deren Erfolgs-Single "Jane" und dem dazugehörigen Album "Freedom At Point Zero" zurück ins Rampenlicht katapultiert hatte. Die Wahl fiel auf Ron Nevison, weil Eddie Money seine Produktion dieser Jefferson Starship-Platte sehr schätzte und einen ähnlich druckvollen Sound anstrebte. Interessanterweise wurde jedoch keines der als Single ausgekoppelten Stücke grosse Hitparaden-Renner, obwohl die Titel andauernd im Radio gespielt wurden. Das äusserst rockige "Get A Move On" wie auch das herrliche "Trinidad" konnten als Singles nicht punkten, waren aber radiomusikalische Dauerbrenner. Dies änderte sich erst einige Jahre später, in denen Eddie Money praktisch pausenlos tourte und immer wieder für volle Hallen sorgte. Sein bekanntestes Stück erschien erst im Jahre 1986. Da erreichte sein Stück "Take Me Home Tonight", das er zusammen mit Ronnie Spector (The Ronettes) aufnahm, in den Billboard-Charts den vierten Platz, was schliesslich auch sein grösster Single-Erfolg bedeuten sollte.

Sein letzter Hit war "Peace In Our Time" von 1989. Die Alben von 1991 und 1992 wurden mehr oder weniger von der breiten Öffentlichkeit ignoriert und Columbia Records kündigte ihm deshalb den Vertrag. Trotzdem veröffentlichte er 1999 das Album "Ready Eddie". 2007 legte er mit dem Album "Wanna Go Back" eine Hommage an den Rock der 60er Jahre vor, als er als 15-Jähriger noch unter seinem echten Namen Eddie Mahoney mit seiner Band The Grapes Of Wrath durch die Lande tourte. Mit diesem nostalgischen Programm reiste er mit der Eddie Money Band 2007 durch die Staaten. Mehrfach sang er seinen alten Hit "Take Me Home Tonight" mit seiner Tochter Jessica. In der Folge 'Reich für einen Tag' der Sitcom King of Queens spielte er sich in einer Gastrolle selbst. Dabei sang er seine Songs "Shakin'" und "Save A Little Room In Your Heart For Me" live. Der Song "Two Tickets To Paradise" war in diesem Zusammenhang ebenfalls einige Male zu hören und knüpfte an die Story der Folge an.



Dec 21, 2017


MANI MATTER - I han es Zündhölzli azündt
(Zytglogge Records Zyt 24 DLP 30-204, 1973)

Der Schweizer Liedermacher und Chansonnier Mani (gebürtig Hans Peter) Matter wurde am 4. August 1936 im Spital von Herzogenbuchsee im Kanton Bern geboren. Sein Vater Erwin Matter war Fürsprecher, seine Mutter, die Niederländerin Wilhelmina Matter-de Haan, Sekretärin, sein Grossvater väterlicherseits Oberbetriebschef bei den Schweizerischen Bundesbahnen. Mani hatte eine zwei Jahre ältere Schwester, Helen. Von seiner Mutter wurde Hans Peter Jan, holländisch für Hans, genannt. Aus Jan wurde im Mund seiner Schwester Helen Nani. Leicht verändert wurde dann Mani zu seinem Pfadfindernamen. Innerhalb der Familie wurde ausschliesslich französisch gesprochen. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er in Bern. Er besuchte die Primarschule Enge (1943–47), das Progymnasium am Waisenhausplatz (1947–51) und das Gymnasium Kirchenfeld, wo er 1955 die Maturitätsprüfung bestand. In seiner Gymnasialzeit schrieb er sein erstes Chanson, "Dr Rägewurm", zur Melodie von "Ballade des dames du temps jadis" von Georges Brassens.

Da er nach dem Tod seiner Mutter zwei krampfartige Störungen erlitten hatte, wurde er dienstuntauglich erklärt und konnte so nach dem Gymnasium direkt an die Universität Bern. Er studierte zuerst ein Semester Germanistik, wechselte dann aber zur Jurisprudenz. 1963 erwarb er, unter anderem nach einem Praktikum am Amtsgericht Interlaken, das bernische Fürsprecherpatent. 1963 wurde Mani Matter Assistent beim Staatsrechtsprofessor Richard Bäumlin, 1965 erlangte er den Doktortitel bei Hans Huber mit der Bestnote 'summa cum laude'. 1967/68 verbrachte er mit seiner Familie, seiner Ehefrau Joy und den drei Kindern Ueli, Sibyl und Meret Matter, ein Jahr an der University of Cambridge und arbeitete dort an seiner Habilitationsschrift, die er bis auf die Fussnoten fertigstellte, aber nie einreichte. 1969 trat er die neugeschaffene Stelle als Rechtskonsulent der Stadt Bern an; ab 1970 bekam er daneben von der Universität Bern, unterdessen als Oberassistent, einen Lehrauftrag für Staats- und Verwaltungsrecht.

Mani Matter war mit seinen berndeutschen Chansons 1960 erstmals im Radio zu hören. Öffentliche Auftritte gab er ab 1967, zunächst stets zusammen mit den Berner Troubadours. Sein erstes Soloprogramm startete er erst, vom später überaus erfolgreichen Schweizer Kabarettisten Emil Steinberger dazu gedrängt, im Herbst 1971 mit einem Auftritt im Kleintheater Luzern. 1965 wurden die ersten drei Liedtexte von ihm veröffentlicht: im Sammelband 'Ballade, Lumpeliedli, Chansons à la Bernoise' des Berner Benteli-Verlags. 1966 erschien seine erste Schallplatte mit Studioaufnahmen; seine fünfte und letzte hatte er selber noch aus Live-Aufnahmen zusammengestellt. Einige seiner Chansons knnt man nur aus späteren Aufnahmen seiner Freunde Jacob Stickelberger und Fritz Widmer, von ihnen unter dem Titel "Dr Kolumbus" veröffentlicht, ebenso wie die 1972 zu dritt für das geplante neue Programm komponierte "Kriminalgschicht". Am Freitagabend, dem 24. November 1972, kollidierte er auf der Hinfahrt zu einem Konzert in Rapperswil auf der Autobahn mit einem Lastwagen und starb auf der Stelle. Er wurde nur 36 Jahre alt. Sein Grab befindet sich auf dem Berner Bremgartenfriedhof. Sein Nachlass wird im Schweizerischen Literaturarchiv in Bern aufbewahrt.

Mani Matter hatte die Texte seiner Lieder selbst verfasst, die Melodien komponiert und die Lieder vorgetragen, nach dem Vorbild der französischen Liedermacher beziehungsweise den sogenannten 'auteur compositeurs interprètes' wie zum Beispiel Georges Brassens. Die Melodien waren volksliedhaft gehalten, in seinen späteren Liedern verlagerte sich das Schwergewicht auf Mol-Tonarten. Seine Liedtexte gingen oft von alltäglichen Situationen aus, die philosophisch hinterfragt oder ins Absurde gezogen wurden. Ausgehend von der Frage 'Was isch es Sändwitsch ohni Fleisch ? S isch nüt als Brot' kam er in "Betrachtige über nes Sändwitsch" auf die Dialektik des Sandwichs zu sprechen. Im Lied "Bim Coiffeur bini gsässe" packte den Erzähler beim Blick in den Spiegel, der einen weiteren Spiegel zeigte, ein metaphysisches Gruseln. "I han es Zündhölzli azündt" beschrieb ausgehend vom Entzünden eines Streichholzes, das versehentlich auf den Teppich fällt, die mögliche Zerstörung der Welt, die im letzten Vers wieder zurückgenommen wurde. Absurde Erzählungen fanden sich zum Beispiel im "Nüünitram "oder in "Us emene lääre Gygechaschte" ('Aus einem leeren Geigenkasten').

Matters Lieder gehören bis heute zum populären Liedgut in der deutschsprachigen Schweiz. Zahlreiche Schweizer Musiker haben sich von ihm inspirieren lassen und seine Lieder gecovert, so etwa Stephan Eicher, Polo Hofer, Bligg, Dodo Hug oder Züri West. Eine Sammlung von Coverversionen verschiedener Interpreten erschien 1992 auf dem Album "Matter Rock". Ueli Schmezers Coverband Matter Live beschäftigte sich ausschliesslich mit der Neuinterpretation von Matters Liedern. Stephan Eicher machte das Lied "Hemmige" so bekannt, dass an seinen Konzerten sogar französischsprachige Zuhörer den berndeutschen Text auswendig mitsingen konnten. "Dr Sidi Abdel Assar vo El Hama", eine orientalische Ballade in Form eines Limericks, wurde 1994 von Oskar Weiss als Bilderbuch veröffentlicht und 2011 von Guillermo Sorya als Video neu interpretiert. Reinhard Prenn und Gerhard Ruiss übertrugen in den 90er Jahren einige Lieder von Mani Matter ins Wienerische und veröffentlichten sie auf zwei CDs: "Gö" (1994) und "Öha" (1997).

2002 schilderte Friedrich Kappeler in seinem Dokumentarfilm 'Mani Matter - Warum syt dir so truurig ?' das Leben Mani Matters und zeichnete den Einfluss seiner Chansons nach. Das Berner Mundart-Rapduo Lo & Leduc nannte einen 2011 veröffentlichten Titel - eine Hommage an Mani Matter - "Warum düet dir so fröhlech". Mani Matter zu Ehren wurde im Sommer 2003 eine kleine Strasse am Rathaus in Bern Mani-Matter-Stutz benannt. Zu seinem 80. Geburtstag wurde 2016 in Wabern (Gemeinde Köniz) der Platz bei der Talstation der Gurtenbahn nach ihm benannt. Er hatte mit seiner Familie einige Jahre in der Nähe gelebt. 2016 veröffentlichte der Liedermacher Jan Řepka 36 Lieder von Mani Matter in tschechischer Adaption zusammen mit einem zweisprachigen 160 Seiten umfassenden Booklet. An den Swiss Music Awards 2017 wurde ihm der Tribute Award verliehen. Die Laudatio hielt der Kabarettist und Mani Matter's ehemaliger Förderer Emil Steinberger.