THE HOLY MODAL ROUNDERS - Good Taste Is Timeless
(Metromedia Records MD 1039, 1971)
Die Holy Modal Rounders gelten heute als eine der am längsten aktive und trotzdem völlig unbekannt gebliebene Band. Ueber zwei Jahrzehnte lang gab es die Gruppe um die beiden Folkmusiker Peter Stampfel und Steve Weber aus Milwaukee, und in diesen zwei Jahrzehnten veröffentlichten die beiden mit ständig wechselnden Mitmusikern und auch sich immer wieder verändernder Musik gerade mal 9 Langspielplatten. Die Holy Modal Rounders waren für manchen Musikkritiker nicht viel mehr als eine Klamauk-Band, bestehend aus Feierabendmusikern, die es verstanden, ihre mangelnde Musikalität, verbunden mit dem eingeschränkten Beherrschen der Instrumente mit freiem und losgelöstem Jammen zu kompensieren. Ausserdem bemühten die Musiker allerlei Sex-, Polit- und gesellschaftskritische Themen, um einen gewissen Anspruch zu untermauern, was allerdings höchstens einer besonderen Offenheit der Musiker (im gewissen Sinne Naivität) und der ungebremsten Experimentierfreudigkeit geschuldet war, als dass ihre Themen wirklich ernst genommen wurden.
1964 und 1965 veröffentlichte die Band zwei dem traditionellen Folk verpflichtete Alben für das renommierte Prestige Label, wobei sie schon dort ihren Hang zum Absurden und einer besonders schrägen Auffassung von Humor offenbarten, was schliesslich zum Bruch mit dem Label führte. In der Folge landete die Band für eine weitere LP bei ESP Records, jenem Label, das als extrem innovativ galt und zahlreichen ungeliebten und unerwünschten Musikern eine Plattform bot, die sich vor allem politisch betätigten (wie zum Beispiel Tuli Kupferberg, Ed Sanders und ihre Fugs, zu deren Gründungsbesetzung die beiden Musiker Stampfel und Weber ebenfalls fast drei Jahre lang angehörten). Das entsprechende Album "Indian War Whoop" bedeutete zumindest in musikalischer Hinsicht ein Quantensprung und die Musiker waren mitten in der Hippie-Aera angekommen. In der Folge behielt die Band weitgehend ihr nunmehr bekanntes musikalisches Schema bei: traumverlorener Hippie-Folk mit allerlei anspruchsvoller, aber auch humoristischer Komponente, die auch beim auf Elektra Records veröffentlichten nächsten Album 1968 voll zum tragen kam ("The Moray Eels Eat THe Holy Modal Rounders"), und die sich oft am Rande des Dadaismus bewegte.
Nach mehr als drei Jahren war der Hippietraum längst ausgeträumt, harter Rock hatte die Hippies zurückgedrängt und trotzdem schafften es die Holy Modal Rounders auch weiterhin, Plattenfirmen für ihre bisweilen abenteuerlichen Absurditäten ein Sprungbrett zu finden, obschon sich ihre Platten immer schlechter verkauften. 1971 erschien mit "Good Taste Is Timeless" ein skurriles und schräges Bluegrass/Hillbilly-Album, das rückwirkend betrachtet eine Vorwegnahme des späteren Punk bedeutete: Hier wurde mit einer uramerikanischen Tradition gebrochen: dem heiligen Gral der Countrymusik in seiner reinsten Form. Wenn die Herren hier jede nur erdenkliche Musikrichtung aufgriffen, so verballhornten sie diese gnadenlos in insgesamt 12 Kompositionen, nicht ohne ihnen eine pseudointellektuelle Poesie zu verpassen, die fest im kreativen Underground verankert und schon Musikern wie Frank Zappa oder Captain Beefheart zu eigen war.
"Happy Scrapple Daddy Polka", "Boobsalot" oder "Generalonely" zeugten schon alleine aufgrund der Songtitel vom schrägen Humor der beiden Musiker, und in der Tat kommt hier die vielleicht lustigste Musik der beiden in Form einer LP, die auch optisch zu gefallen wusste durch die naive Frontcover-Zeichnung von Michael Hurley. Ausserdem machte hier der gewählte LP-Titel schon klar, dass sich die Musiker selbst nicht ganz ernst nahmen: Guter Geschmack ist zeitlos - das passte ganz formidabel zur gebotenen Musik, die sich immer im Bereich des Absurden und der Schrägness bewegte, die man zur damaligen Zeit, 1971, als die ganzen neuen progressiven Strömungen auch im Bereich der Folkmusik Einzug hielten, auch auf anderen Platten durchaus wahrnehmen konnte. Alleine: den Holy Modal Rounders half das nicht. Sie waren einfach zu abseitig in ihren Ideen und ihrer eigenen freakigen Vorstellung von künstlerischer Freiheit.
Drei am Rande erwähnenswerte Facts zu den Holy Modal Rounders gibt es durchaus: So spielte zeitweise der spätere Doobie Brothers- und Steely Dan-Gitarrist Jeff Baxter in der Band mit. Ueberdies sind die Holy Modal Rounders auch im Film "Easy Rider" zu Ehren gekommen, wo ihr "Bird Song" zu hören war. Und schliesslich sagt man heute, dass die Version des "Hesitation Blues", den die Band auf ihrem 1965 erschienenen Debutalbum aufgenommen hatte, in einer Textzeile zum erstenmal den später so berühmt gewordenen Begriff "psychedelic music" erwähnt. Waren die beiden Musiker also ihrer Zeit womöglich voraus ? Eher nicht - aufgrund der Songtexte könnte man allerdings auf Pionierarbeit in Sachen LSD-Genuss schliessen.