May 23, 2020


THE HOLY MODAL ROUNDERS - Good Taste Is Timeless
(Metromedia Records MD 1039, 1971)

Die Holy Modal Rounders gelten heute als eine der am längsten aktive und trotzdem völlig unbekannt gebliebene Band. Ueber zwei Jahrzehnte lang gab es die Gruppe um die beiden Folkmusiker Peter Stampfel und Steve Weber aus Milwaukee, und in diesen zwei Jahrzehnten veröffentlichten die beiden mit ständig wechselnden Mitmusikern und auch sich immer wieder verändernder Musik gerade mal 9 Langspielplatten. Die Holy Modal Rounders waren für manchen Musikkritiker nicht viel mehr als eine Klamauk-Band, bestehend aus Feierabendmusikern, die es verstanden, ihre mangelnde Musikalität, verbunden mit dem eingeschränkten Beherrschen der Instrumente mit freiem und losgelöstem Jammen zu kompensieren. Ausserdem bemühten die Musiker allerlei Sex-, Polit- und gesellschaftskritische Themen, um einen gewissen Anspruch zu untermauern, was allerdings höchstens einer besonderen Offenheit der Musiker (im gewissen Sinne Naivität) und der ungebremsten Experimentierfreudigkeit geschuldet war, als dass ihre Themen wirklich ernst genommen wurden.

1964 und 1965 veröffentlichte die Band zwei dem traditionellen Folk verpflichtete Alben für das renommierte Prestige Label, wobei sie schon dort ihren Hang zum Absurden und einer besonders schrägen Auffassung von Humor offenbarten, was schliesslich zum Bruch mit dem Label führte. In der Folge landete die Band für eine weitere LP bei ESP Records, jenem Label, das als extrem innovativ galt und zahlreichen ungeliebten und unerwünschten Musikern eine Plattform bot, die sich vor allem politisch betätigten (wie zum Beispiel Tuli Kupferberg, Ed Sanders und ihre Fugs, zu deren Gründungsbesetzung die beiden Musiker Stampfel und Weber ebenfalls fast drei Jahre lang angehörten). Das entsprechende Album "Indian War Whoop" bedeutete zumindest in musikalischer Hinsicht ein Quantensprung und die Musiker waren mitten in der Hippie-Aera angekommen. In der Folge behielt die Band weitgehend ihr nunmehr bekanntes musikalisches Schema bei: traumverlorener Hippie-Folk mit allerlei anspruchsvoller, aber auch humoristischer Komponente, die auch beim auf Elektra Records veröffentlichten nächsten Album 1968 voll zum tragen kam ("The Moray Eels Eat THe Holy Modal Rounders"), und die sich oft am Rande des Dadaismus bewegte.

Nach mehr als drei Jahren war der Hippietraum längst ausgeträumt, harter Rock hatte die Hippies zurückgedrängt und trotzdem schafften es die Holy Modal Rounders auch weiterhin, Plattenfirmen für ihre bisweilen abenteuerlichen Absurditäten ein Sprungbrett zu finden, obschon sich ihre Platten immer schlechter verkauften. 1971 erschien mit "Good Taste Is Timeless" ein skurriles und schräges Bluegrass/Hillbilly-Album, das rückwirkend betrachtet eine Vorwegnahme des späteren Punk bedeutete: Hier wurde mit einer uramerikanischen Tradition gebrochen: dem heiligen Gral der Countrymusik in seiner reinsten Form. Wenn die Herren hier jede nur erdenkliche Musikrichtung aufgriffen, so verballhornten sie diese gnadenlos in insgesamt 12 Kompositionen, nicht ohne ihnen eine pseudointellektuelle Poesie zu verpassen, die fest im kreativen Underground verankert und schon Musikern wie Frank Zappa oder Captain Beefheart zu eigen war.

"Happy Scrapple Daddy Polka", "Boobsalot" oder "Generalonely" zeugten schon alleine aufgrund der Songtitel vom schrägen Humor der beiden Musiker, und in der Tat kommt hier die vielleicht lustigste Musik der beiden in Form einer LP, die auch optisch zu gefallen wusste durch die naive Frontcover-Zeichnung von Michael Hurley. Ausserdem machte hier der gewählte LP-Titel schon klar, dass sich die Musiker selbst nicht ganz ernst nahmen: Guter Geschmack ist zeitlos - das passte ganz formidabel zur gebotenen Musik, die sich immer im Bereich des Absurden und der Schrägness bewegte, die man zur damaligen Zeit, 1971, als die ganzen neuen progressiven Strömungen auch im Bereich der Folkmusik Einzug hielten, auch auf anderen Platten durchaus wahrnehmen konnte. Alleine: den Holy Modal Rounders half das nicht. Sie waren einfach zu abseitig in ihren Ideen und ihrer eigenen freakigen Vorstellung von künstlerischer Freiheit.

Drei am Rande erwähnenswerte Facts zu den Holy Modal Rounders gibt es durchaus: So spielte zeitweise der spätere Doobie Brothers- und Steely Dan-Gitarrist Jeff Baxter in der Band mit. Ueberdies sind die Holy Modal Rounders auch im Film "Easy Rider" zu Ehren gekommen, wo ihr "Bird Song" zu hören war. Und schliesslich sagt man heute, dass die Version des "Hesitation Blues", den die Band auf ihrem 1965 erschienenen Debutalbum aufgenommen hatte, in einer Textzeile zum erstenmal den später so berühmt gewordenen Begriff "psychedelic music" erwähnt. Waren die beiden Musiker also ihrer Zeit womöglich voraus ? Eher nicht - aufgrund der Songtexte könnte man allerdings auf Pionierarbeit in Sachen LSD-Genuss schliessen.




May 21, 2020


THE FALLEN ANGELS - It's A Long Way Down (Roulette Records SR-42011, 1968)

Die Fallen Angels waren eine Psychedelik Rock Band aus Washington, deren Kopf der Bassist und Sänger Jack Bryant war. Die Band existierte nur drei Jahre und veröffentlichte in dieser kurzen Zeit zwei LPs, sowie einige wenige Singles. Erst als lokale Grösse etablierte sich die Gruppe sehr schnell amerikaweit zu einem echten Underground Geheimtipp, was vor allem den exaltierten Auftritten zwischen Kunst, Pop und Theaterelementen und den bisweilen auch ziemlich politischen Statements zu verdanken war. Mit dieser ungewöhnlichen Gesamtausrichtung ist die Band durchaus vergleichbar mit den wesentlich erfolgreicheren Mothers Of Inventions, der zeitgleich operierenden Freak-Truppe um Frank Zappa.

Bis zu ihrem ersten Album hatte die Gruppe bereits zwei Singles aufgenommen, von denen die Erste mit dem Titel "Everytime I Fall In Love" zumindest so erfolgreich war, dass sie die Top 10 erreichte, was schliesslich zum Plattenvertrag mit Roulette Records führte. Was folgte, war die erste LP, die jedoch komplett unterging, auch, weil sie völlig falsch promotet wurde. Wollte man aus der Truppe auf ihre Musik auf Platte bezogen eine Popband machen, so spielten die Akteure auf der Bühne weiterhin eine eigentlich nicht machbare Mixtur aus Folk, Jazz, Polit-Kabarett und Psychedelik Rock. Das passte einfach nicht zusammen.

Noch augenfälliger wurde dies zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des zweiten Albums "It's A Long Way Down", das wohl ironischerweise schon im Titel der LP den Niedergang der Band vorweg nahm. Die Plattenfirma wollte nun aus der Gruppe eine Art Mainstream Musical Act kreieren, was angesichts der Live Performance durchaus hätte Sinn machen können, um die Musiker weiter in ihrer Popularität voranzubringen. Das ehrgeizige Projekt scheiterte aber schon an an einer missglückten Single-Einspielung zu "Hey Girl". Dadurch wurde schliesslich auch die nachfolgende LP praktisch gar nicht mehr beworben, was dazu führte, dass die Band schon im Folgejahr 1969 auseinanderbrach. Das ist insofern sehr tragisch, als dass diese zweite LP ein wahres Meisterwerk des amerikanischen Psychedelik Rocks gewesen ist, für das es in punkto Drogennebel, Theater, Satire, musikalisches Können und hervorragende Songs nicht viele vergleichbar gute Alben gibt.

Erst 28 Jahre später reformierte Jack Bryant die Gruppe und nahm das Album "Rain Of Fire" auf, das 1997 neu eingespielte Varianten der alten Songs präsentierte, angereichert durch einige neue Kompositionen. Bis 2009 ist die Gruppe dann auch immer wieder sporadisch aufgetreten.




May 20, 2020


CINDY BULLENS - Howling Trains And Barking Dogs (M.C. Records MC-0066, 2010)

Bereits Mitte der 70er Jahre begann Cindy Bullens in Los Angeles als Sängerin auf Produktionen für Don Everly, Gene Clark, Rod Stewart, Bryan Adams, dem Soundtrack zum Film 'Grease', Bob Dylan's Rolling Thunder Revue und für Elton John, der so von ihrem Können überzeugt war, dass er sie für seine Touring Band verpflichtete. Am Ende dieser frühen Erfolgsstory, die von 1976 bis 1980 andauerte, entstanden auch ihre ersten eigenen LP's "Desire Wire" und "Steal The Night". Praktisch die gesamte folgende Dekade widmete Cindy Bullens ihrer Familie, kümmerte sich um die beiden Töchter Reid und Jessie. Lediglich im Jahre 1989 erschien ein weiteres Album mit dem schlichten Titel "Cindy Bullens". Das war die erste, oft beschriebene Lebensphase, die zweite begann 1996 mit dem Tod ihrer an 'Hodgkin's Disease' erkrankten Tocher Jessie. In der darauffolgenden Trauerphase versuchte Cindy Bullens, die erlittene Qual in neuen Songs zu verarbeiten und so nahm sie schliesslich zu Ende der 90er Jahre das mit "Somewhere Between Heaven And Earth" autobiographisch betitelte Album zusammen mit namhaften Freunden der US-Musikerszene auf. Mit von der Partie auf diesem Werk waren unter anderem David Mansfield, Benmont Tench, Steven Soles, Bonnie Raitt, Rodney Crowell, Bill Lloyd, Lucinda Williams und Beth Nielsen Chapman. Ein ungemein faszinierendes Werk, das in seiner Traurigkeit schlüssig wirkte, darüberhinaus als Instrument für Therapie und Zukunftsmut stand.

2001 veröffentlichte Cindy Bullens "Neverland", co-produziet von Ray Kennedy. Auf diesem Album wurde die Musikerin unter anderem von Emmylou Harris, Steve Earle und John Hiatt begleitet. Vier Jahre später, im Jahre 2005, folgte "Dream #2", wiederum co-produziert von Ray Kennedy. Auf dem Titelsong des Albums war Elton John am Klavier zu hören, Delbert McClinton sang mit Cindy Duett bei "This Ain't Love" und Tim Wakefield sang als Gast beim Song "7 Days". 2007 gründete Cindy Bullens eine neue Band, genannt The Refugees, zusammen mit den Musik-Veteranen Wendy Waldman und Deborah Holland. Ihr erstes Werk "Unbound" wurde im Januar 2009 veröffentlicht. Erst drei Jahre später sollte im Februar 2012 das zweite Album unter dem Banner The Refugees folgen: "Three".

Zwischen den beiden Refugees Alben erschien im Juni 2010 ein weiteres Soloalbum mit dem Titel "Howling Trains And Barking Dogs". Auf diesem Album präsentierte Cindy Bullens Stücke, welche zwischen Anfang und Mitte der 90er Jahre geschrieben wurden, und zwar bis auf zwei Songs ausschliesslich in Zusammenarbeit mit anderen Musikern, wie etwa Radney Foster, Bill Lloyd, Al Anderson, Matraca Berg, Mary Ann Kennedy, Kye Fleming, und Jimmy Tittle. Nur zwei brandneue Songs fanden sich auf diesem Album, diese waren von Cindy Bullens selbst verfasst. "Howling Trains And Barking Dogs" deckte jene Phase im künstlerischen Schaffen ab, als Cindy Bullens von Freunden aus ihrer Heimat New England nach Nashville gelotst wurde und sich so in die Stadt verguckte, dass sie sie zu ihrem zweiten Wohnsitz machte. In jenen Jahren schrieb sie Songs zusammen mit lokalen Grössen wie Bill Lloyd, Matraca Berg, Radney Foster, Wendy Waldman, Al Anderson, Jimmy Tittle, Mary Ann Kennedy, Kye Fleming und vielen weiteren, die in den Versionen der Dixie Chicks ("Whistles & Bells") und von Radney Foster ("Hammer And Nails") zu Hits avancierten. Neun Songs aus dieser Serie plus zwei aktuelle, die aber auch thematisch Nashville-relevant waren, hatte Cindy Bullens dann selber eingespielt: in Maine, Kalifornien und Nashville mit Musikern der Alternative Country/Guitar Rock Band Coming Grass aus Neuengland (Gitarrist & Dobropicker Stephan B.Jones, Bassist Justin Maxwell und Schlagzeugerin Ginger Cote) sowie mit dem berühmten David Mansfield an der Fiddle, Radney Foster mit Duettgesang auf beider Songkollaboration "Labor Of Love" und gleich mehrfach mit den gewohnt erlesenen Harmony Vocals der beiden Refugees (Holland & Waldman) und ihrer Tochter Reid Bullens-Crewe.

Der Recording Engineer Bob Colwell füllte das durchweg sehr Americana-geprägte Klangbild mit Pianos, Orgel, Akkordeon, Bass und Backing Stimmen. Bullens selber spielte akustische, elektrische und Baritongitarren, Mandoline und Mundharmonika, sang mit ihrer wohlbekannten, warmen, vollen Stimme. Eingebettet in den Irish Fiddle-Folk Rock des Openers "Love Gone Good" und "The Misty Hills Of Tennessee" am Ende präsentierte Cindy Bullens dazwischen semiakustischen Roots Rock mit "Can't Stop This Train", wundervolle Midtempo-Balladen wie "In A Perfect World", "All My Angels" aus dem Refugees-Programm, "Whistles & Bells" im Stil einer Rosie Flores, den munteren Boogie/Rock'n Roller "I Didn't Know" und den Country Rock Titel "Everywhere And Nowhere". Das durchaus Gospel-inspirierte "Let Jesus Do The Talkin" war eine weitere Auseinandersetzung mit Religion und inhaltlich sicher vor späteren Monumentalstücken wie "Boxing With God" (zu hören auf Cindy Bullen's Album " Somewhere Between Heaven And Earth") anzusiedeln. Nach einer kleinen Pause schloss sie ihr Album mit "Good At Being Gone" auf sehr beeindruckende Art ab: ganz alleine, nur mit ihrer akustischen Gitarre und einem ganz persönlichen, sehr introvertiert gesungenen Text.

"Howling Trains And Barking Dogs" war Cindy Bullens' spätes Tribute an Nashville, "die Stadt, die meine musikalische Seele gerettet hat", so Bullens. Nachdem die sympathische Singer/Songwriterin, deren privates und künstlerisches Leben oft einer Achterbahnfahrt gleichkam, als melodische Rockerin bekannt geworden war, die bei allen sensiblen Momenten aber auch richtig fest zupacken konnte, erfuhr der Hörer nun nachträglich, was sie in einem bislang wenig dokumentierten Abschnitt ihrer Karriere gemacht hatte. Dabei verwundert es nicht, dass "Howling Trains And Barking Dogs" ihr bis dato wurzelhaftestes, auf die puren Werte amerikanischer Musik fussendes Werk geworden war, bei dem es - neben einigen gewohnten Rockballaden - mit Folk, Country, Rockabilly und Boogie viel Unterschiedliches in Top-Qualität zu hören gab. Für ungewohnte stilistische Abwechslung war bei Cindy Bullens indes immer reichhaltig gesorgt.





May 19, 2020


GERAINT WATKINS AND THE DOMINATORS - Geraint Watkins And The Dominators
(Vertigo Records 9102 033, 1979)

Geraint Meurig Vaughan Watkins, geboren am 5. Februar 1951 in Wales, ist ein walisischer Sänger, Songwriter, Rock'n'Roll-Pianist und Akkordeonist. Er hat viele bemerkenswerte Künstler unterstützt, darunter Nick Lowe, Dave Edmunds, Van Morrison, Mark Knopfler, Paul McCartney, Roy St. John, Shakin 'Stevens und zuletzt Status Quo. Er hat auch eine Solokarriere verfolgt und eine Reihe von Alben unter seinem eigenen Namen veröffentlicht, zuletzt "Rush Of Blood", das im September 2019 veröffentlicht wurde. Watkins wurde in Abertridwr in der Nähe von Caerphilly, Südwales, geboren. Nach einiger Zeit in den frühen 70er Jahren am Portsmouth Art College kehrte er nach Cardiff zurück und spielte mit Red Beans And Rice und Juice On The Loose. Die Band Red Beans And Rice erregte Aufmerksamkeit und zog nach London, um ihre Karriere voranzutreiben. Als sie sich auflöste, spielte Watkins Soloauftritte in Londons Pubs und mit verschiedenen Bands wie Southside United (mit denen er ein Album aufnahm), den Cable Layers, Klondike Pete und den Huskies, der Band von Mickey Jupp, auf deren "Be Stiff Route 78" -Tour.

Anschliessend nahm Geraint Watkins das Album "Geraint Watkins & The Dominators" auf (1979), das von Andy Fairweather Low produziert wurde. Es folgte die Session-Arbeit: Produzent Stuart Colman rekrutierte Watkins für Hit-Platten für Shakin 'Stevens, ausserdem nahm er mit Dr. Feelgood, Rory Gallagher, Andy Fairweather Low, den Fabulous Thunderbirds, der Blues Band und Box Of Frogs auf und/oder trat dort auf. So auch mit den Stray Cats, Carl Perkins, Crazy Cavan And The Rhythm Rockers und Eric Clapton, nebst vielen Weiteren. Er war an der Seite des Rolling Stones Musikers Bill Wyman Mitglied in dessen mit weiteren Topmusikern besetzten Truppe Willie & The Poor Boys und übernahm dort zeitweilig auch den Lead-Gesang.

Zwischen den Sessions in den 80er Jahren und darüber hinaus spielte Watkins Akkordeon und Klavier mit The Balham Alligators, einer Band, deren Gründungsmitglied er war, die dazu beigetragen hat, die Musik von Louisiana in Londons Pubs am Leben zu erhalten. Während der 80er Jahre war er auch eine Hauptstütze in Dave Edmunds' Band, sowohl bei Aufnahmen als auch bei Tourneen. Zwischen 1984 und 1989 spielte Watkins Klavier und Akkordeon auf fünf Platten der niederländischen Band Normaal. Er steuerte Gesang, Klavier und Akkordeon zu Klondike Pete und dem Album "Some Of The Fellers" der Huskies von 1981 bei und fiermierte unter dem Pseudonym Lightning Wanson G auf deren 2010er Album "Who Axed You". In den letzten Jahren hat Watkins Zeit gefunden, mit Bill Wyman's Rhythm Kings zusammenzuarbeiten. Er spielte des weiteren mit auf den Nick Lowe-Alben "The Impossible Bird" (1994), "Dig My Mood" (1998), "The Convincer" (2001), "Untouched Takeaway" (2004) und "At My Age" (2007). Auch für Van Morrison war er tätig und spielte auf dessen Alben "Back On Top" (1999), "Down The Road" (2002), "Pay The Devil" (2006) und "Keep It Simple" (2008) mit.

Neben der frühen Vinyl-LP mit The Dominators hat Watkins vier weitere Soloalben veröffentlicht, nämlich "Bold As Love" (1997), "Dial W For Watkins" (2004), "In A Bad Mood" (2008) und "Moustique" (2014). Stephen Thomas Erlewine von AllMusic schrieb beispielsweise über "Dial W For Watkins": Es ist warme, freundliche, einnehmende Musik, perfekt für einen entspannten Abend zu Hause mit alten Freunden. 2014 spielte Geraint Watkins dann Akkordeon auf Status Quo's "Aquostic (Stripped Bare)" Album. Im September 2016 trat er als Teil des Aquostic-Line-Ups bei BBC Radio 2 Live im Hyde Park im Hyde Park in London auf.

Als Songwriter hatte Geraint Watkins auch für Don McLean, Pokey LaFarge, Dave Edmunds, NRBQ, Pearl Harbor und die Holmes Brothers Songs geschrieben. Im Jahre 2019 gab Geraint Watkins bekannt, dass er ein neues Solo-Studioalbum, "Rush Of Blood", das in Zusammenarbeit mit Simon Ratcliffe von Basement Jaxx als Produzent aufgenommen wurde, im September veröffentlicht werde. Das Album unterstrich erneut die vielseitigen Fähigkeiten Watkins' als Songschreiber. Das Album bewegte sich wiederum im weiten stilistischen Feld zwischen Soul, Blues und Country. Watkins unterhält eine eigene Facebook-Seite, auf der er häufig intime musikalische Darbietungen veröffentlicht, die nicht auf Platten zu kaufen sind.









May 6, 2020


RORY GALLAGHER - Blues (Chess Records 5386801, 2019)

Ganz egal, welche Lobeshymnen man in den letzten 50 Jahren über Rory Gallagher lesen und hören konnte: sie stimmen hundertprozentig. Kaum ein anderer Musiker hat den 70er Jahre Rock so entscheidend mitgeprägt wie er. Doch sein Charisma war vielleicht noch weitaus grösser als seine musikalischen Fähigkeiten. Der Name Rory Gallagher steht heute auch für viel Künstlertum: Er war mitunter schwierig, eigenbrötlerisch, ja auch eigensinnig, in der Sache aber, also seiner musikalischen Mission, jedoch unbeirrbar und kaum kompromissbereit. Zu seinem schwierigen Charakter und seinen enormen Fähigkeiten als Gitarrist gesellte sich der Gefühlsmensch Rory, dessen künstlerische Unsicherheit zu den entscheidendsten Seiten seiner Seele gehörte. Sie führte ihn immer wieder in den Alkohol. Er zerbrach letztlich daran, hinterliess aber eine ganze Reihe Platten, die man heute durchaus zu den essenziellen Werken der Rockmusik zählen darf, wie etwa "Blueprint", "Tattoo", "Fresh Evidence" oder das grandiose Live-Album "Irish Tour '74".

In all den Jahren seit seinem Tod sind immer wieder posthum Platten von ihm veröffentlicht worden. Sein Bruder Donal ist in dieser Beziehung ein grossartiger Nachlassverwalter und hat schon so manche Rory-Perle aus dessen umfangreichem Archivmaterial zugänglich gemacht. 2019 erschien mit dem schlicht betitelten Dreifach-CD Set "Blues" diese hervorragend zusammengestellte Box, die einen schönen Querschnitt von Rory's bluesiger Seite nachzeichnet. Es handelt sich überwiegend um zuvor nicht veröffentlichte Archiv-Aufnahmen, liebevoll aufbereitet und restauriert, die ebenso fachmännisch, wie programmatisch in einem drei schlüssig kompilierte Teile umfassenden Gesamtkonzept umgesetzt wurden. 

Obwohl immens talentiert, blieb Rory Gallagher (ausgesprochen Galla'her) immer bescheiden und war bemüht, immer er selbst zu bleiben. Der Ire aus der Stadt Cork war eine Art Volksgitarrist, der das Showgehabe verabscheute. Er trat stets im verwaschenen Kaufhaushemd auf und traktierte eine arg ramponierte Stratocaster-Gitarre. Für das Musikmagazin Rolling Stone gehört Rory Gallagher zu den 100 besten Gitarristen aller Zeiten und auch namhafte Musiker wie Johnny Marr (The Smiths), Jimmy Page (Led Zeppelin) und Brian May (Queen) wussten das Ausnahmetalent zu schätzen. Das grösste Kompliment aber kam von Jimi Hendrix. Dieser wurde einmal gefragt, wie es sich anfühle, der grösste Gitarrist der Welt zu sein. Er antwortete lakonisch: "Keine Ahnung, frag mal lieber Rory Gallagher". Auf einer Spielzeug-Gitarre lernte der kleine Rory die ersten Griffe. Mit neun Jahren beherrschte er bereits das echte Instrument. Im Alter von 15 Jahren wurde er Profimusiker.

Nach seinen Lehrjahren bei der Fortuna Showband, gründete er das Rock-Trio Taste und und ging nach diversen Alben mit einer der besten Live-Platten der Rockgeschichte endgültig in die Annalen ein. Das Album "Irish Tour '74" verkaufte sich weltweit mehr als zwei Millionen Mal. Gallaghers Solokarriere dauerte zwei Jahrzehnte bis zu seinem frühen Tod. Der Gitarrist starb am 14. Juni 1995 mit 47 Jahren an den Folgen einer Lebertransplantation, die wegen seines übermässigen Alkohol- und Tablettenkonsums unausweichlich geworden war. Gallaghers Kennzeichen war ein ungeheuer dynamisches Bluesspiel und die hier vorgestellte Box "Blues" dokumentiert sein virtuoses Gitarren-Können vom elektrischen, akustischen und live gespielten Blues. "Ich lebe und atme den Blues", sagte Rory öfters. Und er war auch sein Heilmittel: "Wenn alle Stricke reissen, ob im Geschäft oder im Privatleben, lege ich eine Blues-Platte auf".

Die Deluxe-Version von "Blues" als dreifachem CD-Box Set enthält nahezu 90 Prozent unveröffentlichtes Material und Auftritte mit Musiklegenden, die Gallagher stark beeinflusst haben wie Muddy Waters, Albert King, Jack Bruce, Lonnie Donegan oder auch Chris Barber. Ausserdem bietet die Deluxe-Ausgabe ein umfangreiches Booklet mit bisher unveröffentlichten Fotos von Rory Gallagher und einem neuen Essay des Blues Rock Autors Jas Obrecht. Die drei CDs widmen sich in unterschiedlichen Lauflängen (64 Minuten, 47 Minuten und 75 Minuten) in dreimal zwölf Titel und einer sinnvollen Unterteilung der verschiedenen Aspekten in Rory's Beschäftigung mit dem Blues. Der erste Silberling zeichnet seine Studioarbeiten nach, indem hierfür Outtakes und/oder alternative Versionen ausgegraben wurden. Die zweite CD kompiliert weitgehend akustische Aufnahmen, die Rory live in unterschiedlichen Konzerten dargeboten hat, und die dritte CD zeigt Rory schliesslich in seiner Königsdisziplin: Live, energetisch und mit ungeheurer Dynamik, genauso so, wie Kenner und Fans seine Musik immer schon am meisten schätzten.

Rorys Interpretationen von Blues-Klassikern klingen mitunter nicht wie die Originale, und das ist gut so. Jeder Song, den Rory auf der Bühne zelebrierte, folgte seiner eigenen Vorstellung von Interpretation, lebendig, aufgewühlt und mit unendlich viel Seele. Diese Zusammenstellung ist sehr abwechslungsreich und an keiner Stelle langweilig. Das toppt Rory sogar noch mit seinen spärlich instrumentierten akustischen Titeln. Es ist verblüffend, wie gut seine eigenen Stücke wie zum Beispiel "Who's That Coming", "Secret Agent" oder "Loan Shark Blues" ohne weitere Begleitung hundertprozentig funktionieren. Das sagt natürlich in erster Linie auch eine ganze Menge über die Qualität seines Songwritings aus. Das dieser tollen Box beigefügte Booklet bietet ein instruktives Essay über Rorys Leben als Musiker. Ausserdem enthält es Titel-Listen mit den Besetzungsangaben aller drei Dutzend Songs. Persönliches Fazit: Diese hervorragend zusammengestellte Box gehört in jede gut sortierte Plattensammlung.




OWEN TEMPLE - Mountain Home (El Paisano Records EPR 650182, 2011)

Seit mehr als einer Dekade gehört der Singer/Songwriter Owen Temple aus Austin Texas fest zum Inner Circle der dortigen Szene und darüberhinaus. Er veröffentlicht regelmässig eigene Platten und hat auch einige grössere Erfolge bei uns in Europa zu verzeichnen gehabt. So gelang ihm in 2009 mit "Dollars And Dimes" sogar ein Nummer 1-Erfolg in den Euro Americana Charts, mit seiner eher nachdenklichen bis düsteren Betrachtungsweise des augenblicklichen Zustands der amerikanischen Gesellschaft (und der des Südwestens insbesondere) trifft er den Nerv des nach Tiefgang und Authentizität in der Americana Music suchenden Publikums sowieso perfekt. "Mountain Home" ist sein sechstes Album. Owen Temple ist ein leibhaftiger Texaner durch und durch, er ist hier geboren und er hat bislang alle seine Platten bis auf eine Ausnahme in Austin mit lokalen Musikern aufgenommen. Nach den beiden Frühwerken "General Store" (1997) und "Passing Through" (1999) mit dem allgegenwärtigen Lloyd Maines (Dixie Chicks, Terry Allen, Ray Wylie Hubbard, Robert Earl Keen) als Produzent zog es ihn einmalig nach Nashville. Für Produzent Phil Madeira (Buddy & Julie Miller, Emmylou Harris, Greg Trooper) und Musiker vom Schlage Al Perkins und Fats Kaplin wurde vermutlich der Etat überzogen, aber das Ergebnis "Right Here And Now" (2002) reiht sich nahtlos in die Diskografie des sympathischen Country/Folk Troubadours ein, in der es nach einer längeren Pause 2007 und einer Wiederaufnahme der Lloyd Maines-Sessions weitergeht mit "Two Thousand Miles" und der erwähnten "Dollars And Dimes"-CD, die zu einer Art Durchbruch führte.

Der in Texas sehr geschätzte Gabriel (Gabe) Rhodes, Sohn von Singer/Songwriterin Kimmie Rhodes, hatte jenes Album bereits als Produzent und Hauptmusiker begleitet und führte diesen exzellenten Job auf "Mountain Home" fort. Er ist an diversen akustischen Gitarren zu hören, genauso wie mit Banjo, Dobro und am Klavier. Mit Freunden wie Charlie Sexton (Bass, Baritone Guitar), Rick Richards (Drums), Bukka Allen (Tasten, Akkordion), Tommy Spurlock (Pedal Steel) und Brian Standefer (Cello) stehen ihm die fundiertesten Studiomusiker zur Seite, die man im Grossraum Austin antreffen kann und deren Namen in jeder guten Americana-Sammlung zigfach im Kleingedruckten zu lesen sind. Zudem treten in Gastrollen noch die Songschreiberkollegen Gordy Quist (akustische Gitarre, Gesang) von der Band Of Heathens und Adam Carroll (Harmonica) auf, sowie Jamie Wilson von den Trishas mit schönen Harmony Vocals. Wer einen grundnatürlichen, dabei top-professionellen State-of-the-Art Americana Sound made in Texas sucht, der wird ihn hier finden.

Aber es sind natürlich die Songs, die bei solch einem Typen wie Owen Temple im Vordergrund stehen. "Mountain Home" ist voll von skurrilen Charakteren, seltsamen Geschichten und schrägen Lebensläufen fernab der Main Route. Bereits im ersten Stück, dem Titelsong, geht's um eine wahre Story, die sich in "Mountain Home" (ja, den Ort gibt es wirklich, im Hill Country-Niemandsland zwischen Fredericksburg und Kerrville, Temple hat dort lange gelebt) zugetragen hat. Farmer haben Anhalter und Hobos direkt von der Interstate 10 gekidnappt, um sie bei sich als Sklaven arbeiten zu lassen - der Wilde Westen in den 80er Jahren! 20 Jahre Knast haben sie dafür erhalten, aber im Song geht es auch um ihre Rückkehr in diese Gegend nach all den Geschehnissen. "Desdemona" war eine boomende Ölstadt für wenige Jahre, bis die Quelle schon Anfang der 20er Jahre wieder versiegte. "Medicine Man" ist eine Kollaboration von Temple mit seinen Freunden Adam Carroll und Gordy Quist. In einer doch arg anderen Version erschien diese Nummer übrigens parallel auf der Band Of Heathens-Platte "Top Hat Crown & The Clapmaster's Son".

"Fall In Love Every Night" ist ein Tribut an den Stevie Ray Vaughan- und Willie Nelson-Biographen Joe Nick Patoski und solche Texas-Heroen wie Ray Wylie Hubbard, Billy Joe Shaver, die Vaughans, die Sextons und vielen weiteren. In "Jacksboro Highway" berichtet Owen Temple von den Zuständen entlang des legendären State Highways 199 in den 40er und 50er Jahren. Illegale Nachtclubs, Spielhöllen und Schwarzbrenner-Hütten säumten die Strasse und das Gesetz schaute weg. "Old Sam" ist mal ein ganz anderer, fast privater Blick auf den historisch beladenen Sam Houston, Gouverneur von Texas und US Senator. Danach kommt eine sehr emotionale Würdigung des alten Leon Russell-Songs "Prince Of Peace", bevor mit "One Day Closer To Rain" - über die lange Dürre im Sommer 2009 - dieses wirklich in allen Belangen überzeugende Texas-Werk schliesst, das nicht nur ein oder zwei Mal an den grossen Townes Van Zandt erinnert.







May 5, 2020


TENNENT MORRISON - Tennent Morrrison (Polydor Records 2383 152, 1972)

1973 erschien eine später zum gesuchten Sammelobjekt mutierte Platte von einer Band namens Joe Soap, die wohl nicht in erster Linie ihrer Musik wegen gesucht war, sondern weil auf ihr der spätere Jethro Tull-Schlagzeuger Gerry Conway, der Gitarrist Jimmy McCulloch (erst bei John Mayall's Bluesbreakers und später bei Paul McCartney's Wings), sowie Mike Kaminski, der Violonist des Electric Light Orchestras mitgespielt hatten. Hauptakteure bei Joe Soap waren allerdings die beiden Sänger und Songschreiber John Tennent und Dave Morrison, die mithilfe eines richtigen Bandnamens nicht mehr als Duo auf der Bühne in Erscheinung treten wollten, sondern als komplette echte Band. 

Ein Jahr zuvor hatten die beiden Musiker nämlich schon ein perfektes englisches Rockalbum aufgenommen, aber sich dabei einer bereits bestehenden Band als Begleitung bedient, nämlich der Bluesrock Gruppe Stone The Crows (Jimmy McCulloch, Ronnie Leahy, Steven Thompson und Colin Allen). Ausserdem spielten sie ihr Debutalbum mit weiterer Unterstützung von Herbie Flowers (Frog, Rumplestiltskin, Ugly Custard) und Clem Cattini (Johnny Kidd & The Pirates, T. Rex) ein. Clem Cattini war der Schlagzeuger, den Jimmy Page gerne als Drummer bei Led Zeppelin gehabt hätte.

Musikalisch gelang dem Duo Tennent und Morrison eine wunderbare Sammlung von typisch britischem Rock der 70er Jahre, gepaart mit zahlreichen folkigen Elementen, die nicht selten an die Strawbs erinnerten, wenn nicht an den frühen Elton John (vor allem bei den von Piano getragenen Songs). Auch ganz minime Bluestupfer konnte man auf diesem Album hören, jedoch längst nicht so ausgeprägt und zwingend wie bei der Stammband der beteiligten Musiker, den Stone The Crows. Verpackt in ein ansprechendes Cover aus dem Hause Hipgnosis trumpften die beiden Musiker gleich zu Beginn weg mit einigen tollen Songs, die sogleich in den Gehörgängen hängen blieben, wie zum Beispiel dem Opener "Good For You", der in seiner gute Laune verströmenden Art an vergleichbare Titel etwa von Hudson & Ford erinnert. "Tomorrow It Might Rain" oder "Round And Round" gefallen als perfekt arrangierte Poprock-Titel, die sogar einen gewissen Einfluss an amerikanischem Country- oder Swamp Rock heraushören lassen. Insgesamt bildet die Platte mit unter anderem auch "Fog In The Future", dem herrlichen "Take My Place" und dem sehnsüchtigen "Death In A Distant Country", einer wundervollen und aufwändig inszenierten Suite mit Symphonie-Orchester und klaren Anleihen am Bombast-Sound der Moody Blues eine perfekte Symbiose aus damals angesagtem englischem Rock verschiedenster Couleur, gewürzt mit allerlei Zutaten aus der amerikanischen Westcoast-, Swamp- und Country Rock-Ecke.

Von prominenter Unterstützung begleitet erschien das Album als ein Co-Produkt von Mark London und dem legendären Peter Grant, dem Manager der Yardbirds und von Led Zeppelin, und an den Reglern im Tonstudio sass mit Martin Rushent ebenfalls ein versierter Toningenieur, der in den späteren 70er Jahren als Talentscout und Produzent mitverantwortlich war für den Erfolg etwa der Buzzcocks oder der Stranglers.

Dem Duo John Tennent und Dave Morrison nützten all diese Vorzüge rund um ihre beiden Produktionen leider nur wenig. Die Platten "Tennent-Morrison" (1972) und "Joe Soap" (1973) blieben beide weit hinter den erhofften Verkaufserwartungen zurück und so bleiben unter dem Strich zwei hervorragend produzierte und für die damalige Zeit hochkarätige Platten, die neben Werken von weitaus populäreren Musikern und Bands auf Augenhöhe bestehen konnten. Leider muss für ein perfekt erhaltenes Original der Platte "Tennent-Morrison" heute schon tief in die Tasche gegriffen werden, so man sie denn überhaupt einmal in einem perfekten Zustand noch findet. Dann werden aber locker 300 bis 400 Euro fällig.





THE WYNNTOWN MARSHALS - After All These Years
(Wynntown Recordings WYNN003CD, 2017)

Die Wynntown Marshals veröffentlichten ihre erste und selbst finanzierte Debüt-EP im Jahre 2008. Kurz darauf wurden sie von einem Plattenlabel aus New Jersey dazu eingeladen, einen Song für ein Hair Metal-Tribute Album beizusteuern: Die Wynntown Marshals interpretierten "Ballad Of Jayne", die Hommage der L.A. Guns an Jayne Mansfield, als Roots-Rocker mit Pedal Steel, 12-String-Gitarren und einer twangenden Telecaster. Dieses Cover überzeugte den legendären britischen Radiomann Whispering Bob Harris, der die Single häufig spielte und die Band in seiner Radiosendung auf BBC2 vorstellte. Dies führte zu einer Livesession in der Sendung, die der Band eine Menge Türen in Grossbritannien und dem Rest von Europa öffnete. "Westerner", das Debütalbum der Band, wurde im Mai 2010 veröffentlicht und erhielt begeisterte Kritiken in Europa und anderswo. Die belgische Webseite RootsTime nannte es das beste Alternative Country Album, das je aus Europa kam. Die Wynntown Marshals gingen auf Tournee und erspielten sich in Grossbritannien, den Niederlanden, Spanien und Deutschland eine treue Fangemeinde. Ausserdem traten sie mit Jason & The Scorchers, Richmond Fontaine und Chuck Prophet auf.

Leider erwies es sich als schwierig, die Band zusammenzuhalten. Auf dem nächsten Album "The Long Haul", das 2013 erschien, wurden Frontmann und Hauptsongschreiber Keith Benzie und Iain Sloan (der nun neben Pedal Steel auch Leadgitarre spielte) von Bassist Murdoch MacLeod und Drummer Kenny McCabe begleitet. Kritiker und Fans waren sich einig, dass das Album einen Schritt nach vorn für die Band bedeutete; Songwriting, Instrumentierung und die Arrangements waren ambitionierter und überraschender. Der neue, verbesserte Sound der Wynntown Marshals fiel auch Europas führendem Roots & Americana-Label Blue Rose Records auf - sie nahmen die Band unter Vertrag. Die Presse in Europa und den USA war begeistert. Auf der Liste des Sunday Herald der 50 besten schottischen Alben von 2013 landete "The Long Haul" schliesslich auf Platz 10.

2015 veröffentlichte die Band "The End Of The Golden Age", bei dem Keyboarder Richie Noble erstmals an Hammondorgel, Piano und Synthesizer zu hören war. Nach weiteren Tourneen in Europa begannen die Sessions für ein neues Album 2017 mit einer neuen Rhythmusgruppe: Drummer Simon Walker und Bassist David McKee. Die Texte der Band sind stets interessant, worum es geht aber zuweilen nicht offensichtlich. Melancholische, aber dennoch erfrischende Melodien werden von klaren Gitarren und umwerfendem Chorgesang unterstützt, von hübschen Keyboardparts verziert und fussen auf einer grundsoliden Rhythmusgruppe. Früher wurden die Wynntown Marshals die Masters Of Midtempo genannt, später gelang ihnen auch herzerwärmender, frischer Powerpop.

Diese Sammlung mit dem Titel "After All These Years" enthält für jeden etwas: Nostalgie selige Texte treffen auf Jingle Jangle Gitarren und umwerfende Pop-Hooks wie auf "Canada" und dem Titelsong von "The End Of The Golden Age". Die bereits erwähnte "Ballad Of Jayne" - exemplarisch für den frühen Sound der Band - ist ebenso zu hören wie der Fan-Liebling "Low Country Comedown". Dieser Track ist emblematisch für die Wynntown Marshals, eine bittersüsse Ode ans Leben on the road mit kräftigen Gitarren, wehmütiger Steel und verwaschener Orgel. Ausserdem gibt es den ausufernden Live-Favoriten "Tide" und Sänger Benzies romantischen Tribut an West Lothian, das im schwelgerischen Americana-Panorama von "Red Clay Hill" besungen wird. Das von Synthesizer dominierte "Being Lazy" zeigt eine andere musikalische Seite der Band, während Text und das Songwriting auf gewohntem Niveau bleiben.

Storysongs sind schon von Anfang ein fester Bestandteil des Wynntown Marshals Sounds - natürlich sind davon auch einige vertreten: Ein frühes Beispiel ist "11:15" von der Debüt-EP, das die Geschichte der grössten Flut der jüngeren Geschichte Grossbritanniens erzählt, die 1829 Aberdeenshire heimsuchte. Die B-Seite "The Burning Blue" von 2009 erzählt von der Luftschlacht um England im Zweiten Weltkrieg aus Sicht eines Spitfire-Piloten. Der Country-Shuffle "Snowflake" ist möglicherweise der einzige Americana-Song über einen gefangenen Albino-Gorilla. "Moby Doll" ist ein langsamer, todtrauriger Song über den ersten gefangenen Orca Wal, erzählt aus der Perspektive eines von seinem Gewissen gepeinigten Journalisten. "Thunder In The Valley" versetzt den Zuhörer mit seiner Atmosphäre in die High Sierra der Nationalparks in Kalifornien. "Curtain Call" ist reduziert auf akustische Gitarren, Piano und ein Streichquartett - die richtige Besetzung für eine tragische Geschichte um Selbstmord im viktorianischen Zeitalter.

Die unveröffentlichten Tracks auf "After All These Years" sind eine Freude für alte und neue Fans. Zwei davon wurden als mögliche Kandidaten für ein nächstes Studioalbum aufgenommen - mit dem langjährigen Produzenten Andrew Taylor als Drummer. Das sehr persönliche "Your Time" - klassischer, optimistisch stimmender Wynntown Marshals-Powerpop mit Gitarren und Orgel - bietet Reflektionen über das Vergehen der Zeit in einer Beziehung. "Odessa" ist ein atmosphärisch sich aufbauender Song über eine Beziehung, die nicht von Dauer war. Die Neuaufnahme des frühen EP-Tracks "Different Drug" enthält ein hinreissendes, langes Outro - ein weiteres Beispiel für den einzigartigen Sound, den die Wynntown Marshals sukzessive entwickelt haben. "After All These Years" ist eine abwechslungsreiche, freudige, nostalgische, intelligente Sammlung - eine Retrospektive, eine Erinnerung an ein Jahrzehnt des Musikmachens und ein Ausblick auf das, was in der Zukunft dieser entschlossenen, hart arbeitenden Band liegen sollte.





May 2, 2020


LEEROY STAGGER - Dream It All Away (Rebeltone Records 007, 2015)

Der kanadische Singer/Songwriter und Heartland Rocker Leeroy Stagger gehört seit vielen Jahren zu den souveränsten Künstlern seiner Zunft, er bekommt laufend einschlägige Auszeichnungen und erfreut sich allgemein höchster Beliebtheit und Anerkennung - weit über die Landesgrenzen hinaus, besonders auch nach Europa, wo seine Alben seit längerem regelmässig ebenfalls erscheinen. Ja, mit seinem handgemachten, rauh und lebensnah gestalteten Canadian Americana Roots Rock darf dieser Leeroy Stagger mittlerweise zur Riege der klassischen Vertretern dieses Genres gezählt werden, die mit ihrer ganzen Performance voller Ausstrahlung, all den Ecken und Kanten in ihren Songs und den durchweg hochwertigen Veröffentlichungen dicke Meilensteine gesetzt haben. "Dream It All Away" heisst sein insgesamt 10. Studioalbum seit 2002, veröffentlicht 2015. Es folgt den bejubelten Werken "Radiant Land" (2012) und "Truth Be Sold" (2013).

Seit vielen Jahren gehörte Leeroy Stagger zum Trio ESP (Easton-Stagger-Phillips), einem Zufallsbündnis mit dem Künstler Tim Easton und dem Whipsaws-Bandleader Evan Phillips aus Alaska. Zuvor hatte sich Stagger bereits internationales Renommée als Singer/Songwriter und Roots & Country Rocker mit einigen herausragenden Alben zwischen 2002 und 2007 erworben. Sein Album "Everything Is Real" markierte dann im Jahre 2009 eine weitere Steigerung in puncto Professionalität: Stagger durfte sich fortan mit Vergleichen zu den ganz Grossen der Branche, wie zum Beispiel Steve Earle, Tom Petty, Paul Westerberg, John Mellencamp, Ryan Adams, Chris Knight oder Jay Farrar von Son Volt, schmücken. Was ihn natürlich nicht davon abhielt, sein ganz eigenes Canadian Americana und Prairie Rock-Ding weiterhin durchzuziehen: eine tolle Mischung aus klassischem Country Rock, Hooklined Guitar Pop, Heartland Rock, Alternative Country, rohem Roadhouse Rock, Singer/Songwriter und semiakustischen Folk Rock-Balladen im Einklang mit ehrlichen, ungeschminkten Songtexten, in denen er sich gerne über fehlgeleitete Politik oder soziale Themen auslässt. Ähnlich strukturiert folgten 2010 "Little Victories", Anfang 2012 das in Nashville von Robin Eaton (Tim Easton, Tommy Womack, Bill Lloyd) produzierte "Radiant Land", ein Jahr später "Truth Be Sold" mit dem erfahrenen Los Lobos-Mann Steve Berlin als Produzent und in 2014 ein zweites ESP-Album.

Als ausgewiesener Songschreiber par excellence reflektiert Leeroy Stagger in seinen Liedern über ureigene Befindlichkeiten genauso wie über gesellschaftliche Themen mit klarem Blick über den Tellerrand. Viele seiner Songs sind geprägt von wechselnden Lebensumständen. Aufgewachsen in Victoria (British Columbia) hat er sich als Teenager in eine harte Zeit mit Drogen- und Alkoholkonsum in der kulturellen Westcoast-Metropole Vancouver begeben, seine Lehre in diversen Punk & Rock Bands absolviert. Vor einigen Jahren zog er zwecks Runderneuerung seines Lebens mitten ins kanadische Hinterland, nach Lethbridge in der Provinz Alberta. Hier findet er die Ruhe für seine Texte und Kompositionen, hier ist auch sein Sohn geboren worden. Könnte also alles gut werden im Leben des Leeroy Stagger, aber es zogen auch Unsicherheit wegen seiner neuen Rolle als Familienvater und damit verbundene ganz andere Einsamkeiten, Depressionen wegen eines geplatzten wichtigen Plattenvertrages und das komplette Infragestellen seiner Musikerkarriere am weiten Prariehimmel auf.

All das verarbeitet er vorbildlich in den Songs des Albums "Dream It All Away", exemplarisch in dem sumpfig-bluesigen Southern Rock "One Perfect Wave", im lässigen Country Rock von "Happy Too" oder im abschliessenden "Angry Young Man", einer ruhigen, verträumten Ballade mit semi-akustischer Instrumentierung und furiosem Finish. Die oft bittere Realität wird verdrängt - ganz nach dem so wundervoll poetischen Arbeitsmotto: "close your eyes and dream the darkness away". "Something Beautiful" ist der perfekte Opener: ein klasse Rocker im Midtempo-Modus zwischen Rolling Stones und Tom Petty, die elektrischen und akustischen Gitarren singen, eine unwiderstehliche Hookline besorgt den Rest, das ist klassischer Heartland und Prairie Rock’n Roll. "Living In America", geschrieben mit ESP-Kollege Tim Easton und wirkungsvoll begleitet von der kanadischen Ausnahmegeigerin Kendel Carson an ihrem Paradeinstrument und mit bezaubernden Harmony Vocals, berichtet mit viel Sarkasmus über die Kehrseite des amerikanischen Traums: Obdachlosigkeit, Heimatlosigkeit, Aufgabe. Der Anti-Fracking Protestsong "Poison The Well" steht mit seinem bedrohlich stampfenden Beat in der Tradition der Anti-Atom-Nummer "Radiant Land". "New Music Biz Blues" kommt als schneller Talking Blues Rocker im Stil von Bob Dylan Mitte der 60er ("Highway 61 Revisited", "Blonde On Blonde"), während "Dream" zu einer sehnsüchtigen Heartland Rock-Hymne anwächst - komplett mit kräftig schmatzenden E-Gitarren, flächiger Orgel und treibender Rhythm Section.

Aber es ist wohl "Ten Long Years", eine offene Liebeserklärung an seine Heimat, vorbehalten, die ganze poetische Kraft, den Wortreichtum und die Symbolik dieses grossartigen Künstlers Leeroy Stagger aufzuzeigen. Hier werden mit klugen Worten die Themen Fortgehen, Ankommen, Suchen, Finden, besonders im übertragenen Sinn, verhandelt. Nach einem akustischen Start ergibt sich langsam aufbauende Elektrik und dazu hören wir ein weiteres Mal die rostige Roots Rock-Fiddle von Kendel Carson. Stagger hat "Dream It All Away" zusammen mit dem bekannten Studiocrack Russell Broom ("The Dakota Sessions", Sam Roberts, Jann Arden, Joe Nolan) produziert und in Calgary, beziehungsweise zuhause in Lethbridge aufgenommen. Zur festen Sextett-Besetzung gehören Broom und Matthew Robinson an den durchweg dominanten Gitarren, Geoff Hillhorst mit Keyboards sowie Mike Lent (K.D. Lang, Jann Arden, Ian Tyson) am Bass und Pat Steward (Odds, Dustin Bentall, Whitehorse) als Drummer. Neben der erwähnten Kendel Carson wirken ferner Tim Easton (Gitarre), Nick Stecz (Drums), Tyson Maiko (Bass), Dan Wiesenburger (Slide Gitarre) und John Macarthur Ellis (Keyboards) mit - alles erfahrene Musiker aus dem erweiterten Stagger-Clan.

Folgt man der Meinung des Protagonisten, dann haben wir es hier wieder einmal mit dem stärksten, persönlichsten und nachhaltigsten Werk bis dato zu tun. Nur eine übliche Floskel für Presse-Kits ? Fakt ist: Von dem ausgesprochen geschmackvoll gestalteten Artwork über die Beilage mit allen Texten bis hin zum allerletzten Akkord der Abschlussnummer ist Leeroy Stagger ein in sich unglaublich stimmiges, sorgfältig ausgearbeitetes, dabei musikalisch abwechslungsreiches Werk der Extraklasse gelungen. Da gibt es hörbar einen imaginären roten Faden, sitzt alles am richtigen Platz, folgt einer inneren Logik. Niemand will die Qualität auch nur eines einzigen älteren Stagger-Albums im Nachhinein schmälern, aber "Dream It All Away" ist schlichtweg top. Und das gilt nicht nur mit Blick auf den Gesamtkatalog des Künstlers, sondern garantiert auch für die ein oder andere Bestenliste in diesem musikalischen Genre. Ein wundervolles Stück Musik.



THE SOUTH AUSTIN MOONLIGHTERS - Ghost Of A Small Town
(Blue Rose Records BLU DP687, 2016)

Die Geschichte der South Austin Moonlighters begann im März 2011, als sich mit Lonnie Trevino Jr., Phil Bass, Josh Zee und Phil Hurley vier erfahrene Profimusiker beim Sin City Showcase während der alljährlichen Großveranstaltung SXSW anfreundeten und abseits der Verpflichtungen in ihren eigentlichen Bands (Mother Truckers/Whiskey Sisters, Deadman, Stonehoney) gemeinsame Pläne schmiedeten. Schnell entwickelte sich aus dieser lockeren Hobbytruppe eine feste Einheit mit konkreten Zukunftsvisionen. Auftritte wurden gebucht, ein umfangreiches Repertoire erstellt und zusammen neue Songs geschrieben. Bereits zur nächsten SXSW in 2012 war das Interesse der Talentscouts geweckt. Nach einer privat veröffentlichten Live-CD - aufgenommen im legendären Saxon Pub - veröffentlichte Blue Rose Records Anfang 2014 das ersehnte erste Studioalbum. Mit seiner Bandbreite, starken Songs, ungebremster Spielfreude und dem Charisma jedes einzelnen Musikers wusste "Burn & Shine" total zu begeistern - ein nachhaltiges Statement in Sachen Texamericana Rock.

Gitarrist, Sänger, Songwriter Phil Hurley stammt aus Boston und ist erst Mitte der letzten Dekade nach Austin gezogen. An der Ostküste hatte er moderaten Erfolg mit den Gigolo Aunts, einer typischen College, Guitar Rock/Pop-Truppe der 80/90er Jahre, bevor er sich mit Stonehoney an einer tollen Mischung aus Westcoast und Texas, Eagles und Alternative Country Rock versuchte. Der singende und songschreibende Drummer Phil Bass ist seit über 30 Jahren als sprichwörtlicher 'Rock'n Roll Joe' im Geschäft. Er trommelte in der Touring Band von Monte Montgomery, auf Alben von Mark Jungers und Houston Marchman oder zuletzt als festes Mitglied bei den Whiskey Sisters, jener frauengeführten Combo, die sich aus den bekannten Mother Truckers entwickelte. Hier kam er mit dem Gitarrist und Sänger Josh Zee und dem singenden Bassisten Lonnie Trevino Jr. zusammen. Trevino spielte zuvor bei Singer/Songwriter Monte Montgomery und dem Bluesgitarristen Mike Zito, gelangte danach zur Austin-Kultcombo Deadman, wechselte für eine Tournee zu Fastball und dann zu den Whiskey Sisters. Josh Zee wurde inzwischen durch den interessanten Neuzugang Chris Beall ersetzt. Der gilt als echtes Allroundtalent in West Texas, wurde bereits mit zwei eigenen Soloalben und etlichen Co-Writings notiert, ergänzt sich hervorragend mit Phil Hurley an den Gitarren, drückt dem S.A.M.-Sound mit seiner attraktiven Stimme einen weiteren dicken Stempel auf und übernahm dazu für das neue Album den Job als Recording Engineer.

Mit "Ghost Of A Small Town" ist den S.A.M. jetzt eine weitere Steigerung gelungen. Geschickt gekoppelt und ausserordentlich natürlich im Sound, dazu mit einem bestens austarierten Mix aus reifen Songs und kernigen Arrangements fliessen die 13 Tracks nur so durch die Gehörgänge. Fans von Little Feat, Los Lobos, den Beat Farmers, John Fogerty, John Mellencamp, den Flying Burrito Brothers und Arc Angels sollten dabei in Begeisterungsstürme ausbrechen. Die Beiträge von Chris Beall und Phil Hurley sind geprägt von satten Gitarrenklängen, herrlichen 70er-nostalgischen Harmony Vocals mit Westcoast-Flair und einschlägigen Hooks und Refrains. So gleich zum Start Beall's "A Year Of Decembers" als kompetenter Rocker, etwas später die süffige Powerballade "Suburban Avenue" und "Fallin' Down" mit stark an der Band Of Heathens ausgerichtetem Country Rock. Hurley glänzt mit "Movin' On" im Stil der frühen Eagles und dem dezenten Folk Pop/Rock von "Final Line". "You, Love And Me", eine Co-Komposition mit Shurman-Boss Aaron Beavers, ist ein extrem flotter Country Rock-Ohrwurm mit relaxt dahingleitenden Gitarren, glückseligmachenden Harmonien und Killerrefrain - mit anderen Worten: wie gemacht für das Reiten auf dem Highway.

Bassist Lonnie Trevino Jr. steht für die eher Rhythmus- und Groovebetonten Nummern im Programm. Etwa im Stil von (Bass-) Kollege Bruce Hughes von den Resentments rockt und funkt sich Lonnie Trevino Jr. mit seinen gewohnt markigen Lead Vocals und den offensiven Bassfiguren durch "I'll Be Coming Home" und erinnert mit "Lookin' For A Lover" an den weissen Southern Groove von J.J.Grey & Mofro. Sein "She's So Far Away" gehört sicher zu den am heissesten rockenden Stücken auf diesem Album, das könnte auch gut in den Katalog der Wood Brothers passen. Während Trevino sich die Lunge aus dem Hals shoutet, brillieren Phil Bass mit polyrhythmischem Getrommel der Extraklasse sowie Hurley & Beall mit duellierenden Electric Blues Rock-Gitarren.

Der singende Drummer Phil Bass sorgt neben Trevino für die richtig schwarzen, sumpfigen Elemente im Programm der S.A.M. "(Lyin' On The Bottom) Mississippi River" kommt geradezu unerhört Blues- und Southern Soul-getränkt daher. Dazu singt er auf der Bandkomposition "Hold On", eine jener Nummern mit deutlicher Jam- und Groove-Neigung, die live locker über 10 oder 15 Minuten ausgeschmückt werden kann, sowie auf dem einzigen Fremdtitel des Albums: Der traditionelle Gospel Blues "Jesus (Make Up My Dying Bed)", der schon Anfang des letzten Jahrhunderts von den Ikonen Blind Willie Johnson, Charlie Patton und Josh White auf die Blues-Agenda gesetzt und viel später von Bob Dylan bis Led Zeppelin neu interpretiert wurde, kommt hier in einer gewaltigen 7 Minuten-Fassung mit dem für Gospels so typischen Call & Response-Shouting und delikat nervösen, sich ums klassische Thema herumschlängelnden elektrischen Gitarren inklusive Slide & Lap Steel. Grosses Southern Americana-Kino, nach dem zum Ausklang dieser prächtigen Scheibe nur noch der Titelsong folgt. Nein, nicht wirklich: "Ghost Of A Small Town" erscheint als 68-sekündiges Instrumental Jam-Finale - quasi auf einem Riff in die imaginäre Auslaufrille.