Jun 23, 2021


THE DEL-LORDS - Based On A True Story (Enigma Records D2-73326, 1988)

Der Name Eric "Roscoe" Ambel fällt mir erstmals Ende der 70er Jahre auf, als ich an eine Single der Band Dirty Dogs mit dem Titel "Sonority Girl" gelange, die musikalisch in etwa dem entspricht, was ich zu der Zeit am liebsten höre: Punkig trashiger Power-Pop. Ich behalte den Namen einigermassen in guter Erinnerung und werde dadurch auf die Band Accelerators aufmerksam, die in Wirklichkeit nur die Vorgänger-Band unter neuem Namen ist. Von ihnen kaufe ich mir eine LP, die mir zwar in punkto Gitarrenarbeit (Eric Ambel) sehr gut gefällt, aber die Songs sind nicht unbedingt das Gelbe vom Rock-Ei, weshalb ich die Band ad acta lege. Zeitgleich mit seinen Accelerators arbeitet "Roscoe" auch als Gitarrist in Joan Jett's Blackhearts, und bei Joan Jett überzeugt mich das Gitarrenspiel von Eric Ambel auf dem Album "I Love Rock'n'Roll".

Anfang der 80er Jahre gründet Eric Ambel die geniale Band The Del-Lords zusammen mit Scott Kempner, der zuvor bei den Dictators schon abrockte, und die mir natürlich auch ein Begriff waren. Die Del-Lords waren eine unglaublich tolle Roots Rock Band, die leider ziemlich übersehen wurde. Ihr Album "Based on a True Story" gehört für mich zum Besten, was in den 80er Jahren erschienen ist, und gänzlich ohne synthetische Mittel auskam. Der Band gehörte auch der spätere Drummer von Cracker an (Frank Funaro). Die Songwriter-Qualitäten von Scott Kempner waren enorm. Er schrieb für die Platte vom taffen Wüstenrock ("Crawl in Bed"), über leidenschaftlich vorwärtspreschende Blues-Rocker ("A Lover's Prayer", "River of Justice") bis zu ohrwurmigem Power-Poprock ("I'm Gonna Be Around" oder "Whole Lotta Nothing Going On") hervorragende, zeitlos gute Songs und mit der Ballade "Poem of the River" im Duett mit Pat Benatar ein Akustik gewordener Traum der absoluten Ausnahmeklasse. Auf dem Album darf sich auch Reverend Mojo Nixon am Rande etwas austoben und die Platte profitiert zusätzlich durch Gast-Contributions von Jimmy Powers, Curtis James, Syd Straw und Lenny Castro. "Roscoe" hat später weiter Roots-Rock gemacht, aber die Klasse dieses Albums hat er meiner Meinung nach nie mehr ganz erreicht.

Noch als er die Band Del-Lords am Leben erhielt, spielte Eric Ambel schon mit einer weiteren Band, seiner "Roscoe's Gang" zusammen. Mit dieser Band spielte er mehrheitlich Roots Rock der eher gemässigten Sorte, sprich: eher countryinfiszierter Americana Sound. Da er sich inzwischen auch als Produzent unter anderem für die Bottle Rockets, die Blood Oranges oder Nils Lofgren einen Namen gemacht hatte, konnte er die Sache mit der eigenen Mucke natürlich lockerer angehen. So erstaunt es nicht, dass Eric Ambel immer mal wieder ziemlich nicht-chartsorientierte Songs aufnahm, mit dener er unter Insidern natürlich einen hohen Status erreichte, kommerziell aber in der Regel immer floppte. "Loud And Lonesome" ist zum Beispiel ein absolutes Klasse-Album (mit seiner "Roscoe's Gang"), aber leider ging die Platte völlig unter. Da halfen nicht mal ausgezeichnete songs aus den Federn von Dan Baird (Ex-Georgia Satellites), Terry Anderson oder Greg Trooper. Es folgten Produzenten-Jobs für Freedy Johnston (einen hervorragenden Songwriter, von dem ich praktisch alles besitze), Blue Mountain, The Backsliders (total geniale Band!!), Go To Blazes (texanisch angehauchter Roots-Rock - toll!!!), Tammy Faye Starlite und Mary Lee's Corvette.

1996 dann der Ueberhammer: Eric Ambel gründet zusammen mit dem ehemaligen Satellites-Frontmann Dan Baird die Haudrauf-Kapelle "The Yayhoos", Bassist Keith Christopher und Drummer Terry Anderson sind auch dabei. Die Band veröffentlicht ein hervorragendes, staubig-trockenes Holzfäller-Rockalbum, betitelt "Fear Not The Obvious", das ebenso wie fast alle Vorgänger-Alben von Eric Ambel, bei uns leider praktisch überhaupt nicht zur Kenntnis genommen wird (Bloodshot Records, 2001). 1999 baut er mit "Cowboy Technical Services" sein eigenes Tonstudio und gelangt damit - sowie seinem Ruf als hervorragendem Produzenten - zu grossem Erfolg. Zu seiner aufnehmenden Klientel gehören etwa Ryan Adams, Robert Randolph & The Family Band, Steve Wynn, Marshall Crenshaw, Laura Cantrell, The Silos, The Damnwells und Martin's Folly. Im darauffolgenden Jahr tourt er mit der Band von Steve Earle ("The Dukes") und ist zu einem Grossteil verantwortlich für den Erfolg von Earle's Album "Jerusalem". Zu absoluten Produktions-Highlights von Eric Ambel zähle ich auch die Alben "Perfect City" von Florence Dore und das Klasse Rock-Album"The Knitter" von Cheri Knight. Diese beiden Ladies-Alben gehören eigentlich in jede Sammlung. Für mich gilt daher: Wo Eric "Roscoe" Ambel draufsteht, ist immer tolle Mucke drin! Denn überall, wo Eric "Roscoe" Ambel produziert, spielt er in der Regel auch Gitarre, komponiert und singt mit.

Meine persönlichen Eric Ambel-Empfehlungen, ausser der "Based On A True Story" mit den Del-Lords:

ERIC AMBEL & ROSCOE'S GANG - Loud And Lonesome (1994 Survival Records)
11 Songs, Anspieltipps: "Song for The Walls", "Way Outside", "Downtown At Midnight", "Autumn Rose"

THE YAYHOOS - Fear Not The Obvious (2001 Bloodshot Records)
12 Songs, Anspieltipps: "What Are We Waiting For", "Monkey With A Gun", "Bottle And A Bible", "For Crying Out Loud", "Oh Chicago!" und das Abba-Cover (!!!) "Dancing Queen".

Zwei empfehlenswerte Platten, die Eric Ambel produziert hat:

CHERI KNIGHT - The Knitter (1995 East Side Digital Records)
11 Songs, Anspieltipps: "The Knitter", "Monolith", "Wishing Well", "Very Last Time"

FLORENCE DORE - Perfect City (2002 Slew Foot Records)
10 Songs, Anspieltipps: "Easy World", "No Nashville", "Framed", "Postcard".




THE BEAU BRUMMELS - The Beau Brummels
(Warner Brothers Records BS 2842, 1975)

Nachdem die für meinen Geeschmack amerikanischste aller den Beatles angelehnten 3 Minuten Song-Bands zwischen 1965 und 1968 insgesamt 5 Langspielplatten und zahlreiche Singles, von denen einige sehr erfolgreich waren, veröffentlicht hatte, danach leider aber auseinanderfiel, war ich sehr überrascht, als es 1974 zu einer Reunion der Gruppe um den Songschreiber Ron Elliott kam. Noch überraschter war ich, als im folgenden Jahr auch eine Reunion-LP auf Warner Brothers erschien. Nicht einmal so sehr der Umstand, dass es eine der vielen, in den 60er Jahren erfolgreichen Bands, später noch einmal auf die Bühnen wagte, war das Besondere. Es war vielmehr die enorm hohe Qualität der Musik, mit der die Band nach sieben Jahren auf ihrem ersten Album seit 1968 überraschte. Eingeleitet von einem Remake eines ihrer Hits ("You Tell Me Why" von 1965), präsentierten die Jungs auf diesem aus heutiger Sicht leider viel zu kurz geratenen Album 10 absolute Songperlen, die in demselben melodieseligen Muster gestrickt waren, wie ihre in den 60er Jahren veröffentlichte Musik. Nun kam noch hinzu, dass das renommierte Produzenten-Team Lenny Waronker und Ted Templeman, das kurz zuvor das viel zu unterschätzte Album "Paradise & Lunch" von Ry Cooder hervorragend produziert hatte, diese Reunion-Platte der Beau Brummels ausgezeichnet und mit einer enorm klaren und druckvollen Einspielung in Szene gesetzt hatten. Natürlich hatten sich die qualitativen Möglichkeiten in den Tonstudios seit den 60er Jahren entscheidend weiterentwickelt, aber man konnte auch zu Mitte der 70er Jahre keine Hochglanz-Produkte veröffentlichen, wenn nicht schon die Songs an sich spitze sind. Die Technik diente damals wie heute lediglich dazu, perfekte Songs auch klanglich optimal aufzubereiten.

Die Beau Brummels wurden im Jahre 1964 in San Francisco als Antwort auf die sogenannte "Britische Invasion" gegründet. Damit war die Modewelle gemeint, die zu dieser Zeit massenhaft Beatbands aus Grossbritannien über den Atlantik in die USA schwappte. Gründungsmitglieder der Band waren der Songschreiber Ron Elliott und der Leadsänger Sal Valentino (eigentlich Salvatore Willard Spanpinato). Die erste Single der Beau Brummels erschien Ende 1964 bei der Plattenfirma Autumn Records und trug den Titel "Laugh Laugh". Produziert wurde die Single von Tom Donahue und Sylvester Stewart, der später als Sly Stone in die Musikgeschichte eingehen sollte. Der Song "Laugh Laugh" erreichte bei den Hot 100 von Billboard Platz 15 und war somit natürlich schon der perfekte Einstieg der Gruppe in den Musikmarkt. Die Rechnung, eine amerikanische Version der Beatles erfolgreich zu lancieren, schien bereits mit der erstne Singleveröffentlichung aufzugehen. Später wurde der Song in die Liste der 500 Songs, die den Rock & Roll am meisten geprägt haben, der "Rock & Roll Hall Of Fame" aufgenommen. Nach dieser Aufnahme musste der Gitarrist Declan Mulligan wegen arbeitsrechtlicher Schwierigkeiten die Gruppe verlassen und die Formation machte als Quartett weiter. Nach fünf Singles bei Autumn Records, mit denen es die Beau Brummels jeweils in die Hot 100 schafften, wechselte die Band 1966 zur Plattenfirma Warner Brothers, wo bis 1969 weitere sieben Singles produziert wurden. Von diesen Singles war der Titel "One Too Many Mornings" in den Charts am erfolgreichsten.

1966 zerfiel die Gruppe zum ersten Mal. In der Besetzung Elliott, Valentino und Meagher versuchten The Beau Brummels mit den beiden komplexeren, sich vom Beat-Format hörbar lösenden Alben "Triangle" (1967) und "Bradley's Barn" (1968) ein Comeback. Obwohl beide Platten sowohl bei den Kritikern, wie den Kennern der Szene gut aufgenommen wurden und auch heute noch als Referenzplatten gelten, blieben die Verkaufszahlen im Keller und die Band trennte sich erneut. Erst 1975 kamen die Beau Brummels, diesmal in Originalbesetzung noch einmal für das schlicht "The Beau Brummels" betitelte Reunion-Album zusammen. Aber das Dilemma wiederholte sich ein weiteres und diesmal leider letztes Mal: trotz wohlwollender Kritiken blieb der Erfolg aus. Die ganze aufwändige und perfekte Produktion, die wundervollen Songs und die hervorragende instrumentale Qualität nützte letztlich nichts. Das Album ging unter. Schuld daran könnte höchstens der Musikmarkt an sich gewesen sein. 1975 war nicht mehr viel Raum vorhanden für eine Band, die zwar noch vielen bekannt war aus den 60er Jahren. Aber inzwischen war in den USA eher die Disco-Welle erfolgreich, und bald darauf sollte der Punk noch die letzten, am Folkrock orientierten Beat- und Pop-Bands hinweg fegen.

Mit dem Reunion-Album "The Beau Brummels" bewies die Gruppe allerdings noch einmal eindrücklich ihre hohe Qualität. Ausser dem noch einmal eingespielten "You Tell Me Why" präsentierte Songschreiber Ron Elliott neun neue Songs, die zwar noch immer den Geist der seligen 60er Jahre in sich trugen, jedoch auch an damals aktuellen, besonders dem US-amerikanischen Folkrock entlehnten Elementen orientiert waren. Typischstes Merkmal auch dieser neuen Songs war, dass sie allesamt mitsingbar waren, sehr bemerkenswert eingängige Melodien präsentierten und hervorragend arrangiert waren. Ganz bestimmt hatten die ausführenden Produzenten Lenny Waronker und Ted Templeman entscheidenden Einfluass auf den finalen "Sound" der neuen Beau Brummels genommen, denn die Platte trug die typische Handschrift der beiden Klang-Perfektionisten, die es ausgezeichnet verstanden, Ron Elliott's an sich eher simplen Melodien eine gewisse Erhabenheit, einen hörbaren Glanz zu verleihen, indem sie die Songs einerseits sehr transparent arrangiert (weniger ist mehr!) und andererseits instrumental schon fast audiophil abgemischt hatten.

Highlights sind nebst dem bereits erwähnten herrlich flockigen und mitsingbaren "You Tell Me Why" auf die Songs "Wolf" mit einem vorwärts treibenden Westcoast-Rhythmus mit tollem Chor-Arrangement, das sehr leise, trist-traurige "Down On The Bottom", dem durch die hervorragende Gitarre des Gastmusikers Ronnie Montrose ein ganz spezieller Glanz verleiht wird, das countryeske "First In Line" und vor allem auch das recht melancholische "Goldrush". Der "Singing Cowboy" war kein Country-Song, sondern wiederum ein sehr schöner flockiger und folkrockiger Westcoast-Song mit viel Sonne und dem Feeling von Cabriofahren an der kalifornischen Küste, der schon fast das typische lockere Steely Dan Flair erreichte. Insgesamt auf jeden Fall ein absolut tolles Werk, das es verdient gehabt hätte, mehr Käufer zu finden. Allerdings darf man sagen, dass die Platte später doch noch von vielen Fans nachträglich entdeckt wurde, als es die Band allerdings schon längst nicht mehr gab. Die gab nämlich endgültig auf, nachdem sich auch dieses Reunion-Album nur schlecht verkaufte.

Ron Elliott verdingte sich später als Musiker bei Van Morrison, Randy Newman oder den Everly Brothers, bevor ihn eine Diabetes-Erkrankung zwang, seine musikalische Karriere weitestgehend zu beenden. Sal Valentino sang einige Jahre bei der Gruppe Stoneground, später in lokalen Bands und veröffentlichte erst im Jahre 2006 ein Solo-Album ("Come Out Tonight"), das ebenfalls nur wenige Käufer fand.











IAN MATTHEWS - Journeys From Gospel Oak 
(Mooncrest Records CREST 18, 1974)

Das Album "Journeys From Gospel Oak" war noch im selben Jahr, als Ian Matthews sich mit seiner neuen Band namens Plainsong zurückmeldete, eingespielt worden, sogar weitgehend mit denselben Musikern. Plainsong entpuppte sich als nicht sonderlich vielversprechend in kommerzieller Hinsicht, weshalb sich Ian Matthews schon kurze Zeit nach der Veröffentlichung des Konzeptalbums "In Search Of Amelia Earhart" wieder seiner Solokarriere zuwandte, die er zuvor mit zwei Alben für das Vertigo Swirl Label begonnen hatte. Der Musiker war in dieser Zeit zwischen 1971 und 1974 enorm kreativ und spielte die unterschiedlichsten Alben sein, von denen das 72er Werk "Journeys From Gospel Oak" sein wohl romantischstes, mit Sicherheit aber bislang am meisten von der amerikanischen Countrymusik beeinflusste Album war. Dies machte sich vor allem in den für das Album ausgewählten Fremdkompositionen bemerkbar, beispielsweise im von Ex-Byrds Gene Clark geschriebenen "Polly", oder in "Things You Gave Me" und "Tribute To Hank Williams", beides Titel aus dem Repertoire von Tim Hardin, "Mobile Blues" aus der Feder von Mickey Newbury und "Met Her On A Plane" vom legendären amerikanischen Songwriter Jimmy Webb. Ausserdem berücksichtigte Matthews die Nummer "Bride 1945" von Paul Siebel, ein wundervolles und nur angenehm zurückhaltend instrumentiertes, das sehr fluffig klang, sowie das sehr bekannte Countrystück "Sing Me Back Home" des US-amerikanischen Country-Superstars Merle Haggard. Aus der Feder von Ian Matthews stammten hier lediglich zwei Songs, nämlich "Franklin Avenue" und das erste Stück der Platte mit dem Titel "Knowing The Game", das sehr jenen Songs ähnelte, die Matthews danach auch auf dem Plainsong Album präsentieren würde. Das Album "Journeys From Gospel Oak" erschien jedoch erst über ein Jahr später, als Ian Matthews nur noch die Vertragsbedingung einhielt, und die Platte nachschob, obwohl er bereits beim nächsten Plattenlabel unter Vertrag stand.

Ian Matthews wuchs in Scunthorpe auf, wo er bei den lokalen Bands The Classics und The Rebels seine ersten Erfahrungen als Musiker sammelte. Später zog er nach London, um sich 1966 der Surfband Pyramid anzuschliessen, die er jedoch bald wieder verliess. Nachdem Ashley Hutchings auf ihn aufmerksam geworden war, wurde er Mitte 1967 Mitglied von Fairport Convention und änderte nach Veröffentlichung des ersten Albums seinen bürgerlichen Nachnamen von MacDonald zu Matthews, um Verwechslungen mit dem King Crimson-Musiker Ian MacDonald zu vermeiden. Ian Matthews hiess mit bürgerlichem Namen eigentlich Iain Matthew MacDonald und erblickte am 16. Juni 1946 in der Grafschaft Lincolnshire das Licht der Welt. Doch auch bei Fairport Convention hielt es den Sänger und Gitarristen nicht lange. Während der Aufnahmen zum Fairport Convention Album "Unhalfbricking" im Frühjahr 1969 kehrte er der Band den Rücken. Noch im selben Jahr versammelte Matthews die Band Matthews Southern Comfort um sich, deren erste Single "Colorado Springs Eternal" im November 1969 veröffentlicht wurde. Die LP "Matthews Southern Comfort" erschien dann im Januar 1970. Musiker der Band waren Gordon Huntley (Pedal Steel-Gitarre), Carl Barnwell (Gitarre und Gesang), Mark Griffiths (Gitarre), Andy Leigh (Bass) und Ray Duffy (Schlagzeug). Matthews Southern Comfort nahmen im Jahre 1970 noch zwei weitere Alben auf: "Second Spring" und "Later That Same Year". Ausserdem brachte die Band am 31. Oktober 1970 eine Coverversion von Joni Mitchell's Song "Woodstock" auf Platz 1 der britischen Singles Charts. Trotz der Popularität der Band trennte sich Matthews im November des Jahres von ihr, indem er während eines Auftrittes kurzerhand die Bühne verliess. Die Band machte als Southern Comfort weiter und veröffentlichte in den Jahren 1971 und 1972 ohne Ian Matthews drei weitere Alben ("Frog City", "Southern Comfort" und "Stir Don't Shake").

Ebenfalls 1971 und 1972 erschienen zwei weitere Soloalben von Matthews auf Mercury Records: "If You Saw Thro' My Eyes" und "Tigers Will Survive". Anfang 1972 gründete er die Folkband Plainsong. Allerdings verpflichtete der Vertrag mit Mercury Records Matthews zur Aufnahme eines weiteren Soloalbums. So wurde innerhalb von nur fünf Tagen "Journeys From Gospel Oak" aufgenommen. Danach setzte sich Matthews mit Plainsong für Elektra Records ins Studio und nahm "In Search of Amelia Earhart" auf. Nur wenig später trennte sich Matthews auch von Plainsong wieder, da sich Elektra weigerte, das Folgealbum zu veröffentlichen. Matthews zog daraufhin nach Kalifornien und konnte Michael Nesmith als Produzenten für seine zwei nächsten Solowerke gewinnen. Die 1973er Produktion "Valley Hi" und "Some Days You Eat The Bear, Some Days The Bear Eats You" von 1974 erschienen beide auf Elektra Records, verkauften sich aber so schlecht, dass das Label Matthews fallen liess. Seinen nächsten Vertrag, als Folge dessen die sehr am amerikanischen Westcoast-Sound orientierten Alben "Go For Broke" (1976) und "Hit And Run" (1977) auf den Markt kamen, konnte er dann bei Columbia Records unterzeichnen. Doch auch dieser Vertrag hielt nicht lange, und Matthews startete eine Zusammenarbeit mit Produzent Sandy Roberton. 1978 erschien "Stealin’ Home" auf Roberton's eigenem Plattenlabel Rockburgh Records. Das Album wurde ein Erfolg und enthielt Matthews’ grössten Single Hit in den USA, "Shake It". Der Titel erreichte den respektablen Platz 13 in den Charts. Die Folge-Alben "Siamese Friends" von 1979 und "Spot Of Interference" von 1980 waren jedoch wieder so grosse Misserfolge, sodass Rockburgh Records schliesslich pleite ging.

Mit den letzten beiden Alben für Rockburgh Records kamen indes zwei Alben auf den Markt, die auch inhaltlich den Musiker Matthews enttäuscht gehabt haben, denn anders liesse sich sein folgendes Bandprojekt nicht erklären, das musikalisch auf einer ganz anderen Schiene lief. Zusammen mit dem Sänger David Surkamp von Pavlov's Dog gründete Ian Matthews die leider nur kurzlebige Gruppe Hi-Fi, deren Fokus auf zeittypischem, von der New Wave inspirierten Rock gelegt war. Die Band war richtig klasse und es ist sehr schade, dass das Projekt mangels Erfolg so schnell das Zeitliche segnete, dass davon nur eine Mini-LP und ein einziges reguläres Album ("Moods For Mallards") herausschaute.

In den Achziger und Neunziger Jahren brachte Ian Matthews enorm viele Platten heraus, und nicht alle waren super, aber immerhin folgten nun alle seine Scheiben einem bestimmten Stil, was wiederum Beständigkeit (und keineswegs je Langeweile) bedeutete. Heute ist meiner Meinung nach eine Ian Matthews Platte (oder Iain wie er sich heute aufgrund seiner irischen Wurzeln nennt) wenn nicht einen Kauf, so doch immerhin einen Hörtest wert. Denn eine richtig schlechte Platte hat er nie gemacht. Neueren Datums und äusserst empfehlenswert finde ich "Excerpts From Swine Lake", "A Tiniest Wham" und "Skeleton Keys". Wer sich den alten Klassikern widmen will, kommt aber an "Valley Hi", den vorgenannten Alben "Journeys From Gospel Oak" und "Some Days You Eat The Bear, Some Days The Bear Eats You" nicht vorbei. Von den beiden auf Vertigo Swirl veröffentlichten Platten "If You Saw Thro' My Eyes" und "Tigers Will Survive" ist ersteres gesamtheitlich betrachtet wohl eher empfehlenswert, da die "Tigers" Platt- zumindest einige mittelmässige Songs enthält, die nicht restlos zu überzeugen vermögen. Die meiner Meinung nach interessantesten und lohnenswertesten Alben von Ian/Iain Matthews sind aus meiner Sicht

Ian Matthews - Journeys From Gospel Oak
Ian Matthews - If You Saw Thro' My Eyes
Matthews Southern Comfort - Second Spring
Ian Matthews - Some Days You Eat The Bear And Some Days The Bear Eats You
Ian Matthews - Excerpts From Swine Lake
Hi-Fi - The Complete Recordings (mit David Surkamp)
Plainsong - In Search Of Amelia Earhart

Ganz persönlich gefällt mir die "Journeys From Gospel Oak" am besten. Sie vereint einige hochkarätige amerikanische Country- und Country-Folk Songs, die das Muster des Hobos, also des rastlosen Trampers illustrieren. Konzeptionell wunderschön, in der Ausführung absolut authentisch und mit einer erlesenen Auswahl hochkarätiger Musiker absolut zeitlos eingespielt, hat die Platte bis heute auch klanglich ohne jegliche Patina überdauert.












JOHNNY RIVERS - L.A. Reggae (United Artists Records UAS-5650, 1972)

Erst einmal zur Klärung: Hier wird keine Reggae Musik gespielt, auch wenn das der Plattentitel vielleicht suggerieren will. Auch zur landläufigen Meinung, Johnny Rivers wäre ein Rock'n'Roller gewesen, gibt es unterschiedliche Meinungen. Ich würde eher meinen, dass es Johnny Rivers schon zu einem frühen Zeitpunkt seiner Karriere verstanden hat, amerikanische Musik in ihrer Gesamtheit aufzusaugen und in seiner Musik einfliessen zu lassen. Wenn man sich heute sein Platten-Oeuvre näher betrachtet, dann findet man in seinem Schaffen vom Rhythm'n'Blues über Soul, Pop, Rock'n'Roll, Folk und Countrymusik bis zu Blues so ziemlich alles, was Amerika in den 60er und 70er Jahren an musikalischer Vielfalt präsentierte.

John Henry Ramistella, wie Johnny Rivers' gebürtiger Name lautet, kam 1942 in New York zur Welt, zog mit seinen Eltern aber schon früh nach Baton Rouge im amerikanischen Bundesstaat Louisiana, was seinen späteren Musikstil sicherlich mit beeinflusste, auch wenn er sich strengen stilistischen Vorgaben stets verweigerte und sich allen möglichen Richtungen gegenüber offen zeigte.

Nach mindestens zwei grossen Hits mit dem Popsong "Mountain Of Love" im Jahre 1964 und "Secret Agent Man" im Folgejahr wurde es im Laufe der Zeit eher ruhiger um ihn, obwohl er weiterhin exzellente Platten veröffentlichte, von denen auch immer wieder recht erfolgreiche Singles ausgekoppelt wurden. Der richtig grosse Hit kam dann erst 1972, als er das von Huey "Piano" Smith geschriebene Stück "Rockin' Pneumonia And The Boogie Woogie Flu" für sein Album "L.A. Reggae" einspielte, mit dieser Single weltweit erfolgreich war und insgesamt über eine Million Exemplare davon verkaufen konnte. Die Single erreichte Platz 6 der amerikanischen Billboard Charts. Auch das Album "L.A. Reggae" war sehr erfolgreich in Amerika.

Für das Album hatte Johnny Rivers sich eine komplett neue Band zusammengestellt, die fast ausschliesslich aus der damaligen Crème de la Crème der kalifornischen Sessionmusiker-Szene bestand. Top-Gitarrist Larry Carlton, Pianist Larry Knechtel, Bassist Joe Osborn und Schlagzeuger Jim Gordon bildeten die Basis Band bei den Aufnahmen. Das Team wurde ergänzt durch Beiträge von Michael Omartian, Jim Webb, Dean Parks, Bobbye Hall, Jim Horn, Chuck Finley, Jackie Kelso, Herb Pedersen und Michael Georgiades.

Wie es bei Johnny Rivers durchaus üblich war, hielt er sich mit eigenen Kompositionen auch bei diesem Album wiederum eher zurück und setzte stattdessen auch bei diesem Album weitgehend auf ausgewählte Coversongs, denen er seinen ganz eigenen, zumeist fröhlichen und herzlichen Stempel aufdrückte. Van Morrison sagte zum Beispiel, dass sein von Johnny Rivers gecovertes "Brown Eyed Girl" die schönste Version sei ausser seiner eigenen. Morrison hielt Rivers für den besten Musiker, der seine Songs nachspielte, weil er den Kompositionen einen neuen Glanz verpasste ohne ihren ursprünglichen Charakter zu verwässern.

Rivers spielte hier auch Songs von Paul Simon ("Mother And Child Reunion"), J.J. Cale ("Crazy Mama"), Eddie Floyd ("Knock On Wood") sowie Chuck Berry ("Memphis Tennessee", das hier in "Memphis '72" umbenannt wurde) ein. Daneben hat er aber auch ganz wunderbare eigene Songs beigesteuert, wie zum Beispiel das soulig rockige "Stories To A Child" oder das recht patriotisch angehauchte "Come Home America".

Das originale Album, das 1972 erschien, enthielt insgesamt 12 hochkarätige Songs, wohingegen während der gesamten Studio Session eine Vielzahl an zusätzlichen Songs eingespielt wurde. Einige davon plus in einer weiteren Studio Session eingespielte Nummern fanden ihren Weg schliesslich auf das nur wenig später Anfang 1973 erschienene Album "Blue Suede Shoes", das nur noch Coversongs enthielt, genauso toll klang wie "L.A. Reggae", aber von der Plattenfirma United Artists leider zu wenig gut beworben wurde, was sich in wesentlich geringeren Verkaufszahlen niederschlug. Die an den Aufnahmen beteiligten Musiker und das hohe Niveau der Qualität der Songs waren aber identisch, und so kann man eigentlich beide Platten nur wärmstens empfehlen. Auf "Blue Suede Shoes" finden sich klasse Songs aus der Feder von Carl Perkins (das weltberühmte Titelstück, das Elvis zum Hit machte), den Coasters, Cliff Richard, den McCoys ("Hang On Sloopy"), Neil Diamond ("Solitary Man") oder die drei Bluesklassiker "Got My Mojo Working", "Turn On Your Lovelight" und "Willie And The Hand Jive".