Nov 4, 2022


MONKS - Black Monk Time (Polydor International  249 900, 1966)

Es gibt wohl kaum einen Superlativ, der in Zusammenhang mit der Wichtigkeit der Musik der Monks für die Entwicklung des Beat nicht schon genannt worden ist. Richtig ist bestimmt, dass es zuerst die Beatles gab. Schon kurze Zeit später aber auch die Anti-Beatles. Bleibt man bei diesem kurzen Statement, ist man in der Tat schon ziemlich schnell bei den Monks. Sie waren der krasse Gegenpol zur Beatbewegung. Ihre Songs waren kaum tanzbar, nicht mitsingbar und schon gar nicht melodieselig. Die Monks waren wild, unkontrolliert, dadaistisch und noch lange bevor Pete Townshend seine erste Gitarre auf der Bühne zerschlug und Jimi Hendrix seine Axt in Feuer aufgehen liess, besorgten die Monks die nötige Aufmerksamkeit auf der Bühne durch ihr provokantes Outfit als Mönche mit echten Mönchskutten und Tonsuren, und anstelle von dünnen Schlipsen, wie das bei so mancher Beatband üblich war, trugen sie Galgenstricke um den Hals.

1961 kamen die fünf späteren Musiker als amerikanische Soldaten in die hessische Garnisonsstadt Gelnhausen. Sie begannen schon bald in der örtlichen Militärkapelle miteinander Musik zu machen. In ihrer Freizeit entstand die Coverband The Five Torquays, zunächst noch in verschiedenen Besetzungen, aber ab 1964 mit den fünf Musikern, die später die Monks bilden sollten. Nach der Entlassung aus der US-Armee spielten die Five Torquays 1964 für ein Jahr in süddeutschen Clubs. Bei einem dieser Auftritte in der Stuttgarter Rio Bar wurden sie von Walther Niemann und Karl-H. Remy angesprochen. Niemann und Remy waren seit geraumer Zeit auf der Suche nach einer Band, die sie nach ihren Vorstellungen modellieren konnten. Kurze Zeit später begannen die fünf Musiker unter Anleitung ihrer beiden Manager an einem neuen Sound zu arbeiten. Im September wurde im Ludwigsburger Bauerstudio ein zehn Songs umfassendes Probeband aufgenommen. Mit diesen Probeaufnahmen versuchten die Manager bei den grossen deutschen Plattenfirmen einen Vertrag zu bekommen. Diesen unterzeichneten sie schliesslich bei Polydor, weil dort der junge Produzent Jimmy Bowien, bekannt durch seine Zusammenarbeit mit Franz-Josef Degenhardt, in ihnen die „Musik der Zukunft“ erkannte. Niemann und Remy arbeiteten an der weiteren Entwicklung ihres Gesamtkonzepts. Die noch recht zahmen Texte der Probeaufnahmen wurden zu scharfen dadaistischen Anklagen gegen den Vietnam-Krieg. Ästhetisch ging man neue Wege, indem man statt der weichen, langhaarigen, blumenkinderhaften Popaufmachung die schwarzweissen Kontraste des Kalten Krieges wählte. Dazu passte das Mönchs-Outfit perfekt und musste auf Puristen wie blanke Bigotterie wirken.

Die Musik, die auf ihrem einzigen Album zu hören ist, darf in jeder Hinsicht mit wild, hart, schnell und oft nur auf einem einzigen Akkord basierend als Blaupause des späteren Trash, des Garage Rocks und auch der dadaesken Avantgarde angesehen werden, welche erst zwei Jahre später unter anderem durch Bands wie beispielsweise Velvet Underground erneut aufgegriffen wurde. "Black Monk Time", das im Mai 1966 veröffentlicht wurde und bis in die 90er Jahre hinein nie mehr nachgelegt wurde, bedeutete  ähnlich wie das erste Album von Velvet Underground einen tiefen Einschnitt in die Geschichte der bis dato eher adretten, gestylten und vom Rhythm'n'Blues und Blues beeinflussten Popmusik. Erstmals begegnete eine Band diesen Einflüssen bewusst mit Ablehnung und es entstand eine Art von Gegenmusik, die heute - rückblickend bewertet - den Punk der 70er Jahre, den Trash und den Heavy Metal vorweg nahm.

Bild unten: Die CD Version der Platte, die gegenüber der ursprünglichen Langspielplatte um drei Songs erweitert wurde, konnte ich anlässlich eines Auftritts der Monks in Zürich im Jahre 2006 zur Kinopremiere des Monks-Dokumentarfilms "The Transatlantic Feedback" von den zu dem Zeitpunkt noch lebenden Bandmitgliedern signieren lassen. Von den originalen Mitgliedern starben danach der stilbestimmende Banjo-Spieler Dave Day im Jahre 2008 und Bandleader Gary Burger im Jahre 2014.



Zu dem Konzert der Monks am 21. Oktober 2006 in Zürich's Club Mascotte (mit den Schweizer Garage Rockern Reverend Beat-Man & The Monsters als Supporting Act) anlässlich der Filmpremiere des Dokumentarfilms "The Transatlantic Feedback" hatte ich auch eine Konzert-Kritik geschrieben:

 Saints And Sinners - THE MONKS meet THE MONSTERS

Für mich waren The Monks natürlich das Live-Event des Jahres, ging doch mit dem Gig ein Bubentraum in Erfüllung. Noch drei der ursprünglich 5 Original-Bandmitglieder waren's. Der Keyboarder mochte nicht mehr, er wurde ersetzt, und der Drummer war bereits verstorben, und wurde daher auch durch einen Jungspund ersetzt. Aber Leader Gary war noch frisch wie eh und je, und auch Banyospieler Dave spielte sich die Finger wund. Den Abend läutete Kaplan Grau ein, er bereitete das Publikum mit herzhaften Hallelujah's auf das kommende Inferno vor. Begleitet wurde seine Ansprache durch sakrale Lieder auf einer kleinen Kirchenorgel, die extra dafür in den hoffnungslos überfüllten Club Mascotte geschleppt wurde. Anstelle von biblischen Klängen spielte der Herr in der Pfarrers-Robe allerdings Kamellen aus den 60er Jahren, von "Whiter Shade of Pale" über "You Really Got Me" (echt!), bis zu "My Generation". Das muss man sich mal vorstellen. Da hingen die Knabberleisten schon ungläubig herunter.

Dann der Auftritt von den Schweizer MONSTERS, vom verrückten Reverend Beat-Man angeführt. Die spielten so laut, dass alles pumpte und vibrierte: Die Wand, an der man lehnte, das Hemd, das man trug und die Schuhe, in denen man stand. Zwei Schlagzeuger, die einander gegenüber sassen, hauten wie manisch drauf, einander immer wieder anpeitschend. Horror- Rock'n'Roll vom Feinsten. Es folgte eine unwirklich anmutende Umbauphase, während der sich erneut Kaplan Grau ans Mikrophon stellte, und das Publikum zu Hallelujah-Rufen anfixte, währenddem nunmehr Reverend Beat-Man mit drei Ordensschwestern (in gottesfürchtigen Nonnen-Gewändern) einen Kelch mit Wein herumreichte und eine Hostie (mit aufgedrucktem Bandlogo der Monsters!!) den Gläubigen in den Mund steckte. Wichtig: Der Reverend verteilte die Hostie mit dem Spruch "Gesegnet sei der Rock’n’Roll", was die Gläubigen mit "Amen", oder "Hallelujah!" quittieren mussten.

Danach kamen die Monks, die zwar nicht mehr so laut spielten wie die Monsters, aber dafür viel mehr Dynamik an den Tag legten. Die Präsenz der Band war schlicht enorm, und mir schossen immer wieder diese surrealen Bilder ihres legendären Auftritts im Beat Club von anno dunnemals durch den Kopf. Sänger Gary aktualisierte den Text von "It’s Monk Time" ganz zu Anfang des Sets natürlich auf die momentan die Welt bewegenden Themen wie Bush, Irak und Afghanistan, was das Publikum mit Begeisterungsstürmen quittierte. Gemessen am Umstand, dass die Band nach 1966 keine weiteren neuen Songs komponiert hat, spielten sie ein auffallend langes Set, und den einen oder anderen Titel spielten sie in bis zu 10 Minuten gestreckten Versionen, inklusive Banyo- Drum- und ausufernden Gitarrenexzessen, wobei sie auch auf die schon im Beat Club praktizierte Dreimann-Gitarrenbearbeitung am Boden nicht verzichten mochten. Man muss sich das vorstellen: Was Pete Townshend später mit seinen Gitarren machte, hatten die Monks schon drei Jahre früher praktiziert. Als Dave und Gary dann auch noch ihre Instrumente gegenseitig malträtierten (Banyo schrammt an Gitarre) war die Stimmung auf dem absoluten Höhepunkt angelangt. Mit viel Feedback-Gedröhn und pfeifendem Lärm, dazu dem manischen, monotonen Draufhauen des Drummers, inklusive dem mit dem Kopf auf die Tasten der Farfisa-Orgel hämmernden Keyboarders (!!) war ich mir bewusst: Diese Band ist zurecht bis heute legendär. Man kann die Musik und die Performance der Monks auch heute noch als durch und durch avantgardistisch bezeichnen, denn nicht ein einziger Song ihres Repertoires kann, auch an heutigen Kriterien gemessen, als normal strukturiert angesehen werden: Chöre, wo keine sein sollten, Breaks, die keine sind, Stops, wenn andere durchspielen - herrliche Soundcollagen, die auch heute noch fremdartig wirken.

Kurz vor Ende des Sets kamen dann die drei Nonnen wieder auf die Bühne und tanzten ekstatisch zur Monks-Mucke. Dabei hielt jede der Ordensschwestern eine grosse Schere in der Hand. Da fingen die Schwestern an, einander gegenseitig die Nonnen- Roben auseinander zu schnibbeln. Natürlich grossartig anzusehen, eine tolle Show-Einlage. Erstaunlich auch die Durchmischung des Publikums. Vom schlohweissen Sixties-Opa bis zum blutjungen Neo-Punk war alles zu sehen, auch auffallend viele Damen, was ich angesichts des gebotenen Sounds kaum für möglich gehalten hätte. Natürlich waren die meisten schwarz gekleidet, und ausserdem trugen viele ein Monks T-Shirt (wie ich auch). Nach drei Zugaben, nicht enden wollenden Standing Ovations und einer längeren Abschlussrede des Banyospielers Dave dislozierte sich fast der gesamte Pulk in die Innenstadt, wo um Mitternacht dann noch der grossartige Dokumentarfilm über die Monks gezeigt wurde, bei welchem die Band anwesend war und nach der Vorführung willig CD’s und LP’s signierte. Dabei habe ich dann noch länger mit Gary diskutiert an der angrenzenden Bar, und er hatte grosse Freude, als mein Freund aus seiner Plastiktüte dann noch das horrend teuer gehandelte Original Vinyl der Monks LP von 1966 auf Polydor hervorzog, um es (nur von den drei übriggebliebenen Original- Mitgliedern!) signieren zu lassen. Dabei sagte Gary auch, er könne es sich selbst auch heute noch nicht erklären, warum seine Monks so lange so hartnäckig in den Köpfen der Leute Bestand haben konnten. Ich erklärte ihm dann, dass er mit seinen Monks eben etwas geschaffen hat, das man nicht kopieren könne, und dass man seine Art von Musik auch in vielen Jahren noch als "outstanding" bezeichnen werde.

Fazit: Selbst wenn man kein grosser Fan der Monks ist, strahlt ein Auftritt dieser Band so viel Magie, manischen Exzess und Faszination aus, dass man weiss, hier war man Zeuge von etwas ganz Besonderem. Dies gilt selbstverständlich auch für ihr leider einziges Studioalbum, das bis heute als eines der herausragendsten Pop-Werke der 60er Jahre bezeichnet werden darf. Ohne die Monks wäre der Beat vielleicht nie aus sich herausgebrochen, der Rüpelrock nicht entstanden, der Jam-Rock ohne seine klar strukturierten Melodiebögen nicht erfunden worden und - wer weiss - vielleicht auch der Punk nur ein aufmüpfiges Hüsteln geblieben.







OMEGA RED STAR - From Hungary (Decca Records SKL 4974, 1968)

Omega sind eine Rockband aus Ungarn, die im Jahre 1962 gegründet wurde. Drei der fünf Musiker der heutigen Besetzung spielen seit 1971 zusammen. Das musikalische Spektrum der Band reichte im Laufe ihrer Geschichte vom Beat über den Hardrock bis zum Progressive Rock und gar der New Wave. Omega ist der letzte Buchstabe des griechischen Alphabets. Das grosse Omega wurde dabei zum Erkennungszeichen der Band. 1962 ging die Band Omega aus zwei Schülerbands verschiedener Schulen in Budapest hervor und hatte ihren ersten offiziellen Auftritt. Der Name Omega wurde ihnen vom Veranstalter gegeben. Nach einigen Umbesetzungen veröffentlichte die Band erst 1966 ihre erste Single, eine Coverversion des Rolling Stones-Titels "Paint It Black". Es folgten weitere Singles, alle mit Stücken aus westlichen Ländern. 1968 erreichte die Band ihre Stammbesetzung für die ersten drei bis vier LPs mit László Benkő (Trompete, Flöte, Gesang), János Kóbor (Gesang), Gábor Presser (Keyboard, Gesang), Tamás Mihály (Bass),György Molnár (Gitarre) und József Laux (Schlagzeug und Perkussion). Die Songtexte schrieb die Studentin und József Laux’ spätere Frau Anna Adamis. Die Kompositionen stammten vorwiegend von Gábor Presser.

Im selben Jahr entdeckte der Manager einer anderen Band Omega während eines Konzerts. Er verhalf ihnen zu einer England-Tournee und einem Plattenvertrag beim Londoner Label Decca Records, das ihnen den Namen Omega Red Star gab. Nach drei Aufnahmetagen in London musste Kóbor zurück nach Budapest und das Album wurde mit dem Gesang von Mihály mit dem Titel "Omega Red Star From Hungary" halbfertig veröffentlicht. Obwohl noch Material für ein zweites Album dagewesen wäre, musste die Band aus politischen Gründen zurück in die Heimat. Nach dem England-Erfolg erschien die erste LP beim Hungaroton-Label "Trombitás Frédi és a rettenetes emberek" (zu deutsch: "Trompeter Fredi und die schrecklichen Menschen"). Das Album verschaffte ihnen nach 100000 verkauften Exemplaren die erste Goldene Schallplatte. Die Stücke auf dem Album waren in der Tradition der Rolling Stones, der Beatles und der Kinks gehalten, die aber auch Einflüsse ungarischer Volksmusik zeigten und abwechslungsreich instrumentiert waren, unter anderem mit Streichern, Flöten, Sitar und Trompete.

1969 folgte das Album "10000 lépés" ("10000 Schritte"), das ein grosser Erfolg wurde und mit einem aufwendig gestalteten Plattencover ausgestattet war. Das Titelstück war eine bedrohlich klingende Sechs Minuten-Nummer mit Bläserparts und einer entfesselt solierenden, verzerrten Gitarre (wie sie The Gun im Jahr zuvor verwendet hatten). Hier deuteten sich bereits musikalische Entwicklungen an, die auf den folgenden Platten stattfanden. Später verwendeten andere Künstler die zweite überlange Nummer des Albums, die Ballade "Gyöngyhajú lány" (zu deutsch "Perlen im Haar") für Coverversionen, darunter Frank Schöbel, die Scorpions für deren "White Dove" und Kanye West für dessen Titel "New Slaves". Ein psychedelisches, rein instrumentales Stück mit dem Titel "Kérgeskezű favágók" geriet über acht Minuten lang und enthielt ein ausgedehntes Schlagzeugsolo. 1969 spielte die Band auch das erste Mal im Budapester Kisstadion. In den meisten Folgejahren gab die Band dort ebenfalls Konzerte. 1970 tourten Omega quer durch Europa, darunter auch durch Finnland, Frankreich, Jugoslawien und Spanien, wo sie beim Barbarella-Festival mit "Gyöngyhajú lány" Preise gewann.

Das dritte Album, "Éjszakai országút" ("Nächtliche Landstrasse"), wurde ebenfalls in diesem Jahr veröffentlicht und wieder mit einem graphisch ansprechenden Klapp-Cover ausgestattet. Die Platte steigerte den musikalischen Härtegrad vor allem durch die aggressiv gespielte Elektrogitarre deutlich, obwohl nun neben Trompeten sogar Harfen, Mundharmonika und Celli zum Einsatz kamen. Das Stück "Utcán, a téren" wurde mit seinem auf dem Klavier statt der E-Gitarre gespielten Riff ein Hit, in der DDR als deutsche Fassung ("Sie ruft alle Tage herbei"). Auch dieses Album enthielt eine (ausgeblendete) Ballade im Sechs Minuten-Format ("Utazás a szürke folyón"). Im folgenden Jahr verliessen Gábor Presser und József Laux die Band und gründeten gemeinsam die Gruppe Locomotiv GT. Auch Anna Adamis textete fortan für die neue Band. Omega schienen nach dem Verlust des Hauptkomponisten samt der Texterin vor dem Aus zu stehen, aber in einer Art Trotzreaktion schrieben nun alle Mitglieder der Band neue Stücke. Man fand mit Péter Sülyi einen neuen Texter und kam durch den Schlagzeuger Ferenc Debreceni, den man bei Neoton abgeworben hatte und der sich später Debreczeni nannte, zu der bis in die 2010er Jahre bestehenden Besetzung, die durch wenige Musiker ergänzt wurde.

Bei Hungaroton wurde das neue Label Pepita eingerichtet, um sich mit Rock- und Pop-Musik vom klassikorientierten Qualiton-Label zu unterscheiden. Auch Omega produzierten in der Folge unter Pepita. 1972 nahm die Gruppe das Album "200 évvel az utolsó háború után" ("200 Jahre nach dem letzten Krieg") auf, aber es wurde kurz danach zensiert, zum einen, weil der Albumtitel der ungarischen Regierung nicht ins Konzept passte, zum anderen, weil sich ein Hungaroton-Produzent vom Song "Szex apó" ("Sex-Onkelchen") beleidigt fühlte. Erst 1998 erschien eine digital überarbeitete Version des Albums in der Form, wie es ursprünglich geplant gewesen war. Trotzdem wurde 1972 ein Album veröffentlicht, nämlich "Élő Omega" ("Omega Live"), in einer Aluminium-Hülle verpackt, ein Unikat unter den osteuropäischen Veröffentlichungen jener Zeit. "Elő Omega" war ein Pseudo Live-Album, das während einer Tournee mit einfachen Mitteln aufgenommen und mit Applaus nachträglich gemischt wurde. Ausserdem wollten Omega zeigen, dass sie trotz des Verlustes von Presser und Laux nicht aufgaben, daher der Ausdruck 'Leben' im Albumtitel. In dem Stück "Hűtlen barátok" setzten sie sich mit dem Verlust der beiden Bandmitglieder auseinander (zu deutsch "Untreue Freunde").

In diesem Jahr kamen auch wieder zahlreiche Auftritte im Ausland, darunter auch in der DDR hinzu, wo auch eine LP-Kompilation, schlicht "Omega" genannt, mit Songs vom ersten und dritten Album auf dem Plattenlabel Amiga erschien. Im folgenden Jahr entdeckte der westdeutsche Produzent Peter Hauke die Band und verschaffte ihnen einen Vertrag bei seinem Bellaphon-Unterlabel Bacillus Records für drei Jahre und drei Alben. Das Album "Omega 5" erschien 1973, und es war das letzte Album in einem Klapp-Cover. Auch dieses Album wurde 1998 digital remastered veröffentlicht unter dem Titel "Szvit" (zu deutsch "Suite"). Die titelgebende Suite füllte eine komplette LP-Seite und war ein Progressive Rock-Stück mit klassischem Orchester. Die Seite 2 der Platte bot eine weitere, von der Hammond-Orgel getragene Ballade ("Én elmegyek") neben rockigen Nummern. Darunter fanden sich neben einem aggressiven Stück, das mit seinem Gitarre/Orgel-Unisono an Deep Purple erinnerte ("A Jövendőmondó"), auch die ersten Vorzeichen der nächsten stilistischen Veränderung, weg vom gitarrenzentrierten Rock hin zum Space Rock, als beispielsweise im Song "Búcsúztató" der Synthesizer eine tragende Rolle übernahm.

Aufgrund der englischsprachigen Veröffentlichungen im Laufe der 70er Jahre wurden Omega zu einer der beliebtesten Ost-Bands im Westen. Bis einschliesslich 1975 folgten drei weitere englischsprachige Alben: "200 Years After The Last War", "Omega III" sowie "The Hall Of Floaters In The Sky". Diese Veröffentlichungen waren nicht einfach englische Versionen der ungarischen Originale, sondern wurden jeweils neu zusammengestellt und teilweise neu aufgenommen. "200 Years After The Last War" beispielsweise enthielt nur zwei Stücke von "Elö Omega", dazu eine englische Version von "Nem tudom a neved" und eine komplett neu arrangierte und neu eingespielte Fassung der Suite ohne das Orchester, dessen Parts von Mellotron und Synthesizer übernommen wurden. Die sechste ungarischsprachige LP erschien unter dem Titel "Nem tudom a neved - Omega 6" (zu deutsch "Ich kenne deinen Namen nicht"). Die Platte war deutlich Keyboard-orientierter und führte musikalisch den Weg fort, den "Búcsúztató" bereits angedeutet hatte.

1976 verlängerte Bellaphon den Vertrag, und die Band hatte nun die Möglichkeit, in einem anderen Studio technisch fortschrittlichere Ausrüstung für das Album "Time Robber" zu verwenden. Diese LP war die erste 1:1-Version eines ungarischsprachigen Albums, nämlich "Időrabló – Omega 7". "Time Robber" erschien sogar, bevor das Original veröffentlicht wurde. Ein Jahr später gab es für das englischsprachige Album bei einem Konzert im Kisstadion eine Goldene Schallplatte. In den zwei folgenden Jahren erschienen die Alben "Skyrover" und "Gammapolis", die erneut die ungarischen Originale nach sich zogen: "Csillagok útján Omega 8" und "Gammapolis - Omega 9". Auch für "Skyrover" erhielten Omega eine Goldene Schallplatte. 1979 wurde die erste echte Live Doppel-LP veröffentlicht. 1980 unternahmen Omega mit Beatrice und Locomotiv GT eine ausgedehnte Ungarntournee. Der Höhepunkt der Konzerte war der Titel "Gyöngyhajú lány", welcher von Omega und Locomotiv GT jeweils zusammen gespielt wurde.

Der Bellaphon-Vertrag lief aus, und der deutsche Musikproduzent Frank Farian verschaffte der Band einen Vertrag mit dem WEA-Label für das Album "Working", das auch 1981, jedoch mit neuen Aufnahmen fast identisch als "Az arc - Omega X" (zu deutsch "Das Gesicht") in Ungarn erschien. Der Produzent Peter Hauke versuchte, die Band mehr zu synthetischen Klängen zu bringen. Da sich Omega aber nicht damit identifizieren konnten, erschienen die folgenden Alben nicht mehr auf Englisch. In den folgenden Jahren blieben Omega stets sehr aktiv, bestritten zahlreiche regelmässige Tourneen und veröffentlichten weitere teils sehr starke Alben, die jedoch fast immer recht keyboardlastig ausfielen.In Vorbereitung des 50. Bandjubiläums im Jahre 2012 plante die Band die Herausgabe einer CD-Trilogie. Als Auftakt erschien im Oktober 2010 das Album "Omega Rhapsody". Laut Sänger János Kóbor war das älteste Stück der neu eingespielten CD fast 40 Jahre alt. Alle Songs wurden mit grossem Symphonieorchester arrangiert, sodass man laut Kóbor die unterschiedlichen Entstehungszeiten nicht unterscheiden konnte. Das Material wurde nicht nach Hit-Erfolgen ausgesucht und vereinte hauptsächlich Stücke aus der Space Rock-Phase der Band.















BETTY DAVIS - Betty Davis (Just Sunshine Records JSS-5, 1973)

Gnadenlos funky, beängstigend selbstbewusst, extrem sexy: Betty Davis war eine Vorkämpferin für moderne Pop-Diven. Sie revolutionierte das Frauenbild ihrer Zeit, verhalf Miles Davis zu einem breiteren Musikgeschmack und dem Free Jazz zu einigen bitter nötigen neuen Einflüssen. Sie bereitete den Weg für Madonna oder Beyoncé, entwarf den Prototyp der selbstbestimmten Frau im Musikgeschäft und nahm nicht zuletzt einige der aufregendsten Platten der 70er Jahre auf. Mehr als drei Jahrzehnte später lebte Betty Davis zurückgezogen in einer kleinen Wohnung in der Nähe von Pittsburgh, gescheitert, verbittert und nahezu vergessen von der Welt, ein weiteres Beispiel für die Ungerechtigkeit der Popgeschichte. Sowohl das Debütalbum "Betty Davis" von 1973 als auch das ein Jahr später erschienene "They Say I'm Different" wurden vor ein paar Jahren neu aufgelegt, mit liebevoll gestalteten Booklets und ausführlichen Liner Notes versehen. Von da an konnte man sie wieder vermehrt hören, nachdem ihre originalen Vinylalben lediglich noch bei Kennern und Liebhabern, die um die Qualitäten dieser aussergewöhnlichen und couragierten Musikerin wussten, aus den Lautsprechern dröhnten.

Die Totaloperation, die Betty Davis dem Funk verpasste: Sie stöhnte und spuckte, quietschte und fauchte, kratzte und biss sich durch Songs, deren textliche Offenheit nur von ihrer gesanglichen Radikalität übertroffen wurden. Während sich eine Combo aus einigen der damals besten Studiomusikern durch schwerblütige, vom Blues geprägte Funk-Rhythmen pflügte, etablierte Betty Davis in Stücken wie "Anti Love Song" oder "You Won't See Me In The Morning" das Bild einer sexuell selbstbewussten Frau, die Geschlechterrollen umkehrte und die in den 70er Jahren vorherrschenden Frauenbilder zertrümmerte. Im Vergleich wirkten nicht nur die Bemühungen von Zeitgenossinnen wie Cher, sondern selbst die ihrer Nachfolgerinnen wie Christina Aguilera, Kelis oder Peaches fast handzahm. "Sie war die erste Madonna", meinte Carlos Santana später einmal über Betty Davis.

Betty Davis war eine Vorreiterin und musste die Konsequenzen dieser Rolle ertragen. Im Radio wurden ihre Songs nicht gespielt, vor Auftritten, die sie bisweilen im Negligé bestritt, hatte sie oft mit Boykottaufrufen christlicher Gruppen zu kämpfen. Schon ihr Lebensstil widersprach allen gesellschaftlichen Konventionen: Sie war befreundet mit Jimi Hendrix und Marc Bolan, Affären mit Hugh Masekela, Eric Clapton und Robert Palmer wurden ihr nachgesagt. 1966 heiratete sie, damals noch ein Model namens Betty Mabry, einen gewissen Miles Davis und machte ihn mit der Musik von Jimi Hendrix und Sly Stone bekannt. Die Ehe wurde nach nicht einmal einem Jahr wieder geschieden, aber den Einfluss seiner zweiten Frau auf sein Schaffen gab Miles Davis als stets nicht zu unterschätzen an. Noch 15 Jahre später nahm er das von seiner Ex-Frau inspirierte "Back Seat Betty" auf. Zu diesem Zeitpunkt war Betty Davis' eigene Karriere schon wieder beendet. Drei Alben lang war sie ihrer Zeit voraus, der kommerzielle Erfolg blieb aus. Ein viertes blieb gleich im Archiv der Plattenfirma und wurde niemals veröffentlicht. Ein weitere Platte finanzierte sie 1979 selbst: sie floppte. Anfang der 80er Jahre verschwand sie von der Bildfläche, Gerüchten zufolge erlitt sie einen Nervenzusammenbruch. Das Musikgeschäft war noch nicht reif für ihre Ideen. Betty Davis wollte, ungewöhnlich für die 70er Jahre, für schwarze Musik und erst recht für eine Frau, die totale Kontrolle über ihr Werk behalten. Sie rekrutierte ihre Bands selbst, darunter die legendären Bläser von Tower Of Power, und für ihr zweites Album "They Say I'm Different" übernahm sie sogar den Produzentenposten.

Über fast drei Jahrzehnte hinweg war Betty Davis nur als Zitat in Hip Hop-Tracks von Bewunderern wie Talib Kweli, Ludacris oder Ice Cube zu hören, die einzelne ihrer Songs gesampelt hatten. Ihr Werk war, wenn überhaupt, bislang meist nur in seltsamen Zusammenstellungen erhältlich, bis das Plattenlabel Light in the Attic die beiden ersten Alben neu herausbrachte. Das Plattenlabel war in Seattle beheimatet und grub so geschmackssicher und ausdauernd in den Tiefen der Popgeschichte wie kaum ein anderes. Betrieben wurde Light In The Attic damals aus dem Souterrain eines unauffälligen weissen Hauses im eher beschaulichen Bezirk Phinney Ridge, wenige Meilen nördlich von Seattles Downtown. Hier war man von der Hightech-Innenstadt, der Heimat von Microsoft, Amazon, Starbucks und Boeing, ebenso weit entfernt wie von der ehemaligen Grunge-Metropole, die Bands wie Nirvana hervorbrachte. Die drei Teilhaber und bis zu drei Praktikanten von Light In The Attic drängten sich oft bis Mitternacht in zweieinhalb viel zu engen Kellerräumen, die auch noch als Lager dienten.


Doch nach fast fünf Jahren rentierte sich die Selbstausbeutung: "Wir wachsen", sagte Gründer Matt Sullivan und meinte auch zu wissen, woran das lag: "Wir sind einzigartig, aber nicht nur in Seattle, sondern weltweit." Tatsächlich: Light In The Attic veröffentlichte Soul und Rock, Rap und Pop, aktuelle Bands und liebevoll gestaltete Wiederveröffentlichungen. Zum Label-Katalog gehörte die von Kritikern verehrte psychedelische Hardrock-Band The Black Angels aus Texas ebenso wie eine Neuauflage des Soundtracks des legendären Blaxploitation-Pornofilms "Lialeh" oder die ersten Alben der Last Poets, die bereits in den frühen 70er Jahren quasi den Rap erfanden.

"Wir fühlen uns wie Forscher", erzählte Sullivan damals, "wir sind wie Bibliothekare, wir wollen die Vergangenheit bewahren". Dazu gehörte viel Kleinarbeit, denn mit dem Aufspüren der vergrabenen Schätze war es zumeist nicht getan. Es folgte ein oft enervierender Kleinkrieg mit Labels und Vertrieben, Nachlassverwaltern und Verwandten um Rechte und Tantiemen, unbezahlte Rechnungen und nie erfüllte Forderungen, bis eine Wiederveröffentlichung erscheinen konnte. Aber die Arbeit lohnte sich am Ende immer: So fanden die vergessene New Yorker Popband The Free Design auf Light In The Attic ebenso eine neue Heimat wie die britische Singer-Songwriterin Karen Dalton, die von einem Grossteil der Nu-, Weird- und Strange-Folk Szene als prägender Einfluss entdeckt wurde. Und schliesslich auch Betty Davis. Die lebte, nahezu mittellos, in ihrem Apartment in Homestead, einem Vorort von Pittsburgh, und musste von Sullivan erst mühevoll überzeugt werden, ihre Zustimmung zur Wiederauflage ihrer Platten zu geben. Nun konnte sie immerhin auf ein paar Tantiemen hoffen. Vor allem aber fügten sich die liebevoll gestalteten Neuveröffentlichungen der Funk-Klassiker nahtlos ein in einen makellosen Label-Katalog, der nach vergessenen historischen Meilensteinen suchte, ohne die Gegenwart zu vergessen. Und da draussen gab es noch viel mehr zu entdecken, sagte Sullivan, versunkene Schätze aus fernen Zeiten.

Der Regisseur Phil Cox hatte die einflussreiche Musikerin für ein Doku-Porträt aufgespürt. Vor rund 50 Jahren begann die kompromisslose Funk- und Soulpionierin damit, das Frauenbild jener Zeit zu revolutionieren und auch das Selbstbewusstsein der afroamerikanischen Bevölkerung zu steigern. Carlos Santana nannte sie damals ehrfurchtsvoll 'Black Panther Woman'. Künstlerisch übte sie nicht nur nachhaltigen Einfluss auf ihren kurzzeitigen Ehemann Miles Davis aus. Auch spätere Musiker gleich welchen Geschlechts und welcher Hautfarbe hatten der ausserordentlichen Frau viel zu verdanken. Aber als später Künstler wie Madonna, Prince oder Amy Winehouse auf die Bühne traten, hatte sich Betty Davis längst aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Phil Cox' Dokumentarfilm 'Betty Davis - The Queen Of Funk' war eine beeindruckende filmische Hommage an Betty Davis und ihre absolut hervorragenden Begleitmusiker.





RAMONES - Acid Eaters (Chrysalis Records CHR 6052, 1993)

Die legendären Ramones schufen Mitte der 70er Jahre eher ungewollt eine neue Musikrichtung, da sie eine Abneigung gegen die damals produzierte Rockmusik im Zeitalter von Pink Floyd und Led Zeppelin hatten. Ihre Musik orientierte sich an wenigen Vorbildern wie The Who, den Kinks, den Beach Boys, den Stooges, MC5 und dem amerikanischen Rock'n'Roll der 50er Jahre. Typisch waren einfache Harmonien und Strukturen sowie das völlige Fehlen von Soli, Intros oder Übergängen. Sie bildeten damit die totale Antithese zu Stilrichtungen wie Artrock, Progressive Rock oder Fusion. Dafür waren ihre Songs durch extreme Geschwindigkeit und Lautstärke gekennzeichnet. Ebenso simpel wie die Kompositionen waren auch die Songtexte gehalten, die oft an Kinderreime erinnerten, in ihrer Thematik aber explizit auf die sozialen Probleme und Fragestellungen der 70er Jahre eingingen. Die Mitglieder ersetzten ihren jeweiligen Familiennamen durch Ramone und erweckten damit beim Beobachter den Eindruck eines Verwandtschaftsverhältnisses. Der Name Ramone war indes dem Pseudonym Paul Ramon entliehen, das Paul McCartney in den Anfangstagen der Beatles im Jahre 1960 für eine Schottlandtournee benutzte, welche die Gruppe damals noch unter dem Namen The Silver Beetles als Begleitband von Johnny Gentle absolvierte.

Die Ramones wurden am 28. Januar 1974 in New York bei einer Probe in den Performance Studios gegründet, die von Tamás Erdélyi (später bekannt als Tommy Ramone) und Monte Melnick, späterer Tour-Manager, betrieben wurden. Die Erstbesetzung bestand aus John Cummings an der Gitarre, Douglas Colvin an Bass und Gesang, und Jeffrey Hyman am Schlagzeug. Alle drei kamen aus dem New Yorker Stadtteil Queens. Nach einiger Zeit begannen sie, sich die bekannten Künstlernamen zu geben, und wurden als Ramones bekannt. Colvin (Dee Dee Ramone) erkannte, dass er nicht gleichzeitig Bass spielen und singen konnte, also wurde Jeffrey Hyman (Joey Ramone) der neue Sänger, allerdings bestand nun die Notwendigkeit, einen neuen Schlagzeuger zu suchen. Nachdem einige Kandidaten getestet wurden, wurde Tommy Ramone neuer Schlagzeuger der Band. Sie begannen, ihre ersten Konzerte in New York zu spielen, vor allem in Clubs wie dem CBGB, wo auch andere Gruppen der Zeit, wie Blondie, Richard Hell & The Voidoids und die New York Dolls, spielten. Diese ersten Konzerte wurden von Zeitzeugen als legendär beschrieben, da die Ramones lauter und schneller spielten als alle ihre Konkurrenten; die Konzertdauer betrug zwischen 20 und 30 Minuten. In dieser Zeit kam die Band auch in Kontakt mit der New Yorker Kunstszene; dies führte sie unter anderem mit Seymour Stein zusammen, der sie für das Plattenlabel Sire Records unter Vertrag nahm, auf dem 1976 ihre Debüt-LP "Ramones" veröffentlicht wurde.

1979 spielten die Ramones eine Rolle in dem Film Rock'n'Roll Highschool von Roger Corman, zu dessen Filmmusik sie diverse Stücke beisteuerten. An dessen Ende, während eines Konzertes der Band, ging die titelgebende High School in Flammen auf. In der Planungsphase des Filmes gab es Überlegungen, den Film mit Disco-Musik zu unterlegen, man entschied sich dann aber für die Ramones. Trotz der Mitarbeit in dem Film blieb der grosse Durchbruch in den USA allerdings aus. Die Ramones spielten weiterhin in kleineren Clubs und verkauften relativ wenig Schallplatten. Nachdem selbst die Zusammenarbeit mit dem Bombast-Produzenten Phil Spector für das Album "End Of The Century" nicht den gewünschten Erfolg zeigte, beschränkte man sich darauf, ausgiebig zu touren, um damit den Lebensunterhalt zu bestreiten. Tommy Ramone verliess die Gruppe bereits 1978, da ihm die immer stärker werdende Tourneetätigkeit nicht zusagte und er sich lieber auf eine Tätigkeit als Produzent konzentrieren wollte. Er wurde durch Marc Bell (Marky Ramone) ersetzt, eine bekannte Grösse der New Yorker Szene (unter anderem Schlagzeuger von Richard Hell & The Voidoids). Gesundheitliche Probleme durch erheblichen Alkoholkonsum zwangen diesen zu einer Pause, die Lücke füllte Richard Beau (Richie Ramone) im Angestelltenverhältnis. Drei Alben später verliess er wegen eines Streits über die Beteiligung an Erlösen aus dem T-Shirt Verkauf die Ramones, und Marky Ramone, der nun abstinent war, wurde wieder eingesetzt. In der Übergangszeit spielte Clem Burke, der Schlagzeuger von Blondie, für zwei Auftritte als Elvis Ramone das Schlagzeug.

Live-Auftritte der Band folgten einem immer gleichen Schema: Unmittelbar vor dem Betreten der Bühne wurde der Titel "The Good, The Bad And The Ugly" von Ennio Morricone von Band abgespielt; danach begann das Konzert. Pausen wurden selten gemacht; und wenn, dann nur, damit Dee Dee Ramone den nächsten Song anzählen ("one-chew-free-far" anstatt "one, two, three, four") konnte. Zu dem Song "Pinhead" hielt Joey Ramone meist ein Schild mit der Aufschrift 'Gabba Gabba Hey!' in die Luft, zusätzlich sprang während des Songs ein mit einer Maske verkleideter Roadie über die Bühne. Innerhalb der Band gab es über lange Jahre erhebliche Differenzen. Besonders Joey und Johnny hatten längere Zeit nicht miteinander gesprochen. Dies lag daran, dass Johnny Joey für einen eher schlechten Sänger hielt und dass Johnnys spätere Ehefrau Linda ursprünglich Joeys Freundin war; aber auch die politischen Überzeugungen der beiden waren gegensätzlich. Joey war eher liberal eingestellt; Johnny Anhänger der konservativen Präsidenten Ronald Reagan und George H. W. Bush. Diese Differenzen konnten sie bis zu ihrem Tode nicht mehr beilegen.

Dee Dee Ramone verliess im Jahre 1989 die Band, um eine Karriere als Rapper (Dee Dee King) zu verfolgen; er blieb den Ramones aber weiter als Songschreiber verbunden. Sein Nachfolger wurde der bis dato unbekannte C. J. Ward (C. J. Ramone), der der Legende nach zunächst aus dem Strafarrest des United States Marine Corps entlassen werden musste. Der weiter ausbleibende grosse Erfolg zu Zeiten von Bands wie Nirvana, Pearl Jam und The Offspring, die alle mehr oder weniger von den Ramones beeinflusst waren, führte dazu, dass die Band sich im Jahre 1996, nach insgesamt 22 Jahren Karriere, schliesslich auflöste. Eines der letzten Konzerte fand in Buenos Aires statt. Im Vorprogramm spielten Iggy Pop und Die Toten Hosen, zudem stand die damals noch wenig bekannte Band Rammstein zwischen dem 23. und 30. Januar 1996 bei acht Deutschlandkonzerten der Adios Amigos Tour der Ramones als Special Guest auf der Bühne. Das letzte Konzert fand am 6. August 1996 im Palace in Hollywood statt. 2001 starb Joey Ramone nach langer Krankheit an Lymphdrüsenkrebs; vorher hatte er noch Gelegenheit, seine Soloplatte "Don’t Worry About Me" fertigzustellen, die posthum erschien. 2012 erschien von Joey Ramone ein weiteres sogenanntes 'Lost Album' namens "Ya Know!", für das Demoaufnahmen verwendet wurden. Dee Dee Ramone bekam seine langjährige Drogenabhängigkeit nicht in den Griff und starb 2002 an einer Überdosis Heroin. Johnny Ramone starb 2004 an Prostatakrebs. Tommy Ramone starb am 11. Juli 2014 an Gallengangskrebs.

Das Album "Acid Eaters" (zu deutsch 'LSD-Esser') war das dreizehnte Studioalbum der Ramones. Es erschien im Dezember 1993 und enthielt ausschliesslich Coverversionen anderer Musiker und Bands. Die Ramones hatten seit dem Beginn ihrer Karriere Musiktitel anderer Interpreten in ihrem Repertoire, darunter etwa "Needles And Pins" der Searchers, "Surfin’ Bird" von The Trashmen und "Let’s Dance" von Chris Montez. Für das Album "Acid Eaters" spielten die Ramones unter anderem Coverversionen der Rolling Stones, der Who, The Byrds, Creedence Clearwater Revival, der Troggs und von Jan And Dean ein. "Acid Eaters" wurde von Scott Hackwith produziert und war das zweite Album der Ramones ohne ihr Gründungsmitglied Dee Dee Ramone und somit das zweite mit seinem Ersatzmann C. J. Ramone. Pete Townshend wirkte als Backgroundsänger beim Stück "Substitute" (The Who) mit. Aus dem Album wurden die Singles "Journey To The Center Of The Mind" (mit der B-Seite "Surfin’ Safari"), "Substitute" (mit der B-Seite "Can’t Seem To Make You Mine") sowie "7 And 7 Is" (mit der B-Seite "Out Of Time") ausgekoppelt, die sich jedoch alle nicht in den Charts platzieren konnten. Das Album "Acid Eaters" konnte Platz 179 der Billboard 200 erreichen, hielt sich jedoch nur eine Woche in den Charts. Stephen Thomas Erlewine von Allmusic attestierte dem Album, eines der damals besten Ramones-Alben seit langem zu sein, vergab jedoch nur zwei von fünf möglichen Sternen. Der Rolling Stone schrieb, dass das Album eine liebevolle Sammlung von Klassikern der 60er Jahre sei und vergab drei von fünf Sternen.

Viele Rockbands nennen die Ramones als einen ihrer Einflüsse. Motörhead haben den Ramones 1991 mit "R.A.M.O.N.E.S." ihre Anerkennung erwiesen, viele andere Bands haben Coverversionen der Ramones im Programm. Mehrere Tribut-Sampler existieren, der bekannteste ist die im Jahre 2004 erschienene Sammlung "We’re A Happy Family – A Tribute To Ramones", auf der Bands wie Metallica, die Red Hot Chili Peppers, Rob Zombie, Kiss, U2 und Marilyn Manson vertreten sind. Auch von Musikjournalisten wurde die Gruppe ausgiebig gewürdigt. Beispielsweise fanden sich die Ramones im US-Musikmagazin Spin auf Platz zwei in einer Liste der 'Greatest Band of all Time', hinter den Beatles und vor Led Zeppelin. In den verschiedenen Listen der Zeitschrift Rolling Stone tauchten die Ramones ebenfalls auf, unter anderem zweimal bei den besten Alben aller Zeiten ("Ramones" auf Platz 33, "Rocket To Russia" auf Platz 105) sowie auf Rang 26 der 100 grössten Musiker aller Zeiten. 2002 wurden die Ramones in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen.


Im September 2005 eröffnete in Berlin das weltweit erste Ramones-Museum. Am 10. Mai 2005 startete in Berlin unter der Regie von Jörg Buttgereit das Ramones-Musical 'Gabba Gabba Hey – A Lower East Side Love Story' mit Jürg Plüss und Katja Götz in den Hauptrollen und Rolf Zacher in mehreren Nebenrollen. Im Februar 2011 wurden die Ramones von der National Academy of Recording Arts and Sciences mit einem Grammy Lifetime Achievement Award für ihr Lebenswerk geehrt. Vier Vertreter einer ausgestorbenen Trilobitengattung wurden nach den Ramones benannt: Mackenziurus johnnyi, M. joeyi, M. deedeei und M. ceejayi. Stephen King ist ein Fan der Band und lässt in seinen Büchern oft die Ramones auftauchen; für die Verfilmung des Romans Friedhof der Kuscheltiere komponierte die Band den Titelsong, für das Sequel steuerten sie den Song "Poison Heart" bei. In der Zeichentrickserie Oggy und die Kakerlaken wurden die Kakerlaken nach den Bandmitgliedern benannt. In der Simpsons-Episode Rosebud (deutscher Titel: Kampf um Bobo) hat die Band einen Auftritt, bei dem sie Mr. Burns ein Geburtstagsständchen vorträgt.