Jan 31, 2018

 
THE CLIMAX CHICAGO BLUES BAND - The Climax Chicago Blues Band
(Parlophone Records PCS 7069, 1969)

Die Climax Blues Band, eine der einflussreichsten Bluesrock-Bands des sogenannten 'British Blues Boom', wurde 1967 im englischen Stafford gegründet und blieb bis in die frühen 80er Jahre, insbesondere in den USA, kommerziell sehr erfolgreich. Ursprünglich nannte sich die Gruppe um Frontmann Colin Cooper The Climax Chicago Blues Band, 1971 kürzte sie ihren Namen auf Climax Chicago, indem das Etikett Blues Band gestrichen wurde. Um Verwechslungen mit der US-amerikanischen Band Chicago vorzubeugen, wurde 1972 schliesslich auch noch Chicago aus dem Namen gestrichen, dafür wieder das Etikett Blues Band in den Namen genommen, sodass die Band vor allem als Climax Blues Band bis heute bekannt geblieben ist.

Mit dem etwas irreführenden selbstbetitelten Album erschien im Jahre 1969 das erste Werk der Band, irreführend deswegen, weil nur einige Wochen später bereits das zweite Album "Plays On" nachgereicht wurde. Die Titel des Debutalbums indes waren schon im Jahr zuvor eingespielt worden, blieben zunächst aber unveröffentlicht. Das Debutalbum beinhaltete fast ausschliesslich Coverversionen mehr oder weniger bekannter und populärer traditioneller Bluestitel, so etwa das von Scott Joplin verfasste "The Entertainer", das die Band als Rausschmeisser ans Ende ihrer Platte gesetzt hatten, und das aufgrund der Komposition an sich nicht ein klassischer Bluestitel war. Davor jedoch konnte man Aufnahmen hören, die von Big Brill Broonzy ("Mean Old World") oder von Sonny Boy Williamson ("Don't Start Me Talkin'") stammten - Titel, wie sie in den damaligen Tagen von etlichen britischen Bluesbands interpretiert worden waren. Chicken Shack zum Beispiel hatten ihre Version des Songs "Mean Old World" fast zeitgleich auf dem Album "O.K. Ken ?" präsentiert. Weiter fanden sich hier die Blues-Traditionals "How Many More Years" von Chester Burnett, besser bekannt als Howlin' Wolf, den "Wee Baby Blues" von Big Joe Turner (der auch unter dem alternativen Namen "Wee Wee Baby" bekannt ist) und das tolle "A Stranger In Your Town", das Colin Cooper gemeinsam mit Lee Hazlewood geschrieben hatte.

Daneben bot die Gruppe auf ihrem Debutalbum aber auch einige selbst verfasste Bluestitel, die dann jedoch merklich rhythmischer ausgelegt waren und das Bild der traditionellen Bluesband etwas erweitern konnte, wie zum Beispiel die Stücke "You've Been Drinking", "Looking For My Baby" oder "Insurance", das wiederum in den Credits der Platte den beiden Komponisten Waldense Hall und Charlie Singleton zugeschrieben wurde. Der musikalische Höhepunkt dieses Debutalbums markierte dann allerdings der Longtrack "And Lonely", der in seiner Machart frappant an Procol Harum's "A Whiter Shade Of Pale" erinnerete und dank seiner Orgel als tragendem Instrument einen recht pop-orientierten Einschlag aufwies, obwohl die verwendeten Akkorde trotzdem beim Blues entlehnt waren. Der Longtrack, der sich über knapp neun Minuten ergoss, war in minor keys (Mol-Tönen) gehalten und wirkte tieftraurig, was auch am Gesang von Colin Cooper lag. Dem vermeintlich bemerkenswertesten Stück des Albums drückte also nicht die Kerntruppe der Band ihren Stempel auf, sondern Keyboarder Arthur Wood, der die Climax Blues Band schon kurze Zeit später in unbekannte Richtung verliess.

Im Laufe der Zeit gab es bei der Climax Blues Band ohnehin zahlreiche personelle Veränderungen, wobei das sogenannte "Rich Man" Line-Up (was auch der Titel eines ihrer Alben war) aus Colin Cooper, Pete Haycock, Derek Holt und John Cuffley, die erfolgreichste Besetzung der Bandgeschichte, bis 1982 Bestand hatte. Auch kam es schon früh zu Änderungen in der Stilrichtung: Spielte die Gruppe auf ihrem Debütalbum noch reinen Chicago Blues, entwickelte sich der Stil zunächst kontinuierlich in eine härtere, progressive Richtung mit Einflüssen aus Jazz, Folk und Psychedelic Rock. Beeinflusst von der aufkommenden Disco-Musik der frühen 70er Jahre, entfernte sich die Band zusehends vom Blues und wechselte ab dem "Stamp Album" (1975) zu einem kommerzielleren, insbesondere vom tanzbaren Funk beeinflussten, weitaus kommerzielleren Stil.

Im Jahre 1973 begab sich die Climax Blues Band auf ihre erste Tournee durch die Vereinigten Staaten, welche ihre Höhepunkte in einem Konzert in der berühmten Carnegie Hall und einem Auftritt in der New York Academy of Music fand. Letzter wurde von einem Radio-Sender landesweit live ausgestrahlt, was der Climax Blues Band einen höheren Bekanntheitsgrad verschaffte. Im Folgejahr wurde ein Konzertmitschnitt davon als Doppel-Livealbum unter dem Titel "FM/Live" veröffentlicht. Die aus diesem Live-Werk ausgekoppelte Single "I Am Constant" mit der B-Seite "Goin' To New York" wurde zu ihrem bis dahin grössten kommerziellen Erfolg. Es folgten US-Tourneen mit Grössen wie Albert King, BB King, James Brown, T-Bone Walker, Jeff Beck, Johnny Winter, der Steve Miller Band, Bad Company, Black Sabbath, Curved Air, Dire Straits, den Eagles, dem Electric Light Orchestra, mit Emerson Lake And Palmer, Lynyrd Skynyrd, der Marshall Tucker Band, Wishbone Ash und ZZ Top. Konzerte mit Besucherzahlen bis zu 20000 wurden schon sehr bald zur Regel bei der Climax Blues Band.

Der kommerzielle Durchbruch gelang ihnen vor allem mit den Welthits "Couldn’t Get It Right" vom Album "Gold Plated" (1976) und "I Love You" vom Album "Flying The Flag" (1980). Nach dem Ausstieg von Bassist Derek Holt (1982) und Gitarrist Pete Haycock (1984) liess der Erfolg ab Mitte der 80er Jahre allmählich nach. Es folgten zahlreiche Umbesetzungen, bis die Band Ende 1985 schliesslich komplett auseinanderfiel. 1986 formierte Colin Cooper die Climax Blues Band neu; Bassist Derek Holt und Keyboarder George Glover kehrten zurück. Neu rekrutiert wurden Lester Hunt (Gitarre) und Roy Adams (Schlagzeug). 1988/89 hatte die Climax Blues Band einen letzten Achtungserfolg mit der Single "California Sunshine", vom Album "Drastic Steps", an welchem sich Originalmitglied Derek Holt jedoch kaum beteiligte. Dieser verliess die Band 1991 endgültig. An seine Stelle trat Neil Simpson. Im Jahre 1993 gab es ein Comeback mit dem Live-Album "Blues From The Attic", auf welchem die Climax Blues Band um das einzige verbliebene Gründungsmitglied und Frontmann Colin Cooper zu ihren musikalischen Wurzeln zurückkehrte.

Der Multi-Instrumentalist Colin Cooper starb am 3. Juli 2008 in seiner Heimat Stafford an den Folgen seines langjährigen Krebsleidens. Pete Haycock starb am 31. Oktober 2013 im Alter von 62 Jahren an einem Herzinfarkt. Nach Coopers Tod setzte sich die Band aus Johnny Pugh (Gesang, Saxophon, Mundharmonika), Lester Hunt (Gesang, Gitarre), George Glover (Gesang, Keyboards), Neil Simpson (Bass) und Roy Adams (Schlagzeug) zusammen. Johnny Pugh hatte die Band 2012 aus gesundheitlichen Gründen verlassen. Er wurde von Johnny Mars ersetzt, der die Band nach nur kurzer Zeit aus unbekannten Gründen wieder verliess. Mars wurde ersetzt mit Graham Dee (Gesang) und Chris Aldridge (Saxophon, Mundharmonika). Auf der Band-eigenen Homepage wurde am 15. März 2016 ein neues Studioalbum angekündigt. Erstmals seit dem wenig erfolgreichen "Drastic Steps" (1988) sollte dieses wieder Eigenkompositionen beinhalten. Zur Promotion des neuen Albums veröffentlichte die Band am 2. September 2017 eine EP mit dem Titel "Tempus Fugit", welche vier originale Songs beinhaltete und sich stilistisch wieder näher an vergangenen kommerziellen Erfolgen als am Blues orientierte.


  

Jan 26, 2018


MARIANNE FAITHFULL - Broken English
(Island Records 371 173-2, 2013 / Originalaufnahmen von 1979)

Inmitten der ausklingenden Punk-Aera und der aufsteigenden New Wave Welle meldete sich eine damals alte Bekannte mit einem phänomenalen, absolut zeitgeistigen Werk von unglaublicher Schönheit und einer Art bodenständiger Fragilität zurück: Marianne Faithfull, die Rock-Muse aus den 60er Jahren. Ihre manchmal nahe am Wegkippen angesiedelte brüchig-verraucht/verruchte Stimme erklang in einem modernen Soundgewand, für das mehrheitlich Steve Winwood sorgte, der zur damaligen Zeit selber mit zeitgenössischem Synthetik-Sound experimentierte, der in der Folge in sein bis dahin erfolgreichstes Album "Arc Of A Diver" münden würde. War schon diese famose LP immer ein Bestandteil meiner Plattensammlung, so war die 2013 neu aufgelegte Deluxe 2CD Edition eine echte Ueberraschung.

Kurz auf die Tracklists der beiden CDs geschaut, war ich erst etwas skeptisch, warum denn da zweimal dieselben Stücke zu hören sein sollen. Die originale Platte fand ich immer schon wunderbar, und interessant fand ich deshalb die Ueberschrift bei CD 2: "Original Mixes - previously unreleased". Zum ersten Hördurchgang legte ich mir erst die CD1 ein mit dem originalen, klangtechnisch restaurierten Album. Der Klang ist merklich direkter, transparenter auch als auf dem originalen Vinyl Album. Auch klingt das neue Remaster nicht mehr so ganz trocken und steril wie die unremasterte CD-Erstveröffentlichung. Leider dominieren auf der Platte ja viele synthetische Keyboard-Klänge, teils arg  kalte Sounds wie bei vielen Platten aus den 80er Jahren. Remastered aber klingt das sehr viel wärmer, eventuell auch, weil das neue Remaster sehr druckvoll klingt.

Die grosse Ueberraschung kam dann, als ich mir die CD 2 dieses Sets einlegte. Unfassbar, was ich da zu hören bekam. Die "Original Mixes" - das sind exakt die Aufnahmen, die Marianne Faithfull damals veröffentlicht haben wollte, die aber von der Plattenfirma abgelehnt wurden, weil sie zu rockig/punkig ausgerichtet waren. Dem beigelegten umfangreichen Booklet der Doppel-CD ist zu entnehmen, dass Marianne Faithfull damals ziemlich unglücklich darüber war, dass man die originalen Mixdowns der Platte nicht veröffentlichen wollte. Marianne hatte damals eine klasse Begleitband, und zu den Musikern gesellten sich im Studio dann damals angesagte Top-Sessionmusiker, allen voran Steve Winwood, dessen musikalischen Einfluss sich durch die damals veröffentlichte Version hörbar durchzieht.

Ganz anders bei den "Original-Mixes". Die waren so zu Ende gebracht worden, als würde es sich bei der Platte "Broken English" um eine waschechte Post-Punkrock Produktion handeln, was in jedem Fall Faithfull's damaliger Lebensphase entsprach. Sie verkehrte in jenen Tagen viel in Punk-Kreisen und meinte später zu den ursprünglichen Album-Aufnahmen unter anderem: "Punk made the album possible". Umso grösser war ihre Enttäuschung, als Island Records-Labelchef Chris Blackwell den Befehl gab, die Platte glattzubügeln, moderner zu arrangieren und alle Noise-Gitarren weitgehend zu eliminieren, sodass am Ende ein zwar zeitgemässes, aber leider etwas steriles Gebräu aus synthetischem Pop mit einer zugegebenermassen immer noch umwerfenden Frau Faithull am Mikrophon herauskam. Experimenteller New Wave-Sound, wie er typisch war für die damalige Zeit, bestimmte dann das Album. Wenn man den direkten Vergleich zwischen originalem Faithfull-Mix und dem späteren Album-Mix zieht, ist der Gesang der Dame auf dem Album-Mix vielleicht etwas präsenter, klingt eher nach Einzelinterpret, die originalen, nichtveröffentlichten Mixes klingen aber nach "Band" mit Sängerin, sind viel rhythmischer und auch organischer: in der Tat eine waschechte Rock-Platte.

Marianne Faithfull erzählt, dass sie damals dachte "I gave myself permission to make a record that I'd wanted to make for a long time. I was going to die and this might be my last chance to make a record. It's this sense, that fucking hell before I die, I'm going to show you bastards who I am". Faithfull bezeichnete die Platte, als sie herauskam im neuen Klang-Gewand als "overproduced" und bedauerte den Verlust des punkigen Feels der Platte. Sie sagt: "I had a copy of "Broken English" before it was overproduced, and that was a masterpiece. Unfortunately I lost it". Dem Booklet ist zu entnehmen, dass Marianne Faithfull damals mit ihrem Ehemann Ben Brierly in einem Apartment des Chelsea Hotels gewohnt hat. Bei einem Brand in dem Hotel ist dieser Album-Mix verloren gegangen und Faithfull übersiedelte danach nach Amerika.

Der für diese Deluxe Edition verantwortliche Andrew Batt fand schliesslich in den Archiven von Island Records noch ein Exemplar dieses originalen Masters. Das Anhören dieser Version der Platte ist ein Hochgenuss. Alle Songs haben eine ganz andere Charakteristik, allen voran das Titelstück "Broken English", das von den Gitarrensounds mit Stakkato-Riffs geprägt ganz anders klingt als das bekannte "Original". Ein absoluter Volltreffer ist auch das Stück "Why D'Ya Do It", das mit seinen wilden und rotzigen Gitarrenparts klingt, als wäre es von Tom Verlaine gespielt (Television). Das Stück hört sich an, als würde es vom Television-Album "Marquee Moon" stammen. Zudem ist diese Version 2 Minuten länger als die spätere offizielle Version (fast neun Minuten lang). Und dann stellt Euch das allseits bekannte "Ballad Of Lucy Jordan" mit akustischen und elektrischen Gitarren vor, und nicht so hochglanzpoliert im Synthie-Popsound wie man es kennt.

Mein persönliches Fazit: Bei dieser 2013er Deluxe Edition erhält man zum einen ganz sicher die hervorragend klingende remasterte Version eines popmusikalischen Meilensteins. Dazu das gesamte Album in Marianne Faithfull's favorisiertem, ursprünglichen Mix, den ich persönlich wesentlich interessanter finde und der meiner Ansicht nach Marianne Faithfull's Naturell als eigentlicher Rocksängerin gerechter wird. Ebenfalls ein klarer Gewinn sind die 5 zusätzlichen Bonustracks - unter anderem die damalige Maxisingle-Langversion von "Sister Morphine" (6:04). CD 1 wiederum enthält noch ein 12 Minuten langes Promo-Filmchen mit Marianne Faithfull in der Hauptrolle, unterlegt mit drei Songs des Albums. Ein schönes und dieser hervorragenden Künstlerin absolut würdiges Set.

Top-Track für mich persönlich "Why D'Ya Do It".





Jan 25, 2018


MINOR GIANT - On The Road (Festival Music 201407, 2014)

Seien wir ehrlich: Manchmal wünschen wir uns unsere Kindheit zurück - diese fröhliche Unbekümmertheit, wenn die Welt noch in Ordnung ist und man sich an den einfachsten Dingen im Leben erfreuen kann. An Vanille-Eis im Sommer zum Beispiel. Ja, das ist es: "On The Road" ist mein Vanilla Album. Der holländische Musiker Rindert Lammers ist eine Frohnatur, lacht einem vom Bild im Booklet seiner CD einfach herzhaft und wohl auch ein wenig stolz auf das Vollbrachte an und schon ist der Bann gebrochen. Hi, Rindert, schön, dass Du den Weg in meinen CD Player gefunden hast. Das hast Du ja sauber hingekriegt mit Deinem Debut Album. Respekt!

Die Platte folgt einem klaren Konzept, welches verschiedene Möglichkeiten aufzeichnet, in was für Richtungen das Leben gehen kann, ein Leben, das man mal beeinflussen kann und dann auch wieder nicht. Wie eine Aneinanderreihung verschiedenster Erfahrungen, von Träumen, Wünschen und klaren Vorstellungen. Und so klingt denn auch dieses herrliche Konzeptalbum, das stilistisch stark beim modernen Neo Progressive Rock beheimatet ist, und hierbei vor allem bei den hochmelodischen Vertretern dieses Genres wie zum Beispiel Neal Morse, Transatlantic oder auch Arena und Clive Nolan.

Das sehr geschmackvolle surreale Plattencover lädt ein zur Reise in die Gedankenwelt des Rindert Lammers. In seinen Gedanken lebt Lammers auf der Strasse, respektive reist auf ihr, und sie ändert sich stetig. Mal führt sie ruhig geradeaus, dann wieder schlängelt sie sich mühsam durch unwegsames Gelände, halt genauso wie im richtigen Leben, wenn eine Seele auf Reisen geht. Lammers hat schon im Alter von nur 16 Jahren mit dem Komponieren der Songs auf diesem Album begonnen, hat einige Zeit damit verbracht, im stillen Kämmerchen an den Geschichten und den Kompositionen zu feilen, und im Oktober 2014 hat er die Platte herausgebracht.

Geholfen haben ihm dabei einige wirklich erstklassige Musiker, die sich keineswegs hinter grossen Namen zu verstecken brauchen. Jordiy Repkes ist ein toller Gitarrist, der sehr griffige und einprägsame Hooklines zaubern kann. Harry den Hartog und Roy Post bilden die Rhythm Section, und die beiden Keyboarder Jos Heijmans und Meister Lammers lassen das gesamte Werk natürlich letztlich ein wenig keyboardlastig erscheinen, doch das nimmt keinesfalls Überhand. Es sind vor allem auch die Arrangements der einzelnen Parts, welche dieses Werk so ungemein einnehmend erklingen lassen. Manchmal erklingt ein fluffiger, jazziger Bass, oder eine Sequenz wird getragen von flächigen Streichern - es spielt sich alles immer im äusserst einprägsamen Rahmen ab, und verschafft dem Hörer eigentlich den Eindruck, einem gigantisch langen Ohrwurm zu lauschen. Zwar weist das Booklet 6 einzelne Songs aus, jedoch fühlen die sich eher wie 6 einzelne Parts an, die ein Ganzes bilden, das stimmig und unterhaltsam ist vom Anfangston bis zum Ende der Geschichte "on the road".

Wer sich intensiv mit der Musik befasst, der merkt bald, dass einzelne Passagen in leicht abgewandelter Form immer wiederkehren, mal als offensichtliches, längeres Thema, dann aber auch oft nur als kurze Sequenz, passend integriert in die jeweiligen Story-Kapitel. Einprägsam, wie diese sind, pfeift man sie unweigerlich nach einigen Hördurchgängen mit. So schön kann progressive Rockmusik sein. Obwohl mir das gesamte Album extrem gut gefällt, ist die sich über eine Lauflänge von über 15 Minuten ausbreitende Schluss-Szene "The Last Road" mein ganz persönlicher Favorit. Das ist einfach wunderbare Musik, die mitten ins Herz trifft und etliche Stimmungen abbildet, die ein Menschenleben so ausmachen können. Trotzdem sich in den Texten allerlei melancholische Momente ausmachen lassen, gelange ich allerdings am Ende des Hörens zum Schluss, dass Rindert Lammers mit hundertprozentiger Sicherheit Vanille-Eis mag. Ganz bestimmt.



 

Jan 24, 2018


PETER TOSH - Mama Africa (EMI Records RDC 2005, 1983)

Die Aufnahmen zum fünften und zugleich letzten noch zu Lebzeiten des Musikers Peter Tosh veröffentlichten Album, das gleichzeitig auch sein erfolgreichstes war, begannen im Jahre 1982. Zu dem Zeitpunkt war Tosh längst eine Legende und hatte sich als zweitpopulärster Reggae-Musiker weltweit hinter Bob Marley profiliert. Der Reggaemusiker Joe Higgs brachte Tosh das Gitarrespielen bei. Von ihm stammte auch der Spitzname 'Stepping Razor', der auf Tosh's hitziges Temperament hindeutete. Durch ihn lernte Peter Tosh Anfang der 60er Jahre Bob Marley und Neville O'Reilly Livingston (alias Bunny Wailer) kennen, die zusammen mit ihren Familien aus dem kleinen Dorf Nine Miles nach Kingston gezogen waren. Zusammen gründeten sie mit Franklin Delano Alexander Braithwaite (alias Junior Braithwaite) und den Backgroundsängerinnen Beverley Kelso und Cherry Smith im Jahre 1963 die Band The Wailers (später auch The Wailing Wailers). Zuvor hatte die Band bereits unter vielen anderen Namen gespielt, darunter The Wailing Rudeboys und The Teenagers. Angetrieben von Higgs arbeiteten die Wailers recht fleissig an Arrangements. Von ihm angespornt, landeten sie schliesslich Ende 1963 für einen Vorsing-Termin bei Clement Seymour "Sir Coxsone" Dodd in dessen Studio One. Das Resultat waren etliche erfolgreiche Veröffentlichungen auf Studio One Records, wie das erste Lied, das Tosh sang, "Hoot Nanny Hoot" oder "One Love". Im Februar 1964 landeten The Wailers mit Simmer Down sogar einen Nummer 1 Hit in Jamaika (dieser allerdings noch im Ska-Stil). Viele bekannte Lieder folgten, bis Junior Braithwaite und die beiden Backgroundsängerinnen im Jahre 1965 The Wailers verliessen. Aus diesem Grund brachen The Wailers auch bald mit dem Label von Clement Dodd und kamen bei dem Label von Rainford Hugh "Lee Scratch" Perry, Upsetter Records, unter Vertrag. Obwohl sich auch diese Zusammenarbeit nicht finanziell auszahlte, brachte sie aber alle drei musikalisch immens weiter, und so bleiben The Wailers die erfolgreichste Gruppe der Insel.

Im Jahre 1970 stiessen zwei neue Musiker zur Band: Die Brüder Aston Francis "Family Man" Barrett und Carlton Lloyd "Carlie" Barrett, die als Bassist, beziehungsweise als Schlagzeuger fungierten. In dieser Zeit veränderte sich auch die bis dahin vom Ska dominierte Musik über Rock-Steady hin zu dem, was als Roots-Reggae in die Musikgeschichte einging. Die gemeinsamen Wege mit Perry trennten sich im Jahre 1972. The Wailers unterzeichneten bei dem Engländer Chris Blackwell und bei seinem Label Island Records einen Vertrag. Zu dieser Zeit hatten sie bereits ihr eigenes Label, das sie Tuff Gong nannten, gegründet. Das Studio richteten sie auf der Hope Road 56 in dem Haus von Bob Marley ein. Am 13. April 1973 erschien das Album "Catch A Fire", eine der ersten Roots Reggae-Arbeiten und hob den Reggae damit auf eine komplett neue Ebene. Lieder wie "Trenchtown Rock", "Stir It Up" oder die von Peter Tosh und Bob Marley gemeinsam komponierte Nummer "Get Up, Stand Up" machten die Wailers danach zu weltweit bekannten Musikern. Mit wachsendem internationalen Erfolg steigerten sich jedoch auch die Spannungen innerhalb der Gruppe. Insbesondere Tosh traute Blackwell nicht und bemerkte zudem, dass Marley immer mehr zum grossen Star avancierte, während die anderen Wailers in seinem Schatten standen. Die Hervorhebung von Marley führte später auch zu der Umbenennung der Band in Bob Marley And The Wailing Wailers. Nachdem Tosh und Livingston auf dem Album "Burnin’" überwiegend nur noch als Backgroundsänger auftreten durften, kam es zu unüberbrückbaren Zerwürfnissen, die im Jahre 1974 zur Trennung führten. Tosh verliess die Band.

Nach der Genesung von einem Autounfall unterzeichnete er einen Plattenvertrag bei Capitol Records und startete seine Solokarriere. Er arbeitete mit anderen Musikern zusammen und gründete schliesslich gemeinsam mit dem Schlagzeuger Lowell "Sly" Dunbar und dem Bassisten Robert Shakespeare die Band Word, Sound And Power. Gemeinsam nahmen sie alte Lieder wie "Downpressor Man" neu auf. Drei Jahre darauf, im Jahre 1976, kam es zur ersten Albumveröffentlichung: "Legalize It" hiess das Werk, in dem sie die Legalisierung von Marihuana forderten. Im Jahre 1977 erschien mit "Equal Rights" ein weiterer Roots Reggae-Longplayer, gespickt mit aufrührerischen Inhalten. Thematisiert wurden neben der Apartheidpolitik Südafrikas ebenso der Rassismus im Allgemeinen, dem Tosh den Appell an die afrikanische Einheit und das Aufbegehren gegen politische Missstände ("Get Up, Stand Up") entgegensetzte.

Kurz nachdem das Album veröffentlicht wurde, trat Tosh mit seiner Word Sound And Power Band neben vielen anderen Künstlern bei dem One Love Peace Concert am 22. April 1978 in Kingston auf. Dort tadelte er Ministerpräsident Michael Norman Manley und Oppositionsführer Edward Philip George Seaga für deren Untätigkeit in Bezug auf Hilfe für die armen Bevölkerungsschichten und rief gleichzeitig dazu auf, Marihuana zu legalisieren. Ausserdem attackierte er das "Shitstem" (eine Rasta-Bezeichnung für "System"), welches seiner Meinung nach dazu benutzt werde, die Schwarzen in der ehemals englischen Kolonie Jamaika zu unterdrücken. Auf diese Aussagen hin liess die Jamaica Constabulary Force ihn wegen Drogenbesitzes inhaftieren. In Haft wurde er von mehreren Polizisten verprügelt. Als er wieder freikam, unterzeichnete Peter Tosh bei dem Plattenlabel der Rolling Stones, nachdem Mick Jagger Tosh's Auftritt auf dem One Love Peace Concert gesehen hatte. Während dieser Zusammenarbeit veröffentlichte Tosh drei Alben. Das erste, betitelt "Bush Doctor", wurde im Jahre 1978 veröffentlicht. Auf diesem Album sang er unter anderem ein Duett mit Mick Jagger, ("You Gotta Walk) Don’t Look Back". Danach spielte er auf der US-Tour der Rolling Stones auf deren Eröffnungskonzert, bevor er die Arbeit an den Alben "Mystic Man" von 1979 und "Wanted Dread And Alive" von 1981 begann. Für letzteres Album nahm er auch ein Lied auf, dessen ursprüngliche, von Bob Marley für den holländischen Produzenten Ted Pouder gesungene Originalversion die Inspiration für das Lied "Fools Die (For Want of Wisdom)" wurde.

Im Jahre 1983 erschien dann das fünfte und letzte Album "Mama Africa", auf dem auch die Coverversion "Johnny B. Goode" von Chuck Berry enthalten war. Zu dieser Zeit war Peter Tosh längst auf der ganzen Welt bekannt und seine Popularität gross. Anfang September 1987 wurde das Album "No Nuclear War" veröffentlicht, und es war geplant, auf das Album eine ausgedehnte Tournee folgen zu lassen. Dazu kam es leider nicht mehr, denn Peter Tosh wurde am 11. September 1987 in seinem Haus von einer dreiköpfigen Motorrad-Gang überfallen, die von ihm Geld haben wollten. Als er sagte, er hätte kein Geld im Haus, erschossen sie ihn. Das Album "No Nuclear War" wurde posthum veröffentlicht, war sehr erfolgreich und wurde am 2. März 1988 mit dem Grammy in der Kategorie Beste Reggae Aufnahme ausgezeichnet.

Zurück zum Album "Mama Africa": Wie man sich anhand des Albumtitels schon denken kann, nahm der afrikanische Kontinent samt seiner musikalischen Kultur auf diesem Album einen wichtigen Platz ein. Im ersten und längsten Stück "Mama Africa" besang Peter Tosh Afrika als seine Mutter, die voller Schönheit und Reichtum sei und die er suchen und finden würde, auch wenn man sie jetzt noch vor ihm versteckt hielte. Dazu passend erinnerte auch die Melodie, besonders durch die Gitarre und die eingesetzten Perkussionsinstrumente an afrikanische Musik. Im Stück "Not Gonna Give It Up" ging es dagegen ungeschönt um die unvergleichliche Armut in Afrika, die eine Schande sei angesichts der Reichtümer, die der Kontinent zu bieten habe. Die Afrikaner wurden indirekt aufgefordert, nicht mehr länger zu warten, sondern für ihre Freiheit zu kämpfen. Und angesichts der Fortschritte, aber auch der Rückschläge, die der afrikanische Kontinent seit Erscheinen des Albums erlebt hat, hat dieses Lied noch immer seine Berechtigung. Dann waren auf dem hervorragend produzierten Album auch noch ein paar Neuaufnahmen älterer Songs zu finden, so etwa "Stop The Train" und "Maga Dog", die Peter Tosh bereits in den 60er und 70er Jahren mit den Wailers zusammen aufgenommen hatte. Und "Johnny B. Goode" wohnte plötzlich nicht mehr in New Orleans, sondern in Mandeville, und spielte auf seiner Gitarre Reggae statt Rock'n'Roll. Das ging weit über das blosse Nachspielen hinaus und klang einfach unfassbar cool.

1984 ertönte die Chuck Berry-Nummer "Johnny B. Goode" in Zosh's Version überall am Radio, in Diskotheken aus vobeifahrenden Autos. Es war eine wundervoll groovige, sehr gelungene Version des Rock'n'Roll Klassikers. Doch lockte Peter wie so oft auch Reggae unerfahrene Hörer, die dann auf dem Album mehr und tiefere Reggae Songs zu hören bekamen. Das Beste an "Mama Africa" ist aber, dass auf dem Werk die Songs den meisten Musikfans gefallen hat, weil es bewusst auch die westliche Musikkultur widerspiegelte. Verantwortlich dafür war einerseits der tolle Sound der Band und die klare, weiträumig, ja geradezu audophile Klangqualität der Platte. Ausserdem waren hier gute Melodien mit relaxtem, klar verständlichem Gesang verbunden. Wie so oft begeisterte Tosh mit seinen Wortspielereien. Auf "Peace Treaty" etwa, wo aus Kingston City plötzlich "Killl Some Shitty" wird: "I said it wouldn't worky worky in a the shitty shitty Killsome City". Auch die Nummer "Glass House" bot eine deutliche Textprovokation: "If You Live In A Glass House, Don't Throw Stones". Höhepunkt aber war die sich über knapp 8 Minuten ausbreitende Ode an das 'Motherland' "Mama Africa". Peter Tosh selbst sagte damals über "Mama Africa": "Ich kann meine Augen schliessen und sehe das Pferd ("Mama Africa") durch's Ziel rennen. Der Musiker wusste, er hatte nach 3 Jahren Pause sein selbst produziertes Meisterwerk geschaffen. Und indem er bei seinen ureigensten Wurzeln angelangt war, hatte er damit vielleicht auch sein Ende vorausgeahnt, wer weiss.

Peter Tosh's Sohn, Andrew McIntosh, wurde ebenfalls Reggae-Musiker. 2004 veröffentlichte er das Album "Andrew Sings Tosh: He Never Died", in dem er an seinen Vater erinnerte. Am 6. Juni 2003 erschien das Best Of Album von Peter Tosh "The Best Of Peter Tosh 1978–1987". Auf dem Plattencover befand sich eine Signatur von ihm: 'Wolde Semayat', sein äthiopischer Name, der so viel wie 'Sohn des Donners' bedeutet. Im Jahr 2012 wurde Tosh posthum mit dem 'Order of Merit' ausgezeichnet, dem dritthöchsten jamaikanischen Verdienstorden.





Jan 23, 2018


OUT OF MY HAIR - Drop The Roof (RCA Records 74321-34837-2, 1996)

Die Band Out Of My Hair bestand aus Simon Eugene, auch bekannt unter seinem Pseudonym Comfort (Gesang, Gitarre, Bass, Klavier, Keyboards), Sean Elliot (Gitarre), Kenny Rumbles (Schlagzeug) und George Muranyi (Keyboards). Ihre Single "Mister Jones" erreichte in den britisachen Charts immerhin den Rang 73. Eine frühe Version der Band wurde von Eugene bereits im Jahre 1991 gegründet. Mit dabei war damals auch Barny C. Rockford, welcher später ein Mitglied der sehr viel bekannteren Band The Auteurs wurde und dort trommelte. Diese frühe Variante der Band absolvierte mehrere Auftritte in England und Holland, ohne jedoch eine Platte zu veröffentlichen. Erst im Herbst 1993, als Simon Eugene befand, dass die Chemie innerhalb der Band nicht stimme ("the chemistry of the band didn't seem right"), entschloss er sich dazu, die Gruppe neu aufzustellen. Elliot verblieb an der Gitarre, Rockford wurde ersetzt durch Kenny Rumbles, Eugene ersetzte auch Jake am Basss und John George kam neu als weiterer Gitarrist in die Band.

Im Juni 1994 wurde die erste Single dieser neu aufgestellten Formation veröffentlicht: "In The Groove Again" mit der B-Seite "River Of Gold". Erst im Spätherbst 1995 folgte auch das entsprechende Album zur Single mit dem Titel "Drop The Roof". Man mag es ja eigentlich nicht so recht glauben, dass es in den 90er Jahren tatsächlich eine so hippieske Band, die zudem noch völlig unbekannt war, schaffte, von einer grossen Plattenfirma unter Vertrag genommen zu werden und erstmal als britische Band in Japan eine LP veröffentlichen durfte - die dann dort auch noch zum Hit wurde. Sowohl hierzulande, wie auch in ihrer Heimat England jedoch kannte niemand dieses hervorragende Quartett aus London, dessen einziges Manko wahrscheinlich die weitgehende Reduktion in instrumentaler Hinsicht war, sodass sie nicht dem Etikett "Brit Pop" entsprach, das der Band von der Plattenfirma aufgedrückt worden war.

Eine erste Single ("Hearts Desire") blieb unbeachtet, ebenso wie das nachfolgend ebenfalls als Single veröffentlichte Titelstück ihrer einzigen LP. Dasselbe Schicksal ereilten sowohl das Album, sowie die beiden ebenfalls aus dem Album ausgekoppelten Singles "Mister Jones" und "Safe Boy", die 1995 nachgereicht wurden. Und obwohl die Band als Support Act selbst mit grossen Stars wie David Bowie, den Barenaked Ladies oder den Crash Test Dummies unterwegs war, ging die Gruppe sang- und klanglos unter und verschwand 1997 von der Bildfläche.

Das war eigentlich schon rätselhaft, denn die Single "In The Groove Again" war genauso wie das Album in Japan ein ziemlicher Erfolg. Warum dieser Erfolg nicht überschwappte auf den heimischen Markt bleibt letztlich unverständlich. Die Kritiker bewerteten das Album nämlich durchaus positiv. Vielleicht war das Quartett um den Bandleader Simon Eugene (Gesang, Gitarre, Bass, Piano), Sean Elliot (Gitarre), Kenny Rumbles (Schlagzeug) und George Muranyi (Keyboards) einfach zu unpopulär mit ihrem zumeist sehr akustisch gehaltenen Hippie-Pop. An den Kompositionen kann es jedoch nicht gelegen haben. Die waren meist von einer schwelgerischen frischen Unbekümmertheit getragen, die vielleicht mit etwas Glück zur perfekten Sommermusik hätte avancieren können.

Neben dem äusserst ohrwurmigen Titelstück sind auch die Tracks "Safe Boy", "I'd Rather Be" und vor allem das wunderbare "Wendy" äusserst hörenswert. Simon Eugene (alias 'Comfort'), der sämtliche Songs geschrieben hat, beweist auf der ganzen Platte ein geschicktes Händchen für Melodien, die in den Gehörgängen hängen bleiben. Die Band fiel mit ihrer reduktiven akustischen Popmusik leider durch jedes gängige Raster, weshalb diese schmucke und angenehme Platte leider weitgehend unbekannt blieb. Out Of My Hair verabschiedeten sich ebenso klammheimlich von der Szene, weil trotz guter Kritiken und einer relativ erfolgreichen Single ("In The Groove Again") kein grösseres Publikum von der Gruppe Notiz nahm. Die Band wurde 1997 aufgelöst.




 

Jan 22, 2018


THE STRANGLERS - Rattus Norvegicus IV
(United Artists Records UAG 30045, 1977)

"Rattus Norvegicus" war das Debütalbum der britischen Band The Stranglers. Das Album fiel in die Blütezeit des Punk in Grossbritannien. Es wurde im April 1977 von United Artists Records veröffentlicht und erreichte auf Anhieb Position 4 der britischen Albumcharts, was es zu einem der erfolgreichsten Alben der britischen Punk-Ära machte. "Rattus Norvegicus" ist das Taxon der Wanderratte. Die Benennung der Platte ist nicht ganz eindeutig. Das von Paul Henry gestaltete Frontcover trägt den Titel "The Stranglers IV", der offizielle Titel "Rattus Norvegicus" ist lediglich auf der Rückseite vermerkt. Ursprünglich sollte das Album "Dead On Arrival" heissen, der Name wurde jedoch kurz vor der Veröffentlichung geändert. Geplant war zunächst die Veröffentlichung eines Livemitschnitts eines Konzertes von 1976. Dieser Plan wurde aber auf Grund der schlechten Qualität der Aufnahme fallengelassen. Textlich handelten die Stücke auf "Rattus Norvegicus" von Alltagssituationen und Personen aus dem Umfeld der Band. Aus diesem Rahmen fallen lediglich "Goodbye Toulouse" mit Bezug auf Prophezeiungen des Nostradamus und "Ugly" mit Bezug auf ein Gedicht von Percy Bysshe Shelley. Die Aufnahmen und die gesamte Produktion inklusive Abmischung des Albums durch Martin Rushent dauerten lediglich eine Woche. Die Liste der Titel entsprach dem damaligen Liveset der Band.

Im Rahmen der Aufnahmen wurde etwa die Hälfte des Nachfolgealbums "No More Heroes" mitproduziert. Den ersten 10000 Exemplaren der LP "Rattus Norvegicus" war eine Gratissingle mit den Liedern "Peasant in the Big Shitty" (live) und "Choosey Susie" beigelegt. Das Lied "Peaches" musste für britische Radiostationen wegen zahlreicher sexueller Anspielungen mit einem alternativen Text neu eingespielt werden. Aber auch in seiner 'entschärften' Form enthielt das Stück noch eindeutig-zweideutige Aussagen: "Walking on the beaches, looking at the peaches". Doch das als Single sehr erfolgreiche "Peaches" war nicht der einzige Höhepunkt auf diesem hervorragenden Album, das trotz seines einmaligen Live-Charakters auch über einen hervorragenden Klang verfügt. Schon der Einsteiger "Sometimes" war eine Granate. Der Song stürmte gleich von Anfang an los wie eine Rakete, der gehetzt wirkende Gesang befeuerte die ungestüme Grundstimmung des Titels noch zusätzlich. "Goodbye Toulouse" wirkte mit seinem knorrigen Bass, der völlig hyperventilierenden Kirmes-Orgel und dem schnellen Rhythmus wie ein aus der Bahn geworfenes Karrussell, das sich zuerst immer schneller dreht und danach aus seiner Verankerung reisst. Bei diesem Stück konnte man am ehesten einen typischen Punk-Charakter ausmachen auf einem Album, das ansonsten so gar nicht nach Punk klingen wollte, sondern aufgrund seiner eher im "vintage" Bereich angesiedelten Instrumentierung eher wie eine Art Rock Platte von 1973 klang - den Platten von David Bowie oder Be Bop Deluxe nicht unähnlich.

Das dritte Stück "London Lady" allerdings konnte man durchaus als waschechter Rock'n'Roll britischer Prägung bezeichnen. Hier schimmerte der Glanz der frühen Dr. Feelgood durch. Der Gitarrenlauf erinnerte frappant an jene Läufe von Wilko Johnson, die der Gitarrist später auch auf seinem Album "Solid Senders" präsentierte. Sehr elegant zieht der Song ab durch die Decke und wieder lieferten die Stranglers einen Beweis dafür, dass man sie nicht in die Punk-Schublade stecken konnte. Auch das nächste Stück war ein Volltreffer und einer meiner Lieblingssongs der Stranglers überhaupt: Die schmierige, angeblueste "Princess Of The Streets", betrachtet von ihrem Ex-Lover in einer muffigen, kalten und verdreckten Butze, in der nur der Zigarettenrauch noch für Stimmung sorgt. Ein herrliches Stück depressive Stimmung, das jedoch im Verlauf einen wunderschönen Refrain erfährt, den man so in diesem Stück überhaupt nicht erwarten würde. Das schon fast entrückte, sehnsuchtsvolle Gitarrensolo tut sein übriges und macht aus dieser Nummer eine der besten dieses Albums.

"Hanging Around" ist dann wieder vorwärtstreibend, der knorrige Bass von Jean-Jacques Burnel dominiert hier wieder zusammen mit dem prägnanten und mit für den typischen Frühsound der Band verantwortlichen Orgel von Dave Greenfield, der 1975 zur Band stiess, nachdem der Gründungs-Keyboarder Hans Wärmling noch vor den Aufnahmen zur ersten LP aus der Band ausgeschieden war. "Hanging Around" klang hart und trocken, besass wie alle anderen Songs auch diesen typischen Live-Charakter und erinnerte am ehesten an einen Garage Rock mit entsprechenden stilistischen Verweisen an die 60er Punks wie MC5 oder The Stooges. Das vierteilige "Down In The Sewer" war ein weiterer Höhepunkt dieses Werks. Das sich über 7 1/2 Minuten ziehende Stück überzeugte durch längere Soloteile und eine extrem angriffige Lyrik. Ueberhaupt mass die Band nicht nur auf diesem Debutalbum den Songtexten eine grosse Bedeutung bei: In ihren Texten wurde oft das Leben der Underdogs thematisiert und in gleichnishafte Formen gebracht, gleichsam die dekadente Lebensweise in den oberen Schichten aufs Korn genommen. Dabei wechselten sich primitive Textpassagen mit anspruchsvolleren ab. Stilbildend war die Verwendung symbolbehafteter Tiere wie des Raben und der Ratte, letztere tauchte auch immer wieder im Schriftzug des Bandnamens auf.

Das Album "Rattus Norvegicus" hielt sich nicht weniger als 34 Wochen in den britischen LP-Charts und war damit eine der erfolgreichsten Platten der Punk Aera in England. Es war damit auch das dritterfolgreichste Stranglers-Album. Die beiden Nachfolger "No More Heroes" und "Black And White" erreichten jeweils noch höhere Charts-Platzierungen (beide Rang 2). Die Singles-Auskopplungen "Grip" und "Peaches" erreichten die Plätze 44 und 8 der Singles-Charts. Nach Streitereien und Prügeleien mit Journalisten hatte die Band um 1980 einen kurzzeitigen Tiefpunkt, als sie in Nizza wegen Aufwiegelung zu Unruhen im Gefängnis landete und Sänger Hugh Cornwell wegen Drogenbesitzes eine Haftstrafe absitzen musste. Danach wandelte sich auch der musikalische Stil der Band. Waren die ersten drei Studioalben noch eher ungestüm und vorwärtstreibend und begründeten den bis heute währenden Ruf als herausragende Band des frühen Punk, so leitete spätestens das 1980er Album "The Gospel According to The Meninblack" auf experimentelle Weise eine Phase anspruchsvoller Popmusik ein. Diese Phase sollte während der gesamten 80er Jahre den Stil der Band bestimmen und brachte weiterhin kommerzielle Erfolge.

Das 1981er Album "La Folie" enthält den grössten Hit der Stranglers "Golden Brown", mit dem die Band erstmals auch auf dem Kontinent erfolgreich war. Bis in die Mitte der 80er Jahre hinein hatte die Gruppe zahlreiche weitere Hits und konnte regelmässig in den Hitparaden landen, unter anderem mit Liedern wie "Strange Little Girl", "No Mercy", "Big In America" und "Always The Sun". Nachdem Ende der 80er Jahre der Erfolg nachliess und die Stranglers nur noch mit Coverversionen und Remixen ihrer alten Hits auffielen, trennte sich Hugh Cornwell von der Band und verfolgte eine Solokarriere. Seitdem knüpfte die Band wieder mehr an ihren ursprünglichen Stil an. Ergänzt um Paul Roberts und John Ellis, der inzwischen von Baz Warne ersetzt wurde, besteht die Band bis heute fort und veröffentlicht regelmässig Alben und Singles.





Jan 21, 2018



NEIL ARDLEY - Kaleidoscope Of Rainbows (Gull Records GULP 1018, 1976)

Neil Ardley zeichnete sich in zwei völlig verschiedenen Berufen aus: als Jazz-Komponist und Autor von informativen Büchern für junge Leute; In seiner früheren Rolle als Komponist schrieb und nahm er so gefeierte Alben wie "Le Déjeuner Sur l'Herbe" und "Kaleidoscope Of Rainbows" auf, während er in letzterem mehr als 10 Millionen Bücher weltweit verkaufte. Ardleys grosser Beitrag zum Jazz kam mit der Umgestaltung des grossen Ensembles, vom etablierten Big Band-Format zum flexibleren Jazz-Orchester. Dabei folgte er dem Muster des amerikanischen Komponisten Gil Evans, entwickelte aber bald einen eigenen, höchst eigenständigen Ansatz. In ähnlicher Weise wie auch Evans, entwickelte er eine Art musikalische Information zu präsentieren, in welcher Worte und akustische Illustrationen eine fliessende und dynamische Einheit bildeten. Neil Richard Ardley wurde am 26. Mai 1937 in Carshalton, Surrey, geboren. Er besuchte die Wallington Grammar School und die Bristol University, wo er einen Abschluss in Chemie machte. Er lernte das Klavierspiel ab dem 13. Lebensjahr und spielte während des Studiums in Jazzgruppen, wo er auch kurz das Saxophon übernahm. 1960 zog Ardley nach London, spielte Klavier in der John Williams Big Band und studierte Arrangement und Komposition bei Ray Premru und Bill Russo.

1964 übernahm er die Leitung der Big Band des Baritonsaxophonisten Clive Burrows, nachdem sein Anführer sich der Popgruppe Alan Price Set angeschlossen hatte. Die Band wurde in New Jazz Orchestra (NJO) umbenannt, um sowohl ihren innovativen Ansatz als auch die Jugend ihrer Mitglieder widerzuspiegeln. Ihr Durchschnittsalter lag bei gerade mal 23 Jahren. Das erste Album der Band, "Western Reunion", das im Jahre 1965 erschien, enthüllte Ardleys unverwechselbaren Sound bereits verstörend und faszinierend zugleich in einer ersten embryonalen Form. Vor allem seine Komposition "Shades Of Blue" sollte ein erster markanter Richtungshinweis darstellen für seine kommenden Werke und Projekte. Zu dieser Zeit war Ardley auch der Redaktion der World Book Encyclopedia beigetreten und später nach Hamlyn gezogen, bevor er 1968 freiberuflich tätig wurde, um sich mehr der Musik zu widmen.

Im selben Jahr nahm das NJO sein zweites Album "Le Déjeuner Sur l'Herbe" für das bekannte Jazzlabel Verve Records auf. Dies zeigte Ardleys Konzept bereits vollständig entwickelt: Anstelle der fünf Saxophone der traditionellen Big Band präsentierte das Album eine Gruppe von vier Spielern, die Saxophone, Klarinetten, Flöten und Bassklarinette einsetzten. Das Orchester umfasste auch Französisch Horn, Tuba, Vibraphon und andere unkonventionelle Elemente. Die Vielfalt an Klang und Textur, die Ardley mit diesen Kräften erzeugte, blieb bis heute unübertroffen. In den frühen 70er Jahren wechselte Ardley allmählich vom Komponieren zum Schreiben, seine schriftstellerisch bevorzugten Hauptthemen waren Naturgeschichte (vor allem Vögel), Wissenschaft und Technik, allerdings auch die Musik. Es gab wenige Schulbibliotheken in diesem Jahrzehnt ohne mindestens eine Kopie seiner Bücher 'Atoms and Energy', publiziert im Jahre 1975, 'Die erstaunlichen Welt der Maschinen', erschienen 1977 oder 'Man And Space' von 1978. Das gleiche galt später für seine 'World Of Tomorrow'- und 'Action Science'-Reihe.

In der Zwischenzeit wurde Ardley dem Plattenproduzenten Denis Preston vorgestellt, der die Lansdowne Studios in West-London besass und grosse Erfolge mit Aufnahmen populärer Jazz-Künstler wie Acker Bilk feiern konnte, nachdem er festgestellt hatte, dass das New Jazz Orchestra sich musikalisch zu sehr abgrenzte. Er bot Ardley daher seine professionelle und finanzielle Unterstützung bei zukünftigen Aufnahmen an. Es folgten Ardleys bisher abenteuerlichste Werke, "The Greek Variations" (1969) und "A Symphony Of Amaranths" (1971). Diese erforderten viel grössere instrumentale Ressourcen als das New Jazz Orchestra, einschliesslich Streicher, orchestraler Holzbläser und Harfe, obwohl viele wichtige NJO Mitglieder weiterhin prominente Rollen spielten, darunter etwa der Trompeter Ian Carr (zu jener Zeit mit seiner eigenen Band Nucleus ebenfallls unterwegs), oder auch der renommierte Schlagzeuger John Hiseman (Colosseum), die Saxophonisten Barbara Thomson, Dave Gelly und Don Rendell und der Vibraphonist Frank Ricotti.

Das Album "A Symphony Of Amaranths" stellte den Höhepunkt von Ardleys Arbeit im Jazz-Idiom dar, mit Vertonungen von Gedichten von Yeats, Joyce und Carroll und einer Version von Edward Lears "Dong With The Luminous Nose", vorgetragen von Ivor Cutler. Ab diesem Zeitpunkt wandte sich Ardleys Interesse zunehmend dem Einsatz von Elektronik in der Musik zu. "Kaleidoscope of Rainbows", das Album, dessen Entstehungszeit ganze zwei Jahre von 1973 bis 1975 in Anspruch nahm und "Harmony Of The Spheres" von 1978, die Elektronik mit Live-Auftritten kombinierten, waren beide Hauptwerke und bemerkenswert fortgeschritten für ihre Zeit. Doch die boomende Plattenindustrie, deren enorme Gewinne mit anderen, kommerziell erfolgreichen Künstlern und Bands derart aufwendige und kostspielige Produktionen wie jene von Neil Ardley überhaupt erst möglich machten, gerieten schnell in Verfall, und Ardley fand sich schliesslich ohne einen Plattenvertrag wieder.

Glücklicherweise brachten die 80er Jahre grosse Fortschritte in der Verlagstechnologie, wodurch das Buchdesign flexibler und abenteuerlicher wurde. Ardley widmete sich nun hauptsächlich dem Schreiben und knüpfte eine enge Beziehung zum neuen britischen Verlag Dorling Kindersley. 1988 produzierte er in Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Illustrator David Macaulay sein meistverkauftes Buch 'How Things Work'. Dieser bemerkenswerte Band, der das gewaltige Versprechen seines Titels erfüllte, indem er das Wie und Warum von praktisch allem, was sich bewegt, erklärte, gewann sowohl den 'Times Senior Information Book Award' als auch den 'Science Book Prize' 1989. Sein weltweiter Umsatz alleine mit diesem Buchtitel betrug drei Millionen britische Pfund.

Zu Ardleys musikalischer Haupttätigkeit gehörte damals Zyklus, ein elektronisches Jazz-Projekt, dessen CD "Virtual Realities" 1991 erschien. Seine letzte Jazz-Komposition war "On The Four Winds", die 1995 von New Perspectives für den britischen Sender 'Radio Three' aufgeführt wurde. Danach, nachdem er sich einer Reihe von Chören in der Nähe seines Heims in Derbyshire angeschlossen hatte, widmete sich Ardley dem Komponieren von Vokalmusik. Seine "Schöpfungsmesse" wurde 2001 fertiggestellt und aufgeführt und "The Dark Wood" - bisher noch nicht aufgeführt - wurde 2002 fertiggestellt. Ardley zog sich im Jahr 2000 vom aktiven Schreiben zurück; sein letztes Buch 'Energy And Forces' wurde 2002 beim Verlag Oxford University Press veröffentlicht. Neil Ardley war zweimal verheiratet; seine Frau und seine frühere Frau überlebten ihn ebenso wie eine Tochter aus erster Ehe.









Jan 20, 2018


THE JOHN BUTLER TRIO - Live At St. Gallen 
(Lava Records 7567-93525-2, 2006)

John Butler wurde am 1. April 1975 im kalifornischen Torrance geboren. Nachdem seine Familie zwischenzeitlich in Los Angeles lebte, zog sie 1986 wieder in das australische Heimatland seines Vaters. Fortan wohnte die Familie in Pinjarra, einem kleinen Dorf im Westen von Australien. Nachdem John Butler sein Kunststudium abgebrochen hatte, war er zunächst als Strassenmusiker aktiv. Im Jahre 1998 gründete er das John Butler Trio, welches fortan mit wechselnder Besetzung auftrat. 2003 kamen Shannon Birchall (Bassist, Melbourne) und Michael Barker (Schlagzeuger, Neuseeland) hinzu. "Live At St. Gallen" ist eine Doppel-CD, die unter sehr glücklichen, wenn nicht gar einmaligen Umständen und Zufällen zustande gekommen ist. Und das ging so: Das John Butler Trio sollte am St. Galler Open Air am 3. Juli 2005 auftreten. Der gebuchte Termin und die Zeit des Auftritts waren längst festgelegt. Die Band und ihre Crew reiste in St. Gallen an, glücklicherweise etwas früher als geplant. Vor der Band sollte eine andere Gruppe an dem Open Air auftreten, die jedoch in Zürich-Kloten am Zoll festhing und nicht pünktlich in St. Gallen sein würde, um ihren Auftritt rechtzeitig bestreiten zu können. Der Veranstalter kontaktierte daraufhin das bereits anwesende John Butler Trio und fragte nach, ob die Musiker eventuell schon früher auf die Bühne gehen würden, im Gegenzug dafür aber länger spielen könnten ? Nach kurzer Absprache erklärte sich die Band einverstanden und spielte einen ganz phantastischen Gig, der aufgrund der Umstände fast doppelt so lang ausfiel als geplant. Da das John Butler Trio ein grosses Faible für lange Jams hat, kam ihnen dieser Zufall natürlich zugute. Die Band konnte dadurch viel freier und ausgedehnter jammen. Die tolle Open Air Stimmung und das begeisterte Publikum tat ein übriges, um aus einem kurzen Auftritt ein begeisterndes Konzert zu bestreiten.

Was die Band allerdings nicht wusste: Ihr Auftritt wurde live mitgeschnitten, was eigentlich als Aufnahme der Gruppe geplant war, die vor dem John Butler Trio hätte auftreten sollen. Da diese nun durch das John Butler Trio ersetzt wurde, liess man die Bandmaschinen kurzerhand laufen und hielt so völlig ungeplant einen grossartigen Auftritt auf Band fest, der so in dieser Form sonst wohl nie das Licht der Tonträger-Welt erblickt hätte. Gemäss John Butler war dieser erste und etwas spezielle Gig in der Schweiz das unangefochtene Highlight ihrer gesamten damaligen Tour. Gross war also auch die Freude, als man nach dem gelungenen Konzert erfuhr, dass der Schweizer Radiosender DRS3 den kompletten Gig aufgenommen hatte, und man entschloss sich kurzerhand, eine Doppel Live-CD von diesem Abend zu veröffentlichen.

Aufgezeichnet von Patrick Müller und produziert von Ron Kurz gelang dem australischen Trio mit dieser Live Doppel CD nach dem ein Jahr zuvor veröffentlichten Studioalbum "Sunrise Over Sea" letztlich der internationale Durchbruch, denn die Aufnahme bietet eine enorme Spielfreude, eine reduzierte Instrumentierung auf höchst dynamische Art gespielt und selbstverständlich jede Menge hervorragender Songs, allesamt aus der Feder von John Butler, von denen die beiden auf dem "Sunrise Over Sea" erstmals präsentierten Stücke "Betterman" und "Treat Yo Mama" die intensivsten und beeindruckendsten sein dürften. Vor allem das auf fast 17 Minuten ausgedehnte Jam-Stück "Betterman" ist erstklassig gespielt und fängt die Stimmung und die Interaktion zwischen Band und Publikum am eindrücklichsten ein. Aber auch die jeweils über zehn Minuten langen "Take" und "Ocean" sind brilliant und wurden von der Band an normalen Konzerten zu jener Zeit kaum je so lange gespielt. Das tolle sonnige Wetter und das enthusiastische Publikum führten letztlich dazu, dass sich das Trio in einen wahren Spielrausch hineinspielte, der beim anhören dieser Platte sehr schön nachempfunden werden kann.

John Butler spielte an dem Konzert verschiedene Arten von Saiteninstrumenten, meistens jedoch eine verstärkte 11-saitige akustische Gitarre, sowie Banjo, Lap Steel Gitarre und Perkussion. Ihm zur Seite standen mit Shannon Birchall ein versierter und sehr abwechslungsreich agierender Bassist, der wahlweise den akustischen oder den elektrischen Bass spielte, sowie der äusserst rhythmusbetonte und herrlich locker groovende Schlagzeuger Michael Barker. Als wären die Umstände dieser Einspielung nicht schon interessant genug, so ist es auch noch das Album, von dem John Butler bis heute am meisten Exemplare hat verkaufen können, was nicht zuletzt auch dem Renomée des St. Galler Open Air zuträglich war, das spätestens seit dieser hervorragenden Live-Veröffentlichung weltweit bekannt geworden ist. Eine ganz dicke Empfehlung für alle Musikfans, die sich von einem Live-Auftritt einmal so richtig packen und treiben lassen wollen. Zwischen Folk-Rock und leicht staubigem Wüstensound bietet das John Butler Trio hier eine packende und äusserst intensive und dynamische Mixtur prächtiger, ab und an leicht anpsychedelisierter Sommermusik.


Im Jahre 2007 hatte die Band einen Auftritt beim 'Live Earth' Konzert in Sydney. Bekannt wurde John Butler unter anderem für sein virtuoses Lapsteel-Spiel (Gitarre liegt auf den Oberschenkeln) beziehungsweise dafür, dass er meist mit 'open tunings', bei welchem die Gitarre in einem Akkord gestimmt ist, spielt. Am 23. März 2009 gab John Butler auf der offiziellen Band-Homepage bekannt, dass er sich im April von seinen damaligen Bandmitgliedern trennen werde. Die Gründe hierfür seien rein künstlerisch. 2009 stiessen der auf Malta geborene Nicky Bomba, der bereits 2004 bei den Aufnahmen zu dem Studioalbum "Sunrise Over Sea" beteiligt war (Schlagzeuger, Melbourne) und Byron Luiters (Bassist, Sydney) zum Trio und stellten mit John Butler als Leadsänger die aktuelle Besetzung dar. John Butler gründete ausserdem mit einem Freund sein eigenes Plattenlabel Jarrah Records. Das Label wurde benannt nach einer südaustralischen Eukalyptusart. Neben dem John Butler Trio veröffentlichten auch The Waifs ihre Platten bei Jarrah Records.



Jan 19, 2018


JON LORD - Sarabande (Purple Records TPSA 7516, 1976)

Jon Lord war in erster Linie als Gründungsmitglied der Hardrock Band Deep Purple bekannt. Der Musiker galt als einer der Wegbereiter der Kombination von Rock mit Klassik. Sowohl sein Vater als auch seine Tante waren Performance-Künstler, die ihr Talent als Duo mit einer lokalen Tanzgruppe zur Aufführung brachten. Erste musikalische Aktivitäten entwickelte Lord am Klavier der Familie, an dem er ab dem Alter von fünf Jahren klassischen Unterricht bekam. Als Teenager beeindruckte ihn die musikalische Performance von Jazz-Organisten wie Jimmy Smith, und die von Pionieren des Rock'n'Roll-Pianos, wie Jerry Lee Lewis. Im Alter von 19 Jahren zog Jon Lord 1960 nach London, wo er an der Central School of Speech and Drama Schauspiel studierte. Als sich 1963 davon das Drama Centre London abspaltete, wechselte Lord mit anderen Lehrern und Schülern dorthin und schloss dort 1964 sein Studium ab. Von der Musik des Swinging London angezogen, begann Lord in diversen Jazz- und Rhythm & Blues-Combos zu spielen, die überwiegend in kleineren Kneipen und als Clubgigs in der Region London auftraten. Erste Erfolge konnte er mit der Bill Ashton Combo feiern, einer Jazzgruppe, die sich nach dem Saxophonspieler benannte. 1963 wechselte Jon Lord zu der von Derek Griffiths geleiteten Band Red Blood And His Bluesicians, was ihm ermöglichte, an seine erste elektrische Orgel zu kommen. Nach eigener Aussage war er in der Aufnahme des Kinks-Hits "You Really Got Me" als Pianist zu hören.

Die nächsten Jahre erspielte sich Jon Lord die Fähigkeiten zum Profimusiker. Er trat als Organist den bluesig-rockigeren Artwoods bei, deren Bandleader Art Wood, der ältere Bruder des späteren Rolling Stone Ronnie Wood, war. Die Artwoods veröffentlichten mehrere Singles und EPs, darunter das heutige Sammlerstück "Art Gallery", traten in Fernseh- und Radiosendungen auf und hatten viele Auftritte, schafften jedoch keine Hitparadenplatzierung, sodass sie sich bald wieder auflösten, nachdem ihr letzter Versuch, die Charts unter dem Pseudonym St. Valentine’s Day Massacre zu erreichen, ebenfalls scheiterte. Ronnie Wood nahm mit Jon Lord später drei Instrumentalnummern unter dem Namen Santa Barbara Machine Head auf. The Flower Pot Men, die eher ein Gesangsensemble waren und einen psychedelischen Hit hatten, waren für eine gebuchte Tournee auf Musikersuche und engagierten Jon Lord sowie Nick Simper und den Schlagzeuger Carlo Little, der bei den Screaming Lord Sutch’s Savages bereits an Ritchie Blackmores Seite spielte. Kurz darauf gründeten Jon Lord und Ritchie Blackmore Deep Purple, auch Nick Simper wurde als Bassist engagiert. Zwischen 1968 und 1976 galten Deep Purple als eine der populärsten und kreativsten Bands, wobei Jon Lords virtuoses Hammond-Orgelspiel massgeblichen Anteil hatte. Zwischen den Aufnahmen diverser Hardrockalben und zahlreichen Welttourneen mit Deep Purple fand er immer wieder Zeit für Soloprojekte. Zeitweise mit Unterstützung durch Deep Purple, wie 1969 bei "Concerto for Group and Orchestra" oder in Form von Soloalben wie "Gemini Suite", verband er Rockmusik mit klassischer Musik. Für den Film 'The Last Rebel' (1971) schrieb er mit Tony Ashton die Musik, die von Ashton, Gardner & Dyke eingespielt wurde.

"Sarabande" war eines seiner stärksten Soloalben, das vom 3. bis 6. September 1975 in Oer-Erkenschwick, laut Covertext 'in der Nähe von Düsseldorf' mit der Philharmonia Hungarica unter der Leitung von Eberhard Schoener aufgenommen wurde. Es erschien im Jahre 1976. Jon Lord knüpfte hier an die musikalische Form der Suite aus der Barockmusik eines Johann Sebastian Bach an. Jeder Track erinnerte an einen barocken Tanz: Fantasie, Sarabande, Aria, Gigue, Bourrée, Pavane, Caprice. Lord gelang damit eines der kompaktesten und stimmigsten Rock-Alben in Verbindung mit klassischer Musik. Unter den Kompositionen für Orchester und Rockband, die Jon Lord in den 70er Jahren schrieb, bildete "Sarabande" den Schlusspunkt. Das gleichnamige Album gilt bei vielen als sein gelungenster Versuch, zwischen den beiden Klangkörpern zu vermitteln. Dafür liessen sich auch durchaus Argumente finden: Die Musik auf "Sarabande" wirkte nicht so zerrissen wie auf den früheren Platten. Statt auf symphonische Dramatik setzte Lord nun auf eine entspannte Abfolge von Stücken und Stimmungen im Geiste einer barocken Tanzsuite. Die Rockband agierte dabei wesentlich geschmeidiger und weniger poltrig als die diversen Besetzungen, die er bis dahin verwendet hatte. Dafür waren nicht zuletzt Pete York am Schlagzeug und das spätere Police-Mitglied Andy Summers als Gitarrist verantwortlich.

Dass das Album bei Rockfans besser ankam, lag wohl hauptsächlich daran, dass der Hörer wesentlich leichter überblicken konnte, wo er sich gerade befand. Insbesondere die häufigen, oft auch ziemlich simplen Ostinato-Figuren (sprich: Riffs) erleichterten den Zugang. Lords "Gigue", "Bourrée", "Pavane" und die weiteren 'Tanzstile' hatten insgesamt doch nur bedingt etwas mit den barocken Vorbildern zu tun. Was die Suite aber tatsächlich mit dem Barock verband, war die rhythmische Motorik, die hier viel ausgeprägter in Erscheinung trat als bei Lords früheren Werken "Windows", "Gemini Suite" oder dem "Concerto for Group and Orchestra". Die Verschmelzung zwischen klassischer Thematik und Rockmusik gelang hier auf symbiotische Weise. Das Titelstück bediente sich hörbar bei David Brubecks "Take Five", indem sich das Stück von einem 5/4 in einen 3/4-Takt wendete.

Nachdem sich seine Stammband Deep Purple 1976 das erste Mal aufgelöst hatte, gründeten Jon Lord, Ian Paice und Tony Ashton danach die Gruppe Paice Ashton Lord, die 1977 das Album "Malice In Wonderland" veröffentlichte. Nach einer Tournee und noch während der Vorbereitungen für ein weiteres Album lösten sich Paice Ashton Lord schon 1978 wieder auf. Jon Lord wurde daraufhin Keyboarder bei David Coverdales Whitesnake, wohin ihm 1979 auch der ehemalige Deep Purple Schlagzeuger Ian Paice folgte. Während der erfolgreichen Jahre bei Whitesnake gastierte Jon Lord auf diversen Alben von Cozy Powell, Graham Bonnet und vielen anderen und nahm mit "Before I Forget" ein weiteres Soloalbum auf. Jon Lord, der Whitesnake 1984 zu Gunsten eines Neubeginns mit Deep Purple verlassen hatte, nahm mit der Gruppe weitere sechs Alben auf und gastierte mit ihr weltweit. 2002 trennten sich Deep Purple erneut und Jon Lord widmete sich nun ausgiebig diverser Solo-Projekte. Sein letztes Konzert mit Deep Purple gab er am 19. September 2002 in Ipswich (England).

2003, er gastierte gerade für einige Monate mit Stücken seines vorletzten Soloalbums "Pictured Within" in Australien, gab Lord zusammen mit der lokalen Bluesband The Hoochie Coochie Men im Sydney Opera House ein Konzert, das später auf CD sowie auf DVD erschien. Sein 2005 erschienenes Album "Beyond The Notes" bestand aus genreübergreifenden eigenwilligen Kompositionen. Auf ihm war auch das Stück "The Sun Will Shine Again" zu finden, das Lord für die ehemalige Abba-Sängerin Anni-Frid Lyngstad schrieb und mit dem sich die schwedische Sängerin erstmals seit acht Jahren wieder live zeigte. Zuletzt komponierte Jon Lord zwei weitere klassische Werke: Das "Durham Concerto", das er 2007 zusammen mit dem Royal Liverpool Philharmonic Orchestra in der Kathedrale von Durham gab, war eine Auftragskomposition anlässlich des 175-jährigen Jubiläums der University of Durham. "Boom Of The Tingling Strings" wurde 2008 zusammen mit dem Queensland Orchestra in Queensland uraufgeführt. Am 9. August 2011  - er war gerade mit dem Jon Lord Blues Project auf Tournee - teilte Lord der Öffentlichkeit mit, dass er an Bauchspeicheldrüsenkrebs leide. Weiter sagte er alle Konzerte für das folgende Jahr ab. Am 16. Juli 2012 verstarb Jon Lord im Alter von 71 Jahren an den Folgen der Krankheit in London. Bis zum Schluss hatte er im Studio an seinem letzten Album gearbeitet und auch noch der Abmischung beigewohnt. Nur wenige Tage vor seinem Tod wurde das Projekt fertiggestellt.




Jan 17, 2018


WALLENSTEIN - Cosmic Century (Kosmische Musik KM 58.006, 1973)
 
Im Spätherbst 1971 gründete der Kunststudent und klassisch ausgebildete Musiker Jürgen Dollase die Rockgruppe Blitzkrieg. Mit ihm rüsteten der amerikanische Gitarrist Bill Barone, der holländische Bassist Jerry Berkers und der deutsche Schlagzeuger Harald Grosskopf die Truppe auf. Noch vor dem Jahresende 1971 spielte das so entstandene Quartett die vier Themen der ersten Langspielplatte ein. Da eine britische Band den Gruppennamen Blitzkrieg ebenfalls für sich beanspruchte, entschied sich Jürgen Dollase für den Albumtitel "Blitzkrieg" und den neuen Bandnamen Wallenstein, nach dem gleichnamigen Feldherrn aus dem 30jährigen Krieg. Zwar kam bei "Blitzkrieg" manches schon von anderen Gruppen bekannt vor, das Ganze war aber sehr virtuos gespielt und zeigte auf, wozu die Rockmusik fähig sein konnte, wenn andere Musikrichtungen (hier vorzugsweise Klassik bis zu den modernen Im- und Expressionisten) nicht nur collagenhaft eingebaut, sondern in den Kompositionen weiterverarbeitet wurden. Dollase schuf aus dem Geist der Klassik eine Musik, die sich nur gelegentlich gewisser Formprinzipien der Musiktradition bediente.

Im Frühsommer 1972 nahmen Dollase, Barone, Berkers und Grosskopf das zweite Album "Mother Universe" auf, für dessen Plattenhülle die Grossmutter Dollases abgelichtet wurde. Die französische Popzeitschrift Best kürte "Mother Universe" zur LP des Monats, mit der Begründung, dass die Musik von Wallenstein einmalig seki, weil es der Band perfekt gelänge, eine Synthese von reiner, melodischer Musik und hartem, brutalem Rock und unfassbaren, an Wahnsinn grenzenden Empfindungen zu kredenzen. Innerlich zeigten sich Wallenstein jedoch immer wieder zerrisssen, und auch der grosse Durchbruch war nicht zu schaffen gewesen, weshalb sich der Bassist Jerry Berkers, der mit "Unterwegs" eine eigene Platte veröffentlichte, sich von Wallenstein trennte und in der Folge nur noch solo auftrat. In den nächsten Monaten gastierten Wallenstein mit der Show wie bei Alice Cooper - lackierte Fingernägel, geschminkte Gesichter (Pressetext) als Trio in der Schweiz und in Frankreich. TV-Auftritte im französischen, österreichischen und Schweizer Fernsehen schlossen sich an. Durch die Sendung 'Klatschmohn' und ein 70-minütiges WDR-Porträt wurden Wallenstein auch in Deutschland am Fernsehen vorgestellt. Vom Mai bis zum August 1973 bediente Dieter Meier den Wallenstein-Bass, danach kam Jürgen Pluta in die Band. Im Juni wurde der Geiger Joachim Reiser als fünftes Wallenstein-Mitglied integriert. Mit Pluta und Reiser spielten Wallenstein am 16. September 1973 auf dem German Rock Festival in Krefeld und waren dort eine der grossen Attraktionen. Noch im selben Jahr erschien "Cosmic Century", das dritte Wallenstein-Album und das erste Werk des Symphonischen Rock Orchester Wallenstein.

Nach langer Besinnungszeit spielten Wallenstein als letzte Gruppe des Labels Kosmische Musik im Januar 1975 das Album "Stories, Songs & Symphonies" ein, mit dem Bandchef Jürgen Dollase eine eigene Idee von allverbindender Musik zu verwirklichen suchte. Das Ergebnis, eine unharmonische Mischung aus Klassik, Jazz und Rock, fand jedoch beim Publikum keinen Anklang. Mitte 1975 verliess der Gitarrist Bill Barone die Band in Richtung USA, und auch der Schlagzeuger Harald Grosskopf (später gelegentlich Mitspieler von Klaus Schulze) trennte sich von Wallenstein. Mit den neuen Mitspielern Gerd Klöcker (Gitarre) und Nicky Gebhard (Schlagzeug) erschienen Wallenstein im Herbst 1975 auf einer sehr erfolgreichen Frankreichtournee. Im Frühjahr 1976 verabschiedete sich auch der Geiger Joachim Reiser. Danach wurde es wieder still um Wallenstein. Erst eine Herbsttournee - zu der auch ein gelungener Auftritt beim 'First Dortmunder Rockdream Festival' am 2. Oktober jenes Jahres gehörte - brachte die Band wieder ins Gespräch.

Musikalisch neu gewandet stellten sich Jürgen Dollase (Keyboards), Gerd Klöcker (Gitarre), Jürgen Pluta (Bass) und Nicky Gebhard (Schlagzeug) von Mitte April bis Ende Juni auf einer Deutschlandtournee vor, zu der auch ein Auftritt beim Deutschrock-Festival in Krefeld an Pfingsten gehörte. Auf der gleichzeitig erschienenen LP "No More Love" (dem auf der Plattenhülle abgebildeten Paar fehlten jegliche Geschlechtsteile) stellte sich das Quartett befreit vom Pathos vergangener Tage vor, blieb aber musikalisch flau und konzeptlos. Nach einem Konzert in Hildesheim am 26. Mai 1978 entliess Jürgen Dollase alle Mitspieler und bereitete mit neuen Musikern einen Richtungs- und Stilwandel vor. Mit Joachim 'Kim' Merz (Gesang), Pete Brough (Gitarre), Michael Dommers (Gesang), Terry Park (Bass) und Charly Terstappen (Schlagzeug) nahm er bereits Mitte 1978 zehn Eigenkompositionen auf, die mit den relativ kopflastigen ersten vier Wallenstein-Produktionen nicht zu vergleichen waren. Die Langspielplatte "Charline" machte deutlich, dass sich Wallenstein für einen kommerzielleren Weg mit gradlinigem Rock, einfacher Melodieführung und mehrstimmigen Gesang entschieden hatten.

Am 10. November stellte sich die neue Wallenstein-Besetzung mit dem aktuellen Pop/Rock-Repertoire erstmals öffentlich in der Mönchengladbacher Kaiser Friedrich-Halle vor. Ihr Auftritt am 7. Dezember beim Dortmunder 'Sound & Music Festival' wurde vom WDR aufgezeichnet und in der Rockpalast-Sendung vom 27.Dezember 1978 ausgestrahlt. Nach einer Frühjahrstournee 1979, bei welcher die Gruppe gefeiert wurde wie sonst nur ausländische Bands (Zeitschrift Pop), und einem Auftritt in der Musiksendung 'Disco' kam die Gruppe zu ihrem ersten und einzigen Singlehit: "Charline" kletterte bis auf Rang 17 in den deutschen Popcharts. Im Sog des Single-Erfolges gaben Wallenstein 1979 mehr als 200 Konzerte, so auch etwa am 12. August 1979 auf dem Loreley-Festival und dem Festival in Pforzheim. Dazu kam am 10. August 1979 ein TV-Auftritt in der Sendung 'Szene'. Auch die im Oktober veröffentlichte LP "Blue Eyed Boys" entstand nach dem neuen Dollase-Konzept: "Eine straight spielende Rhythmussektion, ein prägender Lead-Gesang und ein hervorragender Satzgesang". Der gefällig arrangierte und durchsichtig produzierte Pop-Rock war kommerziell überaus erfolgreich. So verkaufte auch die Single-Auskopplung "Don't Let It Be" mehr als 10000 Exemplare.

Ab 1.1.1980 waren Wallenstein bei EMI unter Vertrag. Dort erschien bereits im März das Album "Fräulein"; bestückt laut der Zeitschrift Musik Express mit Pop sauberster Machart. Die Band promotete das neue Songmaterial auf einer grossen Deutschlandtournee und besuchte, gemeinsam mit den Scorpions, auch die Benelux-Länder, Frankreich, Österreich und die Schweiz. Zwischenzeitlich setzte sich der Gitarrist Pete Brough ab, um in Südafrika ein Mitglied der Gruppe Clout zu heiraten. Jürgen Dollase, Texter, Komponist und Produzent aller Wallenstein-Werke, war 1980 Gastdozent an der Pädagogischen Hochschule Aachen. Mit der gegen Ende 1980 veröffentlichten Single "Lady In Blue" kam es zum ersten kommerziellen Einbruch. Auch das Album "Sssss ... top", obwohl deutlich Rock-orientierter konzipiert und weitgehend spieltechnisch hervorragend gestaltet, konnte am schwindenden Hörerinteresse nichts ändern. Von März bis Juni 1981 gingen Wallenstein letztmalig auf Tournee. Dann wurde die Band, wie zahlreiche andere auch, von der Neuen Deutschen Welle überspült. Mit englischen Texten, erkannte Dollase, war nichts mehr zu machen. Die 1982 gestarteten Versuche mit deutschen Textzeilen blieben in der Schublade. Ende 1982 schloss Dollase das Kapitel Wallenstein ab: "Ich denke gern daran zurück, weil ich immer von dieser Musik gelebt habe. Aber nun bin ich froh, dass Schluss ist".


Anfang der 80er Jahre erwachte Jürgen Dollase's Faible fürs Kochen und Geniessen durch einen Besuch in dem Pariser Künstler-Restaurant La Coupole. Daneben widmete er sich ab 1988 intensiv der Malerei, zeigte jedoch seine Ölgemälde keinem Galeristen. Seit etwa 1993 wuchs auch sein Interesse am Kochen. Johannes Gross, der damalige Herausgeber der Zeitschrift Capital, ermutigte ihn in den 90er Jahren zu Publikationen auf dem Gebiet der Gastronomiekritik. Bald darauf begann er mit seiner Tätigkeit als Restaurantkritiker. Er arbeitete unter anderem mit den Meisterköchen Hans Stefan Steinheuer und Ingo Holland zusammen an einem Buchprojekt sowie 2007 mit Joachim Wissler für eine Kochdokumentation im Fernsehen. Dollase veröffentlicht seit 1999 regelmässig gastrosophische Kolumnen und Artikel. Den Anfang machten von 1999 bis 2004 kulinarische Texte und Gastronomiekritiken auf der Seite Stil des Feuilletons der FAZ. Von 2004 bis 2016 schrieb er dort die wöchentliche Kolumne 'Geschmacksache'. Seit 2002 schreibt Dollase auch für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung Gastronomiekritiken (Kolumne 'Hier spricht der Gast') und Serien wie 'Das besondere Restaurant'.

Von 2010 bis 2014 kamen eine kulinarische iPhone-App, von 2010 bis Ende 2015 die Online-Kolumne Esspapier (mit einer wöchentlichen Buchrezension) dazu. Neben der Arbeit für die FAZ schrieb Dollase für den Feinschmecker von 2002 bis 2010 die Serie 'Küchengeheimnisse', deren Rezepte und Analysen teilweise im Feinschmecker-Bookazine Nr. 9 (mit Harald Wohlfahrt) zu finden sind. Ebenfalls im 'Feinschmecker' schrieb er von 2002 bis 2010 die Kolumne 'Wiederbesucht'. In der Kunstzeitung erschien von 2007 bis 2008 die dem Schaffen von Spitzenköchen gewidmete Serie 'Telleranalyse' und von 2008 bis 2009 die Serie 'Fast Forward', die die Kochavantgarde untersuchte. 2008 begann Dollase auch die Zusammenarbeit mit der neu in deutscher Sprache erschienenen Weinzeitschrift 'Fine European Wine Magazin' mit der Serie 'Wein und Speisen'. Seit 2009 schreibt er für das vierteljährlich erscheinende, von Fotograf Thomas Ruhl herausgegebene Magazin 'Port Culinaire' eine Serie über die Avantgarde-Küche.





Jan 15, 2018


THE CHURCH - The Blurred Crusade (Parlophone Records PCSO 7585, 1982)

Eine der schönsten Alternative Rock-Platten mit echtem Jingle Jangle-Flair kam 1982 von der australischen Alternative Rockband The Church, die teils in allerbester Byrds-Manier diesen unverschämt lockeren, fluffigen 60er Jahre Rock-Sound mit den Tamburinen, akustischen und nicht effektüberladenen elektrischen Gitarren und mehrstimmigen Gesangsarrangements auf unwiderstehliche Art beinahe wiederbelebte. Am 22. Februar 1982 veröffentlicht, war dies das zweite Album der Gruppe, die anfänglich unter dem Banner der New Wave einen erdigen und sehr melodiösen Alternative Rock Cocktail mixte, der zwar einerseits zeitgemäss, andererseits aber auch unglaublich zeitlos wirkte. Schon auf dem Erstlingswerk, dem anfänglich nur in Australien und den USA veröffentlichten Album "Of Skins And Heart", das später auch im Rest der Welt unter dem schlichten Titel "The Church" vertrieben wurde, spielte die Band diesen Sound, der bald weltweit viele Fans begeistern würde. Gegründet wurde die Band 1980, spielte erste Gigs mehrheitlich im Raum Sydney, schuf sich aber innert kürzester Zeit eine beachtliche Fangemeinde und es dauerte nicht lange, dass die Gruppe einen Plattenvertrag ergattern konnte, der zu den Aufnahmen für das erste Album führte, das auch gleich nach der Veröffentlichung in die Top 30 gelangte. Die ausgekoppelte erste Single "The Unguarded Moment" erreichte gar Rang 22 in den australischen Charts. Schon das zweite Album "The Blurred Crusade" erklomm die Top 10 und die Single "Almost With You" schaffte es auf Platz 21. Zu diesem Zeitpunkt bestand die Band aus dem Leadsänger, Gitarristen, Bassisten und Keyboarder Steve Kilbey, dem Lead Gitarristen Peter Koppes, dem Gitarristen Marty Willson-Piper und dem Schlagzeuger Richard Ploog, der den ausgeschiedenen Original-Drummer Nick Ward ersetzt hatte.

Die Band präsentierte mit ihrem Album "The Blurred Crusade" zu einer Zeit, in welcher es chic wurde, synthetische Klänge zu produzieren, mehrheitlich mit elektronischen Keyboards und Schlaginstrumenten zu experimentieren ein Album, das so ziemlich konträr zu diesen angesagten musikalischen Strömungen stand. Das Album klang äusserst bodenständig, erinnerte frappant an die Byrds ("Almost With You", "Just For You"), verströmte aber auch das Rock-Flair etwa von Tom Petty & The Heartbreakers, so etwa in den Stücken "Field Of Mars" oder "You Took". Hauptsongschreiber war Steve Kilbey, der stets auf eine warme und erdige Umsetzung seiner Kompositionen wert legte und dabei vor allem den eingesetzten Gitarren möglichst wenig Effekte beimischte, um einen unverzerrten reinen Klang (das typische Jingle Jangle Feeling) zu erzielen. Gerade diese Schlichtheit in der instrumentalen Umsetzung macht die Platte wohl letztlich so zeitlos. Sie könnte aufgrund der Song-Arrangements gleichermassen von Ende der 60er Jahre stammen, wie sie beispielsweise auch erst dieses Jahr hätte erschienen sein können. Solche Musik damals zu produzieren war sicherlich nicht ganz einfach, da viele Plattenfirmen, Toningenieure und auch Musiker gerne mit den neuesten technischen Möglichkeiten experimentieren wollten. Der Begriff Alternative Rock hat ja bis heute nichts von seinem leicht negativen Beigeschmack verloren, wonach es sich dabei um Musik handeln könnte, die vielleicht nicht für Jedermann's Geschmack gemacht ist. Schon deshalb würde ich persönlich die Band The Church nicht wirklich als alternative Rock Band bezeichnen, denn dafür sind ihre Stücke einfach insgesamt zu eingängig, zu leichtfüssig und zu bodenständig.


Beim zweiten Album "The Blurred Crusade" war erneut, wie bereits beim Debutalbum, Bob Clearmountain wieder der Mixer und er trat diesmal auch als Produzent auf. Es war dabei musikalisch und stilistisch von einer Konsistenz und Komplexität, auf die das Vorgängeralbum nicht annähernd hingedeutet hatte. Die Lieder waren sehr gut abgemischt, die Gitarrenarrangements anspruchsvoller und die Komposition ausgefeilter. Richard Ploogs weiches Schlagzeugspiel, das mehr Betonung auf die Toms legte, passte wesentlich besser zum sich entwickelnden Bandstil als das seines Vorgängers. Mit "Almost With You" gab es zudem die zweite Hit-Single der Band, die in den australischen Charts bis auf Platz 21 kletterte − sicherlich eines der typischsten Lieder von The Church aus dieser Phase. Aufgrund des erneuten Erfolges ging die Band auf eine zweite Australien-Tournee. Auch in Europa erschien das Album und verkaufte sich so gut, dass Ende 1982 die erste mehrmonatige Tour durch Europa startete. Die Band hatte 1982 ausserdem fünf Demostücke für ihr US-amerikanisches Label Capitol Records aufgenommen, das "The Blurred Crusade" nicht veröffentlicht hatte und weitere Aufnahmen der Band hören wollte. Dort konnte man mit diesen Demos jedoch nichts anfangen und liess die Band fallen. Steve Kilbey wollte die Lieder aber trotzdem veröffentlichen und so erschien Ende 1982 in Australien die EP "Sing-Songs". Im Vergleich zu "The Blurred Crusade" war diese EP eher spartanischer instrumentiert und abgemischt. Die EP ging mehr oder weniger unter, wurde später aber zu einer der meistgesuchten Platten der Band. Drei Stücke schafften es im Laufe der Jahre auf Compilations, aber erst 2001 waren mit der Veröffentlichung der CD "Sing-Songs / Remote Luxury / Persia" alle Stücke wieder auf einem Tonträger in der ursprünglichen Reihenfolge erwerbbar.

Im Mai 1983 wurde "Seance" veröffentlicht, das dritte Album der Band. The Church produzierte erstmals selbst, der Mix jedoch wurde von Nick Launay durchgeführt. Er mischte über das Schlagzeug, vor allem über die Snare, einen leicht verzerrten, stakkatoartigen Sound, mit dem die Band nicht zufrieden war. Sie forderten Launay auf, die Stücke neu abzumischen, der diese Effekte aber nur ein bisschen zurückdrehte. Man kann das besonders bei der Single "Electric Lash" sehr deutlich hören. Richard Ploog fand den Sound scheusslich und die Band soll dazu gesagt haben, dass das Resultat nicht The Church wäre. Es enthielt aber zum Beispiel mit "Now I Wonder Why" und "Fly" trotzdem einige Lieder, die als absolut typisch für The Church galten. Insgesamt kam das Album nicht so gut an wie die Vorgängeralben, weil es düsterer und kryptischer war. Es verkaufte sich schlechter und die Käufer fingen an, das Interesse an der Band zu verlieren. Die Musikpresse in Europa und den USA jedoch war begeistert und das Creem Magazine in den USA betitelte die Band als eine der besten der Welt.

Steve Kilbey schrieb für "Seance" den Hauptteil der Songs und hatte dafür insgesamt zwanzig Stücke zu Hause auf seiner 4-Spur-Maschine aufgenommen. Er ermutigte die anderen Bandmitglieder jedoch, eigene Songs zu komponieren. Ihm war klar, dass es auf die Dauer nicht gut gehen kann, wenn die anderen Bandmitglieder immer gesagt bekommen, was sie spielen sollen. Am Ende gelangte aber trotzdem nur ein Stück auf das Album, das nicht nur von ihm geschrieben war: das sehr experimentelle "Travel by Thought". Kilbey und Willson-Piper hatten für dieses Album auch das Stück "10,000 Miles" gemeinsam komponiert, es wurde vom Plattenlabel jedoch als unbrauchbar angesehen, was Kilbey sehr verärgerte, da er das Stück als essentiellen Bestandteil des Albums ansah. Später kam es dann aber doch noch auf dem Album "Remote Luxury" heraus. 1984 wurden die beiden EPs "Remote Luxury" und "Persia" in Australien veröffentlicht, waren jedoch kommerziell nicht sonderlich erfolgreich. Im Vergleich zu "Seance" waren die Lieder nicht so düster, sondern poppiger und wurden durch die Keyboards des Gastmusikers Craig Hooper ergänzt. Mit "No Explanation" gab es sogar so etwas wie einen fröhlichen, lockeren Sommersong. "Maybe These Boys" war wiederum eines der atypischsten Stücke der Band und wurde in Fankreisen und von der Band als misslungen angesehen. Wieder wurden fast alle Stücke nur von Kilbey geschrieben.


Ausserhalb Australiens kamen diese beiden EPs zusammen als ein Album heraus, das den Titel "Remote Luxury" trug. In den USA war das die erste Veröffentlichung seit dem Debütalbum. Aufgrund des dort geweckten Interesses folgte die erste Tournee durch die USA im Oktober/November 1984. In New York und Los Angeles kamen jeweils 1000 Besucher pro Auftritt, an anderen Orten dagegen teilweise nur 50. Die Tour endete daher finanziell verlustreich. Insgesamt war die Band 1984 auf ihrem ersten kleineren Tiefpunkt angelangt. Die Erfolge der ersten beiden Alben hatten sich nicht wiederholen lassen und die Kreativität der Band liess nach. Steve Kilbey war der Ansicht, "Seance" und "Remote Luxury" hätten bessere Alben werden können, als sie es tatsächlich waren. Sein Songwriting sei damals schlechter geworden, die Band habe schlechter gespielt und sie seien in einem Meer von Apathie und nachlassendem Enthusiasmus versunken. 1985 wurde es dann zunächst ruhig um die Band. Die einzelnen Bandmitglieder verbrachten ihre Zeit in Stockholm, Sydney und auf Jamaika. So war die einzige Veröffentlichung des Jahres das erste Solowerk von Steve Kilbey: die Single "This Asphalt Eden". 1986 erschien mit "Heyday" eine Platte, mit der eine Vollendung des individuellen Stils angestrebt war. Übersetzt bedeutete der Titel etwa Blütezeit oder Hochgefühl und drückte damit treffend aus, dass die Band mit diesem Album ihre volle Kreativität wiedererlangt hatte. Zum ersten Mal wurden fast alle Lieder von der Band gemeinsam geschrieben. Produzent Peter Walsh hatte die Stilelemente geschickt zusammengemischt und einen sehr warmen, organischen Sound produziert. Unterstrichen wurde dies mit dem Ersatz der Keyboards durch echte Streicher und Bläser. Viele Feinheiten der Stücke erschlossen sich erst nach mehrmaligem Anhören. Aus künstlerischer Sicht war es das bis dahin ausgereifteste Album der Band und stilistisch ebnete es den Weg für die nachfolgenden Platten.

Nachdem das Album auch in Europa und den USA herausgekommen war, wurde es von der dortigen Musikpresse als Klassiker bezeichnet. Im April 1986 begann die Band eine mehrmonatige Tournee durch diese Gebiete. Dabei verliess Marty Willson-Piper für eine Woche die Band, sodass der Auftritt am 10. Juni 1986 in Hamburg ohne ihn stattfand. Die Gründe dafür waren Spannungen innerhalb der Band, die sich aufgrund vieler kleiner Frustrationen während der langen Europa-Tournee aufgebaut hatten. Auch dieses Album war in Australien kommerziell nicht erfolgreich genug und als Folge davon liess EMI die Band fallen. Die Pläne des Plattenlabels für ein Live-Doppelalbum namens "Bootleg" wurden ebenfalls gestrichen. Die Situation der Band stellte sich in Australien als zunehmend schwierig heraus. Sie waren in den USA und Europa zu dem Zeitpunkt wesentlich erfolgreicher. Ein Wunsch der Band war es schon seit längerem gewesen, in Europa aufzunehmen − nicht aufgrund besserer technischer Möglichkeiten, sondern wegen der anderen Atmosphäre. Und mit dem Verlust des Vertrages mit EMI ergab sich nun die Möglichkeit, wenn auch nicht in Europa, so doch in den USA: Arista Records nahm die Band 1987 für vier Alben unter Vertrag. Auch andere Plattenlabel hatten Interesse gezeigt, das Angebot von Arista war für die Band jedoch am attraktivsten.

1988 war das Jahr des grossen kommerziellen Erfolges der Band. Mit dem Album "Starfish" und der Single "Under The Milky Way" gelang ihr der bisher grösste Hit, der weltweit in verschiedensten Charts vertreten war. Die Single war und ist eines der zugänglichsten Lieder, das die Band je geschrieben hat, und kam auch bei einer breiteren Masse an Hörern an. In den USA war es ein Dauerbrenner bei den College-Radiosendern. 1989 wurde es als beste Single mit dem ARIA-Award der Australian Recording Industry Association ausgezeichnet. Der warme, weiche Mix des Liedes kombinierte die sonore Stimme Kilbeys geschickt mit der eingängigen Akkordfolge der Akustikgitarre, dem zurückhaltenden Schlagzeug und der verspielten E-Gitarre. Die ansonsten eher kryptischen Texte Kilbeys erwiesen sich hier als Glücksfall: Der Refrain war mit dem Text "Wish I knew what you were looking for, might have known what you would find" einerseits offen und interpretierbar. Andererseits hatte er aufgrund seiner Einfachheit sowie der Bilder und Emotionen, die beim Hörer ausgelöst werden konnten, einen hohen Wiedererkennungs- und Identifikationswert. Dieser grosse Erfolg kam überraschend, auch wenn die Produzenten das Potential des Liedes erkannt und ihm besonders viel Aufmerksamkeit geschenkt hatten. Kilbey hatte mehrfach betont, dass er nicht gezielt Hits schreiben könne. Wenn er wüsste wie es ginge, würde er es tun. Und als er es mal versucht habe, sei es ein totaler Misserfolg gewesen. Er weigerte sich jedoch zu sagen, welches Album und welche Stücke er damit meinte.

Das Album wurde in Los Angeles von Waddy Wachtel und Greg Ladanyi produziert, aufgenommen und abgemischt. Die Zusammenarbeit mit ihnen war für die Band eine grosse Herausforderung, da es eine Reihe von Konfliktebenen gab. Kilbey: "Das war australische Hippies gegen Westküsten-Leute, die genau wissen, wie sie die Dinge erledigt haben wollen. Wir waren undisziplinierter als ihnen lieb war". Kilbey sah das aber nicht als Nachteil an, sondern als eine aufgrund dieser Konflikte fruchtbare Zusammenarbeit, die das Album sehr positiv beeinflusst hätte: "Ich glaube nicht, dass wir die besten Freunde wurden. Aber das ist nicht das Entscheidende. Entscheidend ist das Album. Die Idee war, all ihr Wissen zu nutzen, um das Album zu machen, das wir schon immer machen wollten". Sie waren durch die Produzenten auch dazu gebracht worden, Techniken zu benutzen, die sie vorher vermieden hatten. Unter anderem musste Steve Kilbey Gesangsunterricht nehmen, was seiner Stimme sehr zugutekam. Rückblickend hielt Kilbey diese Gesangsstunden für sehr wichtig, weil er dadurch eine Menge darüber lernte, was er mit seiner Stimme machen konnte. Er sei bis dahin davon ausgegangen, alles über Gesang zu wissen und nichts dazulernen zu können, sodass er durch diese Erfahrung auch für andere Bereiche eine neue Offenheit an den Tag legte. Der Aufenthalt der Band in Los Angeles war ein weiterer Aspekt, der das Album stark beeinflusst hatte. Dazu Steve Kilbey: "The Church kamen nach Los Angeles und lehnten sich gegen den Ort auf, weil uns niemand wirklich mochte. Ich hasste, wo wir lebten, ich hasste dieses scheussliche rote Auto, mit dem ich auf der falschen Strassenseite herumfahren musste. Ich hasste, dass niemand zu Fuss unterwegs war, und ich vermisste mein Zuhause". Und weiter: "Ein Grossteil der Texte von "Reptile", "Lost", "Destination" und "North, South, East, West" war davon beeinflusst.“

Im Vergleich zu den Vorgängeralben konzentrierte sich der Sound von "Starfish" wieder deutlicher auf die Gitarren. Kilbey: "Die elektrische Gitarre ist das ausdrucksstärkste Instrument, das es gibt. Die ganzen Keyboards, Bläser und Streicher haben unsere vorherigen Alben ruiniert". Die Produktion dauerte länger als bei den anderen Alben und die Aufnahmen wurden nach einer langen Probephase von vier Wochen überwiegend live durchgeführt. Ziel war es, den dynamischen Live-Sound der Band so gut wie möglich einzufangen. Aus Sicht der Band wurde dieses Ziel nur zum Teil erreicht. Willson-Piper sagte dazu, dass der entscheidende Unterschied zwischen einem echten Live-Auftritt und dem Versuch, eine entsprechende Atmosphäre auf einem Studioalbum herzustellen, die Tatsache sei, dort zu sein − den Auftritt in dem Moment zu sehen und zu hören, in dem er geschieht. Den Mix des Albums hielt die Band insgesamt für nicht so gelungen, da dieser relativ simpel und nicht mehrschichtig war.Beflügelt vom "Starfish"-Erfolg ging die Band nach einer äusserst aufreibenden, neunmonatigen Welttournee wieder ins Studio. Arista Records erwartete ein ebenso erfolgreiches Nachfolgealbum. War "Under The Milky Way" ein Zufallshit, so wurde diesmal genauer geplant. Der ehemalige Led Zeppelin Bassist und Arrangeur John Paul Jones war an die Band herangetreten und erklärte sich bereit, zu produzieren. Jones galt bereits als höchst innovativer, anspruchsvoller Produzent, der sich auch entsprechend rar machte. Die Band war begeistert, doch die Plattenfirma untersagte ihnen, mit Jones zu arbeiten. Da man den Erfolg von "Starfish" reproduzieren wollte, sollten The Church erneut im kalifornischen Los Angeles mit Waddy Wachtel aufnehmen.

Das neu entstandene Songmaterial unterschied sich deutlich von den "Starfish"-Stücken. Es dominierte natürlich wieder das Zusammenspiel der Gitarristen. Statt der dichten, psychedelischen Arrangements auf "Starfish" erschienen die neuen Stücke durchsichtiger, sparsamer arrangiert. Verstärkt setzten sie Akustikgitarren ein, was zu einem insgesamt sanfteren Klang führte. Dieser wurde jedoch auf einigen Songs mit Ambient-Klangeffekten angereichert, die aus einem David Lynch Film hätten stammen können: klirrendes Metall, Windrauschen und quietschende Maschinenteile. Steve Kilbeys Texte hatten diesmal jedoch eine ganz andere Färbung als die von Fernweh und Geheimnis geprägten Texte des Vorgängeralbums. Das Eröffnungsstück "Pharoah" war eine pechschwarze, kaum verklausulierte Auseinandersetzung mit den Erfolgsmechanismen der Musikbranche. Auch auf anderen Stücken liess sich ein resignierender Ton feststellen ("Monday Morning"). Dazu kamen von Science Fiction ("Essence") und Drogen ("Terra Nova Cain") inspirierte Passagen, die Kilbey frei assoziativ verknüpfte. Während der Aufnahmen zu dem Album, das "Gold Afternoon Fix" heissen sollte, wurde mehr und mehr deutlich, dass Schlagzeuger Richard Ploog zu einem Unsicherheitsfaktor geworden war. Alle Bandmitglieder hatten nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass Drogen im kreativen Prozess von The Church eine wichtige Rolle spielten. Ploogs Drogenabhängigkeit und ein sich rapide verschlechterndes Verhältnis zu Kilbey führten dazu, dass er von den Aufnahmen praktisch ausgeschlossen wurde. Ploog wurde nicht durch einen Session-Schlagzeuger oder eine neue Festbesetzung ersetzt, sondern Wachtel liess seine Schlagzeug-Sounds sampeln. Aus den digital gespeicherten Drumsounds wurde auf den meisten Liedern die Schlagzeugspur konstruiert. Der offizielle Standpunkt der Band war später, dass auch die anderen Mitglieder eher widerwillig an die Arbeit gegangen waren: Willson-Piper war im Begriff, Vater zu werden, und Kilbey war von Beziehungsproblemen gebeutelt.

Das Ergebnis dieser Widrigkeiten war eine Platte, die weder den Erfolgserwartungen noch den Ansprüchen der Band gerecht wurde. "Gold Afternoon Fix" warf mit "Metropolis" und dem zynischen "You’re Still Beautiful" zwei kleinere Hits ab, die jedoch beide nicht im Entferntesten an den Erfolg von "Under The Milky Way" und "Starfish" anschliessen konnten. Trotzdem wurden allein in den USA mehr als 200000 Exemplare des Albums verkauft. Der starke geschäftliche Druck und die privaten Probleme hatten aber ihre Spuren hinterlassen. Bandinterviews aus dieser Zeit zeigten dazu mehr als einmal eine äusserst gereizte Band. Vor allem Steve Kilbey vergraulte durch seine schlichte Weigerung, längere und zusammenhängende Antworten auf Fragen zu geben, zahlreiche Journalisten, was in einem gemischten Presse-Echo resultierte. Nach der Veröffentlichung ging die Band gut zwei Jahre lang auf Tournee. Richard Ploogs Platz am Schlagzeug übernahm der Patti Smith-Schlagzeuger Jay Dee Daugherty (Smiths Karriere hatte seit 1988 geruht). Kilbey bewertete "Gold Afternoon Fix" schon bald darauf als eine sehr gewöhnliche, uninspirierte Platte. "Sie war irgendwie zusammengeschustert und wir haben sie mit einem Produzenten gemacht, mit dem wir eigentlich nicht arbeiten wollten, wir waren an einem Ort, an dem wir nicht sein wollten; so ist das alles auseinandergefallen und sie war ganz einfach eine miserable Platte".

Die Arbeit am Folgealbum gestaltete sich nach dem Desaster von "Gold Afternoon Fix" sehr entspannt. Da der Erfolgsdruck nach der kommerziell enttäuschenden Platte eher niedrig war und die Band nicht mehr um jeden Preis einen Hit landen musste, liess man sie im Wesentlichen unbeobachtet. Jeden Tag traf man sich im Studio 301 in Sydney und improvisierte. Aus einer Vielzahl von Fragmenten, Ideen und Akkordwechseln kristallisierten sich einzelne Songs heraus, an denen dann gefeilt wurde. Willson-Piper schlug dazu vor, die Lieder mit kryptischen Ein-Wort-Namen zu benennen, die dem Hörer schon beim Lesen zum Herstellen von Assoziationen anregen sollten. Über die Improvisationen führte der schottische Produzent Gavin MacKillop Aufsicht. Die Bandmitglieder äusserten sich schon während der Arbeit sehr zufrieden mit Songmaterial und Produktion. Nach drei Monaten war das Album fertiggestellt. Der mysteriöse Titel "Priest=Aura" war zufällig entstanden: Ein spanisch sprechender weiblicher Fan hatte sich mit Kilbey unterhalten und ihm fiel auf, dass die Frau ein englisches Vokabelheft führte, in dem "priest = cura" eingetragen war. Kilbey hatte cura, das spanische Wort für Priester schlicht falsch als aura gelesen. Da die Betitelung der Songs ohnehin frei assoziativ war und Kilbey die Rolle des ungesteuerten Zufalls bei der Entstehung von Texten und Musik stets betonte, passte "Priest=Aura" ins Konzept. "Priest=Aura" übertraf in den Dimensionen jedes bis dahin entstandene The Church Album. Es enthielt 14 Songs mit einer durchschnittlichen Spieldauer von gut sechs Minuten, darunter das ausufernde, neunminütige Noise-Experiment "Chaos". MacKillop hatte die Band dazu angeregt, die Stücke in absoluter Freiheit aufzubauen und ermutigte sie zu Experimenten. Nicht zu unterschätzen ist der kreative Input von Jay Dee Daugherty, der nicht nur Schlagzeug, sondern auch Bass und Keyboardstimmen beitrug. Sein Spiel unterschied sich massiv von Richard Ploogs recht geradlinigem Stil. Daugherty verwendete das Schlagzeug wie ein orchestrales Instrument und spielte sehr detailreich, mit vielen Off-Beats und zahlreichen Perkussionsinstrumenten, was die ausgefeilten Gitarrensätze von Koppes und Willson-Piper ergänzte.


Willson-Pipers Spiel hatte eine neue Qualität erreicht, möglicherweise bedingt durch seine Erfahrungen mit der Gruppe All About Eve, bei der er seit 1991 festes Bandmitglied war. Auf deren 91er Album "Touched by Jesus" arbeitete Willson-Piper bei zwei Stücken mit David Gilmour zusammen, was diesen Entwicklungssprung erklären könnte. Um auch als Sologitarrist einen orchestralen Sound zu erreichen, hatte Willson-Piper auf "Priest=Aura" mit verschiedensten Effektgeräten experimentiert. Besonders auffällig ist der Einsatz eines Volume-Pedals, mit dem er Einzelnoten und Akkorde stufenlos ein- und ausblenden konnte und das auf dem Album stilbildend ist. Koppes sorgte hingegen für einen elegischen, streicherartigen Hintergrund und düster-rockige Rhythmen. Vom Standpunkt eines Major-Labels musste "Priest=Aura" im Vergleich zu "Starfish" als Flop gelten. Die Band selbst bezeichnete die Platte jedoch noch heute unverändert als künstlerischen Triumph und definitives The Church Album. Obwohl die Konzerte recht erfolgreich waren, sollte es bald nach "Priest=Aura" zum grössten Einschnitt der Bandgeschichte kommen. Angesichts der desolaten Finanzlage war Daugherty nicht dazu bereit, festes Mitglied zu werden. Nach der Tour stieg auch Gründungsmitglied Peter Koppes aus. Kilbey mutmasste: "Er hatte genug. Er hatte die Nase voll. Was letztendlich den Ausschlag gab war, dass wir getourt sind und es war komplett ausverkauft. Jede Nacht ausverkauft. Und dann beenden wir die Tour, es ist trotzdem kein Geld da und Peter fragt sich ‚Warum mach ich das eigentlich ?‘ Ich meine auch, dass er glaubte, einen Durchbruch als Solokünstler schaffen zu können, aber ich denke nicht, dass das so gelaufen ist, wie er sich das ausgedacht hatte". Einen weiteren sehr wichtigen Grund für den Ausstieg sah Kilbey in der unterschiedlichen Rezeption der Persönlichkeiten von Koppes und Willson-Piper und wie sich dies in Rezensionen und Artikeln niederschlug. Koppes war der eher ruhige und zurückhaltende Typ, während der Showman Willson-Piper vor allem live auf der Bühne auffälliger war. Konkret zeigte sich diese Rezeption in den Liner Notes zu dem Best Of Album "Almost Yesterday", in denen Koppes vorgehalten wurde, er wäre während der ersten Alben in einer Blues-Band besser aufgehoben und Willson-Piper der entscheidende Gitarrist gewesen. Kilbey betonte, dass gerade Koppes in der Anfangszeit der mit Abstand fähigste Musiker von ihnen gewesen sei. Schrieb Kilbey die Songs, war Koppes der Hauptverantwortliche für das Arrangement der früheren Platten.

Zunächst wurde wieder eine Phase mit vielen Soloprojekten eingelegt. Koppes versuchte sich an einer Solokarriere und scharte eine neue Band namens The Well um sich. Mit The Well verwirklichte er nach dem hochkomplexen "Priest=Aura" eher simple, psychedelische Rocksongs. Willson-Piper nahm mit All About Eve das Album "Ultraviolet" auf. Es führte die psychedelischen Experimente von "Priest=Aura" fort, verband sie mit Shoegazing-Elementen und bedeutete für All About Eve den kommerziellen Tod. Kilbey arbeitete mit Grant McLennan an einem zweiten Jack Frost Album namens "Snow Job", das erst 1996 erschien. Kilbey und Willson-Piper beschlossen, The Church als Zwei Mann-Projekt unter Einbeziehung von Gastmusikern weiterzuführen. Immer noch mit einem Plattenvertrag im Rücken, bauten sie Songs auf einem neuen Prinzip auf. Jeder Musiker spielte eine Vielzahl von Spuren ein, von denen schliesslich eher etwas subtrahiert wurde. Diese Arbeitsmethode verglichen die Musiker mit der Schaffensweise eines Bildhauers. Sie strebten eine Neuerfindung des The Church Sounds an, offen für unterschiedliche Stile, freie Songstrukturen und unkonventionelle Instrumentierungen. Marty Willson-Pipers Jugendfreund Andy Dare Mason, der schon dessen Soloalben produziert hatte, ergänzte das Produktionsteam. Zahlreiche Sessionmusiker erweiterten die Klangpalette. Folgenreich sollte die Berufung des neuseeländischen Schlagzeugers Tim Powles sein, der schon beim Jack Frost Projekt getrommelt hatte und später festes Mitglied von The Church werden sollte. Obwohl "Sometime Anywhere" von der Kritik weitgehend positiv aufgenommen wurde, wurde die Fangemeinde durch die Dominanz elektronischer Experimente eher abgeschreckt. Einen Gegensatz zum komplexen Sound der Platte bildete die Tournee. Ursprünglich waren ausgewachsene Konzerte mit Kilbey, Willson-Piper und Gastmusikern an Klavier, Schlagzeug und Violine geplant. Nachdem absehbar war, dass auch "Sometime Anywhere" floppen sollte, war die Band jedoch ihren Plattenvertrag und die finanzielle Unterstützung los. Kilbey und Willson-Piper zogen daher als Akustikgitarren-Duo durch kleinere Clubs und Kneipen.

Nach dem Verlust des Plattenvertrages schienen The Church am Ende zu sein. Kilbey und Willson-Piper begannen jedoch auch ohne Vertrag mit neuen Aufnahmen. Das Konzept eines Kernduos mit Gastmusikern wurde fortgesetzt und führte 1996 zu der Veröffentlichung des Albums "Magician Among The Spirits" auf dem eigenen Label Deep Karma. An diesem Album wirkten unter anderem die Utungan Percussionists, die Geigerin Linda Neil und wiederum Tim Powles mit. Dass Peter Koppes bei drei Songs als Gastmusiker und Co-Autor aufgeführt war, löste in Fankreisen Spekulationen über eine Rückkehr des Gitarristen aus. "Magician Among The Spirits" wurde von Steve Kilbey als ein Haufen Schrott bezeichnet. Das Album wies aber deutlich auf eine erneute Rückkehr zu gitarrendominierten Arrangements hin. Neu war der stärkere Krautrock-Einfluss. Das Titelstück von gut einer Viertelstunde Laufzeit kombinierte psychedelische Gitarrenklänge mit Ambient-Music. Die Platte enthielt erstmals seit 1982 eine Coverversion: mit "Ritz" nahmen The Church ihre Variante eines Steve Harley-Songs auf. Der Produzent Simon Polinski, der sich vor allem mit der Aboriginal-Band Yothu Yindi einen Namen gemacht hatte, produzierte dieses Gitarrenalbum im Grunde wie eine Ambient-Platte. Aufsehen erregte vor allem die Single "Comedown", die an den reinen Gitarrenklang der Blurred Crusade-Ära erinnerte. Das Album war schon allein dadurch zum Scheitern verurteilt, dass es über praktisch keinen Vertrieb ausserhalb Australiens verfügte. In Amerika und Europa war die Platte schon kurz nach Veröffentlichung wieder aus den Katalogen gestrichen worden. Der amerikanische Vertrieb machte pleite, sodass die Band um zahlreiche Kopien der CD kam, ohne bezahlt zu werden. Insgesamt lieferte die Band 25000 CDs an den amerikanischen Vertrieb, wofür sie 250000 australische Dollar bekommen sollte. Die genauen Zahlen der Verluste für die Band sind nicht offiziell bekannt, gingen aber mindestens in die zehntausende und beliefen sich möglicherweise auf bis zu 200000 australische Dollar. Für eine kleine Band wie The Church bedeutete dies fast den Todesstoss.

Insgesamt befand sich die Band, oder was davon übrig war, zu diesem Zeitpunkt am absoluten Tiefpunkt ihrer Karriere. Dazu Kilbey im Mai 1996: "Dies könnte sehr gut das Ende sein. Die Dinge brechen auseinander. Der Kern zerfällt. Unser Management, die ganze Sache ist zusammengebrochen. Wir haben keinen Plattenvertrag. Man schuldet uns sehr viel Geld und wir sind pleite. Wir versuchen über Anwälte, dieses Geld wiederzubekommen. Marty und ich haben keinen Kontakt mehr. Niemand managt uns im Moment. Dies könnte also wirklich das letzte Album gewesen sein". "Magician Among The Spirits" galt als Werk des Übergangs. Zum einen war Peter Koppes wieder in der Band präsent, zum anderen stellte sich immer deutlicher heraus, dass Tim Powles permanentes Mitglied geworden war und ein Schritt zurück vom Projekt zur Band möglich wäre. Die ungünstigen Umstände stellten diese Entwicklungen jedoch vorerst in Frage. Erneut folgte eine aktive, von Soloarbeiten ausgefüllte Phase. Der Workaholic Willson-Piper arbeitete innerhalb eines Jahres mit Brix Smith (The Fall, Adult Net), Linda Perry (4 Non Blondes), Cinerama und dem eigenen Projekt Seeing Stars (in der Besetzung von All About Eve ohne Sängerin Julianne Regan). Dazwischen entstanden Songs für ein Soloalbum. Kilbey schrieb den Soundtrack für den australischen Film 'Blackrock' und nahm mit seinem Bruder Russell ein Ambient-Album namens "Gilt Trip" auf. Folgenreicher sollte ein Projekt werden, welches im Prinzip The Church ohne Marty Willson-Piper war. Zusammen mit Tim Powles und Peter Koppes nahm Kilbey in wenigen Sessions genügend Material für eine komplette CD auf, die 1997 unter dem Bandnamen The Refo:mation und dem exzentrischen Titel "Pharmakoi/Distance-Crunching Honchos With Echo Units" erschien. "PDCHWEU", wie die CD in Fankreisen genannt wird, bündelte die ausufernden psychedelischen Experimente von "Magician Among The Spirits" in knapperen Songs. Peter Koppes erhielt viel Raum für sein Gitarrenspiel und zeigte, dass sein filigraner, klangflächenbetonter Stil durchaus ein Album zu tragen vermochte. Nach Aussage Kilbeys wurde dieses Album nur aus Freundlichkeit gegenüber Willson-Piper nicht unter dem Namen The Church veröffentlicht.

Es war vor allem Schlagzeuger Tim Powles, der die Band überzeugte, wieder zusammenzuarbeiten, und aktiv die Spannungen zwischen den Mitgliedern zu beseitigen versuchte. Koppes und Willson-Piper hatten Differenzen, da zumeist Willson-Piper im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stand. Und auch Kilbey und Willson-Piper hatten ihre Zusammenarbeit beendet. Mehrere erfolgreiche Konzerte in voller, elektrischer Besetzung folgten, doch Steve Kilbey gab dennoch das bevorstehende Ende der Band bekannt: Ein würdiges Abschlussalbum sollte es geben und The Church damit endgültig aufgelöst werden. Dieses Album sollte laut Kilbey ihr "Dark Side of the Moon" werden und trug den Arbeitstitel "Au Revoir Por Favor". Das Abschiedskonzert in Sydney war jedoch ein so durchschlagender Erfolg, dass vom Ende der Band nicht mehr die Rede war. Das entstehende Album sollte zunächst "Bastard Universe" heissen, was Willson-Piper aber zu negativ war. Man entschied sich schliesslich für den Titel "Hologram Of Allah". Aus Sorge über eine mögliche Fatwa wurde der Titel dann noch einmal in "Hologram Of Baal" geändert. Das Album war die erste selbstproduzierte Platte (Tim Powles hatte Erfahrungen als Produzent gesammelt und war im Begriff, sein eigenes Studio aufzubauen). "Hologram Of Baal" bedeutete eine Rückkehr zum klassischen, songorientierten The Church Sound, nahm aber verstärkt Einflüsse der 70er Jahre mit auf. Diese Platte enthielt mit "Glow Worm" nach 18 Jahren Bandgeschichte das erste reine Liebeslied aus Kilbeys Feder. Eine limitierte Auflage enthielt die fast achtzigminütige Bonus-CD "Bastard Universe" – eine mitgeschnittene Jam Session, die an den psychedelischen Progressive- und Krautrock der 70er Jahre erinnerte.

Nicht einmal ein Jahr später erschien die nächste Platte: das Cover-Album "Box Of Birds". Coverversionen waren bis auf zwei Ausnahmen auf den regulären Alben nicht vertreten; auf Konzerten spielten The Church aber nicht selten Versionen fremder Songs, etwa T. Rex’ "Life’s A Gas", Patti Smiths "Dancing Barefoot", Neil Youngs "Cortez The Killer" oder Hawkwinds "Silver Machine". Eigentlich hatten sie ein Live-Album geplant, ausserdem sollten zwei Coverversionen exklusiv im Fanzine 'North, South, East and West' veröffentlicht werden. Nachdem die Live-Platte trotz vorhandenen Materials nicht realisiert worden war, beschloss die Band, weitere acht Coversongs aufzunehmen und ein komplettes Album zu veröffentlichen. Die ungewöhnliche Auswahl der Songs warf ein überraschendes Licht auf Lieblingsplatten und Einflüsse: psychedelische Musik der 60er und 70er Jahre, Glam, Post Punk und Progressive Rock. Die ausgewählten Künstler: The Sensational Alex Harvey Band, The Beatles, Ultravox, Iggy Pop, Mott The Hoople, Hawkwind, Neil Young, Kevin Ayers, Television, The Monkees. "Box Of Birds" verfügte über zehn verschiedene, von Fans gestaltet Covermotive. Die Tournee wurde weitergeführt. Dabei erschien im Oktober 1999 Steve Kilbey nicht zu einem Konzert im New Yorker Ballroom. Er war verhaftet worden, als er versuchte, auf der Strasse Heroin zu kaufen. Die übrigen Bandmitglieder spielten das Konzert trotzdem: Willson-Piper spielte ein kurzes Solo-Set, dann traten die übrigen Musiker auf; ein Roadie übernahm die Bassparts und Willson-Piper improvisierte sich durch Kilbeys Texte. Kilbey verbrachte eine Nacht im Gefängnis und wurde dazu verurteilt, einen Tag lang die U Bahn-Stationen in Manhattan zu säubern. "Jeder alternde Rockstar sollte doch mindestens einmal wegen Drogen eingesessen haben", äusserte sich Kilbey später.

Die Aufnahmen zum folgenden Studioalbum gestalteten sich ausgesprochen langwierig, da die Musiker wieder zahlreiche Projekte verfolgten. Willson-Piper trat erneut mit den reformierten All About Eve auf; die Neuauflage war jedoch nur kurzlebig und führte aufgrund künstlerischer und persönlicher Differenzen zu keinem neuen Studiomaterial. Dazu veröffentlichte er nach fünf Jahren sein Soloalbum "Hanging Out In Heaven". Auch Koppes trat mit einem ruhigen, sparsam arrangierten Album namens "Simple Intent" hervor. Erst im Januar 2002 erschien das nächste reguläre Album von The Church, "After Everything Now This". Teils in Schweden, teils in Australien aufgenommen, war es wesentlich ruhiger gehalten als die Vorgänger. Die Musiker experimentierten mit sphärischen Klangflächen, die durch zahlreiche Effekte ganz allein mit den Gitarren realisiert worden waren. Erneut gingen The Church auf Welttournee; jedoch verzichteten sie im Wesentlichen auf E-Gitarren und spielten mit verstärkten, effektbeladenen Akustikgitarren und dem Gastpianisten David Lane. Tim Powles arbeitete zusammen mit Künstlern aus Sydney an Remixen sämtlicher Songs von "After Everything Now This", die Ende 2002 als "Parallel Universe" erschienen (eine zweite CD enthielt Restmaterial der Aufnahmesessions). Zurück in Australien gingen sie unmittelbar an die Produktion eines weiteren Albums, das bereits im Herbst 2003 in Australien veröffentlicht wurde: "Forget Yourself". Dieses Album reflektierte beinahe sämtliche von The Church bis dahin gepflegten Stil-Spielarten in dreizehn Liedern. Insgesamt war der Klang deutlich härter und rauer, da "Forget Yourself" nach den üblichen vorausgehenden Improvisationen so gut wie live mit nur wenigen Overdubs aufgenommen wurde. Die Kritik hob den frischen, monumentalen Klang und die enzyklopädische und doch ökonomische Verwendung ungewöhnlicher Gitarreneffekte hervor.


Bei Live-Auftritten oder im Studio wurde inzwischen gelegentlich die gewohnte Instrumenten- und Rollenverteilung aufgelöst und die Instrumente getauscht. Als Beispiel seien die Aufnahmen zu "Forget Yourself" genannt, wo bei "Sealine" eine Gitarre vom Schlagzeuger Tim Powles gespielt wurde und bei "Maya" Gitarrist Marty Willson-Piper das Schlagzeug bediente. Ein weiteres Beispiel sei die Tournee 2002, dort wurde beim Stück "Magician Among The Spirits" der Bass von Marty Willson-Piper gespielt und eine Gitarre von Kilbey. The Church hatten seit 2001 mit dem amerikanischen Marketing-Professor und The Church-Fan Kevin Lane Keller zusammengearbeitet, der die bis dahin desaströs gemanagte Band in ihren geschäftlichen Strategien beriet. Sie nutzen seither die Stärken des Independent-Systems, die sie mit neuen Vertriebswegen über das Internet kombinierten. Dazu wurde auf eine grössere Konzertpräsenz, mannigfaltige Projekte und die Konzentration auf das Stammland Australien gesetzt. Hinzu kamen von nun an zahlreiche Veröffentlichungen, die die regulären Studioalben begleiteten: die Jam Session Platte "Jammed" mit zwei langen Improvisationen, die Outtake-Sammlung "Beside Yourself" (die dennoch mit komplett neuen Songs aufgewertet wurde) und das Akustikalbum "El momento descuidado" (schlechtes Spanisch für den Titel ihres ersten Hits, "The Unguarded Moment"). "El momento descuidado" war dabei keine blosse Unplugged-Platte. In akustischer, kammermusikalischer Besetzung wurden vielmehr verschiedene Songs aus zwanzig Jahren zum Teil radikal umgebaut. Erstmals interpretierten sie auch wieder "The Unguarded Moment" (freilich in stark veränderter Form), obwohl sie sich von dem Song schon in den 80er Jahren distanziert hatten. In rein akustischer Besetzung, mit Peter Koppes am Klavier, spielten sie Ende 2004 mehrere ausgesprochen erfolgreiche Konzerte. 2005 wurde "El momento descuidado" in der Kategorie Best Adult Contemporary Album für die australischen ARIA-Awards nominiert, gewann jedoch nicht.

Ende 2005 erschien das Album "Back With Two Beasts", das als Nachfolger zu "Jammed" auch mit dem Untertitel "Jammed II" angekündigt worden war. Im Gegensatz zu "Jammed" enthielten die Stücke jedoch Gesang und beschränkten sich, bis auf eine Ausnahme, auf Liedlängen von unter sieben Minuten. Obwohl die Instrumente tatsächlich in Jam-Sessions aufgenommen worden waren, fiel dies bei den Stücken kaum auf, da ihre Struktur sich deutlicher an diejenige der regulären Alben anlehnte und weniger den für Jam-Sessions typischen Charakter des Zufälligen hatte. Die Überraschung in der Fangemeinde darüber, mit "Back with Two Beasts" von Aufbau und Klang eher ein reguläres Album in der Hand zu haben, war sehr gross und sie nahm es enthusiastisch auf. Es war, genau wie zuvor "Jammed", nur im Online-Shop der Band erhältlich und auf 1000 Exemplare limitiert. Die Band trat bei der Eröffnungsfeier der Commonwealth Games 2006 in Melbourne auf, bei der sie eine zusammen mit dem Melbourne Symphony Orchestra aufgenommene Version von "Under The Milky Way" spielten. Die Eröffnungsfeier wurde in vielen Ländern live im Fernsehen übertragen. Schätzungsweise über eine Milliarde Menschen schauten zu. Diese Version des Liedes wurde gleichzeitig auf einer CD names "Melbourne 2006: Commonwealth Games Opening Ceremony" veröffentlicht, die die Musik dieser Eröffnungsfeier enthielt. Am 17. April 2006 wurde das neue Studioalbum "Uninvited, Like the Clouds" veröffentlicht. Vorab erschien die "Block" EP, die es zunächst nur im Online-Shop auf der Homepage der Band gab. Als offizielle Radiosingle wurde "Easy" ausgekoppelt. Anfang Februar 2007 erschien mit "El momento siguiente" die Fortsetzung der akustischen Reihe. Die Besetzung wurde durch die Begleitband The Mood Maidens erweitert, darunter Amanda Brown, ehemals Geigerin bei den Go-Betweens. Zeitgleich zur Veröffentlichung ging die Band auf eine grössere Australien-Tour. Im April 2007 folgte eine ausgedehnte Europa-Tour, die im Gegensatz zu vielen Auftritten seit 2002 nicht semi-akustisch, sondern wieder elektrifiziert ablief.

Erstmals nahm die Band auch Lieder auf, die explizit als Soundtrack für einen Film gedacht waren. Der Buch-Autor Jeff VanderMeer hatte die Band für seinen 15-minütigen Kurzfilm 'Shriek' gewinnen können, der auf dem gleichnamigen Buch des Autors basiert und im August 2007 online und frei verfügbar veröffentlicht wurde. Erst deutlich später, in den letzten Tagen des Jahres 2008, wurde der Soundtrack unter dem Titel "Shriek: Excerpts from the Soundtrack" veröffentlicht, wobei eine Vermarktung als Soundtrack zum Buch (anstatt zum Film) stattfand. Im Juli 2007 erschien die Doppel CD-Kompilation "Deep In The Shallows". Im Gegensatz zu allen vorhergehenden Kompilationen, die sich meist als Best Of verstanden und vom persönlichen Geschmack des jeweiligen Zusammenstellers der Kompilation geprägt waren, enthielt "Deep In The Shallows" nichts anderes als alle A-Seiten der Singles von 1980 bis 2006. Dabei entsprachen die meisten Lieder genau der Version, wie sie auch auf dem jeweiligen Album erschienen war. Vereinzelt existierten jedoch Versionen, die extra für die Single-Veröffentlichung neu abgemischt oder gekürzt worden waren. Diese zum Teil äusserst raren Versionen wurden − falls existent − anstatt der Album-Version in die Kompilation aufgenommen. Im Einzelnen waren das "She Never Said", "When You Were Mine", "Ripple", "Louisiana", "Song In Space", "Unified Field" und "Easy". Das Booklet war aufwändig gestaltet und enthielt neben vielen Fotos eine fünfseitige Hommage an die Band, geschrieben von David Fricke, einem Redakteur des Musik Magazins Rolling Stone. Im September 2008 wurde das Stück "Under The Milky Way" von den Lesern des The Weekend Australian Magazine zum besten australischen Song der letzten 20 Jahre gewählt. Nachdem die Band mit Unorthodox Records zunächst ihr eigenes Label gegründet hatte, setzte im Februar 2009 die "Coffee Hounds" EP den Startpunkt für eine Reihe weiterer Veröffentlichungen in diesem Jahr. Die EP enthielt eine Cover-Version des Liedes "Hounds Of Love" von Kate Bush, das The Church in den Jahren vorher oft live gespielt hatten.

Kurze Zeit später wurde im März 2009 erstmals das nächste reguläre Album von The Church namens "Untitled #23" auf der zu diesem Zeitpunkt stattfindenden Tournee der Band in Australien verkauft. Die Veröffentlichung des Albums erfolgte am 4. April in Australien und am 12. Mai in den USA. Kurz zuvor erschien die "Pangea" EP (März 2009) als erste Single des neuen Albums, es folgten die "Operetta" EP (November 2009) und die "Deadman’s Hand" EP (April 2010). Im Jahr ihres dreissigjährigen Bestehens wurden The Church am 27. Oktober 2010 in die ARIA Hall of Fame aufgenommen. Ihr dreissigjähriges Jubiläum feierte die Band am 10. April 2011 mit einem erfolgreichen Konzert in der Sydney Opera, bei dem sie von einem Symphonieorchester begleitet und professionell gefilmt wurde. Im Mai 2014 erschien das Konzert als erstes offizielles Live-Album der Band auf Doppel-CD und DVD. Nachdem sich die Bandmitglieder zuvor ihren diversen Solo- und Seitenprojekten gewidmet hatten, gab Steve Kilbey im November 2013 die Arbeit an einem neuen Album bekannt. Ohne die genauere Nennung von Gründen erklärte er zudem, dass Marty Willson-Piper nicht zur Verfügung stände und durch den ehemaligen Powderfinger-Gitarristen Ian Haug ersetzt werden würde. Im September 2014 wurde die Veröffentlichung des Albums "Further/Deeper" auf der Website der Band für den 17. Oktober 2014 angekündigt. Am 27. Juni 2017 wurde mit der Vorabveröffentlichung des Videos für einen neuen Songs namens "Another Century" auf der Webseite der Band ein neues Album angekündigt, dessen Veröffentlichung am 6. Oktober 2017 unter dem Namen "Man Woman Life Death Infinity" erfolgte. Die Besetzung war dieselbe wie beim Vorgängeralbum.


Viele der älteren Alben von The Church wurden zu späteren Zeitpunkten neu aufgelegt, wobei sie zum Teil remastert und um Bonus-CDs erweitert wurden, die zusätzliche Musikvideos oder B-Seiten enthielten. Die Band hat im Laufe ihrer Geschichte nur wenige Chartplatzierungen erreicht, die bekannteste und erfolgreichste davon gelang mit der Single "Under The Milky Way" im Jahre 1988. Abgesehen davon haben es noch einige weitere Alben und Singles in diverse Charts geschafft. "The Blurred Crusade" wirkt heute, rückblickend betrachtet, noch immer wie ein Fels in der Brandung, wie ein zeitloses, hoch melodiöses Werk in einer immer schneller vergänglichen Musikwelt. Es ist eine dieser Platten, von der man noch in 20 Jahren schwärmen wird, weil sie immer noch aktuell klingt, vor allem aber auch, weil sie kompositorisch 10 wahre Perlen präsentiert, deren Glanz wundervoll weiter scheint und die keiner hörbaren Alterung unterliegen. Wundervoll.