Jun 12, 2025


VANILLA FUDGE - Mystery (Atco Records 90149-1, 1984)

Die von Beginn weg als 'Supergroup' bezeichnete Psychedelik Rockband Vanilla Fudge veröffentlichte zwischen 1967 und 1970 einige hochkarätige Alben, die vor allem durch ihren relativ hohen Anteil an gecoverten Songs auffiel. Das Besondere an der Band war, dass sie bekannte Pop- oder Soulnummern sehr eigentümlich und bisweilen auch recht exzentrisch umarrangierten, sodass vermeintlich hörfreundliche Pop-Originalen letztlich zu äusserst psychedelischen und oftmals - durch ihre ausgedehnten Songlängen - auch sehr exzentrischen Rock-Statements mutierten. Da ihre unbedingte Versiertheit an den Instrumenten unbestritten hochklassig war, verlieh man der Gruppe stets über Gebühr hohe Vorschusslorbeeren, derer sie letztlich jedoch nicht gerecht werden konnten. Ihre Art des pschedelischen Rocks, der durchaus auch erste typische Merkmale des späteren Progressive Rock aufwies, verlor innert weniger Jahre Zeit an Faszination, auch, weil sich die gesamte Musikszene zur damaligen Zeit in einem schwindelerregenden kreativen Umbruch befand. Am Ende stand ein Live-Album mit dem Titel "Near The Beginning", das nur noch drei aussergewöhnliche Studio-Kreationen präsentierte, mit dem extraordinären "Break Song" jedoch ein über 20 Minuten langes Live-Selbstbildnis zeigte, das noch einmal das ausserordentliche Können der vier Musiker eindrücklich unter Beweis stellte. Der "Break Song" war dann letztlich so etwas wie der Schwanengesang von Vanilla Fudge.

Zu den Mitgliedern der Gruppe gehörten der Keyboarder und Sänger Mark Stein und der Bassist Tim Bogert aus Long Island sowie der Gitarrist Vince Martell und der Schlagzeuger Carmine Appice aus New York. Der New Yorker Musikproduzent George Morton hörte die damals noch unbekannte Rockband Vanilla Fudge während ihrer Auftritte zwischen Dezember 1966 und April 1967 im Action House auf Long Island. Im April 1967 vermittelte er ihnen einen Plattenvertrag beim Label Atco Records. Im Ultrasonic Studio entstand in einem einzigen Aufnahme-Durchgang eine epische Version des Supremes-Hits "You Keep Me Hangin’ On", der, auf Single-Länge verkürzt, auf Anhieb Rang 6 der US-Hitparade erreichte. Während sich Coverversionen häufig stark an das Original anlehnen, war in diesem Fall jedoch das Original kaum noch wiederzuerkennen. Das noch in damals durchaus üblichem Mono aufgenommene Stück wurde auf eine Lauflänge von 6:47 Minuten ausgedehnt und auf Zeitlupentempo verlangsamt, denn das ursprüngliche Tempo wurde auf die Hälfte reduziert. Der psychedelische Sound mit einer neoklassischen Orgelpartitur und Sitar-Passagen verfremdete das Original bis zur Unkenntlichkeit. Die auf 2:50 Minuten verkürzte Single-Fassung erschien am 2. Juni 1967 und erregte weltweites Aufsehen.

Die gleichnamige Debüt-LP "Vanilla Fudge" kam im August 1967 auf den Markt, die zweite LP "The Beat Goes On", demselben stilistischen Muster folgend, am 2. Februar 1968. Auf dieser LP waren ausserdem auch klassische Adaptionen von Beethoven und von Mozart zu hören sowie eine alptraumhafte Geschichts-Collage mit historischen Stimmen (Truman, Hitler, Chamberlain, Bibel, Churchill) und aktuellen Bezügen (Black Panthers, Vietnam, Weathermen, Acid-Kultur). Das dritte Werk "Renaissance", erschienen im Juni 1968 war das letzte von Morton für die Gruppe produzierte Album. Aus den Alben wurden Singles wie etwa "Take Me For A Little While" (veröffentlicht im September 1968) und "Season Of The Witch" (November 1968) ausgekoppelt. Der Nachfolgehit "Take Me For A Little While" war ein Cover des Evie Sands-Originals von September 1965 mit sehr ähnlichem Klang, der Text sagte aber das Gegenteil des Titels aus.

Mark Steins Keyboardspiel beeinflusste in der Folgezeit mehrere Gruppen, deren Popularität länger anhielt als jene von Vanilla Fudge selbst: Deep Purple, The Nice, Emerson Lake & Palmer, Uriah Heep oder Atomic Rooster. In einem Video-Interview gab Jon Lord zu, dass Deep Purple für ihre Debüt-LP "Shades Of Deep Purple" das Konzept von Vanilla Fudge genau kopierten: Die wuchtige Orgel und kaum mehr wiederzuerkennende Fremdkompositionen, so auch zwei Songs von den Beatles. Vanilla Fudge lösten sich 1970 erstmals auf. Tim Bogert und Carmine Appice hatten mit dem Gitarristen Jeff Beck eine Zusammenarbeit vereinbart, die aber nicht eingehalten werden konnte, da Jeff Beck aufgrund eines Autounfalls verhindert war. Die bereits abgeschlossenen Verträge wurden durch die Band Cactus erfüllt. Danach folgten mehrere Wiedervereinigungen, die aber jeweils nur von kurzer Dauer waren. Unter anderem entstand dabei das Studioalbum "Mystery" im Jahre 1984.

Das zeittypische und kraftvoll produzierte Werk erhielt indes nur wenig Promotion. Die Musiker holten sich für das Album prominente Gastmusiker ins Studio, so unter anderem den Gitarristen Jeff Beck, der eine fabelhafte Arbeit ablieferte. Ungewöhnlich war, dass sich die Band dazu entschloss, für dieses Reunion-Album lediglich zwei Coversongs auszuwählen. Sie präsentierten dafür nicht weniger als acht selbstkomponierte Songs, was wesentlich mehr war, als die Band je zuvor auf einem Vanilla Fudge-Album präsentiert hatte. Von diesen eigenen Songs gerieten einige zu wahren Rockperlen und man kann sich schon fragen, weshalb eine grosse Plattenfirma wie Atco Records, die ja immerhin dem Atlantic-Konzern angehörte, nicht wesentlich engagierter Werbung für dieses hervorragende Werk gemacht hat. Auffallend war nämlich auch, dass die Musiker sich nicht etwa in einer Art Rock-Nostalgie ergaben: Ihre neuen Songs wirkten modern und waren zeitgemäss arrangiert. Die Arrangements erinnerten ein wenig an die Arbeiten von Trevor Horn, der fast zeitgleich massgeblich für den Sound des Albums "90125" von Yes verantwortlich zeichnete.

Mit dem Opener "Golden Age Dreams" rockten Vanilla Fudge sehr bodenständig und ohne jegliche psychedelischen Elemente, welche den Sound der Band früher einmal ausgezeichnet hatte. Hier spielte eine Gruppe im hier und jetzt und zeigte, dass sie noch immer kompositorisch auf der Höhe der Zeit war. Auch das nachfolgende "Jealousy" war ein beherzter Rocksong mit guten Hooklines und vortrefflichen Gesangsarrangements. Etwas nahe am Original geriet die Komposition "Walk On By" von Burt Bacharach, doch klang auch sie nach einer fetten Rockballade, die vielleicht etwas zu stark mit Bombast-Elementen versehen wurde, für die 80er Jahre jedoch absolut okay war. Mit dem Abstand von zwei Jahrzehnten angehört, klingt die ganze LP heute noch immer wesentlich interessanter als so manch andere typische 80er Jahre Rockproduktion, die zumeist mit digitalem Schlagwerk und viel zu überkandidelten Synthetiksounds zugekleistert worden waren. Auch Vanilla Fudge folgten auf "Mystery" dem Trend zu digitalem Keyboardsound, der sich jedoch nicht störend in den Vordergund drängte, sondern einfach wesentlich flächiger zum Einsatz gebracht wurde als das noch in den 60er und 70er Jahren gang und gäbe war. Es waren letztlich immer wieder die Gitarrensounds, welche dem Album den hohen Rockanteil sicherten - die Keyboards wurden vor allem als opulente Fläche in den Gesamtsound integriert.

Warum sich das sauber produzierte und eindrücklich in Szene gesetzte Album nicht zum veritablen Hit entwickelte, bleibt bis heute ein "Mystery". Die Platte wurde von Spencer Proffer produziert, ein Jahr bevor dieser Quiet Riot's hervorragendes Debutalbum "Metal Health" produzierte. "Mystery" überzeugte durch einen grossen Rock-Punch, war aber auch angenehm soft, melodisch und emotional abgemischt, insbesondere, wenn die Band balladesker zu Werke ging, wie etwa im Titelstück oder beim Song "It Gets Stronger", bei welchem die Gruppe sogar eine dezente Reggae-Rhythmik einzubauen verstand. "Under Suspicion" wiederum war ein weiterer kerniger Rocksong, der durch das powervolle Arrangement begeisterte. Wer sich im Jahre 1984 bereits vom alten Psychedelikrock-Sound von Vanilla Fudge lösen und die Platte "Mystery" im zeitgemässen Kontext sehen konnte, der musste das Album unweigerlich zu einem grossen Rock-Highlight zählen. Nichts anderers war "Mystery" nämlich. Die mageren Verkaufszahlen und die mangelnde Bekanntheit widerspiegeln keineswegs eine irgendwie fehlende Qualität, weder beim Songmaterial, noch bei der Performance der beteiligten Musiker. Es gibt nicht wenige Rockfans, die "Mystery" für eines der bestne Alben von Vanilla Fudge halten. Dazu zähle ich mich auch.

1999 kam es zu einer erneuten Reunion. In der Besetzung Carmine Appice (Schlagzeug), Tim Bogert (Bass), Teddy Rondinelli (Gitarre) und Bill Pascali (Keyboards) tourten Vanilla Fudge auch in Europa. Zwei Konzerte davon wurden als limitierte Live-CD veröffentlicht. 2007 wurde eine weitere Live-CD der Deutschlandtour veröffentlicht: "Good Good Rockin' – Live @ Rockpalast". Im Juni 2007 veröffentlichte die Band in Originalbesetzung das Album "Out Through The In Door", das ausschliesslich aus Coverversionen von Songs der Band Led Zeppelin bestand. 2014 war die Band, wieder mit dem Originalmitglied Mark Stein am Keyboard, aber mit Pete Bremy statt Tim Bogert am Bass, erneut in Deutschland und anderen europäischen Ländern auf Tournee, das Album "Two Worlds Collide" folgte im Jahr darauf. Im Oktober 2017 erschien ein weiteres hervorragendes Live-Dokument mit dem Titel "Live At Sweden Rock 2016", dem als Frontcover ein Faksimile der ursprünglich 1969 erschienenen Live-LP "Near The Beginning" verpasst wurde.










GARY MOORE - Corridors Of Power (Virgin Records V 2245, 1982)

Gary Moore wuchs als Sohn eines Veranstalters mit vier Geschwistern in Ost-Belfast auf. In seiner Familie gab es viele Schwierigkeiten. Er verliess mit 16 Jahren sein Elternhaus und ging nach Dublin. Ein Jahr darauf trennten sich seine Eltern. In Dublin verdiente sich Moore ab 1969 sein erstes Geld als Musiker, zusammen mit Phil Lynott. Die gemeinsame Band Skid Row, nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen US-amerikanischen Rockband, veröffentlichte zwei Alben. Starken Einfluss auf Moore übte in dieser Zeit der Gitarrist Peter Green mit seiner Band Fleetwood Mac aus, den er in Dublin und London persönlich kennen lernte. Ende 1971 verliess Moore die Band Skid Row und unterstützte die Folkrock Band Dr. Strangely Strange als Gastmusiker, um dann 1973 die erste Gary Moore Band zu gründen, bei der er auch den Gesang übernahm. Das einzige Album "Grinding Stone" (1973) blieb erfolglos und die Band löste sich wieder auf. 1974 schloss sich Moore Thin Lizzy an und war wieder mit Phil Lynott in einer Band. Dort blieb er jedoch nur kurze Zeit. Danach arbeitete er als Studiomusiker, unter anderem für Jonathan Kelly und Eddie Howell.

1975 gründete Moore zusammen mit dem Schlagzeuger Jon Hiseman, dem Keyboarder Don Airey, dem Bassisten Neil Murray und dem Sänger Mike Starrs die Jazzrock-orientierte Formation Colosseum II. 1978 löste sich die Band nach drei Studioalben und vielen Konzerten auf. Moore arbeitete danach weiter als Studiomusiker und beteiligte sich an Alben von Andrew Lloyd Webber, Gary Boyle und Rod Argent. 1978 startete Moore erneut einen Soloversuch mit dem Album "Back On The Streets", das die erfolgreiche Single "Parisienne Walkways" enthielt, die in Zusammenarbeit mit Phil Lynott entstand und bis zuletzt Teil von Gary Moores Live-Repertoire war. 1978 schloss er sich wieder der Band Thin Lizzy als Ersatz für Brian Robertson an und spielte mit Thin Lizzy das Album "Black Rose" ein. Überraschend verliess Moore Thin Lizzy 1979 wieder während einer US-Tournee. Danach gründete er mit Mark Nauseef, mit dem er bei Thin Lizzy zusammen gespielt hatte, das kurzlebige Projekt G-Force und wurde Gitarrist in der Band von Greg Lake.

In den nachfolgenden Jahren setzte sich Moore allmählich als Gitarrenvirtuose in der Hardrock- und Heavy Metal-Szene durch. Das ehemalige UFO-Mitglied Neil Carter wurde 1983 zu einem wichtigen Co-Musiker für Gary Moore. "Corridors Of Power" war das vierte Soloalbum. Es erschien im September 1982 und markierte den Durchbruch Moores in der internationalen Hardrock Szene. "Corridors Of Power" galt als das erste echte Heavy Metal-Album des Gitarristen. Nach den unvollendeten Aufnahmen seines Albums "Dirty Fingers" schloss sich Gary Moore im August 1981 der Band von Greg Lake an. Mit Lake spielte er ein Album ein und ging für mehrere Monate auf Tournee. Anfang 1982 wandte sich Moore aber wieder mehr seiner Solokarriere zu und nahm mit einer eigenen Band mehrere Demos auf. Zwar war er in der Folge noch an einem zweiten Album mit Lake beteiligt, doch bis zum Herbst des Jahres fand die Zusammenarbeit schliesslich ihr Ende.

In der Zwischenzeit hatte Moore einen Vertrag bei Plattenfirma Virgin Records unterzeichnet. Schon im Frühjahr 1982 stellte er sich eine neue Band zusammen, die mit Ian Paice am Schlagzeug (Deep Purple), Neil Murray am Bass (Whitesnake) und Tommy Eyre am Keyboard (Greg Lake) aus einer Reihe namhafter Musiker bestand. In dieser Besetzung ging man schliesslich ins Studio und spielte das Album "Corridors Of Power" ein. Den Gesang übernahm Moore erstmals weitgehend selbst, lediglich bei dem Stück "End Of The World" stand mit Jack Bruce (Cream) ein anderer Leadsänger am Mikrophon. Das in den Londoner Townhouse Studios aufgenommene Album war eine Mischung aus harten Rocksongs und eingängigen Balladen. Textlich überwogen einfache Liebeslieder; mit dem epischen "End Of The World" griff Moore aber auch wieder das Thema des Atomkriegs auf, das er schon auf seinem Album "Dirty Fingers" behandelt hatte. "Wishing Well" war die Coverversion eines Stücks der Band Free. Der Name "Corridors Of Power" stammte aus einem Roman des Autors C. P. Snow und bezog sich auf den Sitz der britischen Regierung in Whitehall.

Mit seiner Studioband spielte Moore im Sommer 1982 erste Konzerte in England. Als Sänger engagierte er dafür den Amerikaner Charlie Huhn (Ted Nugent), mit dem er eineinhalb Jahre zuvor schon das Album "Dirty Fingers" eingespielt hatte. Huhn schien die Erwartungen aber nicht erfüllt zu haben und ging schon Ende August wieder zurück nach Detroit. Nach Abschluss der kleinen Vorab-Tournee wurde das Album im September 1982 schliesslich veröffentlicht. Mit "Corridors Of Power" erlebte Moore seinen kommerziellen Durchbruch. Virgin Records unterstützte ihn deutlich mehr als seine alte Plattenfirma und brachte Singles, EPs und Bonusmaterial zu dem Album heraus. Im Oktober 1982 stieg "Corridors Of Power" für mehrere Wochen in die britischen Albumcharts ein. Grosse Erfolge feierte Moore auch in Japan und in den USA hielt sich das Album im nächsten Jahr insgesamt dreizehn Wochen in den Charts.

Nachdem das Album veröffentlicht war, ging Moore im Herbst 1982 auf eine ausgedehnte Welttournee. Für Charlie Huhn kam der Sänger John Sloman (Lone Star, Uriah Heep) in die Band und Tommy Eyre wurde als Keyboarder durch Don Airey (Rainbow) ersetzt, der wie Huhn schon an "Dirty Fingers" mitgewirkt hatte. Die Band kam 1983 auch nach Japan, wo im Januar das Livealbum "Rockin' Every Night" aufgenommen wurde. Danach verliess Sloman die Band wieder und Moore übernahm den Gesang von nun an endgültig selbst. Das Live-Glanzstück "Wishing Well", welches gegenüber der Originalversion von Free durch ausdrucksvolle und auch heulende Riffs auffiel, das allein schon durch den Titel provozierende "Don’t Take Me For A Loser" und das als Single veröffentlichte balladeske "Falling In Love With You" galten rasch als die besten Songs dieses Albums In der 1998 erschienenen Rock Hard-Enzyklopädie wurde allerdings nur erwähnt, dass Gary Moore seine Soloexzesse auf melodische Gitarrenläufe reduzierte und sich durch Übernahme des Lead Gesangs von unzuverlässigen Sängern unabhängig gemacht hatte. Anlässlich von Wiederveröffentlichungen schrieb der Kritiker Götz Kühnemund 2001 im Rock Hard, Moore habe frühzeitig einen völlig eigenen, unverwechselbaren Gitarrenstil besessen. Als Hymnen bezeichnete er die Songs "End Of The World", "Don’t Take Me For A Loser", "I Can’t Wait Until Tomorrow" und "Cold Hearted". Das ganze Album sei ein Meilenstein und klinge 19 Jahre nach der Erstveröffentlichung kein bisschen veraltet. Und Alan Tepper stellte 2003 in der Zeitschrift Eclipsed fest, die Stücke seien hart und schnell, wofür insbesondere der Konzertklassiker "Rockin' Every Night" stehe. "End Of The World" habe jeden Gitarristen erblassen lassen. Für Abkühlung im Härtemaximum des Ausnahmegitarristen sorge das Cover "Wishing Well".

Mit "Corridors Of Power" (1982) und "Victims Of The Future" (1983) etablierte sich Moore im Hardrock-Genre. Das nachfolgende Album "Victims Of The Future" enthielt mit der Ballade "Empty Rooms" eines seiner bekanntesten Stücke. Spätestens mit dem Album "Run For Cover" (1985) war Gary Moore eine feste Grösse als Rockgitarrist. Das Album enthielt unter anderem die Single "Out In The Fields", an der auch Phil Lynott beteiligt war. Bekannte Mitmusiker waren in dieser Zeit Ian Paice, Glenn Hughes und Tommy Aldridge. Seine Position als stilistisch vielseitiger Hardrock-Gitarrist und versierter Sänger festigte Moore mit dem Album "Wild Frontier" (1987), das durch Irish Folk Einflüsse geprägt war. "Wild Frontier" war dem 1986 verstorbenen Phil Lynott gewidmet, worauf die Plattenhülle mit dem Aufdruck 'For Philip' hinwies. Der auf dem Album enthaltene Song "Johnny Boy" war ebenfalls ein Tribut an Phil Lynott. "Wild Frontier" blieb Gary Moore's einziges Celtic Rock Album, auch wenn der Nachfolger "After The War" (1989) weitere irische Einflüsse (zum Beispiel im Song "Blood Of Emeralds") widerspiegelte. "Wild Frontier" enthielt mit der Single "Over The Hills And Far Away" einen bekannten Song des Celtic Rock.

"After The War beschäftigte sich thematisch unter anderem mit dem Nordirland Konflikt ("Blood Of Emeralds") und dem Vietnamkrieg ("After The War"). Des Weiteren äusserte sich Moore in "Led Clones" (mit Ozzy Osbourne) kritisch über Rockbands, die sich zu sehr an Idolen wie Led Zeppelin orientierten, ohne eigene musikalische Identität zu entwickeln. Auch auf diesem Album erinnerte Moore an seinen verstorbenen Freund Lynott: "the darkest son of Ireland, he was standin’ by my side" (im Song "Blood Of Emeralds"). Nach der Veröffentlichung dieses Werks orientierte sich Gary Moore zunehmends am Blues und konnte in den folgenden Jahren mit Alben, die klar vom Blues dominiert waren, seine grössten kommerziellen Erfolge feiern.







Jun 5, 2025


STEPPENWOLF - Monster (ABC Dunhill Records DS-50066, 1969)

Der Frontmann und Sänger John Kay wurde als Joachim Fritz Krauledat am 12. April 1944 in Tilsit (Ostpreussen) geboren. Als er vier Jahre alt war, floh seine Mutter mit ihm aus der sowjetischen Besatzungszone nach Hannover. Dieses Erlebnis wurde im Lied "Renegade" auf dem Album "Steppenwolf Seven" verarbeitet. Nach zehn Jahren in Westdeutschland, wo der junge Joachim über die Soldatensender BFN und AFN den Rock’n’Roll kennenlernte, emigrierte die Familie 1958 nach Kanada.

Kays erster Band The Sparrow, einer experimentierenden Folk-Gruppe im Torontoer Stadtteil Yorkville und später in San Francisco, war wenig Erfolg beschieden, und so formierte Kay die Band neu mit dem Schlagzeuger Jerry Edmonton, dem Keyboarder Goldy McJohn, dem 17-jährigen Nachwuchs-Gitarristen Michael Monarch und dem Bassisten Rushton Moreve. Andere Quellen benennen den ebenfalls deutschstämmigen Bassisten Nick St. Nicholas als Gründungsmitglied. Er war Mitglied bei The Sparrow und hatte die Band bereits verlassen, als aus ihr Steppenwolf wurde. Zu dieser Zeit spielte er bei T.I.M.E. Nach dem Weggang Moreves kehrte er zurück und ersetzte ihn. Der Name Steppenwolf wurde nach dem gleichnamigen Roman Hermann Hesses gewählt. In nur vier Tagen wurde 1968 das Debüt-Album "Steppenwolf" aufgenommen.

Der von dem ehemaligen Sparrow-Mitglied Dennis Edmonton, Bruder von Schlagzeuger Jerry Edmonton, als Mars Bonfire geschriebene Song "Born To Be Wild" (US No. 2 der Billboard Hot 100) wurde 1968 der erste Hit der Band. Als dieses Lied 1969 im Road Movie Easy Rider die Titelsequenz mit den über die Colorado-Brücke und die Route 66 fahrenden Harley-Davidson-Motorrädern begleitete, wurde die Band schlagartig weltberühmt. Im Film wurde ausserdem mit Steppenwolfs "The Pusher" ein Drogendeal untermalt, dessen Gewinn in Form von Dollar-Noten symbolträchtig in dem mit der US-Flagge bemalten Benzintank versteckt wird. Das Lied stammt im Original vom Country-Sänger und Schauspieler Hoyt Axton; es richtet sich gegen den profitorientierten Drogenhandel, verteidigt jedoch das individuelle Recht auf Drogenkonsum. Auch in Live-Auftritten, wie etwa im Musikladen, verkörperte John Kay das Image des grimmigen Rockers und Outlaws in schwarzem Leder mit dunkler Sonnenbrille. Die Brille trägt er allerdings aufgrund einer angeborenen Achromatopsie; er gilt als legally blind (blind nach gesetzlicher Regelung, seine Sehstärke liegt bei 21 %) und darf somit auch keinen Führerschein erwerben.

Die Band hatte weitere Erfolge mit den Liedern "Magic Carpet Ride" (US 3), "Hey Lawdy Mama" (US 35), "Rock Me" (US 10) und "Monster" (US 39), mit dem das Amerika der Nixon-Ära kritisiert wurde. "Monster" hiess auch das vierte Studioalbum der Band. Das Album wurde im November 1969 von ABC Dunhill Records veröffentlicht. Es war ihre erste LP mit dem neuen Leadgitarristen Larry Byrom anstelle von Michael Monarch. Das Album war das politischste von Steppenwolf und bezog sich auf wichtige Themen wie den Vietnamkrieg. Das Werk war auch das erste Steppenwolf-Album, das keinen US Top Ten-Hit enthielt, obwohl zwei Singles aus dem Album die Top 40 knackten: "Move Over" und das auf Singles-Länge zurückgestutzte "Monster", das im LP-Original als dreiteiliger Song, bestehend aus den Untertiteln "Monster", "Suicide" und "America" bestand und über 9 Minuten lang war.

Die Kritiker-Bewertungen für das Album "Monster" waren im Allgemeinen negativ. Die Zeitschrift Rolling Stone bemerkte, dass das Spiel der einzelnen Interpreten zwar erstklassig zu nennen sei, aber dass die Song-Arrangements schlampig und plump geworden seien, da die frühen Zappa-Texte ständig mit der Musik kollidieren würden. AllMusic beurteilte das Album in einer retrospektiven Rezension und bemerkte, dass diese schwerfälligen Hardrock-Songs kein wirksames Mittel waren, um wichtige politische Themen politisch oder musikalisch glaubwürdig herüberzubringen. Der Village Voice-Kritiker Robert Christgau hingegen lobte das Album. Christgau bewertete das Album mit B + und nannte es ein exzellentes Comeback, obwohl er der Meinung war, dass die predigenden Texte das Endergebnis etwas beeinträchtigten.

1972 brach die Gruppe Steppenwolf nach turbulenten Jahren mit mehreren Umbesetzungen auseinander. Kay begann eine Solo-Karriere (Alben "Forgotten Songs And Unsung Heroes" von 1972 und "My Sportin' Life" von 1973). Mitte der 70er Jahre traten Steppenwolf noch einmal im Rahmen einer Tour auf, um sich dann nach der Veröffentlichung dreier weiterer Studioalben zwischen 1974 und 1976 abermals zu trennen. John Kay brachte 1978 ein weiteres Soloalbum mit dem Titel "All In Good Time" heraus. Nachdem einige der vielen ehemaligen Bandmitglieder den Namen für eigene Projekte genutzt hatten, sicherte sich Kay die Rechte und tritt seither als John Kay and Steppenwolf auf. Die verschworene Anhängerschaft der Band bezeichnet sich als Wolf Pack (Wolfsrudel). Im Jahr 2012 feierten John Kay & Steppenwolf das 45-jährige Bandbestehen.

Im Jahre 1974 traf sich ein Fragment der Gründungsmitglieder, bestehend aus John Kay, Jerry Edmonton und Goldy McJohn, mit dem Bassisten George Biondo und dem Leadgitarristen Bobby Cochran in John Kays Privatstudio Sound Factory und nahm die Tracks zur LP "Slow Flux" auf. Da Kay die Band nach dem Roman Hermann Hesse's benannt hatte, lud Hesse's Geburtsstadt Calw ihn 2002 zum Internationalen Hermann-Hesse-Festival ein, bei dem auch andere von Hesse inspirierte Gruppen, wie zum Beispiel Anyone’s Daughter, auftraten.







CYNDI LAUPER - Memphis Blues (Naive Records NV822011, 2010)

Cyndi Lauper kam am 22. Juni 1953 als Cynthia Ann Stephanie Lauper in New York City zur Welt. Ihr Vater ist der schweiz- und deutschstämmige Fred Lauper, ihre Mutter die aus Kampanien in Süditalien (andere Quellen geben Sizilien an) stammende Cathrine Dominique (eigentlich Catarina Papaleone). Cyndi Lauper wuchs mit ihrer Mutter, ihrem Stiefvater und ihren beiden Geschwistern, Fred und Ellen, in einem Einwandererviertel im New Yorker Stadtteil Queens, 104. Strasse, auf. Cyndi begeisterte sich sehr früh für Musik und lernte Gitarre spielen. Ihre schulischen Leistungen waren nach eigenen Angaben schlecht. Nach häufigem Schulwechsel gelang ihr der Bildungsabschluss erst im vierten Anlauf. Lauper verliess ihr Elternhaus und wagte den Schritt in die Unabhängigkeit. Sie begann als Aushilfe im Secondhand-Laden einer Freundin zu arbeiten und entdeckte dort das für ihre spätere Musikkarriere so wichtige Interesse für extravagante Kleidung. So rückte bei ihren ersten Auftritten in der Öffentlichkeit insbesondere ihr schrilles Bühnen-Outfit in den Fokus der Berichterstattung. Während dieser Zeit lernte sie auch David Wolff kennen, mit dem sie dann ein kleines Apartment bewohnte. Er wurde nicht nur ihr Lebenspartner, sondern auch ihr Manager und begann in dieser Funktion, sie mit Schlüsselfiguren der Musikszene bekannt zu machen, was in der Anfangsphase nicht zu fruchten schien. Lauper tourte mit zahlreichen Cover-Bands durch die New Yorker Clubszene. In späteren Interviews äusserte sie sich abfällig über diese Zeit. Songs aus dieser Schaffensperiode, etwa "Israel Lights", entsprachen nach eigenen Aussagen nicht ihrem musikalischen Stil, sah sie sich selbst doch als Rocksängerin. Die hohe Frequenz der Auftritte führte 1977 zu einer Überreizung ihrer Stimmbänder, die sie zu einer einjährigen Schaffenspause zwang.

1979 veröffentlichte Cyndi Lauper ihre erste Single, eine Coverversion des Fleetwood Mac-Songs "You Make Lovin' Fun". Diese Single erschien jedoch nur in geringer Stückzahl und Lauper selbst besass jahrelang kein einziges Exemplar. Erst Ende der 90er Jahre erhielt sie von einem Fan ein Exemplar als Geschenk überreicht. Ihr kommerzielles Debüt beurteilte sie selbst eher kritisch. Sie habe einfach nur singen und so klingen sollen wie die Fleetwood Mac Sängerin Stevie Nicks. Als David Wolff sie im selben Jahr mit John Turi bekannt machte, sollte sich dies für ihre weitere Karriere als Glücksfall erweisen. Mit Turi, Johnny Murelli, Arthur Neilson und Lee Brovitz gründete sie die Band Blue Angel. In dieser Formation erschien bei Polydor Records ein Album gleichen Namens, das in den Niederlanden Platz 37 der Charts erreichte. Die Arrangements waren geprägt vom Stil der späten 50er und frühen 60er Jahre. 1979 entwickelte sich in den USA durch den enormen Erfolg von Pat Benatar ein neuer musikalischer Frauentyp, selbstbewusst und auch in der Lage, erfolgreichen Rock herauszubringen. Diese Entwicklung erleichterte es Cyndi Lauper, bei den Plattenfirmen Gehör zu finden.

1983 wurde sie von Epic Records unter Vertrag genommen, und Rick Chertoff produzierte mit ihr das Album "She’s So Unusual", das über weite Teile von Mitgliedern der US-amerikanischen Folkrock-Formation The Hooters eingespielt wurde. Anfangs noch von den Radiostationen belächelt und wenig gespielt, wurde ihr Video "Girls Just Want To Have Fun" auf MTV häufig gesendet und die Single wurde zu einem Hit. Auch das Album wurde ein Erfolg, "She's So Unusual" verkaufte sich weltweit 15 Millionen mal und avancierte damit zum seinerzeit erfolgreichsten Debütalbum eines Solokünstlers. Mit dem Erfolg wuchs auch Laupers Selbstbewusstsein. Ihr oft belächelter Kleidungsstil prägte die Mode der 80er Jahre nunmehr entscheidend mit. Die Singles "Girls Just Want To Have Fun" und "Time After Time" - letzteres geschrieben zusammen mit dem Hooters Keyboarder Rob Hyman, der im Studio auch die Zweitstimme übernahm - erreichten hohe Chartsplatzierungen und ihre Musikvideos wurden als stilprägend für die Branche angesehen. Sie gehörte zu den ersten MTV-Stars. Sie absolvierte eine grosse Tournee durch die US-Bundesstaaten und provozierte mit der Single "She Bop" einen landesweiten Skandal, indem sie das Thema Masturbation offen ansprach, was zu Boykotten zahlreicher Radiostationen führte. Die daraus resultierende Publicity war dem Erfolg der Single eher zuträglich. Die Promotion des Albums kostete nach Laupers Worten so viel Zeit, dass sie Familienmitglieder und Freunde in ihren Musikvideos mitspielen liess, um mehr Zeit mit ihnen verbringen zu können.

Von 1984 bis 1985 trat Lauper in Wrestling-Shows der damaligen World Wrestling Federation auf, in denen sie als Managerin von Wendi Richter fungierte. David Wolff und WWF-Boss Vince McMahon ermöglichten diese Auftritte. Später sagte Cyndi Lauper, dass es ihr Spass gemacht, sie aber in ihren musikalischen Aktivitäten behindert habe. Deshalb blieb es auch bei wenigen Auftritten, so etwa bei der ersten Wrestle Mania. Lauper sang im Januar 1985 bei USA for Africa und lieferte im gleichen Jahr mit "Good Enough" einen Beitrag zu Richard Donners Film ßDie Goonies' ab. Diese Mitarbeit führte zu einer Distanzierung von der Plattenindustrie. Das Einspannen in die Marketing Maschinerie, die den Film umgab, missfiel ihr. Beim Dreh des begleitenden Musikvideos zog sie sich eine schwere Erkältung zu, die sie zur Absage ihrer Mitwirkung bei Live Aid zwang.

1986 kam mit "True Colors" Laupers zweites Album auf den Markt. Es zeigte die Sängerin zwar auch noch mit grell gefärbter Haarpracht, aber nach Einschätzung vieler Kritiker musikalisch und künstlerisch gereifter. Trotz der Hitsingle "True Colors", die es bis auf Platz 1 der US-Charts schaffte, blieb das Album hinter den kommerziellen Erwartungen zurück. Dennoch markierte die begleitende Tournee nach eigener Einschätzung den Höhepunkt ihres Künstlerlebens. Die massiven Sicherheitsvorkehrungen führten zu einer zunehmenden Distanzierung von den Fans, was Lauper bewog, ihre Karriere in eine andere Richtung zu entwickeln. Dies machte sich auch in der privaten wie professionellen Trennung von David Wolff bemerkbar. 1988 stand Lauper für ihr Hollywood-Debüt 'Vibes - Die übersinnliche Jagd nach der glühenden Pyramide' vor der Kamera. Der Auftritt handelte ihr harsche Kritik ein. Viele Beobachter sahen in dem Film lediglich ein rein auf den Star zugeschnittenes Vehikel ohne künstlerische Eigenständigkeit. "Hole In My Heart", die Single aus dem Soundtrack zu diesem Film, zeigte noch einmal die grelle schrille Cyndi Lauper, konnte aber nicht an frühere Verkaufserfolge anknüpfen.

Im Anschluss daran begannen die Arbeiten zu dem Album "A Night To Remember", das 1989 erschien. Lauper versuchte sich an einer Neudefinition ihres Images als elegant und sexy zugleich. Trotz grossen Zuspruches aus der Musikbranche äusserte sich Lauper selbst im Nachhinein unzufrieden über die Produktion. Zwar schrieb sie die meisten Titel selbst, wurde aufgrund massiver Einflussnahme seitens der Plattenfirma allerdings in ein Korsett gepresst, das nicht ihrer Persönlichkeit entsprach. Auch die Fans taten sich schwer, die neue, elegante Cyndi Lauper zu akzeptieren. So blieb das Album weit hinter den Verkaufserwartungen zurück und Lauper trat den Rückzug in ihr Privatleben an. Bis 1993 machte sie sich etwas rar, trat aber dennoch weiterhin auf und absolvierte 1990 einen Auftritt bei Roger Waters' Aufführung von "The Wall" auf dem Potsdamer Platz in Berlin. 1990 war auch das Jahr, in dem sie ihren zweiten Spielfilm drehte: 'Moon Over Miami'. Der Film wurde sowohl von den Kritikern als auch von Lauper selbst verrissen; jedoch lernte sie am Set David Thornton kennen und lieben. Die beiden heirateten 1991.

Thornton war es auch, der sie überredete, ein neues Album aufzunehmen; so schaffte sie es, mit "Hat Full Of Stars" 1993 ein Album herauszubringen, das ihren Vorstellungen entsprach und auch bei den Kritikern auf Zustimmung stiess. Ebenfalls 1993 sang Lauper den weiblichen Part auf der Single "Boys Will Be Boys" der Hooters. Ihr Label Epic Records stand jedoch nicht hinter ihrer Arbeit, sodass die Promotion auch gering war, was sich jedoch noch einmal für "Twelve Deadly Cyns" änderte. Dieses 'Best Of' Album kam 1994 auf den Markt und enthielt mit der eigenen Coverversion "(Hey Now) Girls Just Want To Have Fun" ihren letzten grossen Hit. In dieser Zeit begann Lauper, intensiv für die Rechte von Homosexuellen einzutreten, was ihr in der schwulen Subkultur ein hohes Ansehen bescherte und den Weg zur Homosexuellen-Ikone ebnete. Auch sah man sie vermehrt in Film- und TV-Produktionen. Für ihre Gastrolle als Marianne in der Sitcom 'Verrückt nach dir' wurde sie zweimal für den Emmy nominiert und gewann ihn einmal. Bereits 1996 wurde "Sisters Of Avalon" veröffentlicht, auf dem Lauper alle Songs mit Jan Pulsford schrieb und produzierte. Das Frauenduo überraschte mit ungewohnten Tönen: So wurden Oberflächlichkeit und Heuchelei etwa in der Politik gebrandmarkt, gepaart mit einigen harten Gitarrenriffs. Teile des Albums dienten als Soundtrack für den Film 'Ein Licht in meinem Herzen' mit Gena Rowlands, Gérard Depardieu und David Thornton.

Als sie eigentlich ihr Album hätte promoten sollen, wurde Lauper schwanger. Trotz Schwangerschaft trat sie im Vorprogramm von Tina Turner auf. Am 19. November 1997 kam Declyn Wallace Thornton Lauper zur Welt. Mit einem 1998 erschienenen Weihnachtsalbum, das traditionelle und eigene Lieder enthielt, endete die Zusammenarbeit mit Epic Records. In der Zeit danach war Lauper nicht minder aktiv: So beteiligte sie sich an dem Soundtrack zu dem Kultfilm 'A Night at the Roxbury' mit dem Titel "Disco Inferno", der eine Grammy Nominierung in der Kategorie 'Best Dance Recording' bekam, letztendlich aber Madonna unterlag. 1999 hatte Lauper einen Gastauftritt in der Fernsehserie 'Die Simpsons' (Staffel 10, Folge 11). In den folgenden Jahren war sie auf diversen Soundtracks zu hören, ging mehrfach mit Cher auf Tournee und war auch auf dem Album "Blowback" mit dem Lied "Five Days" von Tricky dabei. Ein neuer Vertrag bei Edel America folgte, doch gebeutelt von einem schlechten Management ging das Label in Konkurs. Statt des Albums "Shine" erschien 2001 nur eine gleichnamige EP, die Cyndi Lauper über ihre eigene Website vertrieb. 2003 erhielt sie einen neuen Vertrag bei Epic Records, bei welchem sie mit "At Last" in den USA prompt das erfolgreichste Album seit "A Night To Remember" herausbrachte. Sie selbst bezeichnete das Album als eine Sammlung von Liedern, die den Soundtrack ihres Lebens darstellen würden. Mit Nummern wie "Stay", "Walk On By" oder "La Vie En Rose" versuchte sie, den Hörer auf eine Zeitreise in die 50er und 60er Jahre mitzunehmen. Es folgte eine ausgedehnte Tour durch die USA, Japan und erstmals seit Jahren auch Australien. Im Zuge der Promotion trat sie, erstmals seit 1996, wieder in Deutschland auf. Zudem wurde sie erneut für den Grammy in der Kategorie 'Best Instrumental Arrangement Accompanying Vocalist' für den Titel "Unchained Melody" nominiert.

Auch äusserlich zeigte sie eine Wandlung. Angesprochen auf diese Veränderung und scheinbarer Hinwendung zum Normalen sagte Lauper selbst, dass sie auf keinen Fall normal und auch nicht gewöhnlich wäre; eine Frau, die im Alter von 50 Jahren versucht, sich sexy und elegant zu geben, sei keinesfalls gewöhnlich, denn sie selbst habe es schon immer gehasst, gewöhnlich zu sein. 2004 erschien "Shine" als komplettes Album, jedoch nur in Japan, wo es nicht unter die Top 100 der dortigen Charts kam. Im Jahr 2005 trat Lauper in einer Folge in der erfolgreichen US-Serie 'Queer as Folk' auf. Sie spielte sich dabei selbst und gab ein Benefiz-Konzert zugunsten homosexueller Interessen. Die Folge wurde am 6. März 2008 im deutschen Fernsehen ausgestrahlt. Am 3. März 2006 erschien in Europa Laupers Album "The Body Acoustic". Es präsentierte neu arrangierte Versionen ihrer grossen Hits, die in Zusammenarbeit mit verschiedenen Künstlern, darunter Sarah McLachlan, Shaggy, Jeff Beck und Ani DiFranco aufgenommen wurden. Als Beispiel war "She Bop" zu nennen, das als Gitarrenballade aufgenommen wurde. Auf "The Body Acoustic" waren zusätzlich die beiden neuen Songs "I’ll Be Your River" und "Above The Clouds" zu hören, sowie einige Videoclips, da das Album auch als Dual Disc auf den Markt kam. Laut der ersten Pressemitteilung sollte Lauper zusammen mit Kelly Osbourne "Girls Just Want To Have Fun" singen, doch befand sich stattdessen das Duo Puffy Ami Yumi aus Japan auf dem Album. Im Frühjahr 2006 stand Lauper erfolgreich in der Musical Fassung von Bertolt Brechts "Dreigroschenoper" am Broadway auf der Bühne. Im Juni 2007 tourte sie zusammen mit Erasure, Debbie Harry, The Dresden Dolls, The Misshapes und Gossip als Headliner mit der 'True Colors Tour' durch die USA. Der Erlös dieser Tour kam der Human Rights Campaign zugute, die sich für die Rechte von Homo- und Transsexuellen einsetzt. Special Guests waren unter anderem: Rosie O’Donnell, Rufus Wainwright und die Indigo Girls. Die 'True Colors Tour' ging im Sommer 2008 in die zweite Runde. Ebenfalls an der Tour beteiligt waren unter anderem The B-52’s, erneut die Indigo Girls, Joan Armatrading, Joan Jett And The Blackhearts, Regina Spektor, Tegan And Sara, Wanda Sykes, Nona Hendryx, Deborah Cox, Andy Bell, The Cliks, The Puppini Sisters sowie Girl in the Coma.

Bereits nach der ersten 'True Colors Tour' kündigte Lauper ein neues Album an, wozu die ersten Promotionauftritte im Zusammenhang mit der zweiten True Colors Tour stattfanden. "Bring Ya To The Brink" erschien folglich am 27. Mai 2008 in den USA und wurde in Europa im August desselben Jahres veröffentlicht. Laupers erstes Album mit neuen Material seit 1997 sollte ihren Angaben zufolge überwiegend rhythmisch und tanzbar sein, jedoch auch politische Themen aufgreifen. Dafür arbeitete sie mit europäischen House- und Elektro-Künstlern wie Digital Dog, Basement Jaxx, The Scumfrog, Dragonette und Kleerup zusammen. "Bring Ya To The Brink" wurde von der Fachpresse recht positiv aufgenommen und mit den Arbeiten von Madonna und Kylie Minogue verglichen. Zudem wurde es in den USA für den Grammy Award 2009 in der Kategorie 'Best Electronic / Dance Album' nominiert. Am 18. Februar 2009 erschien in Japan das Remix-Album "Floor Remixes". Freedombunch, Soul Seekerz und Tom Novy steuerten Remixes für dieses Album bei. Im Vorfeld wurde in Japan im Januar 2009 eine Mash-up-Single aus "Girls Just Wanna Have Fun" und "Set Your" Heart unter dem Titel "Girls Just Wanna Set Your Heart" veröffentlicht.

Im Herbst 2008 begab sich Lauper auf eine ausgedehnte Europa-Tournee, ihre erste seit mehr als zehn Jahren. Stationen dieser Tournee waren unter anderem Köln und Wien. Im Anschluss wurde die Tour in Südamerika fortgesetzt, jedoch kam das geplante Abschlusskonzert in Caracas nicht zustande. Laut Informationen des Bloggers Perez Hilton geschah dies durch Intervention des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez, nachdem Lauper Barack Obama öffentlich unterstützt und sich für die Rechte Homosexueller eingesetzt hatte. Im Herbst desselben Jahres folgte eine Zusammenarbeit mit der schwedischen Rockgruppe The Hives in Form eines Anti-Weihnachtsliedes. "A Christmas Duel" wurde Ende November 2008 auf der offiziellen The Hives Homepage zum Download gestellt und erschien Anfang Dezember 2008 als Download Single. Im selben Jahr spielte Lauper im serbischen Film 'Here and There' mit und schrieb auch ein Lied dazu; in dem Film hatte ihr Ehemann David Thornton eine Hauptrolle.

Im Jahr 2010 machte Lauper wieder durch ihren True Colors-Fund auf sich und die Gleichberechtigung Homosexueller aufmerksam. Hinzu kam ihre Zusammenarbeit mit Lady Gaga bei der VIVA GLAM Collection. Gemeinsam posierten sie auf Plakaten und bewarben Lippenstifte der Linie 'Viva Glam', welche zugunsten des MAC Aids Fund verkauft wurden. Die Erlöse flossen zu 100 Prozent in die Organisation, die weltweit von Aids/HIV betroffenen Menschen hilft. Zudem wirkte sie in der US-amerikanischen Realityshow 'Celebrity Apprentice' mit. Parallel dazu kamen die ersten Informationen über ihr neues Album heraus. Es erschien am 22. Juni 2010 unter dem Titel "Memphis Blues" in den USA auf CD und Vinyl und warein phantastisches und sehr stimmiges Bluesalbum, wieder einmal akustisches Neuland fürdiese umtriebige und vielseitige Künstlerin. Und sie gab auch in dieser für sie komplett neuen Rolle eine äusserst gute Figur ab. Lauper arbeitete hierfür mit Künstlern wie Allen Toussaint und B.B. King zusammen. Des Weiteren schrieb Lauper die Musik sowie den Text zum Musical "Kinky Boots", wofür sie 2013 mit einem Tony Award ausgezeichnet wurde. Damit war sie die erste Komponistin, die einen Tony Award in der Kategorie 'Best Score' für allein vollbrachte Arbeit gewinnen konnte. Das Musical war insgesamt für 13 Tonys nominiert und gewann sechs Stück. Die Albumaufnahme bekam einen Grammy Award für das beste Musical Theater Album; es war der zweite Grammy für Lauper. Im September 2015 kündigte Cyndi Lauper auf einer Pressekonferenz an, ein Country-Album aufnehmen zu wollen. Im Dezember 2015 veröffentlichte sie dann den Countrysong "Hard Candy Christmas" und das Album "Detour" folgte im ersten Halbjahr 2016. Im April 2016 wurde sie mit einem Stern auf dem 'Walk of Fame geehrt' (Stern Nummer 2577). Im gleichen Jahr ging Cyndi Lauper auf Europatournee und spielte dabei auch Konzerte in Deutschland.











Apr 29, 2025


THRICE MICE - Thrice Mice! (Philips 6305 104, 1971)

Infiziert vom Fieber der Beatles-Mania beschlossen die Brüder Rainer und Werner von Gosen im Frühsommer 1966, eine Beat-Band zu gründen. In Flensburg geboren und in Hamburg aufgewachsen, besuchten sie dort das Alexander von Humboldt-Gymnasium im Ortsteil Harburg. Rainer und Werner, beide musikalisch durch Klavierunterricht vorgebildet, übernahmen Bass und Gitarre, ihr Mitschüler und Freund Arno Bredehöft spielte das Schlagzeug. Der Name Thrice Mice (dreimal Mäuse) liess auf ein gewisses Understatement schliessen, wollten die Jungs doch in die erste Liga der damaligen Bandszene aufsteigen. Möglichkeiten dazu boten die zu diesem Zeitpunkt überall stattfindenden Beat-Wettstreite, an denen die Band mit grossem Erfolg teilnahm.

Im August 1966 gewann sie den ersten Preis der Beat Band Battle der Hamburger Gymnasien. Veranstaltet vom Gymnasium Hamburg-Alsterdorf setzten sie sich gegen sechs weitere Konkurrenz-Bands durch. Das Hamburger Abendblatt fand für diese Veranstaltung folgende Schlagzeilen: "Dem Musiklehrer war die Beat-Schlacht zu laut" und "Schiedsrichter sass vor der Tür!". Im Verlauf des Artikels vom 24.August 1966 hiess es weiter: "Ohrenbetäubende Beat-Musik, ohrenbetäubender Beifall, 7 Beat-Bands aus Hamburger Gymnasien kämpften im Schweisse ihres Angesichtes um den ersten Preis der Beat Band Battle. Die Aula kochte. Nur einer schlich sich während der Schlacht aus der Tür. Dem Musiklehrer war es zu laut geworden. Dabei sollte er als sachverständiges Jurymitglied Preisrichter spielen. Das tat er auch, aber mit Distanz. Er setzte sich im Flur vor der Aula auf eine Bank und liess die Musik dort auf sich wirken. Als dann nach zwei Stunden der Lärm im Saal verebbt war, fällte er in aller Ruhe seinen Spruch. Sieger der Schlacht in der Aula: The Thrice Mice vom Humboldt-Gymnasium in Harburg".

Bemerkenswert war, dass Thrice Mice, obwohl nicht Schüler des veranstaltenden Gymnasiums, trotzdem siegten und die Bands des heimischen Gymnasiums auf die Plätze verwiesen. Dies war ein erster Hinweis auf den Ehrgeiz und das Können der drei Jungs. Der Sieg bei der Beat Battle brachte ihnen Ansehen in der auch zu diesem Zeitpunkt schon vielfältigen und bandreichen Hamburger Szene. Die Anerkennung erfuhr einen weiteren Höhepunkt, als Thrice Mice auch als Sieger im Beat-Wettstreit der Harburger Anzeigen und Nachrichten, einer grossen Hamburger Lokalzeitung, hervorgingen. Die Veranstaltung fand im Februar 1967 in der Harburger Friedrich Ebert-Halle vor ungefähr 1200 Zuschauern statt. 24 Bands waren angetreten. Thrice Mice siegten mit fast der Hälfte der Stimmen des Publikums und ein Jurymitglied, delegiert vom Hamburger Starclub, erklärte: "Für mich haben Thrice Mice am besten gespielt".

Die Veranstaltung fand ihr kongeniales Presseecho und der Musikkritiker Willi Hofmann versuchte sich an einer soziologischen und kulturhistorischen Erklärung: "Man muss betonen, dass der Gedanke, von solch offizieller Warte, wie es die Presse heute ist, zu der Volksbewegung des Beat Stellung zu nehmen, ausserordentlich zu begrüssen ist. Wie alle Volksbewegungen kommt der Strom von unten, von den undifferenzierten und schlichten Bewusstseinslagen. Das Naturereignis Beat ist ein riesiger Protest gegen die Zerfaserung der modernen Jazz-Musik, gegen alles Alte und Morsche und gegen Zwang und jegliches Korsett. Es funktioniert wie die Posaunen von Jericho, und es ist ein Wunder, dass die Ebert-Halle bei dem Lärm keinen Schaden nahm. Es ist auch ein Sieg des elektrischen Stromes, den man bekanntlich mühelos verstärken kann und in dem die Singstimmen untergehen, es ist uralte Magie und moderne Technik, Ekstase und Monotonie zugleich. In der stilistischen Enge der wenigen Akkorde und Rhythmen unterscheiden sich die Bands durch die persönliche Leistung. Das pausenlos Hämmernde und das Grelle entspricht der Pop-Art in der Malerei, ein Protest gegen alle pintige Leisetreterei. Keine Rede von Schwüle, es ist der Ausdruck des ganz Direkten ohne jede Umschweife, echtes Zeichen der Zeit doch im Wesen uralt. Die Jugend im Saal konsumierte den Lärm meist mit tiefernsten Gesichtern".

Ob die anwesenden Fans dies genauso empfanden darf bezweifelt werden. Jedenfalls fanden Rainer und Werner von Gosen nach der Veranstaltung vor ihrer Haustür Tulpen, die ihnen junge Anhängerinnen als Zeichen ihrer Verehrung gestreut hatten. Dies war jedoch nicht der einzige Lohn der schweisstreibenden Arbeit. Als Preis hatte der Veranstalter für die vier erstplatzierten Bands die Möglichkeit einer Schallplattenaufnahme ausgelobt, einer EP, auf der sie sich jeweils mit einem Titel präsentieren durften. Trice Mice entschieden sich für die Eigenkomposition "An Invitation". Dieser Titel, der in seiner Art etwas an The Who erinnerte, gab der Band die Möglichkeit, sich professionell durch Vorlage eines Tonträgers weiter nach oben zu arbeiten. Die EP wurde soäter zu einer sehr gesuchten Rarität. Die lokalen Erfolge der Band hielten an und Thrice Mice mussten eine Menge von Auftritten absolvieren, betreut vom dritten von Gosen-Bruder, Jürgen, der als Roadmanager der Band half. Ein Bruch in der Bandgeschichte erfolgte, als Werner von Gosen 1968 zur Bundeswehr eingezogen wurde. Arno Bredehöft erhielt zu diesem Zeitpunkt ein Angebot der Beathovens und verliess die Band für ungefähr ein Jahr. Als Ersatz kamen Gerhard Adlung als neuer Schlagzeuger und Hans-Hermann Jäger an der Orgel in die Band. Nach Beendigung des Wehrdienstes stieg Werner von Gosen wieder in die Band ein; Arno Bredehöft kehrte ebenfalls wieder zurück. Die Urbesetzung spielte wieder zusammen.

Die Band war sich zu diesem Zeitpunkt allerdings bewusst, dass die Dreierbesetzung ihrer Musik bestimmte Grenzen setzte, die nur durch weitere Bandmitglieder überwunden werden konnten. Mit Karl-Heinz Blumenberg (Gesang, Altsaxophon, Perkussion, Querflöte, Gitarre), Wolfgang Buhre (Tenor-, Alt- und Sopransaxophon, Klarinette und Perkussion) und Wolfram Minnemann (Orgel, Klavier, Gitarre) fanden sich drei kongeniale Mitstreiter. Alle Drei verfügten bereits über erhebliche musikalische Erfahrungen. Karl-Heinz Blumenberg hatte zuvor Jazz, Skiffle und Folklore gespielt; Wolfgang Buhre kam vom Jazz und hatte schon mit Chris Barber und Monty Sunshine sowie Albert Nicholas, einem berühmten Klarinettisten, Musik gemacht; Wolfram Minnemann, ebenfalls vom Jazz kommend, hatte zuvor mit einigen Mitgliedern der legendären City Preachers Folklore gespielt. Damit hatte sich die Besetzung gefunden, die Anfang 1971 das gleichnamige Album auf Philips Records veröffentlichte. 

Die musikalischen Lebensläufe der einzelnen Gruppenmitglieder veranschaulichen, welche verschiedenen musikalischen Strömungen und stilistischen Auffassungen nun unter einen gemeinsamen Hut gebracht werden mussten. Die Gruppe erarbeitete sich die Titel im Kollektiv. Nachdem in der Anfangszeit die übliche Beat- und Popmusik gespielt, dann sich am Soul versucht wurde, war dies nun Makulatur. Die Band sah durch das Nachspielen internationaler Hits die konsequente Linie zur eigenen Musik beeinträchtigt. Im Promotionstext der Rolling News ihrer damaligen Plattenfirma wurde der aktuelle Zustand zutreffend wiedergegeben. Dort hiess: "Heute stützt sich die Thrice Mice' Musik auf eine mittelschwere Rock-Basis, die allerdings sehr variabel ausgelegt ist. Jazzeinflüsse sind unverkennbar, ein klassisches Motiv lieferte ihnen ihren grossen Reisser "Vivaldi's Revival", mal eine Progressivfärbung, mal eine Blueswendung. Wir wollen uns keinen Stempel aufdrücken lassen, sagen Thrice Mice. Es gibt Gruppen, die erkennt man beispielsweise immer an ihrer Art Rhythmus. Das mag seine Vorteile haben, aber uns würde es einengen. Zumal jeder von uns mindestens zwei Instrumente spielt. Wir sind offen nach allen Seiten, und wir finden, dass wir dadurch eine Menge mehr ausdrücken können".

Wie sich das äussert, zeigte die Thrice Mice LP. Sie enthielt vier Stücke. Zunächst das erfolgreiche "Vivaldi". Dann "Jo Joe", die eigenwillige Lebensphilosophie eines Mannes, gegenwartsbezogen, aber ebenso sprunghaft wie diese Gegenwart. Für das dritte Opus stand eine Idee von Joachim Ringelnatz Pate: "Fancy Desire", die Geschichte vom Reh im Park, dass sich als Gipsfigur entpuppt. Und dann "Torekov", ein Stück mit einer ganz eigenartigen Story. Einige Mitglieder von Thrice Mice campierten in Schweden und freundeten sich dort mit einer hübschen Finnin an, die immer, wenn sie zärtlich wurde, in englischer Sprache die unwahrscheinlichsten Dinge erzählte. Die Erzählungen dieser Finnin verarbeite die Gruppe zum Textgerüst des Titels "Torekov", benannt nach dem Ort, wo damals die Zelte standen. Die Aufnahmen zum Album fanden im November und Dezember 1970 in den renommierten Windrose Dumont Studios in Hamburg statt. Zuvor hatte sich die Band auch überregional einen Namen gemacht. So trat sie als eine der wenigen deutschen Bands Ostern 1970 beim Pop- und Bluesfestival in der Hamburger Ernst Merck Halle auf, wo ihnen über 10000 Fans zujubelten.

Noch gigantischer war ihr Auftritt beim legendären Fehmarn-Festival vom 4. bis 6. September 1970, wo auch der letzte Live-Auftritt von Jimi Hendrix vor dessen Tod stattfand, als sie vor 25000 begeisterten Fans spielten. Der berühmte Alexis Korner hatte sie angekündigt und wenige Minuten später vor Begeisterung bei ihnen mitgespielt. Von diesem Auftritt wurden später zwei Titel für eine Wiederveröffentlichung des Albums auf CD verwendet, das beim Label Long Hair Music erschien. Thrice Mice hofften ihren Status als semi-professionelle Band mit dem ersten Album zu verbessern. Anfang 1972 läutete sich jedoch das Ende der Band ein, als Rainer von Gosen aus beruflichen Gründen nach Frankfurt verzog. Die verbliebenen Gruppenmitglieder versuchten mit wechselnden Besetzungen Thrice Mice am Leben zu erhalten, letztlich wurde aber die Auflösung der Band beschlossen. Werner von Gosen und Karl-Heinz Blumenberg spielten mit Altona zwei Alben ein. Nach Beendigung seines Engagements bei der Gruppe Altona kehrte auch Werner von Gosen dem Musikbusiness den Rücken. Karl-Heinz Blumenberg war später mit der Band Leinemann erfolgreich; Wolfgang Buhre blieb als Musiker aktiv; Wolfgang Minnemann verschlug es nach Portugal und Arno Bredehöft verstarb.






WALLENSTEIN - Cosmic Century (Kosmische Musik KM 58.006, 1973)
 
Im Spätherbst 1971 gründete der Kunststudent und klassisch ausgebildete Musiker Jürgen Dollase die Rockgruppe Blitzkrieg. Mit ihm rüsteten der amerikanische Gitarrist Bill Barone, der holländische Bassist Jerry Berkers und der deutsche Schlagzeuger Harald Grosskopf die Truppe auf. Noch vor dem Jahresende 1971 spielte das so entstandene Quartett die vier Themen der ersten Langspielplatte ein. Da eine britische Band den Gruppennamen Blitzkrieg ebenfalls für sich beanspruchte, entschied sich Jürgen Dollase für den Albumtitel "Blitzkrieg" und den neuen Bandnamen Wallenstein, nach dem gleichnamigen Feldherrn aus dem 30jährigen Krieg. Zwar kam bei "Blitzkrieg" manches schon von anderen Gruppen bekannt vor, das Ganze war aber sehr virtuos gespielt und zeigte auf, wozu die Rockmusik fähig sein konnte, wenn andere Musikrichtungen (hier vorzugsweise Klassik bis zu den modernen Im- und Expressionisten) nicht nur collagenhaft eingebaut, sondern in den Kompositionen weiterverarbeitet wurden. Dollase schuf aus dem Geist der Klassik eine Musik, die sich nur gelegentlich gewisser Formprinzipien der Musiktradition bediente.

Im Frühsommer 1972 nahmen Dollase, Barone, Berkers und Grosskopf das zweite Album "Mother Universe" auf, für dessen Plattenhülle die Grossmutter Dollases abgelichtet wurde. Die französische Popzeitschrift Best kürte "Mother Universe" zur LP des Monats, mit der Begründung, dass die Musik von Wallenstein einmalig seki, weil es der Band perfekt gelänge, eine Synthese von reiner, melodischer Musik und hartem, brutalem Rock und unfassbaren, an Wahnsinn grenzenden Empfindungen zu kredenzen. Innerlich zeigten sich Wallenstein jedoch immer wieder zerrisssen, und auch der grosse Durchbruch war nicht zu schaffen gewesen, weshalb sich der Bassist Jerry Berkers, der mit "Unterwegs" eine eigene Platte veröffentlichte, sich von Wallenstein trennte und in der Folge nur noch solo auftrat. In den nächsten Monaten gastierten Wallenstein mit der Show wie bei Alice Cooper - lackierte Fingernägel, geschminkte Gesichter (Pressetext) als Trio in der Schweiz und in Frankreich. TV-Auftritte im französischen, österreichischen und Schweizer Fernsehen schlossen sich an. Durch die Sendung 'Klatschmohn' und ein 70-minütiges WDR-Porträt wurden Wallenstein auch in Deutschland am Fernsehen vorgestellt. Vom Mai bis zum August 1973 bediente Dieter Meier den Wallenstein-Bass, danach kam Jürgen Pluta in die Band. Im Juni wurde der Geiger Joachim Reiser als fünftes Wallenstein-Mitglied integriert. Mit Pluta und Reiser spielten Wallenstein am 16. September 1973 auf dem German Rock Festival in Krefeld und waren dort eine der grossen Attraktionen. Noch im selben Jahr erschien "Cosmic Century", das dritte Wallenstein-Album und das erste Werk des Symphonischen Rock Orchester Wallenstein.

Nach langer Besinnungszeit spielten Wallenstein als letzte Gruppe des Labels Kosmische Musik im Januar 1975 das Album "Stories, Songs & Symphonies" ein, mit dem Bandchef Jürgen Dollase eine eigene Idee von allverbindender Musik zu verwirklichen suchte. Das Ergebnis, eine unharmonische Mischung aus Klassik, Jazz und Rock, fand jedoch beim Publikum keinen Anklang. Mitte 1975 verliess der Gitarrist Bill Barone die Band in Richtung USA, und auch der Schlagzeuger Harald Grosskopf (später gelegentlich Mitspieler von Klaus Schulze) trennte sich von Wallenstein. Mit den neuen Mitspielern Gerd Klöcker (Gitarre) und Nicky Gebhard (Schlagzeug) erschienen Wallenstein im Herbst 1975 auf einer sehr erfolgreichen Frankreichtournee. Im Frühjahr 1976 verabschiedete sich auch der Geiger Joachim Reiser. Danach wurde es wieder still um Wallenstein. Erst eine Herbsttournee - zu der auch ein gelungener Auftritt beim 'First Dortmunder Rockdream Festival' am 2. Oktober jenes Jahres gehörte - brachte die Band wieder ins Gespräch.

Musikalisch neu gewandet stellten sich Jürgen Dollase (Keyboards), Gerd Klöcker (Gitarre), Jürgen Pluta (Bass) und Nicky Gebhard (Schlagzeug) von Mitte April bis Ende Juni auf einer Deutschlandtournee vor, zu der auch ein Auftritt beim Deutschrock-Festival in Krefeld an Pfingsten gehörte. Auf der gleichzeitig erschienenen LP "No More Love" (dem auf der Plattenhülle abgebildeten Paar fehlten jegliche Geschlechtsteile) stellte sich das Quartett befreit vom Pathos vergangener Tage vor, blieb aber musikalisch flau und konzeptlos. Nach einem Konzert in Hildesheim am 26. Mai 1978 entliess Jürgen Dollase alle Mitspieler und bereitete mit neuen Musikern einen Richtungs- und Stilwandel vor. Mit Joachim 'Kim' Merz (Gesang), Pete Brough (Gitarre), Michael Dommers (Gesang), Terry Park (Bass) und Charly Terstappen (Schlagzeug) nahm er bereits Mitte 1978 zehn Eigenkompositionen auf, die mit den relativ kopflastigen ersten vier Wallenstein-Produktionen nicht zu vergleichen waren. Die Langspielplatte "Charline" machte deutlich, dass sich Wallenstein für einen kommerzielleren Weg mit gradlinigem Rock, einfacher Melodieführung und mehrstimmigen Gesang entschieden hatten.

Am 10. November stellte sich die neue Wallenstein-Besetzung mit dem aktuellen Pop/Rock-Repertoire erstmals öffentlich in der Mönchengladbacher Kaiser Friedrich-Halle vor. Ihr Auftritt am 7. Dezember beim Dortmunder 'Sound & Music Festival' wurde vom WDR aufgezeichnet und in der Rockpalast-Sendung vom 27.Dezember 1978 ausgestrahlt. Nach einer Frühjahrstournee 1979, bei welcher die Gruppe gefeiert wurde wie sonst nur ausländische Bands (Zeitschrift Pop), und einem Auftritt in der Musiksendung 'Disco' kam die Gruppe zu ihrem ersten und einzigen Singlehit: "Charline" kletterte bis auf Rang 17 in den deutschen Popcharts. Im Sog des Single-Erfolges gaben Wallenstein 1979 mehr als 200 Konzerte, so auch etwa am 12. August 1979 auf dem Loreley-Festival und dem Festival in Pforzheim. Dazu kam am 10. August 1979 ein TV-Auftritt in der Sendung 'Szene'. Auch die im Oktober veröffentlichte LP "Blue Eyed Boys" entstand nach dem neuen Dollase-Konzept: "Eine straight spielende Rhythmussektion, ein prägender Lead-Gesang und ein hervorragender Satzgesang". Der gefällig arrangierte und durchsichtig produzierte Pop-Rock war kommerziell überaus erfolgreich. So verkaufte auch die Single-Auskopplung "Don't Let It Be" mehr als 10000 Exemplare.

Ab 1.1.1980 waren Wallenstein bei EMI unter Vertrag. Dort erschien bereits im März das Album "Fräulein"; bestückt laut der Zeitschrift Musik Express mit Pop sauberster Machart. Die Band promotete das neue Songmaterial auf einer grossen Deutschlandtournee und besuchte, gemeinsam mit den Scorpions, auch die Benelux-Länder, Frankreich, Österreich und die Schweiz. Zwischenzeitlich setzte sich der Gitarrist Pete Brough ab, um in Südafrika ein Mitglied der Gruppe Clout zu heiraten. Jürgen Dollase, Texter, Komponist und Produzent aller Wallenstein-Werke, war 1980 Gastdozent an der Pädagogischen Hochschule Aachen. Mit der gegen Ende 1980 veröffentlichten Single "Lady In Blue" kam es zum ersten kommerziellen Einbruch. Auch das Album "Sssss ... top", obwohl deutlich Rock-orientierter konzipiert und weitgehend spieltechnisch hervorragend gestaltet, konnte am schwindenden Hörerinteresse nichts ändern. Von März bis Juni 1981 gingen Wallenstein letztmalig auf Tournee. Dann wurde die Band, wie zahlreiche andere auch, von der Neuen Deutschen Welle überspült. Mit englischen Texten, erkannte Dollase, war nichts mehr zu machen. Die 1982 gestarteten Versuche mit deutschen Textzeilen blieben in der Schublade. Ende 1982 schloss Dollase das Kapitel Wallenstein ab: "Ich denke gern daran zurück, weil ich immer von dieser Musik gelebt habe. Aber nun bin ich froh, dass Schluss ist".


Anfang der 80er Jahre erwachte Jürgen Dollase's Faible fürs Kochen und Geniessen durch einen Besuch in dem Pariser Künstler-Restaurant La Coupole. Daneben widmete er sich ab 1988 intensiv der Malerei, zeigte jedoch seine Ölgemälde keinem Galeristen. Seit etwa 1993 wuchs auch sein Interesse am Kochen. Johannes Gross, der damalige Herausgeber der Zeitschrift Capital, ermutigte ihn in den 90er Jahren zu Publikationen auf dem Gebiet der Gastronomiekritik. Bald darauf begann er mit seiner Tätigkeit als Restaurantkritiker. Er arbeitete unter anderem mit den Meisterköchen Hans Stefan Steinheuer und Ingo Holland zusammen an einem Buchprojekt sowie 2007 mit Joachim Wissler für eine Kochdokumentation im Fernsehen. Dollase veröffentlicht seit 1999 regelmässig gastrosophische Kolumnen und Artikel. Den Anfang machten von 1999 bis 2004 kulinarische Texte und Gastronomiekritiken auf der Seite Stil des Feuilletons der FAZ. Von 2004 bis 2016 schrieb er dort die wöchentliche Kolumne 'Geschmacksache'. Seit 2002 schreibt Dollase auch für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung Gastronomiekritiken (Kolumne 'Hier spricht der Gast') und Serien wie 'Das besondere Restaurant'.

Von 2010 bis 2014 kamen eine kulinarische iPhone-App, von 2010 bis Ende 2015 die Online-Kolumne Esspapier (mit einer wöchentlichen Buchrezension) dazu. Neben der Arbeit für die FAZ schrieb Dollase für den Feinschmecker von 2002 bis 2010 die Serie 'Küchengeheimnisse', deren Rezepte und Analysen teilweise im Feinschmecker-Bookazine Nr. 9 (mit Harald Wohlfahrt) zu finden sind. Ebenfalls im 'Feinschmecker' schrieb er von 2002 bis 2010 die Kolumne 'Wiederbesucht'. In der Kunstzeitung erschien von 2007 bis 2008 die dem Schaffen von Spitzenköchen gewidmete Serie 'Telleranalyse' und von 2008 bis 2009 die Serie 'Fast Forward', die die Kochavantgarde untersuchte. 2008 begann Dollase auch die Zusammenarbeit mit der neu in deutscher Sprache erschienenen Weinzeitschrift 'Fine European Wine Magazin' mit der Serie 'Wein und Speisen'. Seit 2009 schreibt er für das vierteljährlich erscheinende, von Fotograf Thomas Ruhl herausgegebene Magazin 'Port Culinaire' eine Serie über die Avantgarde-Küche.





Feb 4, 2025


ROCCO - Rocco (20th Century Records T-505, 1976)

Der neuseeländische Maori-Soulsänger Leo De Castro, der sich vom progressiven Rock seiner früheren Band Friends abwandte, begann als Solokünstler mit einer bunten musikalischen Mixtur, die aus Elementen des Funk, des Soul, des Rock und auch dem Blues einen ziemlich interessanten und abwechslungsreichen Cocktail servierte. Es war ein Stil, den der Musiker für den Rest seiner Karriere verfolgen würde. Das De Castro Line-Up wurde von Steve Webb und Rob Gray (beide Keyboards), dem ehemals bei den Bands Carson und der australischen Rock'n'Roll-Legende Daddy Cool tätig gewesenen Lan 'Willy' Winter (Gitarre) und John Young (Bass) komplettiert. Später zog Leo De Castro nach Sydney, wo er sich der Funk Band Johnny Rocco anschloss. Die Band benannte sich nach dem gleichnamigen Bösewicht, den der Schauspieler Edward G. Robinson im Film 'Key Largo' aus dem Jahre 1948 spielte. Diese in Sydney ansässige Gruppe von Jazz- und Funk-Musikern spielten eine LP ein, zusammen mit einem der wenigen Maori-Sänger, die sich in den 70er Jahren in australischem Soul-Funk und anderer Musik einen Namen machen konnte. De Castro spielte in einigen weiteren Bands mit, aber mit relativ wenig Erfolg.

Wie viele urbane indigene Musiker auf der ganzen Welt, die von der europäischen Kultur beeinflusst wurden, hatten auch Maori-Musiker oft eine Heimat in der afrikanischen Musik-Diaspora gefunden:Soul, Funk, Reggae und seit einigen Jahren auch Hip Hop. De Castro's Einflüsse waren jedoch wesentlich bodenständiger und folgten dem damals gerade in Australien sehr populären Boogie Rock, der seine Wahlheimat ziemlich fest im Griff hatte. Die ursprüngliche Version der Johnny Rocco Band, die im Februar 1974 gegründet wurde, bestand aus Mark Punch (Gitarre, Gesang; Ex-Mother Earth), Tony Buchanan (Saxophon; Ex-Daly Wilson Big Band), Tim Partridge (Bass; Ex-King Harvest, Mighty Kong) und Russell Dunlop (Schlagzeug; Ex-Levi Smiths Clefs, SCRA, Mother Earth). Sie waren eine der ersten australischen Bands, die Funk und Soul in das Pub Rock-Format integrierten. Leo und Mick Kenny (Keyboards; Ex-Levi Smiths Clefs) traten Ende 1974 zusätzlich der Gruppe bei. Die Band nahm eine erste Version des Stücks "Heading In The Right Direction" auf, die gemeinsam von Mark Punch und Garry Paige geschrieben worden war. Die Sängerin Renée Geyer machte das Lied später durch eine eigene Version berühmt.

Die Johnny Rocco Band war vor allem live eine ziemliche Attraktikon. Das ergab sich zuerst einmal aus dem Umstand heraus, dass die Gruppe zeitweise mit einiger personeller Verstärkung auftrat, bei deren Gelegenheit sie manchmal fast schon ein veritables Big Band Format angenommen hatte, was dazu führte, dass bekannte und weniger bekannte Titel öfters mal zu richtig ausgedehnten Jam-Variationen ausuferten. Insbesondere Bläsersätze und viele Keyboard-Einlagen prägten den Live-Sound und verliehen ihren Songs dadurch einen sehr breit gefächerten Charakter. Besonders auch De Castros Live-Stimme hatte es dem immer zahlreicher werdenden Publikum angetan - auf Tracks wie "Baby's Gonna Make It" klang er beispielsweise schon fast tiefschwarz und brauchte sich vor Konkurrenten aus den USA überhaupt nicht zu verstecken.

Zu der Zeit trat die Gruppe oft auf, sammelte so auch viele Erfahrungen und bereitete sich lange darauf vor, dieses Album aufzunehmen. Der Original-Gitarrist Mark Punch war gerade zu Renée Geyers Band gegangen, aber er war noch bei der Johnny Rocco Band geblieben, um mindestens zwei der Tracks für das spätere Album mit aufzunehmen - Songs, die er mitgeschrieben hatte: "Heading In The Right Direction", das bald eine Hit-Single für Renée Geyer auf deren Soloalbum "Ready To Deal" wurde, sowie "Sweet Kisses", das Geyer später ebenfalls aufnehmen würde (für ihr Album "Winner"). Das hervorragend produzierte Album präsentierte auch ein paar tighte Instrumental Funk-Workouts mit Jazz-Touch, toller Flöte und ein früher Talkbox-Klassiker mit dem Titel "Number 43", sowie grossartige Percussion-Einlagen von Sunil De Silva. Das später schlicht "Rocco" betitelte Werk wurde ein ganz formidables und stilistisch sehr breit ausgelegtes Album.

Während das Album in Australien auf dem Kleinlabel The Ritz Gramophone Company veröffentlicht wurde, kam auch ein internationaler Deal mit dem amerikanischen Plattenlabel 20th Century Records zustande. Die Band wurde in der Folge schlicht in Rocco umbenannt, und es wurde ein Vertriebs- und Managementvertrag mit der Reizner Music Corporation unterzeichnet. Die Singleauskopplung "Heading In The Right Direction" mit der B-Seite "Funky Max" erschien im August 1975. Harris Campbell hatte Punch abgelöst, der später ebenfalls zur Renée Geyer Band wechselte. Die Johnny Rocco Band veröffentlichte das Album "Rocco" im Mai 1976, das eine zweite Single "Gonna Have A Good Time" mit der B-Seite "Who's This Guy" abwarf. Trotz etlicher weiterer toller Songs auf dem Album wie "Funky Max" oder "Rocco" blieb der Gruppe jedoch der grosse Durchbruch verwehrt, wohl auch, weil die grosse Funk-, Soul- und Disco-Welle zu jenem Zeitpunkt insbesondere in den USA bereits am abklingen war. Rocco kamen wohl einfach etwas zu spät mit ihrem Album, was angesichts der tollen Musik und der absolut tighten und fetten Produktion wirklich schade ist. Weil sich somit ein weitreichender Erfolg nicht abzuzeichnen schien, trennte sich die Gruppe Rocco schliesslich Ende 1976. 

Leo De Castro gründete in der Folge die Kiwi-Band Cahoots mit Tui Richards (damals Ex-Powerhouse), Billy Rylands (Gitarre, Ex-Freshwater und Stevie Wright Band), Phil Pritchard (Gitarre; Ex-Highway und Miss Universe), George Limbidis (Bass, Ex-Highway und Miss Universe) und Doug McDonald (Schlagzeug, Ex-Powerhouse). Im Mai 1977 wurde die Band als 'Leo De Castro And Rocco' aktiv. Am Ende des Jahres war es dann die Leo De Castro Band. Es folgte eine erneute Umbenennung in Heavy Division im Jahre 1978 mit Richards, Russell Smith (Gitarre, Ex-Firma Caine, Mighty Kong, Billy T), Tim Partridge (Bass,  Ex-Kevin Borich Express) und John Watson (Schlagzeug). Nennenswerte und zählbare Erfolge blieben jedoch aus, weshalb der hervorragende Sänger Leo De Castro im Endeffekt ein rein australisches und neuseeländisches Phänomen blieb.





FIVE DOLLAR SHOES - Five Dollar Shoes
(Neighborhood Records NRS-47002, 1972)

Sie hatten vielleicht ein wenig den Sex-Appeal der New York Dolls, viel musikalisches Poprock-Gebräu und schmissen noch eine gehörige Portion Glam Rock hinzu. Dass diese Kombination scheitern würde, war nicht unbedingt vorauszusehen, zumal sich der klassische Glam Rock 1972 gerade in den Startlöchern befand. Interessant war vor allem die Tatsache, dass hier eine Band angetreten war, die mit kräftiger Unterstützung damaliger Profimusiker ein Album einspielte, das sich in qualitativer Hinsicht so gar nicht hinter der grossen und wesentlich prominenteren Konkurrenz zu verstecken brauchte. New York City war damals ohnehin das angesagte Pflaster für die ersten richtigen Glam Rock Bands, und die Truppe um den später auch für den legendären Jobriath Boone aktiven Musiker Gregg Diamond, der auch bei The Creatures spielte, präsentierte auf diesem leider einzigen Album durchaus Songs von Weltklasse-Niveau. Zusammen mit den weiteren Musikern Mike Millius, Tom Graves, Jim Gregory und Scott Woody war die Band Five Dollar Shoes in und um New York durchaus recht populär. Ihr gleichnamiges Album wurde in den legendären Electric Lady Studios in New York City's Greenwich Village aufgenommen. Der Umstand, dass laut nie verstummen wollenden Gerüchten bei den Aufnahmesessions damals auch die beiden in der Band Wicked Lester aktiven Musiker Gene Simmons und Paul Stanley als Background Sänger beteiligt gewesen sein sollen, also jene beiden Hauptakteure der später so erfolgreichen Formation Kiss, machte dieses Album schon früh zu einem begehrten Sammelobjekt insbesondere brettharter Kiss-Fans.

"Five Dollar Shoes": Das war schlussendlich eine jener Platten, die man ungefähr zu Mitte der 70er Jahre schon als 5 Mark-Ramschplatte an den Wühltischen allüberall finden konnte. Inzwischen dürfte die Platte äusserst selten sein, und man findet sie nicht mehr unbedingt an jeder Ecke. Obwohl die Platte damals floppte, war sie allerdings wirklich super. Gerade wenn man sich heute solche Platten anhört, dann kann man sich echt fragen, ob der Musikmarkt damals - 1972 - wirklich so übersättigt war, dass man solche Perlen quasi einfach links liegen lassen konnte. Es gab hier durchaus Parallelen zu Mott The Hoople, frühem 70er Rolling Stones-Rock und eben jede Menge frühen Glam Rock zu hören. Vielleicht waren Five Dollar Shoes schlicht und einfach zu früh mit ihrem Album. Womöglich hätten sie ein Jahr später wesentlich mehr Aufmerksamkeit auf sich gezogen, als die erste Glam Welle so richtig Fahrt aufnahm. Hört man sich nämlich ihre exzellenten Songs an, so kann man sich diese durchaus irgendwo zwischen damaligen T. Rex und New York Dolls vorstellen.

Rockig und insbesondere exzellent abgemischt offenbarten sich dem Hörer hier zehn absolut zeitlose, und all die Jahre hindurch ziemlich aktuell gebliebene Gassenhauer, die samt und sonders über so etwas wie Hit-Charakter verfügten. Aufgenommen übrigens von keinem Geringeren als Eddie Kramer in den bereits erwähnten Electric Lady Studios, was alleine schon die hohe Qualität der Band verriet. Die Band bestand aus dem Top-Gitarristen Scott Woody, dem Bassisten Jim Gregory, dem Harper und Vokalisten Mike Millius, dem nicht minder exzellenten Keyboarder Tom Graves und dem eingangs erwähnten, sehr versierten Schlagzeuger Gregg Diamond. Von den anderen Musikern der Band gab es später keine nennenswerten Gastspiele in der Rockmusik mehr. Gregg Diamond aber machte sich einen Namen in der Disco-Szene. Das Musikmagazin Billboard bezeichnete ihn gar als einen wahren Pionier der Disco-Musik.

Gregg Diamond hatte bereits einige Jahre vor Five Dollar Shoes im Musikgeschäft gearbeitet, bevor ihm in der zweiten Hälfte der 70er Jahre im Zuge der Disco-Welle der Durchbruch als Produzent und Musiker gelang. Als Schlagzeuger arbeitete unter anderem für die Folk-Sängerin Melanie und den Singer/Songwriter Michael Wendroff. Ausserdem gehörte Diamond zur Band The Principal Creatures rund um den Glam Rock-Sänger Jobriath. In dieser Funktion spielte er auch auf dessen zweitem Album "Creatures Of The Street" mit. Diamonds kommerzieller Durchbruch gelang im Jahre 1976 mit einer Albumproduktion für die eigentlich als Pornodarstellerin bekannt gewordene Sängerin Andrea True. "More, More, More" enthielt mit dem von Diamond geschriebenen Titelsong einen weltweiten Hit, der sich als Disco-Klassiker etablierte und über die Jahrzehnte auch in zahlreichen Filmen Verwendung fand. Diamond arrangierte sämtliche Aufnahmen der LP, ausserdem spielte er unter anderem Klavier und Perkussion. Gemixt wurde das Album von Tom Moulton. Mit Andrea True feierte Gregg Diamond weitere kleinere Hits: "Party Line" (1976) und "N.Y. You Got Me Dancin'" (1977) standen hoch in den amerikanischen Disco-Charts.

Noch 1976 folgte eine Zusammenarbeit mit George McCrae auf dessen Album "Diamond Touch". Danach gründete Diamond sein Studio-Projekt Bionic Boogie, das ihm mit wechselnden Musikern einige Hits in den Disco-Charts bescherte. Besonders erfolgreich war die erste LP "Bionic Boogie" (1977), die sich als einzige seiner Werke auch in den Top 100 der Billboard Albumcharts platzieren konnte. Besondere Aufmerksamkeit erhielt das Cover des Albums, das eine futuristisch gekleidete Frau zeigte, die an einem mit ihrer Brust verbundenen Metallregler drehte und so scheinbar langsam die Temperatur oder Lautstärke in ihrem Körper erhöhte. Die Songs "Dance Little Dreamer" und "Risky Changes" standen 1978 drei Wochen auf Platz eins der Disco-Charts, die folgenden Alben "Hot Butterfly" (1978, unter anderem mit Luther Vandross) und "Tiger Tiger" (1979, mit Jocelyn Brown) waren ebenfalls in den Diskotheken gefragt. Diamond veröffentlichte auch unter seinem Namen zwei Alben; "Star Cruiser" (1978) schaffte den Sprung in die Top Ten. Als Produzent wurde Gregg Diamond 1977 auch für Gloria Gaynors Album "Glorious" verpflichtet. Nachdem die Disco-Welle ihren Höhepunkt überschritten hatte, zog sich auch Gregg Diamond aus dem Musikgeschäft zurück.


Der Gitarrist Scott Woody spielte als Studio- und Tourmusiker einige Jahre beim deutschen Musiker Klaus Nomi, der Sänger Mike Millius, der bereits 1969 ein nur wenig beachtetes Soloalbum veröffentlicht hatte ("Desperado", UNI Records), zog sich ganz zurück, während sich der Bassist Jim Gregory einigen Plattenproduktionen und -projekten von Gregg Diamond anschloss und 1987 auf einem Album von Peter Wolf (The J. Geils Band) mitspielte. Das von Pacific Eye & Ear designete Frontcover Artwork war äusserst geschmackvoll gezeichnet und mit abgerundeten Kanten versehen ein echter Hingucker. Leider gibt es die wundervolle Platte von Five Dollar Shoes bis heute nicht in einer restaurierten Version zu kaufen, weder als CD, noch als Wiederveröffentlichung auf Vinyl. Doch wer sich einmal die Mühe macht, nach der Original-LP umzusehen wird belohnt mit 10 erstklassigen Rock Songs, die zwar dem Geist der Zeit entsprachen, heute aber rückwirkend noch immer sehr frisch und zeitgemäss wirken. Es zeigt sich eben oft erst viele Jahre später, wie gut manche Songs doch einmal waren, wenn man sie sich noch mehr als vier Dekaden später genüsslich reinziehen kann, und sie dabei noch immer so zeitlos und interessant klingen wie damals. "Five Dollar Shoes" ist eine sträflich unterbewertete Platte, damals wie heute.