Oct 16, 2017


GRAHAM BOND WITH MAGICK - We Put Our Magick On You
(Vertigo Records 6360 042, 1971)

Graham Bond war ein Waisenkind und wurde von einer Beamtenfamilie adoptiert. Er lernte schon in seinen Jugendjahren verschiedene Tasten- und Blasinstrumente mit grosser Leichtigkeit zu spielen, sein musikalisches Talent war unübersehbar. Seine Adoptiveltern verfolgten den Plan, Graham zu einem Konzertpianisten auszubilden, doch der junge und talentierte Musiker  zeigte eine grosse Affinität zur Jazzmusik. Allerdings war er auch schon in seiner Jugend ein relativ schwieriger Charakter, der vor allem stets im Kampf mit sich selbst stand. Er wollte einerseits ein individuell denkender und von gesellschaftlichen Zwängen befreiter Jazz Bohemian sein und ein wildes und spannendes Leben leben, andererseits aber war er auch ein Romantiker, der von einer grossen künstlerischen Karriere träumte. Dank seines grossen Talents standen die Zeichen dafür auch denkbar gut. Zu Anfang der 60er Jahre war Graham Bond bereits als hoffnungsvoller Saxophonist in England bekannt. Als Mitglied des John Randell Quintetts steigerte sich seine Reputation rasch. 1962 trat Graham Bond der noch jungen Band Blues Incorporated von Alexis Korner bei. Zu dieser Zeit begannen die Musiker auch, die ersten elektronischen Orgeln zu spielen. Ray Charles wurde dabei zum grossen Vorbild von Graham Bond. Sein musikalisches Hauptinteresse wechselte in der Folge vom Jazz zum Blues.

Im Februar 1963 wechselte Graham Bond definitiv vom Saxophon zur Hammond Orgel. Als er Alexis Korner's Blues Incorporated beigetreten war, spielten in jener Phase unter anderem der spätere Cream-Bassist Jack Bruce in der Band mit, ebenso der noch junge Gitarrist John McLaughlin und der später ebenfalls mit Cream weltberühmt werdende Schlagzeuger Ginger Baker. Alle vier Musiker hatten ein grosses gemeinsames Interesse am rauhen und schmutzigen Blues, den sie jedoch mit Jazz-Elementen erweitern wollten. Sie gründeten daraufhin noch ohne den Gitarristen John McLaughlin gemeinsam das Graham Bond Trio und nach dem Beitritt von McLaughlin die Graham Bond Organisation. Der Gitarrist John McLaughlin blieb nur bis im Oktober desselben Jahres in der Formation und wurde durch Dick Heckstall-Smith ersetzt. Zu Beginn des britischen Rhythm & Blues-Booms wurde die Graham Bond Organization durch ihren aggressiv gespielten Sound mit starken Jazz- und Blues-Elementen bekannt. Bond schrieb die meisten Stücke, ermutigte aber die anderen Musiker ebenfalls Material beizusteuern, zum Beispiel "Dick's Instrumental" von Dick Heckstall-Smith sowie "Camels and Elephants" von Ginger Baker. In diesem Stück entwickelte der Schlagzeuger Ideen, die später in sein Paradestück "Toad" eingeflossen sind. Jack Bruce' Mundharmonika-dominierte Version von Peter Chatham's "Train Time" indes wurde später ein fester Bestandteil bei Konzerten von Cream.

Die erste reguläre Aufnahme in Originalbesetzung der Graham Bond Organization wurde unter dem Namen des Sängers Winston G. (Winston Gork) veröffentlicht. Als Schützling des ausgewanderten australischen Produzenten Robert Stigwood, begann Winston seine Karriere unter dem Pseudonym Johnny Apollo. Anfang 1965 waren Winston und The Graham Bond Organization Teil der von Stigwwod organisierten England Tournee mit Chuck Berry als Headliner, die Stigwood grosse Verluste verursachte. Als Partner des gleichen Managements unterstützte The Graham Bond Organization Winston auf der Parlophone-Single "Please Don't Say" / "Like A Baby" (die A-Seite trug den Hinweis 'Arrangement directed by Graham Bond' und die B-Seite den Hinweis 'Arrangement directed by Ginger Baker'). Die Band kam dann bei der Plattenfirma Decca Records unter Vertrag, die ihre Version von Don Covay's "Long Tall Shorty" 1964 veröffentlichte, mit "Long Legged Baby" als B-Seite. Ihre bekannteste Single und zweite Veröffentlichung unter eigenem Namen war "Tammy" / "Wade in the Water", aufgenommen am 4. Januar 1965 in den Olympic Sound Studios in London. Das Stück erschien ebenfalls auf ihrem Debütalbum "The Sound of 65".

Die vierte Single enthielt die Stücke "Lease on Love" / "My Heart's in Little Pieces" (Juli 1965). Das Besondere an der A-Seite ist der Gebrauch eines Mellotron, das Graham Bond auch bei verschiedenen Stücken auf der zweiten LP "There's A Bond Between Us", veröffentlicht im November 1965, spielte. Das Album enthielt ausserdem Studio-Versionen der zwei erwähnten Instrumentalstücke. Die Single und die Album-Stücke galten als erste Pop-Aufnahmen, die ein Mellotron präsentierten. "Lease On Love" war mehr als ein Jahr vor dem ersten England Charts-Hit mit einem Mellotron erschienen (Manfred Mann's "Semi-Detached Suburban Mr James" im Oktober 1966 und mindestens 18 Monate bevor die Beatles das Mellotron mit "Strawberry Fields Forever" im Januar 1967 weltberühmt machten. Die Songs für das zweite Album waren die letzten, die in Originalbesetzung eingespielt wurden, bevor Jack Bruce im August 1965 aus der Band geworfen wurde. Die Gruppe wurde durch exzessiven Drogenmissbrauch und Ginger Baker's Streit mit Jack Bruce zusätzlich belastet. Rückblickend wird vermutet, dass Jack Bruce von Graham Bond mit Ginger Baker ersetzt wurde, um Jack Bruce feuern zu können, der kurzzeitig bei Manfred Mann eingestiegen war. Im Juli 1966 wurden Baker und Bruce dann von Eric Clapton gefragt, zusammen bei Cream zu spielen. Die Band nahm somit ohne Bruce das Stück "St. James Infirmary Blues" am 10. Januar 1966 auf. Der Song wurde in den USA auf dem Label Ascot Records veröffentlicht und fand kaum Beachtung. Bei dem Stück wirkte Mike Falana an der Trompete mit.

Graham Bond besetzte die Organisation mit Jon Hisemann am Schlagzeug neu. Als Trio, Bond, Heckstall-Smith und Hiseman, nahmen sie die Single "You’ve Gotta Have Love Babe" / "I Love You" (beide Stücke komponiert von Graham Bond) am 18 January 1967 für Page One Records auf. Hiseman und Heckstall-Smith wechselten danach zu John Mayall & The Bluesbreakers, um im April 1968 das Album "Bare Wires" aufzunehmen. Danach gründeten sie im Sommer 1968 zusammen mit Tony Reeves am Bass und Dave Greenslade am Keyboard die spätere Progressive Jazzrock Koryphäe Colosseum. Kommerzielle Misserfolge, interne Streitigkeiten und Drogenprobleme brachten die Band dazu, sich Ende 1967 aufzulösen. Jedoch wurde ihr Einfluss schnell mit dem Erfolg von Blues und Progressive Rock sowie steigenden Verkaufszahlen deutlich. Das Doppel-Album "Solid Bond", von Warner Brothers Records im Jahre 1970 veröffentlicht, war eine Kompilation von Live-Aufnahmen des Graham Bond Quartet (Bond, McLaughlin, Bruce und Baker) aus dem Jahre 1963 sowie Studio-Aufnahmen der letzten Besetzung der Graham Bond Organization (Bond, Heckstall-Smith und Hiseman) aus dem Jahre 1966.
 

Von seinen musikalischen Gefährten im Stich gelassen, verliess Graham Bond seine Heimat England und lebte zwei Jahre lang in den USA. Danach kehrte er zurück, spielte mit Ginger Baker’s Air Force zusammen und tourte eine kurze Zeit zusammen mit der Band von Jack Bruce. Anschliessend unterzeichnete er einen neuen Vertrag bei Vertigo Records und lebte zu dieser Zeit vermutlich drogenfrei. Jedoch befasste er sich zunehmend mit Schwarzer Magie. Er heiratete die Sängerin Diane Stewart, die sich wie Graham Bond für Okkultismus und Schwarze Magie interessierte. Zusammen mit dem Bassisten Rick Grech, der zuvor bei der Supergroup Blind Faith spielte und später zu Roger Chapman's Family wechselte, sowie Victor Brox von der Ainsley Dunbar Retalation wurden für das Swirl Label die beiden Alben "Holy Magick" und "We Put Our Magick On You" eingespielt. Beide Werke blieben erfolglos, was schade ist, denn sie hatten durchaus eine relativ neue und interessante Seite von Graham Bond gezeigt: Okkulter Jazz, der nahe am Freejazz angesiedelt war, dominierte zwar das erste Album "Holy Magick", inklusive esoterischer Beschwörungsformeln und allerlei okkultem Kram, der zudem opulent und bisweilen viel zu ausladend arrangiert war. Doch das zweite Album "We ut Our Magick On You" zeigte einen Graham Bond, der sich wieder zurücknahm, zumindest in esoterischer Hinsicht. Dieses Album geriet zu einem hervorragenden bluesig gefärbten Jazzrock-Werk, das durchaus auf der Höhe der Zeit war und sehr viele qualitative Glanzpunkte aufwies.

"We Put Our Magick On You" wie eine signifikante Aenderung gegenüber dem zuvor veröffentlichten "Holy Magick" Album auf: Dieses Werk trug wesentlich mehr östliche Mythologien in den Vordergrund. Zierte bei "Holy Magick" noch die Kultstätte Stonehenge das Plattencover, so stellte Bond nun den Tattwa Symbolismus der Hindu Philosophie in den Vordergrund: Fünf farbige Symbole, die für die vier Elemente plus Aether standen. Musikalisch war dieses Album wesentlich besser als das erste, ging abe leider komplett unter, nachdem sich seine treue Anhängerschaqft zu sehr vom Vorgänger "Holy Magick" abschrecken liess. Graham Bond haderte einmal mehr mit sich selbst, zog nicht zum erstenmal in seiner an eine Achterbahnfahrt erinnernden Karriere konsequenterweise erneut den Stecker und suchte - wieder einmal -  nach einer neuen Herausforderung.

Er fand sie in der Zusammenarbeit mit dem legendären Cream-Texter und Dichter Pete Brown, mit welchem Bond dann kurze Zeit später das Album "Two Heads Are Better Than One" realisierte. Es folgte ein bis 2008 nicht veröffentlichtes Album mit der John Dummer Blues Band, das 1973 aufgenommen, in den Archiven blieb. Seine Ehe mit Diane Stewart war kurz zuvor zu Bruch gegangen, und er suchte erneut einen musikalischen Halt. Nächste Station war seine Gruppe Magus, mit der er aber nur wenige Monate lang spielte und mit ihr auch keine Veröffentlichungen realisieren konnte. Gegen Ende 1973 entdeckte Bond den amerikanischen Singer und Songwriter Mick Lee, mit welchem er gemeinsame Konzerte bestritt, aber ebenfalls keine Aufnahmen tätigte. Pläne, wonach in eine gemeinsame Band auch der ehemalige Traffic-Musiker Chris Wood eintreten sollte, zerschlugen sich ebenso wie eine eventuelle Nachfolge für den Schweizer Keyboarder Patrick Moraz als Ersatz bei der Progressive Rockband Refugee, als Graham Bond sich am 8. Mai 1974 überraschend das Leben nahm, als er sich, finanziell am Ende und ohne künstlerische Anerkennung in der Londoner U-Bahnstation Finsbury Park vor einen einfahrenden Zug stürzte. Graham Bond konnte erst Tage später identifiziert werden. Endgültig geklärt werden konnte das Rätsel um seinen Tod nicht. Graham Bond erhielt posthum noch einmal traurige Bekanntheit, als herauskam, dass er in den letzten Monaten seines Lebens eine sexuelle Beziehung zu seiner Stieftochter gehabt haben soll.











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