May 15, 2021


WARREN PHILLIPS AND THE ROCKETS - The World Of Rock And Roll 
(Decca Records SPA 43, 1969)

Hinter dem Pseudonym Warren Phillips And The Rockets verbarg sich die spätere Boogie Rockband Foghat, die sich während einer Aufnahmepause im Tonstudio zur Einspielung des Savoy Brown Albums "Blue Matter" den Spass gönnte, zur Auflockerung einige alte Rock'n'Roll-Standards zu spielen. Der Produzent Mike Vernon liess dabei die Bandmaschine laufen und so wurden diese Spass-Songs erfreulicherweise komplett in Mehrspur-Technik aufgenommen und konserviert. David Grinstead, der damalige Assistent des Toningenieurs Roy Baker (der für die "Blue Matter" Aufnahmen verantwortlich war) nahm in den Randstunden der offiziellen Aufnahmezeit insgesamt 13 Titel auf, die weitestgehend live eingespielt wurden und später auch kaum nennenswerte Overdubs erfuhren. So kann man durchaus von einem 'Live im Studio'-Album sprechen, was da die Plattenfirma Decca Records später praktisch parallel zum Savoy Brown Werk "Blue Matter" veröffentlichte. Bei der Band handelte es sich im Grunde um die Band Savoy Brown ohne dessen Leader Kim Simmonds, nämlich Dave Peverett (Gesang und Gitarre), Roger Earl (Schlagzeug), dessen Bruder Colin Earl (Piano) und Tony Stevens (Bass). Während Savoy Brown mit ihrem Werk "Blue Matter" streng auf der Blues-Schiene fuhren, feierten Warren Phillips And The Rockets eine pure und ungefilterte Rock'n'Roll-Party, die zwar vorwiegend sattsam bekannte und wohl auch bereits hundertfach gecoverte Standards spielten, diese jedoch ziemlich authentisch und absolut stimmig interpretierten.

Die Setlist umfasste die Songs "Matchbox", "Blue Suede Shoes" und "Honey Don't" von Carl Perkins, Little Richards' "Whole Lotta Shakin' Goin' On", "High School Confidential" und "Keep A-Knockin'", Gene Vincent's "Be-Bop-A-Lula, Jesse Stones' "Money Honey", Charles Calhoun's "Shake, Rattle & Roll" (Charles Calhoun war ein Pseudonym von Jesse Stone), den "Mean Woman Blues" aus der Feder afroamerikanischen Sänger und Songschreibers Claude Demetrius, der in den 40er und 50er Jahren unter anderem zahlreiche Titel für Louis Armstrong, Ella Fitzgerald, Louis Jordan, Johnny Ray schrieb und von dem auch Elvis zahlreiche Songs interpretierte, des weiteren das von Bill Monroe in den 50er Jahren populär gemachte "Linda Lou" (das Foghat später in einer härteren Variante noch einmal aufnehmen sollten) sowie die beiden tollen und wohl ganz spontan entstandenen Eigenkompositionen "Blue Jean Boogie" und "Sweet Little Lucy". Dass diese Aufnahmen überhaupt veröffentlicht werden konnten, war dem Bluesproduzenten Mike Vernon zu verdanken, der die Songs für hochprofessionell hielt und sie deshalb der Plattenfirma Decca Records, welche auch die Savoy Brown Werke und viele weitere, von Vernon produzierte Bluesalben veröffentlichte, zum Release empfahl.

Decca ging dabei einen ungewöhnlichen Weg: Um die Wege zwischen dem zur Veröffentlichung anstehenden Bluesalbum "Blue Matter" und dieser waschechten Rock'n'Roll-Platte nicht zu kreuzen, gab sie den Musikern das Pseudonym Warren Phillips And The Rockets und brachte das Album zunächst als Mono- und kurz darauf als Stereo-Version heraus, und zwar im sogenannten "Low Price"-Segment, das vor allem in grösseren Kaufhäusern in den Verkauf gelangte. Die Platte erschien auch in den USA. Auch dort wurde sie vor allem als "Low Budget"-Produkt vertrieben, erhielt einen anderen Titel, nämlich "Rocked Out!", ein anderes Plattencover und erschien dort beim amerikanischen Decca Records-Pendant Parrot Records (Orriginal-Bestellnummer PAS 71044, 1969). Die Platte wurde im Jahre 1982 von London Records unter dem Titel "Before Foghat Days" einmal wiederveröffentlicht, ebenfalls im Rahmen einer "Low Budget"-Serie unter dem Begriff "London Collector's Edition", welche auch Aufnahmen bekannter Künstler und Bands, die bei Decca Records Platten veröffentlicht hatten, unter anderem John Mayall und Savoy Brown umfasste.

Die Savoy Brown Musiker, welche diese Aufnahmesession einspielten, verabschiedeten sich bald darauf von ihrem Mentor Kim Simmonds und gründeten ihre eigene Band Foghat, mit der sie vor allem in den Vereinigten Staaten grosse Erfolge feiern konnten. Nachdem Namen wie Brandywine, Track und Hootch abgelehnt worden waren, einigte man sich schliesslich auf den Bandnamen Foghat. Der Name, zu deutsch 'Nebelhut' leitete sich von einem Phantasiewort her, das bei einem 'Scrabble'-Spiel entstand. Im Juni 1972 erschien das Debütalbum "Foghat", produziert von Dave Edmunds. Als Single wurde der Willie Dixon-Klassiker "I Just Want To Make Love To You" ausgekoppelt. Sowohl das Album als auch die Single kamen nur in den USA in die Charts, weshalb Foghat kurz darauf eine US-Tournee startete. Kurz darauf nahm Foghat die Single "What A Shame" auf, die ausserdem im März 1973 auf dem Album "Rock & Roll" erschien. Tom Dawes produzierte das im Januar 1974 erschienene Album "Energized", das unter anderem eine Coverversion von Buddy Holly's "That'll Be The Day" enthielt. Das Album stieg in den USA bis auf Platz 34 und erreichte Goldstatus. Im Oktober erschien bereits der Nachfolger "Rock And Roll Outlaws", der von Nick Jameson produziert wurde. Mit dem Album konnten Foghat den Erfolg von "Energized" nicht wiederholen.

1975 wurde der Bassist Tony Stevens schliesslich vollständig durch Nick Jameson ersetzt. Im selben Jahr erschien "Fool For The City", das erste Foghat-Album, das Platin-Status erreichte. Der Song "Slow Ride" von dem Album sollte ihr grösster Single-Erfolg überhaupt werden. Im Jahr darauf verliess Nick Jameson die Band um eine Solokarriere zu starten, als Ersatz für ihn kam Craig MacGregor. Dan Hartman produzierte das nächste Album "Night Shift", das im November 1976 erschien und wiederum Gold-Status erreichen konnte. Es enthielt die Singles "Drivin' Wheel", "I'll Be Standing By" und "Take Me To The River". Im August 1977 erschien mit dem überaus erfolgreichen "Foghat Live" das erste Livealbum der Gruppe, auf welchem die Musiker ihre bekanntesten Songs zum Besten gaben. Nick Jameson war zurückgekehrt, um das Album zu produzieren. Die Live-Version von "I Just Want To Make To Love You" kam erneut als Single, diesmal in der Live-Variante, auf den Markt. Auf dem nächsten, im Mai 1978 veröffentlichten Studioalbum "Stone Blue" bewiesen Foghat einmal wieder ihre Qualitäten als Blues-Band mit dem Robert Johnson-Cover "Sweet Home Chicago". Das Titelstück des Albums wurde als Single veröffentlicht. Sowohl "Stone Blue" als auch die Nachfolge-LP "Boogie Motel", die im Oktober 1979 erschien, erreichten Gold-Status.

Im Juni 1980 erschien dann das Album "Tight Shoes", auf dem sich Foghat in Richtung New Wave bewegten. Es war das vorerst letzte Album, auf dem der Gitarrist Rod Price mitspielte, er stieg kurz darauf aus. Als Ersatz für ihn kam Erik Cartwright. Auf dem Album "Girls To Chat & Boys To Bounce" vom Juli 1981, spielte auch Nick Jameson als Bassist wieder mit. Das Album verkaufte sich nur moderat. Im Oktober 1982 erschien "In The Mood For Something Rude", das grösstenteils aus Rhythm'n'Blues-Coversongs bestand. Sehr ähnlich klang danach auch das Album "Zig-Zag Walk", welches im Juni 1983 erschien. Kurz darauf kehrte Craig MacGregor der Band den Rücken. Er wurde zunächst durch Kenny Aaronson ersetzt, der die Band aus gesundheitlichen Gründen jedoch ebenfalls bald verliess. Auch Rob Alter, Aaronson's Nachfolger, musste wegen Krankheit schnell wieder gehen. Im Endeffekt kehrte dann Craig MacGregor zurück. Bis 1985 waren Foghat fast ständig auf Tourneen, Anfang des Jahres verliess jedoch ihr populärer Frontmann Lonesome Dave Peverett die Band, um nach England zurückzukehren. Roger Earl, Erik Cartwright und Craig MacGregor gründeten zusammen mit dem Pianisten Jim Robarge die Kneetremblers. 1986 schied Robarge wieder aus, er wurde ersetzt durch Eric 'EJ' Burgeson an der Gitarre. Bald darauf tourten die Kneetremblers dann wieder unter dem Namen Foghat (diese Formation wurde später als Roger Earl's Foghat bekannt).

Roger Earl's Foghat musste eine sehr grosse Anzahl von Besetzungsänderungen durchstehen: MacGregor wurde durch Brett Cartwright, Erik's Bruder, ersetzt, der bis 1989 blieb und dann Jeff Howell seinen Platz überliess. Im gleichen Jahr ging auch Burgeson, für den Phil Nudelman kam. Nudelman ging schon im nächsten Jahr wieder eigene Wege, stattdessen erschien Billy Davis auf der Bildfläche. Schliesslich meinte 1992 dann auch Howell Foghat wieder verlassen zu müssen. Dave Crigger kam als neuer Bassist. 1990 hatte Peverett eine Band namens Lonesome Dave's Foghat gegründet. Bei der Band spielten Brian Bassett (Gitarre), Eddie Zyne (Schlagzeug), Stephen Dees (Bass), Riff West (Bass) und gelegentlich war auch Rod Price wieder mit von der Partie. Zwischen 1990 und 1993 tourten die beiden Foghat-Bands unabhängig voneinander durch die USA. 1993 kamen Tony Stevens und Rod Price endgültig zurück, Dave Peverett und Roger Earl gaben ihre eigenen Projekte auf und es kam zu einer Reunion von Foghat in der Gründungsbesetzung. Im September 1994 erschien das Album "Return Of The Boogie Men", im Mai 1998 kam das Live-Album "Road Cases" auf den Markt. 1999 ersetzte Brian Bassett Rod Price, im Mai desselben Jahres wurde "King Biscuit Flower Hour" ein weiteres Live-Album, veröffentlicht. Im Jahre 2000 starb Lonesome Dave Peverett an Krebs. 2005 verstarb auch Rod Price nach einem Herzinfarkt. 2007 war die Band unter dem Zepter von Roger Earl wieder live in den USA unterwegs. 2010 erschien mit "Last Train Home" ein neues Studioalbum. Der zwischenzeitliche Gitarrist Erik Cartwright starb 2017.



 

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