Mar 13, 2017

BIG BAD VOODOO DADDY - This Beautiful Life (Coolsville Records 490387-2, 1999)

Die Gruppe Big Bad Voodoo Daddy gehörte der sogenannten Neoswing-Welle an und war in diesem Musikbereich einer der populärsten Acts. Neoswing ist eine Stilart, welche Elemente aus dem Swing mit typischen Stilelementen des Rock und Punk, aber auch der elektronischen Musik und dem Nu Jazz kombiniert. Seit den 80er Jahren entdeckten einige Rock- und Punk-Musiker die Stilrichtungen Boogie Woogie und Swing für sich. Nach dem Swing-Revival war Mitte der 90er Jahre in den USA der Neoswing als Alternative zu Techno und Hip-Hop entstanden. Brian Setzer, der vor Jahren mit seinen Stray Cats erfolgreich Rockabilly spielte, hatte in Amerika mit einer Neoswing Big Band und alten Standards wie "This Old House", "Caravan" und "Pennsylvania 6-5000" grossen Erfolg und hatte massgeblichen Anteil an der Ausprägung des Neoswing. Wie Brian Setzer machten auch andere Bands wie die Cherry Poppin’ Daddies, die mit dem Titel "Zoot Suit Riot" sogar einen Hit landeten, nach dem Schritt zurück gleich wieder einen vor, um den Altswing mit neuen Elementen zum Neoswing zu verschärfen. Steve Perry, der Sänger der Cherry Poppin' Daddies, umschrieb den musikalischen Horizont folgendermassen: "Wir wollen den Swing nicht wiederbeleben, sondern eine Rockmusik machen, die Swing-Elemente übernimmt. Swing ist Tanzmusik und Jazz hat Melodien, ein fröhliches Lebensgefühl, etwas Anarchisches und die Energie vom Punk". Auch Jim Mathus von den Squirrel Nut Zippers wies einen reinen Nostalgie-Bezug zurück: "Wie sollte ein 20 Jähriger Nostalgie empfinden für etwas, was es in den letzten fünfzig Jahren gar nicht gab ?"

Andere Neoswing-Bands hatten auch Elemente der Popmusik und sonstiger Musikrichtungen des 20. Jahrhunderts übernommen, wobei einzelne Gruppen sich jedoch auf nur eine der alten Popmusikrichtungen spezialisierten. So hatten sich die Squirrel Nut Zippers zum Beispiel den New Orleans Jazz und den Sinti-Swing als Ausgangsbasis für ihre Musik genommen. Andere Bands wiederum bezogen sich auf den klassischen Swing, wieder andere bevorzugten den Rock ’n’ Roll, den Boogie Woogie oder verbanden sogar alles miteinander. Richtige Orchester mit dreifacher Bläserbesetzung kamen wieder zum Einsatz. Aber auch kleinere Formationen bis zum Quartett spielten diese Musik. Die Bands trugen oft seltsame Namen, die auch provozieren sollen, wie Squirrel Nut Zippers, Big Bad Voodoo Daddy oder Cherry Poppin’ Daddies. Ebenso die Titel einiger Musikstücke, wie zum Beispiel "Shake Your Lovemaker" von den Cherry Poppin’ Daddies. Die eben genannten Big Bad Voodoo Daddy verliehen ihrem musikalischen Grundkonzept gar noch eine Prise Voodoo-Mystik, waren aber musikalisch eher ungestüm, wählten auch Punk-Muster und Rockmusik als Grundlage, obwohl sie letztlich auch enorm fetzigen Jazz kredenzten. Stilistisch spielten Big Bad Voodoo Daddy einen Stil, der breit aufgestellt war und der in seinem vorwärtstreibenden Groove sehr an die ebenfalls dem Neoswing zugeordnete Gruppe Royal Crown Revue ähnelte.

Big Bad Voodoo Daddy stammen aus Südkalifornien. Zu ihren bedeutendsten Singles gehören "Go Daddy-O", "You & Me", "The Bottle Makes 3 Tonight (Baby)" und "Mr. Pinstripe Suit". Die Band hatte einen denkwürdigen Auftritt in der Halbzeitpause des Super Bowl XXXIII im Jahre 1999, wodurch ihr kurz zuvor veröffentlichtes Album "This Beautiful Life" einen grossen Verkaufs-Aufschwung erhielt. Big Bad Voodoo Daddy wurden 1989 in Ventura, California, von Frontmann Scotty Morris gegründet. Der Name der Band entstand, nachdem Morris die Blueslegende Albert Collins bei einem seiner Konzerte traf. Er unterschrieb für den Fan Scotty Morris ein Poster mit den Worten "Für Scotty, den big bad voodoo daddy". Morris hielt das für den tollsten Namen, den er jemals gehört hatte, in einer seiner tollsten, musikalischen Nächte. Als er sich dann einen Namen für die Band ausdenken musste, hatte er nicht wirklich eine Wahl: Dieser Name war wie für die Band bestimmt. Morris und Kurt Sodergren waren die beiden Gründer der Band. Big Bad Voodoo Daddy hatten sich auf den Swing der 40er und 50er konzentriert und in ihren frühen Jahren diesen in Clubs und Lounges gespielt.

Nachdem Morris in den 80er Jahren in Punk- und Alternative Rockbands wie den False Confession, einer Band der Hardcore-Szene, gespielt hatte, gründete er mit Kurt Sodergren Big Bad Voodoo Daddy. Die Band veröffentlichte die zwei Alben "Big Bad Voodoo Daddy" und "Watchu’ Want for Christmas ?" unter ihrem eigenen Plattenlabel Big Bad Records, bevor sie den grossen Durchbruch mit ihren Songs "You & Me & the Bottle Makes 3 Tonight (Baby)", "I Wanna Be Like You" und "Go Daddy-O" feiern konnten, nachdem diese im Soundtrack der Tragikomödie "Swingers" Berücksichtigung fanden und durch den Film eine grössere Popularität erreichten. Von diesem Zeitpunkt an waren sie bei Capitol Records unter Vertrag. Dort veröffentlichten sie die Alben "Americana Deluxe", "This Beautiful Life" und "Save My Soul". Die Band führte ihre Touren, Auftritte und Albenveröffentlichungen fort. Die Gruppe veröffentlichte ausserdem eine Variante der Titelmusik der äusserst erfolgreichen TV-Sitcom "Hinterm Mond gleich links", welche in der 1999/2000-Serienstaffel verwendet wurde.

In den letzten Jahren spielte Big Bad Voodoo Daddy viele Popmusik-Programme amerikanischer Sinfonieorchester, unter anderem des Los Angeles Philharmonic Orchestras, der San Francisco Symphony und der Atlanta Symphony. Sie schrieben ein neues Lied für den Film "Tierisch wild" und nahmen eines für die Weihnachtsferien-Spezialfolge von "Phineas und Ferb" auf. Big Bad Voodoo Daddy trat zudem in der Erfolgsfernsehshow "Dancing with the Stars" und in der "Tonight Show" mit Jay Leno auf, um ihr Album "How Big Can You Get ? The Music of Cab Calloway" vorzustellen, eine Zusammenstellung ihrer Interpretationen von Liedern Cab Calloway's aus dem April 2009.

"This Beautiful Life" war das vierte Album der Band, es erschien im Jahre 1999 und dürfte das bis dato ausgereifteste, aber auch das überdrehteste Werk der Musiker gewesen sein. Die Band spielte hier in der Besetzung mit sieben Mann einen Sound, der einem opulenten Orchester nahe kam, dies vor allem durch den Einsatz verschiedenster Bläserarrangements, die teils überlagert aufgenommen wurden. Der Traditional "Ol' MacDonald" geriet dabei als Hommage an Frank Sinatra zu einem Höhepunkt am Ende des Albums: So überdreht und rotzig hatte man diesen Song noch nie gehört. Da schimmerte vor allem Scotty Moore's Punk-Vergangenheit bemerkenswert stark durch. Swing Punk oder Punk Swing ? Aber auch der Rest der Platte geriet zu einem wahren Rhythmus-Feuerwerk, das die Band aber schon seit Anbeginn auszeichnete: Die Dynamik in ihren Songs, diese ungezügelte Kraft in ihren Interpretationen, die oft überbordend und üppig arrangiert waren, ging sofort in die Beine des Hörers über. Moore lieferte denn auch bei fast allen Songs immer auch schneidende und harte Gitarrenlicks, steuerte Rock-Elemente bei, welche aus dieser ganzen Neoswing-Dynamik auch immer wieder eine einnehmende Rock-Attitüde ausstrahlte, derer man sich nicht entziehen konnte. Ob in "Who's That Creepin'", "2000 Volts" (der Songtitel ist hier Programm) oder dem Opener "Big And Bad": Die Gruppe Big Bad Voodoo Daddy war immer fetzig, dramatisch, manchmal leicht morbid in der Art der Geschichtenerzählung, und ja: Vielleicht ein bisschen näher am Screamin' Jay Hawkins-Wahnsinn als alle anderen Neoswing-Bands. Herrlich!






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