Sep 16, 2020


ELVIN BISHOP - Let It Flow (Capricorn Records CP 0134, 1974)

Ein wahres Stelldichein einiger der damals grössten Country Rock- und Roots-Musiker bedeutete dieses 1974 erschienene Jam-Album des Gitarristen Elvin Bishop, der bis dato vor allem in Blues-Kreisen grosses Ansehen genoss, zumal er bereits in den 60er Jahren ein verdientes Mitglied der Paul Butterfield Blues Band gewesen war. 1968 gründete er seine eigene Elvin Bishop Group, spielte aber nebenbei auch noch mit Mike Bloomfield und Al Kooper auf deren erfolgreichem Album "The Live Adventures Of Mike Bloomfield And Al Kooper" mit. Durch Tourneen zusammen mit den Allman Brothers, für welche er zeitweise auch auf die Bühne stieg zum gemeinsamen Jammen, erwuchs die Idee, den zuvor in seiner eigenen Band gespielten Blues zugunsten des typischen Country Rock der Allman Brothers zu modifizieren, was dank einem neuen Plattenvertrag mit dem Capricorn Label, welches auch die Allman Brothers beheimatete, nur logisch schien.

Produzent Johnny Sandlin, der noch ein Jahr zuvor die brilliante "Brothers And Sisters" LP der Allman Brothers produziert hatte, versammelte einige der damals hochkarätigsten Musiker aus dem Capricorn Stall im Tonstudio und Elvin Bishop liess nebst seinem bisweilen recht witzigen Stil zu singen, was sicherlich auch an seinen manchmal recht humorvollen Songtexten lag, vor allem seine Slide Gitarre herrlich singen. Die Songs, die er komponiert hatte, waren allesamt grossartig. Mit "Travelin' Shoes" findet sich auf dem Album auch einer seiner populärsten Songs, den er später dauerhaft in sein Live-Repertoire integrierte und auch heute noch regelmässig spielt. Zu seiner Stamm-Band, welcher Gitarrist Johnny Vernazza, Keyboarder Phil Aaberg, Bassist Michael Brooks und Schlagzeuger Don Baldwin angehörten, wurden zu den Aufnahmen zu "Let It Flow" etliche prominente und ausgezeichnete Gastmusiker eingeladen. Sie alle halfen mit, dieses Album zu einer der schönsten und qualitativ herausragendsten Country Rock Veröffentlichungen der 70er Jahre werden zu lassen. Diese Lockerheit in seiner Musik, gepaart mit der hohen Qualität der Kompositionen konnte Elvin Bishop später nicht mehr erreichen. 

An den Klampfen spielten als Gäste der Allman Brothers Gitarrist Richard Betts, der Pedal Steel Gitarrist Toy Caldwell (Marshall Tucker Band) und Charlie Daniels an der akustischen Gitarre und der Fiddle mit. Für einen klasse Vintage-Touch an den Tasten sorgten Paul Hornsby und Sly Stone (Sly & The Family Stone) mit der Orgel, sowie Steve Miller am Piano. Schliesslich gab's mit Randall Bramblett (der unter anderem bei den Allman Brothers und Sea Level mitspielte), David Brown und Harold Williams einen kompetenten und punktgenau eingesetzten Saxophon-Satz, der vor allem beim Paradestück "Travelin' Shoes" überzeugt.

Neben Eigenkompositionen gibt es auf dem Album "Let It Flow" auch Coversongs zu hören, die teilweise fast wie Kontrapunkte zum eher im Midtempo-Bereich angesiedelten Songmaterial von Elvin Bishop wirken, aber gerade deswegen wunderbar ins Gesamtkonzept passen. So der aus der Feder von Merle Haggard stammende Country-Heuler "Can't Hold Myself In Line", den Charlie Daniels mit seiner Geige wundervoll veredelt. Ausserdem das von Lightnin' Hopkins geschriebene Blues-Stück "Honey Babe", das in Bishop's Variante eine erhebliche Rhythmus-Steigerung erfährt und schlicht Spass macht. Hier gibt es eine tolle Orgel von Sly Stone und interessante Slide-Spielereien von Bishop zu hören. Besonders erwähnenswert ist auch das diese LP beginnende Stück "Sunshine Special" aus der Feder von Jack "Applejack" Walroth, der aus der Band von Boz Scaggs kam und mit diesem Ohrwurm schon ein herrliches Statement lockerer und spassmachender Musik beisteuerte. Das traditionelle Country-Stück "Hey Good Lookin'" von Hank Williams rundet die Auswahl der Coversongs ab.

Bei den Eigenkompositionen ragen neben dem bereits erwähnten "Travelin' Shoes" auch das mit reichlich Gospel-Feeling (inklusive grossem Chor) ausgestattete Titelstück "Let It Flow", das für dieses Album noch einmal neu eingespielte "Stealin' Watermelons", das Elvin Bishop bereits einige Jahre zuvor auf einer seiner Blues-Platten veröffentlicht hatte, sowie der unwiderstehliche Ohrwurm "Fishin'" heraus, ein Titel, der dem Coverbild einerseits alle Ehre macht, und andererseits dem leidenschaftlichen Hobbyangler Bishop von der textlichen Thematik her wohl besonders am Herzen lag.

"Let It Flow" ist hervorragend produziert: Sam Whiteside als verantwortlicher Toningenieur und Johnny Sandlin als Produzent und Mixing Verantwortlicher legten ihr ganzes Können in diese Produktion hinein, bei der wahrlich weder in musikalischer, noch in produktionstechnischer Hinsicht irgendetwas falsch gemacht wurde. Schade nur, dass das der Platte nicht die Reputation zukommen liess, die sie verdient gehabt hätte: "Let It Flow" war kein Kassenschlager. Eine Annäherung an die Popmusik mit leichtem Westcoast-Einschlag erfuhr Elvin Bishop's Musik in den Jahren nach diesem Album, was ihm in der Folge einige kleine Hits wie zum Beispiel "Fooled Around And Fell In Love" bescherte. Nach einer sehr langen musikalischen Durststrecke besann sich Bishop zurück auf seine Wurzeln und spielte ab den 80er Jahren wieder mehrheitlich Blues und Bluesrock. Mit dieser Rückkehr zu seinen musikalischen Wurzeln stellte sich danach ein konstanter Erfolg ein, der eigentlich bis heute anhält, denn noch immer veröffentlicht Elvin Bishop regelmässig Platten. Ein so beseeltes, grossen Spass machendes Jam-Album wie "Let It Flow" indes war eine perfekte Momentaufnahme, die nur dank der richtigen Zeit mit den richtigen Beteiligten möglich war.



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