Dec 23, 2016

LITTLE FEAT - Waiting For Columbus (Warner Brothers Records 2BS 3140, 1978)

Der am 13. April 1945 in Los Angeles geborene Musiker Lowell George spielte ab 1966 bei der Folkrock Band The Factory, mit der er das von Frank Zappa produzierte Demo "Lightning Rod Man" aufnahm, das allerdings erst 1993 veröffentlicht wurde. Aus The Factory entwickelte sich die Gruppe The Fraternity of Man, bei welcher Lowell George allerdings nie festes Mitglied war, mit der er jedoch zusammenspielte. Zwei Monate war er Leadsänger der Standells. 1968 schloss er sich den Mothers of Invention als Ersatz für Ray Collins an, zunächst als Sänger, später spielte er zunehmend Rhythmusgitarre. Er ist beispielsweise auf dem Mothers-Album "Hot Rats" zu hören. In dieser Zeit schrieb Lowell George viele Songs. "Truck Stop Girl", ein Titel aus dieser Zeit, wurde unter anderem von den Byrds gecovert. Dadurch bekam er einen Plattenvertrag bei Warner Brothers Records, worauf im Folgejahr dann seine Band Little Feat entstand, benannt nach einer Bemerkung von Jimmy Carl Black über George's Fussgrösse. Nachdem Frank Zappa Lowell George's Song "Willin'" wider Erwartens abgelehnt hatte, verliess Lowell George zusammen mit Roy Estrada die Mothers of Invention, um gemeinsam das neue Unternehmen Little Feat zu starten. Bill Payne und Richard Hayward waren die weiteren Musiker, welche zur Startformation von Little Feat gehörten. Russ Titelman produzierte das Debütalbum "Little Feat" 1971. Auf dem Album war der Gitarrist Ry Cooder als Gastmusiker zu hören. Weder die Single "Hamburger Midnight", noch das Album verkauften sich gut, trotz sehr guter Kritiken. Auch das zweite Album "Sailin' Shoes" von 1972 ging weitgehend unbeachtet unter, obwohl es von der Kritik hoch gelobt wurde. Auf beiden Alben war eine Kombination aus verschiedenen Musikstilen aus dem Süden der USA zu hören.

Roy Estrada stieg in der Folge noch 1972 aus. Für ihn kamen gleich drei Musiker neu in die Gruppe, nämlich Kenny Gradney, Sam Clayton und Paul Barrère. Die folgenden zwei Alben "Dixie Chicken" (1973) und "Feats Don’t Fail Me Now" im Jahr darauf brachten schon mehr Umsatz für die Band. Auf "Dixie Chicken" spielte die Band Countryrock. Auf einer Europa-Tournee mit den Doobie Brothers 1975 konnte man eindeutig erkennen, wie professionell die Band spielte. Die Genres reichten dabei von Country über Blues bis Boogie. Mit "The Last Record Album" (1975) gelang der Band dann endgültig der Durchbruch. Im folgenden Jahr tourten Little Feat erneut durch Europa, unter anderem auch im Vorprogramm der Rolling Stones. Auf der LP "Time Loves A Hero", welche 1977 erschien, waren Jazz Rock-Anklänge zu hören. Im selben Jahr musste sich Lowell George einer Drogen-Entzugskur unterziehen. Das Doppelalbum "Waiting For Columbus" aus dem Jahre 1978 präsentierte danach die hohen Qualitäten von Little Feat als Live-Band. Es gilt bei Musikkritikern bis heute als eines der besten Live-Alben der 70er Jahre und erreichte mit Verkäufen von über einer Million Exemplaren erstmals eine Platin-Auszeichnung für die Band.

"Waiting For Columbus" war das erste Livealbum, das von Little Feat veröffentlicht worden war und es präsentierte eine spielerisch unglaublich abgeklärte, hochprofessionelle, dabei nicht minder gefühlvolle und rhythmisch einmalige Rockband, die mit einer unfassbaren Selbstverständlichkeit mit den musikalischen Stilen spielte, als wäre dies das Einfachste der Welt. Seien es harte Rockklänge, Latin-Rhythmen, Countrymusik oder tief gehende Bluesnummern: Little Feat zeigten ein Füllhorn an exzellenten Songs, gespielt mit einer unglaublichen Verve, die manch andere Rockband schlicht alt aussehen liess. Die Aufnahmen für das originale Doppelalbum fanden im Jahr zuvor, 1977, statt, veröffentlicht wurde es im Februar 1978. Nachdem sich Little Feat sich im Laufe ihrer bisherigen Bandkarriere einen soliden Ruf bei Fans und Kritikern hart erarbeitet hatten, genossen sie spätestens nach der Veröffentlichung dieses Live-Dokuments Superstar-Status, und das nicht nur in den USA. Mit jedem Studioalbum wurden sie langsam aber stetig kommerziell erfolgreicher. Die Gruppe entschloss sich aber erst gegen Ende ihres Bestehens zu einem Livealbum, als sich die Streitigkeiten zwischen Lowell George und Bill Payne über die musikalische Entwicklung bereits bemerkbar machten. "Waiting For ColumbusW wurde bei vier Konzerten im Rainbow Theatre in London und bei drei Konzerten im Lisner Auditorium der George Washington University in Washington, D.C. aufgenommen. Bei diesen Konzerten wurde genug Material für eine Dreifach-LP aufgenommen, aus Kostengründen wurde jedoch nur eine Doppel-LP veröffentlicht. Die Originalaufnahmen gab es nur als Doppel-Langspielplatte. Erst in einer erweiterten CD-Ausgabe von 2002 wurden Teile des weiteren Materials veröffentlicht.

Was von Beginn der Live-Aufnahme an sogleich auffiel, war die scheinbar lockere und rhythmisch packende Art und Weise, mit welcher Little Feat an den Konzerten, die zu diesem Werk führten, an ihre Songs herangingen. Jede noch so scheinbar untanzbare Nummer aus ihrem grossen Repertoire wurde zu einem Fest für Bauch und Beine. Viel perkussive Sounds, sehr lockere und schmissige Gitarrenläufe und ein trotz seines Alkohol- und Kokain-Missbrauchs hervorragender Bandleader sorgten für ein musikalisches Feuerwerk allererster Güte. Auch hierzulande blieb bis heute der Live-Auftritt anlässlich ihres Rockpalast-Konzertes unvergessen. Fast jede ihrer Nummern erhielt live ein wesentlich mehr funkiges Gesamtbild, das über weite Strecken wesentlich anmachender und packender klang als die entsprechenden Studioversionen derselben Songs auf ihren originalen Alben oder Singles. Nnicht zuletzt dafür wurde die Gruppe weltweit geschätzt: Ihre Auftritte waren immer Parties, hochexplosiv rhythmisch und von einer unglaublichen Qualität. Zu den Höhepunkten auf "Waiting For Columbus" gehören zweifellos ihre Live-Adaptionen von "Fat Man In The Bathtub", "Time Loves A Hero", das auf neun Minuten gestreckte "Dixie Chicken" oder das urgemütliche "Sailin' Shoes", das in seiner Live-Variante gegenüber der originalen Studioversion wesentlich offener und direkter wirkte und in der Interaktion mit dem Publikum perfekt funktionierte.

Der lange "Tripe Face Boogie" und das Mitte der 80er Jahre auch von Wishbone Ash gecoverte "Rocket in My Pocket" groovten genauso lässig und unbekümmert und einzelne, heute längst zu Klassikern gewordene Titel wie "Spanish Moon" oder "Willin'" waren die unbestrittenen Publikumslieblinge, die beide hier auch in wundervollen Versionen zu hören waren. Sind es in der Regel die originalen Alben, die ihren besonderen, weil authentischen Reiz haben, muss man im Falle von "Waiting for Columbus" allerdings eher die sogenannte "Deluxe Edition" in Form einer Doppel-CD empfehlen, welche im Jahre 2002 erschien. Diese Ausgabe enthielt nicht nur die digital aufbereiteten Titel der Originalausgabe, sondern auch zusätzliche Stücke, die nicht auf der Original-LP enthalten, aber während der Aufnahmen für die LP entstanden waren. Insgesamt waren auf dieser Version zehn zusätzliche Titel zu hören, von denen eigentlich alle eine offizielle Veröffentlichung verdient gehabt hätten. Auch hier zeigte sich, dass die Band eigentlich keine "Füllnummern" präsentierte, die man vielleicht hätte weglassen müssen mangels hoher Qualität. Ganz im Gegenteil, auch bei diesen dankenswerterweise doch noch zugänglich gemachten Songs gab es wundervolle Nummern, wie zum Beispiel das herrliche "Teenage Nervous Breakdown", der sich über 12 Minuten erstreckende Long Jam "Day At The Dog Races" oder das von Allen Toussaint geschriebene "On Our Way Down", sowie das vor allem bei den Fans sehr populäre "Rock'n'Roll Doctor".

Lowell George betätigte sich neben seinem Engagement bei Little Feat auch als Studiomusiker, zum Beispiel für Maria Muldaur, Robert Palmer, Linda Ronstadt, John Sebastian, Bonnie Raitt, Mick Taylor, Bill Wyman, Jackson Browne und James Taylor. 1977, also noch zu dem Zeitpunkt der Konzertreisen, die letztlich zu dem Werk "Waiting For Columbus" führten, musste er sich einer Entziehungskur unterziehen, um von seiner Kokainsucht loszukommen. 1978 war Lowell George dann auch noch der ausführende Produzent des Albums "Shakedown Street" der Gruppe Grateful Dead. 1979 kehrte er Little Feat wenig überraschend den Rücken, um sich einer Solo-Karriere zu widmen. Noch im gleichen Jahr erschien sein einziges Solo-Werk "Thanks I’ll Eat It Here", mit dem er noch auf Tournee ging, aber bald darauf verstarb. Am 29. Juni 1979 erlitt der an Hepatitis und starkem Übergewicht leidende Lowell George in Arlington, Virginia einen Herzinfarkt. Seine Asche wurde ins Meer gestreut.

1981 wurde das Doppelalbum "Hoy-Hoy!" veröffentlicht, das sowohl Live-Aufnahmen als auch Studio-Produktionen bot, die noch mit Beteiligung von Lowell George eingespielt worden waren, bislang aber unveröffentlicht blieben. 1988 kam es zu einer Reunion von Little Feat mit Barrère, Clayton, Hayward, Payne, Gradney, Craig Fuller und Fred Tackett. Fullers Gesangsqualitäten konnten auf der LP "Let It Roll" von 1988 zwar nicht mit jenen von Lowell George mithalten, es fehlte der Platte auch insgesamt eine gewisse Eigenwilligkeit, dennoch war es ein gutes Werk, das sich auch recht gut verkaufte, weshalb die Gruppe auch weiterhin musizierte. Auf dem Album "Representing the Mambo" (1990) präsentierte Little Feat wunderbare Slidegitarren-Klänge. Die Sängerin Shaun Murphy war bereits auf dem Vorgänger "Let It Roll" zu hören gewesen. 1993 ersetzte sie Craig Fuller schliesslich als festes Mitglied der Gruppe. Die Live-Qualitäten der Band hatten auch nicht nachgelassen, wie das 96er Album "Live From Neon Park" bewies. Ausserdem wurden noch die Studio-Alben "Under the Radar" (1998), "Chinese Work Songs" (2000), "Kickin' It At The Barn" (2003) und "Join The Band" (2008) veröffentlicht. Im Februar 2009 verliess Shaun Murphy die Band. Der Schlagzeuger Richie Hayward wurde im August 2009 mit der Diagnose Leberkrebs konfrontiert, er verstarb im Jahr 2010. Haywards Schlagzeug-Techniker Gabe Ford spielt seitdem Schlagzeug. 1997 erschien auch ein Lowell George Tribute Album, betitelt "Rock And Roll Doctor", auf dem unter anderem Bonnie Raitt, Little Feat, Taj Mahal, Randy Newman und Jackson Browne spielten.




 

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