Apr 1, 2017


BRINSLEY SCHWARZ - The New Favourites Of Brinsley Schwarz
(United Artists Records UAS 29641, 1974)

Die Karriere von England's erster und einzig wahrer Countryrock Band stand von Anfang an unter einem ungünstigen Stern. Die Ursprünge von Brinsley Schwarz gehen bis ins Jahr 1964 zurück. Die beiden Musiker Brinsley Schwarz und Nick Lowe hatten damals eine gemeinsame Schulband, genannt "4 plus 1", welche ausschliesslich Klassiker aus dem Repertoire von Chuck Berry, den Beatles und den Rolling Stones spielte. Ein Jahr später löste Brinsley Schwarz diese Band auf, ging nach dem Schulabschluss in seine Heimatstadt Turnbridge Wills zurück und fand dort in Pete Whale und Barry Landerman für die nächste Band "Three's A Crowd" zwei passende Mitmusiker. Das neue Trio orientierte sich hauptsächlich an den Songs der Beach Boys, auch der Hollies und bevorzugte einen zwar sanften, aber auch recht dynamisch arrangierten Poprock. Mit dem ersten Plattenvertrag änderte das Trio jedoch erneut seinen Namen um in Kippington Lodge. Die kurz darauf veröffentlichte Single "Shy Boy" ging jedoch völlig unter. Trotzdem erregte sie die Aufmerksamkeit von Nick Lowe, der daraufhin als Bassist in die Band einstieg. In der Folge veröffentlichten Kippington Lodge drei weitere Singles, die etwas erfolgreicher waren, die Charts aber alle verfehlten. Mit den neuen Mitgliedern Bill Rankin und Bob Andrews wagte sich die Band mit einer weiteren Single-Veröffentlichung an das Beatles-Cover "In My Life" - und scheiterte kläglich: ganze 60 Exemplare konnten von der Single abgesetzt werden, weshalb die Plattenfirma den Vertrag mit der Gruppe auflöste. Das war gleichzeitig auch das Aus für Kippington Lodge.

Die Musiker blieben indes weiterhin zusammen und Brinsley Schwarz gab eine Annonce im britischen Magazin Melody Maker auf, suchte für sich und seine Band ein neues Management, das sich um die Belange der Gruppe kümmern kann und ihr auch Auftritte verschafft. Die Band gelangte so unter die Fittiche der zweifelhaften Werbeagentur Famepusher Management. Diese Firma liess sich allerdings einiges einfallen, um die Gruppe populär zu machen. Zuerst sollte die Londoner Festival Hall angemietet und zum geplanten Konzert alle englischen Schönheitsköniginnen eingeladen werden. Die abstruse Veranstaltung kam jedoch nicht zustande. Dafür konnte Famepusher den amerikanischen Rock-Impressario Bill Graham dazu überreden, Brinsley Schwarz im Vorprogramm von Van Morrison und Quicksilver Messenger Service auftreten zu lassen. Zu diesem Anlass wurden insgesamt 160 Journalisten aus aller Welt nach New York eingeladen, um diesem Spektakel beizuwohnen und entsprechend euphorisch zu berichten. Durch eine schlechte Organisation verpasste Brinsley Schwarz jedoch den Soundcheck und traf erst kurz vor Konzertbeginn vor Ort ein. Der Auftritt geriet entsprechend zu einem riesigen Desaster, und sicherte der Gruppe noch viele Jahre lang einen schlechten Ruf, da die Band in der Folge in der weltweiten Fachpresse regelrecht demontiert worden war.

Dabei spielte die Gruppe Brinsley Schwarz einen sauberen, durchaus eigenständigen, wenn auch stark an den amerikanischen Vorbildern angelehnten Country Rock mit britischem Folk-Einschlag. Vor allem die zahlreichen guten und eingängigen Kompositionen, mehrheitlich aus der Feder von Nick Lowe stammend, liessen keine Zweifel offen, dass hier eine richtig tolle Band im Aufbau begriffen war, die es einfach aufgrund widriger Umstände bisher nicht geschafft hatte, durchzustarten. Dennoch konnte auch das teils hervorragende Songmaterial die Rockwelt nicht umstimmen. Die Band fristete weiterhin eine Existenz am Rande der internationalen Reputation und der grossen Plattenverkäufe. Es ist beschämend, dass damals die Platten der Gruppe vorwiegend in Grabbelboxen und Billigregalen zu finden waren, weil sie einfach schon kurze Zeit nach ihrer Veröffentlichung mangels ansprechender Verkaufszahlen in die Wühlkisten gerieten, wo sie zwischen langweilige Sampler- und Ramschplatten gerieten. Wer sich dort jedoch bediente, vielleicht sogar, ohne vorher hineingehört zu haben, der wurde reich belohnt, denn keine der Platten von Brinsley Schwarz war durchschnittlich. Jede war gut, verfügte über richtig tolle Songs und alle Platten waren auch ansprechend produziert und klangen absolut auf der Höhe ihrer Zeit.

Nach der Veröffentlichung des zweiten Albums "Despite It All" zog sich die Band in ein Landhaus in Middlesex England zurück, trennte sich von dem unseligen Management und erweiterte sich durch den Gitarristen Ian Gomm. Das dritte Werk "Silver Pistol" erwies sich wiederum als gelungenes Album, das sich jedoch wieder nicht zufriedenstellend verkaufen konnte. Trotz lobender Worte von Kritikern, wie dem damals sehr populären und angesehenen DJ John Peel, der die Band unterstützte, wo er nur konnte, blieb Brinsley Schwarz dennoch nur im kommerziellen Mittelmass hängen. Vielleicht war die Gruppe auch zu wenig auf Konzertreisen, aber diese bedeuteten auch immer Kosten, und die wollte oder konnte niemand tragen, obwohl eigentlich genau auf der Bühne ihre Musik die gewünschte Energie entfaltete, die ein Publikum zu begeistern wusste. Konsequenterweise beschloss Binsley Schwarz, dichter als je zuvor am Publikum zu arbeiten, schloss sich der aufkommenden Pubrock-Szene an und spielte für 150 britische Pfund Gage pro Auftritt, eikne magere Gage, die kaum für alle Musiker zum leben reichte, respektive um die Kosten überhaupt zu decken. Auch die folgenden Platten konnten diese Situation nicht verbessern, weshalb sich die Band dazu entschloss, ein letztes Werk einzuspielen und sich dafür noch einmal richtig ins Zeug zu legen.

Für die Aufnahmen zum sechsten Album "New Favourites" holten sie Dave Edmunds als ausführenden Produzenten. Der war für seine spektakulären und authentisch klingenden Rock'n'Roll-Platten bekannt. Er kreierte stets einen gradlinigen, sauberen Sound ohne jegliche Gimmicks, sein Markenzeichen war stets 'Back to the Roots'. "The New Favourites Of Brinsley Schwarz" präsentierte eine tolle Mixtur aus knochentrockenem Pub Rock'n'Roll und typisch britischem Country Rock, der mit dem Titel und Opener des Albums "(What's So Funny 'Bout) Peace, Love & Understanding" auch einen kleineren Singles-Erfolg abwarf, der immerhin öfters mal im Radio gespielt wurde und heute als der eigentlich bekannteste Song der Band gilt. Die weiteren Titel "Ever Since You're Gone", "The Ugly Things" oder auch "I Got The Real Thing" tragen hörbar die Unterschrift von Dave Edmunds, der den Songs seinen typischen Stempel aufdrücken konnte. Edmunds selbst hatte zuvor mit dem Album "Subtle As A Flying Mallet" ein ähnliches Album produziert, das jedoch noch stärker dem typischen Phil Spector-Breitwandsound frönte. Dieses Element wandte er hier bei dieser Brinsley Schwarz-Produktion jedoch nur geringfügig an. "The Look That's In Your Eye Tonight" und "Trying To Live My Life Without You" sind hierzu vielleicht noch die prägnantesten Beispiele. "Now's The Time", "Small Town Big Guy" und "I Like You, I Don't Love You" sind dagegen wieder typische Brinsley Schwarz-Songs, wie man sie schon einige Jahre lang von der Band kannte. Besonders schön geriet auch der letzte Song der Platte, "Down In The Dive" - vom Songtitel her schon fast so etwas wie ein typisches Merkmal der gesamten Karriere von Brinsley Schwarz: Sie war buchstäblich eine Band im Tauchgang des Erfolges.

Danach löste Brinsley Schwarz seine Band auf. Nick Lowe startete zu einer sehr erfolgreichen Solokarriere und war ausserdem lange Jahre ein Mitglied der Gruppe Rockpile, die Dave Edmunds an dessen Konzerten begleitete und auch ohne ihren Rock'n'Roll-Mentor Platten veröffentlichte. Ian Gomm startete ebenfalls zu einer eher wenig erfolgreichen Solokarriere. Brinsley Schwarz und Bob Andrews schlossen sich der Begleitband von Graham Parker an, die als The Rumour auch ohne Graham Parker Platten veröffentlichte, welche - wir ahnen es - ebenso erfolglos blieben wie zuvor die Platten unter dem Namen Brinsley Schwarz. Die Band Brinsley Schwarz gehört für mich bis heute zu den tragischen Fällen von Bands, respektive Musikern, die hervorragend genug waren, erfolgreich gewesen zu sein, die aber aus den unterschiedlichsten Gründen, die wohl auch nicht mehr nachvollziehbar sind, auf der Strecke blieben. Dass die Gruppe tolle Musik gmacht hat, beweisen die bis heute immer wieder neu aufgelegten Platten der Gruppe auf CD. Und mit schöner Regelmässigkeit erscheint auch alle paar Jahre wieder mal eine "Best Of" der Gruppe. Wobei "Best Of" nicht einer gewissen Ironie entbehrt, denn sogenannte Hits, die zu einer "Best Of" im eigentlichen Sinne gereichen, hatte die Band ja nie.








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