Jun 5, 2020


TOM GILLAM & TRACTOR PULL - Play Loud...Dig Deep
(Blue Rose Records BLU DP0476, 2009)

"Never Look Back" hiess im Spätsommer 2007 das vierte Studioalbum des urwüchsigen 'Down to Earth' Rockers aus Pennsylvania, und das erste, das auch in Europa erschien und seinen längst fälligen Karrierekick nach oben bedeutete. Klar, dass Tom Gillam diese Erfolgswelle mit einer ausgedehnten Livetournee jenseits und diesseits des Atlantiks begleitete. Mit seiner langjährigen, kapitalen Begleittruppe Tractor Pull begab er sich also von Ende 2007 bis Mitte 2008 auf die Never Look Back-Tour, und genau davon handelt dieser fulminante Livemitschnitt "Play Loud...Dig Deep", einem begeisternden, 70-minütigen, unverfälschten Dokument nach dem Motto 'This is what it sounded like', also eine äusserst ehrliche Live-Platte ohne zusätzliche nachträgliche Bearbeitung.

Tom Gillam gelangte erst vor ein paar Jahren zunächst auf Umwegen ins Bewusstsein hiesiger Fangruppen. Der hierzulande recht bekannte und geschätzte Künstler Joseph Parsons verpflichtete ihn als Slide-Gitarristen für seine elektrische Begleitcombo, mit der er in den Jahren 2005 und 2006 gleich mehrfach auf Europa-Tournee ging, einen legendären Rockpalast-Gig bestritt und die formidablen Alben "The Vagabond Tales" und "The Fleury Sessions" einspielte. Dabei machte Tom Gillam durch seine vitale Bühnenpräsenz, sein grosses Talent als Gitarrist und nicht zuletzt durch seine sympathische Art gehörig auf sich aufmerksam. Zu diesem Zeitpunkt hatte der vermeintliche Sideman in den USA bereits drei eigene Alben veröffentlicht: das 1998er Debüt "First Of All", "Dallas" von 2001 und das in einschlägigen Gazetten von 'No Depression' bis 'Freight Train Boogie' goutierte Durchbruchswerk "Shake My Hand" (2004). Bewegten sich die beiden ersten Platten noch deutlich im erweiterterten Country, Roots Rock und Americana-Bereich, so fuhr Gillam danach einen straighteren Rockkurs, mit reichlich Americana-Wissen als Fundament und der 2007er Platte "Never Look Back" als vorläufigem Höhepunkt.

Und er stellte seine Begleiter mit dem bezeichnenden, für unbändige Kraft stehenden Namen Tractor Pull und somit den Bandcharakter seiner Musik immer mehr in den Vordergrund. Für "Play Loud...Dig Deep" firmieren sie zum ersten Mal gleichberechtigt neben ihrem Boss. Tractor Pull, das sind Leadgitarrist Craig Simon, Bassist Tim McMaster, Drummer David Latimer und der vielseitige Multiinstrumentalist Joe Carroll als Akustik-Gitarrist, mit Baritone und Mando Guitars, Mandoline und als Produzent und Recording Engineer. Inmitten dieses eingeschworenen Verbundes agiert Tom Gillam als veritabler Frontmann mit einer Powerstimme, die mal an Joe Walsh, mal an Gregg Allman erinnert, mit kompromisslosen Soli und leidenschaftlicher Slidearbeit auf der elektrischen Gitarre, liefert sich an klassische Southern Rock-Zeiten gemahnende Duelle mit Craig Simon und beweist sein Gespür für exquisites Songwriting. So geraten die zehn Songs dieser Platte zu wahren Hymnen mit dem Status von regelrechten Crowdpleasern: Rockige Fetzer mit klasse Riffs, eindeutigen Hooks und Ohrwurm-Refrains.

Von den ersten Triple Guitar-Attacken des Openers "Outside The Lines" an wird klar, dass es sich hier um handgemachten, bodenständigen Rock der Güteklasse A handelt; es folgt der Highway-Hammer "Rainbow Girl", bevor sich Tractor Pull auf "Disappearing Act" zum ersten Mal längeren Jam-Passagen hingeben - zwei elektrische, innigst miteinander kommunizierende Gitarren vor dem Hintergrund eines pumpenden Basses, zupackendem Schlagzeug und auflockernder Mandoline, wie geschaffen für das imaginäre Road Radio. So geht es dem ersten grossen Höhepunkt entgegen: "Dallas", dem Titelsong des zweiten Albums, 9 Minuten und 5 Sekunden bester Southern Rock von der Ostküste, mit 2-minütigem Intro, langgezogenen Solo-Einlagen zwischen den Refrains, gekonntem Wechselspiel von Lead und Backing Vocals, und einem stilgerechten Gitarren-Finale.

Warum die Monkees-Covernummer "The Girl I Knew Somewhere" zu Tom Gillam's 'my favorite part of the show' gehört, wird spätestens dann klar, wenn die Band diesen bekannten Song aus der Feder des Original Monkees-Musikers Michael Nesmith in die improvisierte Jam Session von "Nova's Journey" überführt: Subtile Duane Allman und Dickey Betts Gedächtnislicks, dass einem ganz warm ums alte Southern Rock Herz wird. Nach diesen gigantischen 10:38 purster Jam-Freude fragt man sich, was denn jetzt noch kommen könnte. Nun, zum Beispiel mit "Stand By You" ein waschechter 70er Jahre Country Rocker im lockeren Uptempo-Modus mit Joe Carroll's wohlkingender Mandoline im Mix ganz vorne und den beiden Gitarren aussen daneben: Countrypicking gewürzt mit Slide. Oder zwei weitere (neben "Rainbow Girl") Tracks des Albums "Never Look Back", und zwar "Rescue Me" und "Devil In My Heart". Dann folgt das zweite Monsterstück "Shake My Hand": über 12 Minuten im typischen Joe Walsh & Barnstorm-Groove, man erinnert sich sogleich an Walsh's Songs "Rocky Mountain Way", "Turn To Stone" oder "Meadows". Zum krönenden Abschluss dieser phantastischen Live Rock-CD gibt's mit "Diamonds In The Rough" einen furiosen Rock'n'Roll und Roots Rock Stomper mit unzähligen Slide- und Lead-Soli im Stil eines Sonny Landreth in Bestform. Was für ein tolles Konzertereignis.





PS: Die Videos stammen von Konzerten in Deutschland. Leider sind keine Aufnahmen des originalen Live Albums im Netz. Der Sound ist aber ähnlich, die Tournee in Deutschland erfolgte mehr oder weniger zeitgleich, von daher sind diese Live-Aufnahmen repräsentativ für die damalige 'Never Look Back-Tour'.

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