May 29, 2016


PHIL LESH & FRIENDS - There And Back Again (Columbia Records CK 86624, 2002)

Einen musikalischen Einstand nach Mass gelang dem Bassisten von Grateful Dead mit diesem in jeder Hinsicht perfekten Jam-Album, das hierzulande ausser den brettharten Dead Heads, zu denen ich mich seit einigen Jahren durchaus auch zähle, leider kaum Jemand beachtet hatte, als es erschien. Dabei hätte alleine die Liste der beteiligten Musiker aufhorchen lassen müssen. Ein wahres Stelldichein des "Who Is Who" der amerikanischen Jam-Szene brillierte hier mit einem exquisiten Projekt, das sämtlichen stilistischen Schattierungen der Künstler gerecht wurde, die sich hier als Team mit ihren ganz eigenen Grooves, Roots und Fähigkeiten mit einbringen konnten. Phil Lesh, Gründungsmitglied, Bassist und Sänger der legendären Grateful Dead verpflichtete für dieses erste Album "mit Freunden", dem er später weitere folgen lassen sollte, den exzellenten Gitarristen und Sänger Warren Haynes der Allman Brothers Band und von Gov't Mule. Als weiterer Gitarrist mischte Jimmy Herring mit, bekannt vor allem durch seine Arbeit in der Band Widespread Panic, dazu Keyboarder Bob Barranco, ein hervorragender kalifornischer Session-Musiker sowie der Schlagzeuger John Molo aus der Gruppe The Range von Bruce Hornsby. Dazu gesellte sich der versierte Grateful Dead-Musiker Robert Hunter, der mit seinen Songtexten etliche Songs dieses Albums mit exquisiten Texten versehen hatte.

Es versteht sich von selbst, dass diese hochkarätige Riege nicht vor hatte, das Rad neu zu erfinden. Allerdings gelang dem Musiker Phil Lesh hier etwas, das es so weder auf seinen eigenen späteren Alben, noch auf ähnlichen Projekten der beteiligten Musiker jemals wieder in so perfekter Weise gelang: Die Verschmelzung der stilistischen Vorzüge und Besonerheiten der Allman Brothers Band, von Gov't Mule und von Grateful Dead. Das entspannte Jammen von Grateful Dead erfuhr in diesen Aufnahmen eine fast Westcoast-rockige Spielweise à la Widespread Panic, wobei besonders Gitarrist Warren Haynes mit seiner beseelten Gitarrenarbeit auch stets für ausreichend Bodenhaftung und eine spürbare Bluesrock-Erdung sorgte. Das Ganze hörte sich allerdings durch das gesamte Werk stets locker und flüssig an, sodass man manchmal nicht so recht wusste: Läuft hier jetzt grad eine CD von Gov't Mule oder doch von Grateful Dead ? Für einen grossen Fan dieser Art von Musik wie mich natürlich ein völliges Luxusproblem...

Warme, äusserst transparente und gleichzeitig vielschichtige Klangbilder prägen "There And Back Again", erweitert um teilweise vertrackte, schachtelartig verwobene Rhythmen - man merkt: das Ganze ist aus dem Erbe von Grateful Dead entstanden, so als wenn ebendiese auf Gov't Mule träfen. In der Tat kann man Phil Lesh & Friends als Keimzelle für eine Reformation von The Dead betrachten, da aber alle Mitglieder als äusserst vielbeschäftigte Musiker in ihre eigenen Projekte und Bands involviert waren, kam das Ganze nicht so recht vom Fleck und erledigte sich später deshalb leider von selbst. Das hinderte Phil Lesh allerdings nicht daran, mit anderen hochkarätigen Friends auch weiterhin zu musizieren.

Es empfiehlt sich bei diesem Album, unbedingt nach der limitierten Doppel CD-Version Ausschau zu halten, denn sie hält ein paar ganz wunderbare Zückerchen gegenüber der im Original als Einzel-CD veröffentlichten Platte bereit, die absolut lohnenswert sind. Um das Pferd quasi von hinten aufzuzäumen: Die zweite CD hält mit dem Grateful Dead-Klassiker "Dark Star" eine über 25 1/2 Minuten gejammte Version bereit, die es so in dieser Art kaum woanders zu hören gibt. Besonders hier offenbart sich die enorme Spielfreudigkeit und die hohe Qualität von Warren Haynes als Gitarrist. Er verleiht diesem Klassiker einen nie gehörten neuen Glanz, und dies, obschon er sich relativ dicht am Original hält. Solche prachtvollen Kunststücke sind aber seit jeher von ihm bekannt, besonders, wenn er sich - ebenfalls zumeist unterstützt von hochkarätigen Gastmusikern - mit seiner Band Gov't Mule des immensen Katalogs der Musikgeschichte bedient und Klassiker aus den Bereichen Rock, Jazz und Blues, ja gar Bluegrass und Folk, neu interpretiert. Ebenfalls auf der zweiten CD findet sich eine weitere Top-Grateful Dead Nummer aus der gemeinsamen Feder von Jerry Garcia, Phil Lesh und Robert Hunte: Das märchenhaft schöne "St. Stephen", auch dieses Stück in einer wundervollen sehr fluffigen und einnehmenden Variante.

Die erste und somit originale CD wird mit zwei ungemein gemütlich rockenden Songs aus der Feder von Phil Lesh eröffnet, für die Robert Hunter die Songexte beisteuert: das laidbacke "Celebration", gesungen von Phil Lesh, ist ein perfekter Einstieg und macht sofort klar, dass hier keinerlei Hektik und schon gar keine exhibitionistische Leistungs-Show im Vordergrund stehen soll. Der Tenor lautet: Statt "Seht her, was wir alles können" eher "Seht hier, was für eine coole Zeit wir zusammen haben". Der tolle Satzgesang und Warren Haynes' hervorragende Slide Guitar unterstreichen dies sehr eindrücklich. Dasselbe gilt für die zweite Nummer "Night Of A Thousand Stars" mit seinen von Gitarrist Jimmy Herring perfekt und punktgenau platzierten Licks und Soli. Hier brilliert Warren Haynes mit seinem exquisiten rauchigen und bärenstarken Gesang. Letzterer bietet mit der nachfolgenden, von ihm im Alleingang geschriebenen Ballade "The Real Thing" eine äusserst liebevolle Verneigung vor dem Grateful Dead Musiker Jerry Garcia. Warren Haynes war immer schon ein grosser Fan von Garcia, der ihn und sein ganzes Spektrum als Musiker stark beeinflusst hat.

Auch Jimmy Herring leistet kompositorischen Anteil an diesem sehr demokratisch aufgeteilten Werk im Titel "Again And Again", der dank seiner leicht jazzigen und etwas komplexeren Ausrichtung in Verbindung mit dem fast kanonartigen Dreifach-Leadgesang streckenweise an Jupiter Coyote, aber auch an die jazzigen und oftmals durch hektischen Drive geprägten Dixie Dregs des Gitarristen Steve Morse erinnert. "No More Do I" holt den Zuhörer dann wieder zurück zur Gemütlichkeit. Das von Phil Lesh komponierte Stück ist ein tolles Laidback-Zückerchen, gesungen von Lesh und Haynes. Mit der Nummer "Patchwork Quilt" gibt es anschliessend eine bewährte Gov't Mule Nummer zu hören, die ganz klar auf Warren Haynes' Qualitäten als Gitarrist ausgelegt ist. Dieses Stück spielt er seit vielen Jahren immer wieder regelmässig an Konzerten mit seiner Band.

Einen gehörigen Schuss Funk und Jazz Rock erhalten die nachfolgenden Titel "Liberty" aus der Feder von Jerry Garcia, sowie der "Midnight Train" von Phil Lesh. Als ein wahres Slide Guitar Feuerwerk entpuppt sich das von Bob Barranco gesungene "Leave Me Out Of This". Das Feuerwerk definitiv gezündet wird dann anschliessend beim Stück "Welcome To The Underground", einem wohlbekannten und vielgespielten Stück von Warren Haynes, das hier in dieser Version einen dezenten Reggae-Touch erfährt, welcher die Nummer äusserst tanzbar und sehr geschmeidig klingen lässt. Den Kracher "Rock And Roll Blues" darf man dann getrost als perfekten Rausschmeisser bezeichnen. Das ist einfach Partystimmung pur, die hier vom perfekten Einsatz der Geige, gespielt von Gastmusiker Michael Kang, noch das berühmte Tüpfelchen auf dem i erhält.





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