Aug 19, 2016


JACKIE LYNTON - The Jackie Lynton Album (WWA Records WWA012, 1974)

Jackie Lynton, der alte Blues- und Rock'n'Roll-Haudegen, der auch Soul und Boogie in seinem Blut hat, wird für immer unvergessen bleiben als Ansager von Status Quo auf deren Konzertscheibe "Quo Live". Zu diesem Zeitpunkt konnte er jedoch schon auf eine lange Zeit des Musikschaffens zurückblicken. Schon in den 60er Jahren hatte er zahlreiche tolle Singles veröffentlicht, zum Teil auf so abseitigen Kleinstlabels, dass seine 45er heute extrem gesucht und entsprechend teuer sind auf dem Liebhabermarkt. Den Namen Jackie Lynton hatte ich erstmals auf einem Plattencover meiner grossen Lieblinge SAVOY BROWN gelesen. Er war 1972 der neue Sänger in Kim Simmonds Blues Band, war für den ausgetretenen Dave Walker gekommen. Wie es bei SAVOY BROWN üblich war, dauerte es nicht lange und eine neue LP erschien. Das Personalkarrussell drehte sich bei Kim Simmonds' Truppe mitunter ja rasend schnell, sodass in den wenigen Monaten zwischen der Veröffentlichung des Vorgängers "Lion's Share" und der 1973 erschienenen LP "Jack The Toad" mit Jackie Lynton auch das musikalische Programm leicht verändert wurde. Gab sich die Band auf der "Lion's Share" noch recht bluesig in verschiedenen Schattierungen, so kam mit Jackie Lynton bei Savoy Brown auch der Rock stärker zum tragen und vor allem der Humor, für den alleine Jackie Lynton verantwortlich war.

Der Erfolg der LP "Jack The Toad" war zwar nicht so gross wie Savoy Brown's zuvor veröffentlichter Platte "Lion's Share", gab der Karriere von Jackie Lynton aber durchaus neuen Zündstoff. Schon nach knapp einem Jahr war schon wieder Schluss mit seinem Engagement bei Kim Simmonds' Bluestruppe. Simmonds tat sich mit Miller Anderson und Stan Webb zusammen, um 1974 den Bluesrock-Knaller "Boogie Brothers" zu veröffentlichen. Jackie Lynton indes schrieb einige hervorragende neue Songs und kam beim grade lancierten kleinen Independent-Label WWA Records unter, bei welchem unter anderem auch SNAFU (Mick Moody) unterschrieben hatten. Was bitter war: Jackie Lynton erhielt nie irgendwelche Tantiemen für die Songs, welche er für die Savoy Brown LP "Jack The Toad" geschrieben hatte. Besonders ärgerlich war dies, weil im Jahre 1975 die amerikanische Band Three Dog Night mit Lynton's Song "Coming Down Your Way", dem Opener der "Jack The Toad" einen grösseren Erfolg feiern konnte und Jackie Lynton hierfür ebenfalls nie entschädigt wurde. Three Dog Night's Platte mit dem Song von Lynton avancierte immerhin zu einem Platin-Album in den USA.

Jackie Lynton gründete nach seinem Ausstieg bei Savoy Brown seine eigene Jackie Lynton Band und ging mit einer süffigen Mischung aus Blues Rock und Pub Rock an den Start. Die Aufnahmen zum "Jackie Lynton Album" wurden mit prominenter Hilfe eingespielt. So waren auf diesem Album etwa Rory Gallagher, aber auch fast die komplette Gruppe Heads, Hands & Feet zu hören. Wieder schlug das Schicksal ungünstig zu. Die vorab erschienene Single, ein Re-Make des Titels "Only Have Eyes For You" geriet ins Abseits, weil Art Garfunkel, die andere Hälfte von Simon & Garfunkel, just zur selben Zeit in den USA genau den gleichen Song reanimierte und damit - wen wundert's - einen Nummer 1 Hit landente. Solche Geschichten zum Nachteil von Jackie Lynton finden sich immer wieder in der Karriere dieses hervorragenden und trotz alleddem stets humorvoll gebliebenen Menschen. Das macht ihn alleine schon sympathisch, finde ich. Aber natürlich verfügt er auch über eine wirklich beeindruckende, tolle Stimme. Trotzdem ärgerte sich Lynton über das überaus schlechte Timing seiner Single-Veröffentlichung. Er sagte später: "I reckon that's about the best bloody thing I ever done. I was well effin' sick about that". Er wurde dann Ende der 70er Jahre trotzdem noch belohnt, als die Band Status Quo seinen Song "Again & Again" zum Hit machten und er doch noch für sein Songwriting würdig honoriert wurde, auch wenn er selber mit seine Musik nie einen duchschlagenden Erfolg verzeichnen konnte.

Sein 1974er Werk "The Jackie Lynton Album" zeigt einige ganz hervorragende und perfekt arrangierte Kompositionen, welche vor allem exzellent eingespielt sind. Natürlich kannte Lynton inzwischen eine Menge guter Musiker, und es ist schön zu sehen, dass er selbst in viel späteren Jahren immer mal wieder die Crème De La Crème der britischen Rockszene um sich scharen konnte, um ein weiteres seiner zahlreichen musikalischen Projekte zu realisieren. Wenn Jackie rief, kamen sie meist alle, denn es war auch so, dass viele Top-Musiker von den Qualitäten Lynton's überzeugt waren und ihm mit ihrer Performance immer wieder auf die Sprünge helfen wollten. Geholfen hatte es letztlich nicht so richtig, aber dafür gibt es heute viele Musiksammler, bei denen Jackie's Aufnahmen sehr begehrt sind, weil ihre Lieblingsmusiker darauf zu hören sind, seien dies Status Quo, die auf Lynton's Alben immer mal wieder zu hören waren, oder etwa der ehemalige Heads, Hands & Feet-Musiker Chas Hodges, der auf einigen seiner Platten zu hören ist.

Am schönsten geriet auf dem "Jackie Lynton Album" die Lynton-ureigenste Form von kernigem Blues Rock, garniert mit akustischen Humoreksen, wie sie nur er aus dem Aermel schütteln konnte. Auf der einen Seite der trocken rockende Dampfhammer "There Is More", auf der anderen Seite der feine Humor "I Don't Need You" oder "The Birthday Cake". Ausserdem spielte hier eine wirklich tolle Crew mit, die auf alle kleinen und grossen Geschichten von Jackie Lynton den perfekten akustischen Background liefern konnte. Wenn man alle späteren Alben von Jackie Lynton einmal durchgehört hat, wird man irgendwie immer wieder bei diesem ganz hervorragenden 1974er Werk landen, und immer wieder gerne reinhören. Die Platte hatte es in der Folge trotz der prominenten Besetzung nie zu einer Wiederveröffentlichung geschafft. Auch als CD wurde das Werk bisher nicht veröffentlicht. Inzwischen sind auch die Preise für das originale Vinyl auf WWA Records in die Höhe geschnellt, kein Wunder, wenn brettharte Komplettsammler sich auf die Suche nach jedem Riff begeben, das zum Beispiel ein Rick Parfitt oder ein Rory Gallagher gespielt hat. Gerade im Falle von Rory Gallagher hatten Aufnahmen für Fremdprojekte echten Seltenheitswerk. Ausser auf dessen eigenen Platten konnte man den irischen Gitarristen kaum jemals auf anderen Platten hören. Am bekanntesten dürften diesbezüglich noch die beiden 80er Jahre Platten der Band Box Of Frogs sein, wo Rory auch Gitarrenparts beisteuerte.

Ob mit "Roll Me", "Put It There" oder "I Wish I Could Go Back" auf der rockigen Seite, oder dem feinen britischen Humor etwa in den Stücken "The Jig Race Of The Year", "John Kelly" oder "Today": Jackie Lynton beweist stets seine ausserordentlichen Qualitäten als perfekter Entertainer, der sich selbst nicht ganz ernst nimmt. Diese beiden für ihn typischen Stilmerkmale hat er sich bis heute bewahrt und tourt noch immer regelmässig durch die Clubs in England, selbst im hohen Alter von mittlerweile über 75 Jahren. Get over 'ere an'bring some dosh...

Thanks for all the fish, Jackie!



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