Jun 12, 2017

MORRISSEY - Ringleader Of The Tormentors (Attack Records ATKDX002, 2006)

Bereits kurz nach der Trennung der Band The Smiths im September 1987 veröffentlichte Morrissey schon Anfang 1988 seine erste eigene Single "Suedehead" und sein erstes Soloalbum "Viva Hate", die beide umgehend in die englischen Charts einstiegen. Morrissey schrieb weiterhin nur die Texte und den Gesangspart, für das Instrumentale waren im Verlauf seiner Solo-Karriere verschiedene Musiker wie Stephen Street, Gary Day (Frantic Flintstones), Alain Whyte, Boz Boorer und Jesse Tobias verantwortlich. Der häufige Wechsel des Managements, der auch schon in der Zeit der Smiths üblich war, setzte sich in Morrissey's Solokarriere fort. Obwohl er in den folgenden Jahren weiterhin regelmässig Singles und Longplayer veröffentlichte, waren die meisten weniger erfolgreich als erwartet. Singles wie "Ouija Board Ouija Board" wurden förmlich von der Kritik verrissen, woraufhin die Arbeit an Morrissey's zweitem Soloalbum "Bona Drag" unterbrochen und die Platte später nur als B-Seiten-Sammlung veröffentlicht wurde.

Auch wenn die folgenden Alben wie "Kill Uncle" kommerziell nie besonders erfolgreich waren, entstand um den Sänger im Laufe der Zeit eine fanatische Anhängerschaft und ein regelrechter Hype. Charakteristisch für den Starkult um Morrissey war vor allem, dass sich während seiner Auftritte immer wieder Fans auf die Bühne empor kämpften und versuchten, den Sänger zu umarmen und zu küssen. Nachdem Morrissey seit der Trennung der Smiths nicht mehr getourt hatte, erfolgte 1991 die erste Welttournee. Eines seiner Konzerte im Hollywood Bowl in Los Angeles war mit 17000 verkauften Tickets in nur 22 Minuten schneller ausverkauft als ein Konzert der Beatles. Noch im gleichen Jahr wurde er auf die Singer/Songwriterin Melissa Ferrick aufmerksam, als diese spontan fürs Vorprogramm eines seiner USA-Konzerte einsprang, er sie für weitere Auftritte der Tour an seiner Seite holte und somit der Grundstein für Ferricks Karriere gelegt wurde. Das 1994 veröffentlichte, von einem melancholischen Ton geprägte Album "Vauxhall And I" erreichte wieder eine Top-Platzierung in den britischen Charts und wurde als das beste seiner Solokarriere angesehen. Das dazugehörige "The More You Ignore Me, The Closer I Get" erreichte während der 90er Jahre als einzige Morrissey-Single einen Platz in den britischen Top Ten. Im August 1994 wurde "Interlude", im Duett mit Siouxsie Sioux, zu einem Hit.

Im Verlaufe seiner Karriere war Morrissey immer wieder scharfer Kritik ausgesetzt. Aufgrund der Zweideutigkeit seiner Texte, wie zum Beispiel in "Reel Around The Fountain" oder "The Hand That Rocks The Cradle" auf dem Debütalbum der Smiths, wurde er in den 80er Jahren pädophiler Andeutungen beschuldigt. Im August 1992 trat er auf einem Reunion-Gig der Ska-Band Madness vor einer zwei weibliche Skinheads darstellenden Plakatwand auf, schwenkte zu "Glamorous Glue" den Union Jack und spielte zudem seinen umstrittenen Song "The National Front Disco" aus dem Album "Your Arsenal". Daraufhin begann in der englischen Musikpresse eine Rassismus-Debatte, die sich gegen Morrissey richtete und auf seinen kontroversen Auftritt Bezug nahm. Er selbst reagierte nicht auf die Vorwürfe, weshalb ihn ehemals begeisterte Musikzeitschriften wie der New Musical Express in der Folge konsequent boykottierten. Während Morrissey der britischen Klatschpresse eher als beliebte Zielscheibe für Negativschlagzeilen diente, entwickelte sich in den 90er Jahren vor allem in den USA eine treue Anhängerschaft um den Sänger. Obwohl Morrissey heute als einer der ur-britischsten Stars gesehen wird, wandte er sich in dieser Zeit immer mehr von England, mit dem er in einer Art Hassliebe (vgl. sein Song "Irish Blood, English Heart") verbunden ist, ab. Nach einer kurzen Phase in Dublin zog er 1998 nach Los Angeles um und wohnte dort bis Mitte 2005 in einer Villa am Sunset Boulevard, die 1931 von Clark Gable gebaut wurde. Sein späterer Wohnort war Pressemeldungen zufolge auch mal ein Hotel in Rom.

Die von Fans und der Musikpresse häufig geäusserten Spekulationen um eine Reunion von The Smiths zerschlugen sich endgültig im Jahr 1996, als Mike Joyce, der ehemalige Schlagzeuger von The Smiths, Morrissey auf ihm angeblich zustehende Zahlungen aus der gemeinsamen Smiths-Zeit verklagte. Morrissey wurde schliesslich zu entsprechenden Zahlungen verurteilt und verarbeitete die aus seiner Sicht schreiende Ungerechtigkeit in dem Song "Sorrow Will Come In The End", der auf dem Album "Maladjusted" erschien und in dem offensichtlich gegen Joyce gerichtete Morddrohungen anklangen. Aus diesem Grund landete dieser Song in Grossbritannien auf dem Index und war auf der dort veröffentlichten Album-Version nicht zu finden. Nach mehreren Jahren ohne Plattenvertrag und - gemessen an seinen früheren Erfolgen - mittelmässigen Platten, erschien 2004 das Album "You Are The Quarry", das von Fans und Kritikern gleichermassen begeistert aufgenommen wurde. Alle vier Single-Auskopplungen, "Irish Blood, English Heart", "First Of The Gang To Die", "Let Me Kiss You" und I Have Forgiven Jesus" stiessen in Grossbritannien bis in die Top Ten vor, was zuvor bei noch keinem anderen Morrissey- oder Smiths-Studioalbum vorkam. Die beiden Erstgenannten schafften es auch in Deutschland in die Top 50. Nach Jahren des selbstgewählten Exils begab sich Morrissey wieder auf eine ausgedehnte Tour durch Grossbritannien, die in einem in kürzester Zeit ausverkauften Konzert am Tag seines 45. Geburtstages in seiner Geburtsstadt Manchester vor über 15.000 Zuschauern gipfelte. Ein Mitschnitt des Konzerts war danach unter dem Titel "Who Put The M in Manchester" als DVD erschienen. Weiterhin kam im Jahre 2005 das Live-Album "Live At Earls Court" auf den Markt.

Im April 2006 erschien das Album "Ringleader Of The Tormentors", begleitet von der ersten Single-Auskopplung "You Have Killed Me". Produziert wurde das Werk von Studiolegende Tony Visconti (T. Rex, David Bowie) in den in Rom befindlichen Tonstudios von Ennio Morricone, dessen Orchester auch auf dem Titel "Dear God, Please Help Me" zum Einsatz kam. "Ringleader Of The Tormentors" war ein wahrer Triumph und begeisterte schon mit dem vielsagenden Frontcover, das den klassischen Veröffentlichungen der Deutschen Grammophon nachempfunden war. Morrissey polarisierte wieder, es gab erneut nur schwarz oder weiss. Für die einen ein aufgeblasener, zynisch-boshafter Egomane, der sich von der Welt unverstanden fühlte und dies erneut kundtat, für seine Fans nachwievor ein grosser Pop-Philosoph allererster Güteklasse, ein Heilsbringer, bei dem sie sich - trotz (oder gerade wegen) allem Zynismus - geborgen fühlen konnten und dessen Liedtexte wie seit jeher eine magische Ausstrahlungskraft besassen.

"I Will See You In Far Off Places" war ein überaus flotter Opener, der den geneigten Hörer schon auf das Soundgewand des Albums einstimmte. "Dear God, Please Help Me" geriet zur ersten Perle des Albums: Ennio Morricone untermalte diesen Song, und wie bei allem, bei dem Ennio Morricone seine Finger im Spiel hat, wurde dies zu einem mächtigen Song mit viel Grandezza, der am Ende tatsächlich Glauben machte, dass Morrissey auf seine Art der religiöseste aller Menschen sei. Auch wenn der Musiker das natürlich rigoros ablehnen würde. Das nachfolgende "You Have Killed Me" war dieser typische Hit, den jedes Album brauchte, mit einem sehr starken Refrain und mitreissend inszeniert. Grosse Popkunst. Genauso wie "The Youngest Was The Most Loved". Ausgestattet mit einem rabenschwarzen Songtext, erinnerte der Song ein wenig an "First Of The Gang To Die" im besten Sinne. "In The Future When All's Well" präsentierte tolle Gitarrenarbeit, während "The Father Who Must Be Killed" wieder eine dieser typischen Morrissey-Nummern zeigte, die er einfach auf fast allen seinen Alben präsentierte: Irgendjemand musste auf seinen Platten einfach sterben, diesmal war es der Vater, der einfach im Weg war. Sarkasmus pur hier: Ein toller Kinderchor animierte doch glatt zum mitsingen. "Life Is A Pigsty" war mit seinen 7 Minuten Lauflänge ein wirklich ausgedehnter Titel, der jedoch zu keiner Zeit Langeweile aufkommen liess: Morrissey schaffte es, diese sieben Minuten wie einen Wimpernschlag wirken zu lassen. Monumental, düster, und mit mächtig viel Regen im Hintergrund wurde der Song zu einem weiteren Highlight dieses Albums. "I'll Never Be Anybody's Hero" bedeutete letztlich nichts weniger als eine elegische Ansage an das Anti-Heldentum, das die Aussage des vorigen Liedes gleich noch einmal bekräftigte. Mit "To Me You Are A Work Of Art" präsentierte Morrissey schliesslich eine seiner schönsten Liebesballaden überhaupt und auch das abschliessende "At Last I Am Born" als obligatorisches wehmütiges Abschlusslied, begeisterte bis zur letzten gespielten Note.

Nachdem Morrissey das Publikum im Sommer 2006 unter anderem bei Rock am Ring, Rock im Park und dem Montreux Jazz Festival mit seinen Auftritten begeisterte, folgte im Dezember 2006 eine Kurztour durch Deutschland (Frankfurt, München, Düsseldorf, Berlin und Hamburg). Morrissey's spätere Band bestand aus Boz Boorer (Gitarre), Jesse Tobias (Gitarre), Gary Day (Bass), Mikey V. Farrell (Keyboards) und Matt Walker (Schlagzeug). Während der US-Tour 2007 ersetzte Solomon Walker (Matt Walker's Bruder) Gary Day. Nachdem der Musiker das Label Sanctuary Records verlassen hatteund einen neuen Vertrag mit der renommierten englischen Traditionsfirma Decca Records eingegangen war, wurde im Februar 2008 eine weitere "Greatest Hits"-Compilation mit den beiden ausgekoppelten Singles "That’s How People Grow Up" und "All You Need Is Me" veröffentlicht. 2009 erschien sein neuntes Studioalbum Album "Years Of Refusal", welches in den Conway Studios, Los Angeles aufgenommen wurde. Produzent war wie bereits bei "You Are The Quarry" der Amerikaner Jerry Finn, der kurz nach Fertigstellung des Werks an den Folgen einer Hirnblutung verstarb.

Am 24. Oktober 2009 brach Morrissey nach nur einem Song mit Atemproblemen auf der Bühne im Oasis Leisure Centre in Swindon (im Südwesten Englands) bewusstlos zusammen. Kurz darauf erlangte er das Bewusstsein wieder. Er wurde zur Untersuchung in das Great Western Hospital gebracht. Die Tournee konnte nach einigen Tagen Unterbrechung fortgesetzt werden. Am 30. Oktober 2009 erschien "Swords", ein Album mit von Morrissey selbst ausgewählten B-Seiten-Titeln. Im Jahre 2014 folgte das Werk "World Peace Is None Of Your Business". Im Oktober 2014 gab Morrissey gegenüber der spanischen Zeitung El Mundo bekannt, seit eineinhalb Jahren an Krebs erkrankt zu sein und sich deshalb mehrfach Operationen unterzogen zu haben.

Morrissey gilt mitunter als exzentrischer Zeitgenosse. In seiner Musik oder in Interviews äussert er sich oft bewusst provokativ zu den verschiedensten Themen wie etwa die Politik Grossbritanniens und ganz allgemein. Margaret Thatcher war in der Smiths-Zeit eine seiner Lieblingsfeindinnen, über die er sich bis hin zu ihrem Tod immer wieder ausliess. Er beschuldigte sie, die englische Arbeiterklasse zerstören zu wollen. Nach seinem Anti-Thatcher-Song "Margaret On The Guillotine" wurde sein Haus von der britischen Polizei durchsucht. Weitere Zielscheiben seiner Kritik waren auch Tony Blair und George W. Bush. Vor den US-Wahlen 2004 forderte er öffentlich dazu auf, Bush aus dem Amt zu wählen. Als er gefragt wurde, ob er ein Fussballfan sei, sagte er, er wäre ein besessener Fan, würde man statt eines Balles (den damaligen britischen Premierminister) Tony Blair herumkicken. 2016 hatte er sich für die Animal Welfare Party als Kandidat bei den Bürgermeisterwahlen in London aufstellen lassen. Nach dem Terroranschlag in Manchester am 22. Mai 2017 kritisierte Morrissey auf Facebook die Reaktionen von Premierministerin Theresa May, den Bürgermeister von London und Manchester Sadiq Khan und Andy Burnham sowie der Queen: Es sei leicht, zu Furchtlosigkeit aufzurufen, wenn man selbst in einer kugelsicheren Blase sitze und persönlich nichts zu fürchten habe. Der Sänger bemängelte, dass der islamistische Hintergrund des Anschlags öffentlich nicht deutlich benannt werde und zog eine Verbindung zu Mays Einwanderungspolitik.

Auch zu rassistischen Themen äusserte Morrissey sich immer wieder. Seine Songs "Bengali In Platforms" und "The National Front Disco" mit der zynischen Textzeile "England for the English“ wurden wiederholt, und nach Ansicht vieler fälschlich, als rassistisch ausgelegt und führten zu einer Debatte über Morrisseyßs politischen Ansichten. Obwohl er nach eigenen Angaben über eine grosse Anzahl von Platten schwarzer Musiker verfüge und ein erklärter Fan der Gruppe The Supremes sei, konnte er die Vorwürfe, Abneigung gegen Black Music zu hegen, bis heute offensichtlich nicht ausräumen. Er bekannte sich in den 80er Jahren ausserdem dazu, in einer Art selbstverordnetem Zölibat zu leben. 1990 verkündete er, dass er sich seinen Sex allabendlich bei den Live-Auftritten hole. Das und die Tatsache, dass sich viele seiner Texte um homoerotische Themen drehen, viele seiner Idole homo- oder bisexuell waren und er sich bei Auftritten oft sehr provokativ zeigt, führte zu Gerüchten über seine Homosexualität. Er selbst hat sich dazu nie klar geäussert, sagte aber er sei keine sehr sexuelle Person und forcierte damit das Verwirrspiel. Songs mit hierzu eindeutig relevanten Songtexten sind etwa "Piccadilly Palare", "He Knows I’d Love To See Him", "Still Ill", "This Charming Man", "Handsome Devil", "A Swallow On My Neck" oder auch "Ambitious Outsiders". Der Musiker äussert sich sehr ausführlich zu dieser Thematik: "Ich finde es langweilig, dass in unserer Gesellschaft so viel Wert auf Sexualität gelegt wird. Ich finde die ganze Idee von Sexualität überflüssig. Begriffe wie Heterosexualität, Bisexualität, Homosexualität kann ich nicht akzeptieren. Sie sind nur Vorsilben, die dem Wort Sexualität vorangestellt werden. Es ist daraus zu folgern, dass es grosse Unterschiede zwischen den Menschen gibt, und das stimmt nicht. Eigentlich brauchen alle Menschen genau das Gleiche. Ich kann Heterosexualität auf keinen Fall anerkennen. Sie existiert nicht, und ich bin davon überzeugt, Homosexualität existiert auch nicht" (nachzulesen in dem Buch "Out!" von Axel Schock & Karen-Susan Fessel.

Morrissey ist schon seit seiner Kindheit als exzentrischer Einzelgänger bekannt, der mit nur wenigen Leuten gut auskommt. Das mussten auch viele seiner Mitarbeiter am eigenen Leib erfahren, die er ohne ersichtlichen Grund feuerte, indem er ihnen mysteriöse Botschaften auf Postkarten zukommen liess. Zu seinen engsten Freunden zählen Linder Sterling, eine Sängerin und Fotografin, die er bereits seit den 70er Jahren kennt und seit einigen Jahren auch Nancy Sinatra. Mit dem Boxer und Fotografen Jake Walters war er Mitte der 90er Jahre sehr eng befreundet. Seine Mutter, eine überzeugte Vegetarierin, beeinflusste Morrissey dazu, selbst für Tierrechte einzutreten. Er ist seit seinem elften Lebensjahr Vegetarier; dem zweiten Studioalbum der Smiths gab er den Namen "Meat Is Murder". 2005 bekam Morrissey für seinen Einsatz für Tierrechte den Linda McCartney Memorial Award der Tierschutzorganisation PETA verliehen. Er weigerte sich, im Dresdner Alten Schlachthof aufzutreten, nachdem er erfuhr, was der Name des Auftrittortes übersetzt bedeutet, und liess ein dort geplantes Konzert absagen. Nachdem die kanadische Regierung 2006 eine Robbenjagd angekündigt hatte, beschloss Morrissey auf Konzerte in Kanada zu verzichten. Im Juli 2011 sorgte er für einen Eklat, als er bei einem Konzert in Warschau den Song "Meat Is Murder" mit der Bemerkung ansagte, das Massaker in Norwegen sei nichts im Vergleich zu dem, was bei McDonald’s und Kentucky Fried Chicken tagtäglich passiere.

Morrissey war schon in seiner Kindheit ein wandelndes Lexikon der Popgeschichte. Im Alter von zehn Jahren las er bereits alle wichtigen Musikzeitschriften, mit zwölf war er auf seinem ersten Konzert. Morrissey war auch einer der wenigen, die bei dem mittlerweile berühmten Auftritt der Sex Pistols in der Manchester Lesser Free Trade Hall im Jahre 1976 dabei waren. Zu seinen frühen musikalischen Einflüssen gehören Patti Smith sowie T. Rex (deren Song "Cosmic Dancer" häufig in der Anfangsphase seiner Solokarriere live gespielt wurde) und Roxy Music. Morrissey ist unter anderem für seine zynischen Kommentare bekannt, die oft auf andere Musiker wie George Michael, Madonna, Britney Spears (Broccoli Spears), Janet Jackson, Whitney Houston, Elton John, Robert Smith und sein ehemaliges Idol David Bowie (David Showie) zielen. Ein beliebtes Hassobjekt sind aber auch die britischen Royals. Morrissey bezichtigte die britische Königsfamilie wiederholt des Ignorantentums und der selbstverliebten Dummheit. Er ist der Ansicht, dass Prinz Charles absolut keine Intelligenz besitze. Seine Abneigung gegen die königliche Familie und ihre Wurzeln wird in "Irish Blood, English Heart" besonders deutlich zur Schau getragen. Vor der Hochzeit von William und Kate bezeichnete er in einem Radiointerview mit der BBC die Königliche Familie als Schnorrer: "I do seriously believe that they are benefit scroungers and nothing else". Morrissey ist schon seit seiner Kindheit sehr literaturbegeistert und ein grosser Fan von Oscar Wilde. Er behauptet, alles von ihm und über ihn gelesen zu haben. Auch nennt er Shelagh Delaney als eine seiner Favoritinnen, deren Werk "A Taste Of Honey" einen beträchtlichen Einfluss auf viele Texte der Smiths-Songs hatte. In seiner Jugend schrieb er selbst auch mehrere kurze Bücher, darunter die James Dean-Biografie "James Dean is not dead" und ein Buch über seine Lieblingsband, die New York Dolls.

Steven Patrick Morrissey wurde am 22. Mai 1959 in Davyhulme, einem Vorort von Manchester, als Sohn der irisch-katholischen Einwanderer Elizabeth Dwyer und Peter Morrissey geboren und wuchs in Stretford/Manchester auf. Schon früh entwickelte er Interessen, die sich von denen seiner Altersgenossen abhoben, und begann im Alter von sechs Jahren, Schallplatten von diversen Schlagersängern (u. a. Sandie Shaw, Billy Fury, Marianne Faithfull) zu sammeln. Zu seiner Mutter, einer Bibliothekarin, hatte er ein enges Verhältnis. Er wollte zunächst sogar selbst Bibliothekar werden. Seiner Mutter hat er viele seiner Leidenschaften und Hobbys zu verdanken, die er in seiner Jugend fast bis zur Besessenheit pflegte. Bereits in seiner Kindheit fing er an, Werke von Oscar Wilde zu lesen, was seine spätere Arbeit stark beeinflussen sollte. Im Laufe seiner Kindheit konnte Morrissey beobachten, wie sich seine Eltern immer weiter auseinanderlebten. Sie liessen sich allerdings erst scheiden, als Steven bereits 17 Jahre alt war. Die Beziehung seiner Eltern und die Taten der Serienmörder Myra Hindley und Ian Brady, die in der Gegend von Manchester in den 60er Jahren Kinder und Jugendliche missbrauchten und umbrachten, hatten Einfluss auf seine weitere Entwicklung. Die Mörder wurden überführt, nachdem sie von einem Mann namens David Smith bei der Polizei angezeigt wurden. Dies ist allerdings nur eine von unzähligen Deutungen des späteren Bandnamens The Smiths. In einem seiner ersten Songs, "Suffer Little Children", arbeitete er genau diese Geschichte der ermordeten Kinder aus Manchester auf, was für die ersten heftigen Kontroversen in der englischen Boulevardpresse sorgte. Da Morrissey bei seinem Schuleinstufungstest nicht gut abschnitt, musste er auf die St. Mary’s Secondary Modern School in Stretford gehen, die damals vor allem für ein niedriges Bildungsniveau und rückständige Erziehungsmethoden bekannt war. Die Erfahrungen, die er in seiner Schulzeit machte, verarbeitete Morrissey später im Smiths-Song "The Headmaster Ritual". Er zog sich in dieser Zeit immer mehr in sich zurück und hatte wenig Kontakt zu seinen Mitschülern, war allerdings häufig bei diversen Rockkonzerten in Manchester zu sehen.

Seine Jugend war von Depression und Frustration geprägt. Er hatte kaum Freunde, nahm Antidepressiva und Schlafmittel und verliess selten sein abgedunkeltes Schlafzimmer, in dem er oft tagelang auf einer Schreibmaschine herumtippte. Er hatte zwar ein oder zwei kleinere Jobs, gab sie aber nach kurzer Zeit wieder auf. Dennoch war er in der Szene Manchesters durch seine musikjournalistischen Tätigkeiten kein Unbekannter mehr, und 1978 ersetzte er für kurze Zeit den Sänger der Band The Nosebleeds, in der auch Billy Duffy spielte, der später als Gitarrist von Theatre Of Hate und The Cult bekannt wurde. Im Januar 1982 lernte er schliesslich den vier Jahre jüngeren Gitarristen Johnny Marr kennen, der zu dieser Zeit versuchte, eine Band zu gründen. Morrissey beschrieb das Zusammentreffen so, dass Johnny Marr eines Tages einfach vor seiner Tür gestanden und er sofort gewusst hatte, dass dies die Begegnung war, auf die er immer gewartet hatte. Sie begannen sofort, zusammenzuarbeiten. Marr schrieb die Musik, Morrissey die Texte. Zusammen mit dem Bassisten Andy Rourke und dem Schlagzeuger Mike Joyce gründeten die vier Mancunians die Gruppe The Smiths. Das Zusammenspiel der ironischen, psychologischen Texte von Morrissey und der melodischen Gitarrenriffs von Marr machte The Smiths zu einer der einflussreichsten Bands. In der Musik der Smiths vereinigten sich traditionelle Rockelemente mit eingängigem Pop, elegante Melodien mit kraftvollen Gitarrenriffs, sensibles Auftreten mit kontroversen Texten, Melancholie mit zynischem Humor. Besonders interessant ist Morrissey's damaliger Gebrauch von Blumen (vor allem Narzissen und Gladiolen), die er als Bühnenrequisiten verwendete und wild durch die Luft schwang, sowie sein eigenwilliger Tanzstil.

In dieser Zeit begann auch das merkwürdige Verhältnis zwischen Morrissey und einigen englischen Musikzeitschriften, die ihn einerseits zum neuen Musikgott erhoben, andererseits aber immer wieder wegen seiner zynischen, mehrdeutigen Texte angriffen. Insgesamt veröffentlichte die Band während der Zeit ihres Bestehens vier Studioalben, drei Compilation-Alben und ein Live-Album. Im Jahr 1987 spürten die Bandmitglieder immer mehr, dass die Chemie nicht mehr stimmte. Nachdem Johnny Marr die Band plötzlich verliess, versuchten Joyce, Rourke und Morrissey vorerst ohne Marr auszukommen, scheiterten aber nach kurzer Zeit damit. Die vier Bandmitglieder gingen eigene Wege; Morrissey und Marr kommunizierten in der Folgezeit nur über die britische Boulevardpresse. Heute geben viele bekannte Rockbands wie etwa The Libertines, Franz Ferdinand, Oasis, The Killers, Deftones, New Found Glory, Suede, Belle And Sebastian, Muse und auch die Arctic Monkeys die Smiths als Einflussquelle an. Insbesondere der exaltierte Gesangsstil Morrissey's beeinflusste viele Britpop-Bands der 90er-Jahre.












No comments:

Post a Comment