Aug 21, 2017


DEAD KENNEDYS - Fresh Fruit For Rotting Vegetables
(Cherry Red Records B RED 10, 1980)

Die Dead Kennedys waren eine der herausragenden Punk Bands aus San Francisco, die von 1978 bis 1986 existierte. Ihre Texte kommentierten mit beissendem Humor die Standpunkte linker und rechter Politik, mitunter auch durchaus angreifend in ihrer Wortwahl. Musikalisch verbanden sie die künstlerischen Elemente des klassischen britischen Punks mit der Energie und Geschwindigkeit des amerikanischen Punk Rocks. Der Bandleader und Frontmann Jello Biafra spielte mit seinem eigenen Plattenlabel Alternative Tentacles eine wichtige Rolle als Sprungbrett für andere Gruppen. Die Dead Kennedys gründeten sich im Juni 1978. Die Band bestand aus Jello Biafra (Sänger), East Bay Ray (Gitarrist), Klaus Flouride (Bassist) und Bruce Schlesinger alias Ted (Schlagzeuger). Anfänglich war auch noch der Gitarrist 6025 (Carlos Cadona) mit dabei, der jedoch bereits wenig später die Band verliess. Die Dead Kennedys spielten einige Konzerte in San Francisco und brachten im Juni 1979 ihre erste Single "California über alles" auf Alternative Tentacles heraus. Auf ihrer folgenden Tour entlang der US-Ostküste rüttelten sie mit ihren energischen Auftritten die dortige Punk-Szene wieder auf, um die es dort zu dem Zeitpunkt bereits stiller geworden war.

Im Herbst 1980 veröffentlichten sie ihre erste LP "Fresh Fruit For Rotting Vegetables". Die Platte erschien über das britische Independent-Label Cherry Red Records und war im Heimatland der Band zunächst nur als Import erhältlich. Das Album gilt heute als Meilenstein der US-amerikanischen Punkgeschichte und als eines der frühen stilprägenden Hardcore Punk Alben. Es war einerseits geprägt durch das für das Erscheinungsjahr sehr hohe Tempo der enthaltenen Musikstücke, andererseits durch die satirischen, gesellschaftskritischen Texte von Leadsänger Jello Biafra. In den durchweg polemischen Songtexten kritisierten und karikierten die Dead Kennedys soziale Ungleichheit. Da sich der Haupt-Songschreiber Jello Biafra und der Rest der Dead Kennedys zerstritten hatten, existierten später zwei Versionen der Entstehungsgeschichte, eine von Biafra und eine vom Rest der Band. An einigen Stellen der folgenden Abschnitte werden daher unterschiedliche Sichtweisen den jeweiligen Personen zugeordnet.

1978 gegründet, suchte die mit Liveauftritten sehr präsente Band Dead Kennedys eine geeignete Plattenfirma. Wegen ihres provokanten Bandnamens gestaltete sich die Suche besonders schwierig. Eine breite Independent-Szene war noch nicht entstanden und nach The Dickies und den Ramones interessierten sich die Major-Labels nicht mehr für US-amerikanische Punkbands. DIY ('Do it yourself') wurde dadurch zu einer der Säulen der noch jungen US-amerikanischen Punkbewegung. Nach der Veröffentlichung der Single "California über alles" durch das bandeigene Label Alternative Tentacles kam bald der Kontakt mit dem Musikagenten Bill Gilliam zustande. Einer festen Buchung der Band für Konzertveranstaltungen stand, auch nach Meinung des zwischenzeitlich ebenfalls kontaktierten Managers von Sham 69, Terry Gordon, jedoch eine nicht ausreichende Menge musikalischen Materials entgegen. Bislang waren lediglich einige Singles und die Kompilation "Live At The Deaf Club" erschienen. Bill Gilliam stellte die Band daraufhin Iain McNay von Cherry Red Records vor, Terry Gordon startete einen Vermittlungsversuch mit Safari Records. Diese hatten jedoch kein Interesse an einer Albumproduktion und so konzentrierte die Band ihre Hoffnungen ausschliesslich auf Cherry Red Records.

Kurze Zeit später schickte die Band eine frühe Fassung ihres Songs "Holiday In Cambodia" an McNay, um dessen Interesse zu wecken. Nach anfänglichen Vorbehalten seitens McNays, unter anderem wegen des provokativen Bandnamens, konnte das von der Band eingereichte und als nächste Single geplante Lied überzeugen. Zur Produktion eines Albums verfügte Cherry Red Records allerdings zunächst nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel. Nach Biafras Angaben lagen diese bei 8000, den Auskünften der restlichen Bandmitglieder nach bei 10000 Dollar. Richard Bishop, ein Geschäftspartner McNays von Caroline Records, bot daraufhin seine Unterstützung an. Voraussetzung für das Vorstrecken der benötigten Geldmittel war die vertragliche Einwilligung von McNay und der Band in spezielle Verkaufskonditionen und ein dreimonatiges Exklusiv-Verkaufsrecht für Virgin Records, der Muttergesellschaft von Caroline Records.

Bevor die Arbeiten am Debütalbum begannen, nahm die Gruppe die Single "Holiday In Cambodia" mit der B-Seite "Police Truck" im Tewksbury-Studio in Richmond auf. Als Toningenieur wurde Geza Gedeon, bekannt auch als Geza X, verpflichtet. Er hatte zuvor bereits mit Black Flag und Germs zusammengearbeitet und verfügte als Mitglied der Punkbands Deadbeats und The Bag auch über eigene musikalische Erfahrungen. In den Vereinigten Staaten erschienen die ersten 3000 Exemplare über Optional Records, danach folgte eine zweite Veröffentlichung über Faulty Products, einem Ableger von Miles Copeland IIIs Independent-Label I.R.S. Records. Die ursprünglich vorgesehene Veröffentlichung durch A&M Records scheiterte am Namen der Band, denn Labelgründer Jerry Moss war Ted Kennedy freundschaftlich verbunden. Im Mai 1980 erschien die Single im Vereinigten Königreich, dort bereits über Cherry Red Records. Nach der erfolgreichen Veröffentlichung der Single willigten McNay und Gilliam ein und gaben der Band die 10000 Dollar für die Aufnahme des Albums. East Bay Ray gab später an, dass die Band für das Studio 6000 Dollar einkalkuliert und das restliche Geld unter den vier Bandmitgliedern aufgeteilt habe. Die Band mietete das Studio Mobius Music von Oliver DiCicco in Noe Valley und entschied sich gegen die Verpflichtung von Geza X. Dabei überstimmte sie Jello Biafra, der diesen Produzenten bevorzugte. DiCicco, Musikproduzent und Besitzer des Studios, war lediglich der Toningenieur des Albums, da er wenig Erfahrung mit Punkmusik hatte. Seine vorherigen Produktionen entstammten dem New-Age-Bereich. Da Klaus Flouride berufliche Verpflichtungen hatte, fanden die Aufnahmen nur abends und nachts statt. Das Studio war gerade auf 16 Spur-Technik umgestellt worden und war räumlich sehr eingeschränkt. Die Aufnahme erfolgte auf einem Zwei Zoll 16 Spur-Band. East Bay Ray verwendete für seine elektrische Gitarre des Typs Fender Super Reverb einen DOD Overdrive Vorververstärker und als Hallgerät eine Echoplex aus den 60er Jahren. Ausserdem spielte er eine alte Telecaster mit Seymour- und Humbucker-Pickups, einem Hals im Stratocaster-Stil und einem Steg von Schecter. Jello Biafra verwendete ein Neumann U47 Mikrofon, eine Empfehlung von Geza X. Für den Endmix wurde ein Ampex 351 Zweispurgerät verwendet.

Die Band investierte viel Zeit auf die Vorproduktion. Die Songs waren bereits fertig geschrieben und mussten nur noch eingespielt werden. Die meisten Titel waren nach dem ersten oder zweiten Take fertig. Auf dem Album waren daher nur wenig Overdubs zu hören. Während der Aufnahmen kam es jedoch vermehrt zu Konflikten innerhalb der Band, was sowohl die musikalische als auch die organisatorische Seite der Aufnahme betraf. Insbesondere Jello Biafra und East Bay Ray überwachten die Aufnahmen des Albums und bis heute streiten sich die beiden um den Hauptanteil. Insbesondere Ray fühlte sich hintergangen, da er nach seinem Verständnis zu wenig Kontrolle über die Produktion hatte. Als Produzenten wurde schliesslich im Booklet Norm angegeben, der Name der Siamkatze des Produzenten. East Bay Ray wurde unter seinem bürgerlichen Namen R. Pepperell als Produktionsassistent geführt. Spätere Pressungen enthielten andere Angaben. So wurden neben Norm auch East Bay Ray oder Norm And The Dead Kennedys angegeben. Das Album erschien am 2. September 1980 im Vereinigten Königreich, wobei die Pressung fehlerhaft war. Das eingesetzte Masterband lief zu schnell und es fehlten zudem die tiefen Frequenzen. Im Heimatland der Band war das Album zunächst nur als Import erhältlich, erst 1981 erschien die US-Version über I.R.S. Records.

Wie bereits bei den beiden Vorgänger-Singles handelte es sich musikalisch um schnell gespielten Punkrock, der später als Hardcore Punk definiert wurde. Neben dem frühen Punkrock wurden auch Elemente des Garage Rock, insbesondere der Sonics, des Surf und des Rockabilly in die Musik aufgenommen. Dadurch entstand eine für damalige Verhältnisse ungewöhnliche Mischung aus traditionellen Rockelementen und Punkrock. Der Gesang von Jello Biafra war für die damalige Zeit ungewöhnlich schrill und erinnerte an ein wütendes Fauchen. Die Texte waren bissig bis bösartig-sarkastisch und aus einer sehr linken Perspektive geschrieben. Dabei wurden nicht nur einzelne Aspekte herausgegriffen, die für die Neue Linke in den Vereinigten Staaten charakteristisch waren, sondern die Kritik richtete sich gegen alle Aspekte des sogenannten American Way of Life und das komplette politische System Amerikas. In den Liedern nahm Jello Biafra oft die andere Position ein und verhöhnte so seine Gegner mit ihren eigenen Worten. Die Produktion war zwar recht dünn, doch die Schnelligkeit und die Verwendung der für Punk ungewöhnlichen Elemente wurden später zum Markenzeichen der Dead Kennedys.

Auf dem Albumcover befand sich ein Schwarzweissfoto, das eine Reihe brennender Autos zeigte. Die Aufnahme stammte von Judith Carlson und wurde für den San Francisco Examiner erstellt. Sie wurde während der sogenannten White Night Riots am 21. Mai 1979 aufgenommen. Die Unruhen brachen aus, nachdem der ehemalige Stadtrat Dan White den Homosexuellen-Aktivisten Harvey Milk sowie George Moscone, den damaligen Bürgermeister von San Francisco, erschossen hatte und zu einer aus Sicht vieler Kritiker zu geringen Haftstrafe von lediglich sieben Jahren verurteilt worden war. Aus den Reihen einer aufgebrachten Menge von annähernd 5000 Personen, die zum Rathaus marschierten, lösten sich einzelne Randalierer heraus und steckten in dieser Nacht mehr als ein Dutzend Polizeiautos in Brand. Bei der Reproduktion des Bildes für die Erstveröffentlichung ging viel von der Qualität verloren. Ursprünglich sollten die Flammen deutlicher dargestellt werden, wozu sie von I.R.S. Records orange eingefärbt wurden. Dies wirkte sich aber auch auf den Rest des Bildes aus, so dass Biafra nicht mehr damit zufrieden war. Cherry Red Records übernahm dann den schwarz-weissen Druck, der auch auf allen späteren Veröffentlichungen Verbreitung fand. Die Wiederveröffentlichung zum 25. Jubiläum des Albums 2005 enthielt eine eingefärbte Version, bei der allerdings nur die Flammen hervorgehoben wurden, so wie es ursprünglich geplant war. Über die Jahre erschienen viele unterschiedliche Varianten des Cover Artworks, die sich in der Helligkeit des Motives sowie in der Farbe des Bandlogos (weiss oder gelb) unterschieden. Auf der Originalversion befand sich zudem der Name des Albums nicht auf dem Schallplattencover, sondern nur auf der Rückseite. Bei einigen späteren Versionen wurde auch dies geändert.

Auf der Rückseite der LP war eine andere Band abgebildet, nämlich Sounds of Sunshine, die Anfang der 70er Jahre einen kleinen Hit mit "Love Means You Never Have To Say You’re Sorry" hatte. Tatsächlich hatte Flouride das Foto irgendwann auf dem Flohmarkt gekauft, ohne dass damals jemand die abgelichtete Band oder den Fotografen hätte zuordnen können. Das Bild wurde mit Totenköpfen und dem Dead Kennedys Logo verziert. Als die Dead Kennedys im Fernsehen gezeigt wurden und dazu immer wieder das Bild vom Backcover abgebildet wurde, wurden ehemalige Sounds of Sunshine-Mitglieder, inzwischen konservative Christen, darauf aufmerksam und klagten gegen die Dead Kennedys. Der Vertrieb I.R.S. Records zahlte schliesslich eine Entschädigung und auf späteren Pressungen wurden einfach die Köpfe der Bandmitglieder entfernt. Dem Album beigefügt war ein Poster mit einer Collage sowie den Texten des Albums. Die Collage wurde von Jello Biafra angefertigt mit etwas Unterstützung von Winston Smith, der auch für das Dead Kennedys Logo und später das Alternative Tentacles Logo verantwortlich zeichnete. Sie basierte auf den zahlreichen Ausschnitten aus Zeitungen und Zeitschriften, die Biafra in seinem Schlafzimmer hängen hatte. Im Wesentlichen beeinflusst wurde der Stil von der britischen Band Crass, allerdings war Biafras Ansatz ein eher politisch-humoristischer.

Bei frühen US-Versionen befand sich zwischen den beiden Songs "Let’s Lynch The Landlord" und "Drug Me" das Stück "Police Truck" und damit die B-Seite der "Holiday In Cambodia" Single. Das Lied wurde erst wieder 1987 auf der Kompilation "Give Me Convenience Or Give Me Death" auf einem Album-Format veröffentlicht. Vom Album existieren mittlerweile mehr als 30 verschiedene Versionen, die sich nicht nur in der Gestaltung, sondern auch in der Songauswahl unterscheiden. Als Bonustracks wurden gelegentlich die verschiedenen Single B-Seiten verwendet. Zum 25-jährigen Jubiläum erschien eine Special 25th Anniversary Edition mit einem 55-minütigen Dokumentarfilm, der Interviews mit verschiedenen Akteuren beinhaltete, darunter Klaus Flouride und East Bay Ray. Dazu wurden einige ältere Liveaufnahmen gezeigt. Einige davon befanden sich auf der Video-Kompilation "Dead Kennedys: The Early Years Live".

Die Songs des Albums im Detail: "Kill The Poor" war die satirische Aufforderung, Arbeitslose und Menschen in Armut durch die Neutronenbombe zu beseitigen, da die Wirkung dieser Waffe nett, schnell, sauber und effektiv ("It’s nice and quick and clean and gets things done") sei und die Gesellschaft so nicht länger durch Wohlfahrtssteuer ("Welfare Tax") belastet werde. Der Songtext wurde häufig mit "A Modest Proposal" von Jonathan Swift in Verbindung gebracht, das eine ähnliche Überzeichnung zum Inhalt hatte. Die Idee stammte jedoch aus einem alten Devo-Interview im Fanzine 'Search & Destroy'. "Kill The Poor" wurde die dritte Singleauskopplung des Albums. B-Seite war der Track "In-Sight". Bei der Single-Version handelte es sich um eine andere Abmischung des Songs. Als Werbeanzeige wurde ein Bild des Parteitags der Conservative Party verwendet, über dem der Singletitel prangte. Durch geschickte Anzeigenschaltung und späte Abgabe erschien das Motiv in einigen Zeitungen und Zeitschriften. Dafür musste sich McNay vor dem Werberat rechtfertigen. Als Konsequenz durfte er die Anzeige nicht wieder verwenden, was aber auch gar nicht seine Absicht war.

"Forward To Death" war ein Text, der sich mit der Sehnsucht nach dem Tod auseinandersetzte. Das lyrische 'Ich' sieht sich als Antagonist zum Rest der Welt. Das Lied stammte von Carlos Cadona (Pseudonym 6025), dem zeitweilig zweiten Gitarristen der Band, der zum Zeitpunkt der Aufnahme aber bereits wieder ausgestiegen war. Der Text war keine Fiktion von Cardona, sondern beschrieb sein damaliges Innenleben. So antwortete er auf die Frage, wie er zu dem Text gekommen sei, dass er oft so deprimiert gewesen sei, er würde sich auf den Tod freuen. Obwohl die ursprüngliche Idee von Cadona stammte, entstand die Musik des Songs letztlich in einer Art Jam, bei dem jeder seine Ideen hinzufügte. "When Ya Get Drafted" kritisierte das Wettrüsten zwischen Ost und West während des Kalten Krieges. Der Text selbst entwarf das Schreckensszenario, dass durch eine Volkszählung alle wehrdienstfähigen US-Amerikaner erfasst wurden, um effizienter Krieg gegen andere Staaten führen zu können. Ursprünglich unter dem Namen "Rhodesia" geschrieben, beinhaltete die erste Textversion noch Motive der Kubakrise, die allerdings von der Band Mercenary bereits aufgegriffen wurde.

Geza X riet Jello Biafra zur Überarbeitung und so wurde der Text allgemeiner gehalten. Der Songtext war geradezu prophetisch, denn im Februar 1980, kurz nach der Überarbeitung, als sie den Song schon live spielten, beschloss Präsident Jimmy Carter eine Erfassung aller wehrdienstfähigen US-Amerikaner, um im Bedarfsfall die Streitkräfte zu vergrössern. "Let’s Lynch The Landlord" forderte satirisch dazu auf, Grundeigentümer zu ermorden, die ihre Immobilien zu Lasten von deren Bewohnern verkommen liessen, um ihren eigenen Profit zu maximieren. Der Text basierte auf Flourides und Biafras Erfahrungen als Mieter. Für das Stück benötigte die Band am meisten Zeit. Zunächst war der Schlagzeugpart sehr schnell, sodass Bruce Slesinger (respektive Ted, wie er in den Credits des Albums benannt war) nicht nachkam. Deshalb wurde das Schlagzeugspiel vereinfacht und der Song damit tanzbar. Der Text wurde im Wesentlichen von Biafras Vorliebe für das Duo Sparks geprägt. Biafra bezeichnete die trockenen, wirklich bescheuerten Texte der Sparks als grossen Einfluss auf sein eigenes Songwriting.

Die Nummer "Drug Me" handelte von einem aussichtslosen Leben, das nur durch Betäubung erträglich wurde. Biafra kritisierte in diesem Songtext, dass viele Mittel der Unterhaltung - der Text nannte unter anderem Fernsehen, Kreuzworträtsel, Zeitschriften und Pornographie - in erster Linie dem Zweck der Betäubung und Abstumpfung dienen würden. Der Riff wurde von "(We Ain’t) Got Nothing Yet" von den Blues Magoos adaptiert. Es handelte sich um eines der schnellsten Stücke aus dem Repertoire der Dead Kennedys und war live kaum zu spielen. Später veröffentlichte die Band Sepultura eine Coverversion. "Your Emotions" handelte von Emotionen, die Menschen zu Monstern machen. Der Text wurde von East Bay Ray geschrieben. Der Basspart von Klaus Flouride war eine Reminiszenz an die Avengers.

Das Stück "Chemical Warfare" kritisierte das Wettrüsten sowie den Einsatz von chemischen Waffen. Der Text schilderte, wie jemand, der illegal an Nervengas gelangt war, Massenmord an den Gästen einer Cocktailparty beging. In das Lied wurde ein Walzer eingebaut, der eine Tanzkapelle auf einer Cocktailparty in einem Country Club imitieren sollte. Die Partygesellschaft wurde von Freunden der Band dargestellt, darunter Barbara Hellbent, Bobby Unrest, ChiChi (damalige Managerin der Dead Kennedys), Curt, Dirk Dirkson (Booker), Eric Boucher (bürgerlicher Name von Jello Biafra), Geoffrey Lyall (bürgerlicher Name von Klaus Flouride), HyJean, Michael Snyder (Journalist und Musikproduzent), Ninotchka (Therese Soder, Sängerin von Feederz und Biafras Ehefrau von 1981 bis 1986) sowie Will Shater und Bruce Calderwood (beide von der Punk Band Flipper).

"California über alles" überzeichnete in grotesker Form die Machtgelüste des kalifornischen Gouverneurs Jerry Brown und unterstellte diesem das Ziel der Installierung eines faschistisch geprägten Regierungssystems in den USA. Die Albumversion war wesentlich schneller, fast in doppelter Geschwindigkeit zur Singleversion, die dafür etwas rauer klang und mehr musikalische Abwechslung bot. "I Kill Children" parodierte einen Psychopathen, der es kaum erwarten konnte, die Kinder der Hörer des Albums zu ermorden. Der Text wurde sehr oft missinterpretiert, da die Hörer den Perspektivwechsel nicht mitmachten und Jello Biafra als lyrisches Ich sahen. Dies sorgte unter anderem dafür, dass Tipper Gore und ihre Zensurbehörde PMRC auf die Band aufmerksam wurden. Tatsächlich nahm Biafra als Basis beziehungsweise als Eröffnungszeile ein Zitat aus einem religiösen Traktat des fundamentalen Christen Jack T. Chick: "God told me to skin you alive" ("Gott hat mir befohlen, dich lebendig zu häuten").

"Stealing People’s Mail" handelte von Leuten, deren Unterhaltung darin bestand, massenhaft Postsendungen zu stehlen, um sich über deren Inhalte zu amüsieren. Biafra wurde beim Songwriting vom Garage Rock der 60er Jahre sowie von The Screamers beeinflusst. "Funland At The Beach" karikierte die allgemeine Sensationslüsternheit für Katastrophenfälle am Beispiel eines Psychopathen, der die Achterbahn in einem Vergnügungspark sabotiert, um sich anschliessend an den verstümmelten Leichen zu erfreuen. Der Text zeigte die emotionale Kälte der Parkbetreiber, die sich mehr um einen Prozess sorgten, als sich ihrer Verantwortung bewusst zu sein. Wie bei "Kill The Children" wurde der Text häufig falsch verstanden. Der nächste Track "Ill In The Head" beschrieb wie "Forward To Death" und "Your Emotions" ebenfalls einen düsteren Geisteszustand. Das lyrische Ich war in einem zwiegespaltenen Eindruck und wusste nicht wohin mit sich Es war der einzige Song, auf dem Carlos Cadona zu hören war, der zum Einspielen wieder ins Studio kam, nachdem er die Band einige Monate vorher verlassen hatte. Das Lied hatten er und Biafra zusammen geschrieben. Biafra gab Cadona einen Text, mit dem er selbst unzufrieden war. Cadona überarbeitete ihn. Das Lied enthielt mit einem Wechsel zwischen 13/8 und 11/8 eine für Punk ungewöhnliche Taktart. Cadona war von Neuer Musik beeinflusst und hatte während seines kurzen Beitritts versucht, die Band in diese Richtung zu führen.

"Holiday In Cambodia" wurde ebenfalls in einer anderen Version als die damalige Singleversion eingespielt. Am Anfang war eine Art Schreien zu hören, das durch einen Effekt über das Echoplex von Ray entstand. "Viva Las Vegas" war eine parodistische Coverversion mit leicht geändertem Text und handelte von den Gefahren des Glücksspiels in Las Vegas. Dabei wurde der im Original von Elvis Presley gesungene Text so karikiert, dass neben der Kritik am Glücksspiel auch Presley selbst kritisiert wurde. So tauschte Biafra nur wenige Wörter aus und stellte einige Sätze so um, dass sie für Presley unvorteilhaft endeten. Am Ende wurde dem Protagonisten des Songs Kokainkonsum unterstellt. Hier fand eine Tradition der Dead Kennedys ihren Anfang: die überraschende Coverversion, die nicht zum Gestus und der Musik der Dead Kennedys passte. Fortgesetzt wurde sie unter anderem mit "My Sharona", "I Fought The Law" und "Boris The Spider". Jello Biafra imitierte hier den hohen Gesang von Feargal Sharkey. Ian McNay plante dies als dritte Single ein, da er sich davon hohe Aufmerksamkeit von den britischen Medien versprach. Doch die Band lehnte ab, da sie Befürchtungen hatte, damit als One Hit Wonder zu gelten.

Das Debütalbum erhielt gemischte Kritiken. Am besten schnitt das Album im Vereinigten Königreich ab. So kritisierte Andy Gill von Gang Of Four im New Musical Express die Themen des Albums, die abseitig und nicht mehr als Punk-Varielté seien. Dafür lobte er die Dynamik sowie die Originalität und den Abwechslungsreichtum der Kompositionen. Robert Christgau und Lester Bangs äusserten sich negativ. Christgau bezeichnete Biafras Gesang als Tiny Tim Vibrato und verglich die Musik mit den Stooges. Eine gute Kritik kam dagegen von John Tobler vom Zig Zag Magazine, der vor allem die subtilen Lyrics lobte. In den USA waren die Kritiken verhaltener. So lobte New York Rocker zwar die dynamischen Tracks des Albums, bezeichnete aber die Lyrics zu "I Kill Children" und "Funland At The Beach" als sinnlos und nur für den Schockeffekt geschrieben. Trotz der eher verhaltenen Rezensionen verkaufte sich das Album sehr gut. Bis zum Ende des Jahres konnte Cherry Red Records alleine im Vereinigten Königreich 30000 Stück absetzen. In Finnland, Spanien, Portugal und Australien erreichte es sogar Top 10-Platzierungen. In den britischen Charts erreichte das Album Platz 33.

Die Single "Kill The Poor" platzierte sich auf Rang 49. Zur damaligen Zeit ebnete das Album den Weg für die San Franscisco Punkszene und machte diese sowohl in den USA als auch in Europa populär. Es war zudem einer der Meilensteine des frühen US Hardcores, zusammen mit den ersten Veröffentlichungen von Black Flag, MDC und Bad Brains. Heute gilt das Album als eines der bedeutendsten Werke der Punkmusik sowie als Blaupause für textlich wie musikalisch vielseitigen Punk. Dementsprechend oft wird es auch heute noch zitiert. Insbesondere die beiden Hits "California über alles" sowie "Holiday In Cambodia" wurden recht häufig gecovert. Bei ersterem waren sicherlich die Versionen von der Death Metal Band Six Feet Under sowie von der Independent Rock Band The Delgados hervorzuheben. Von letzterem existieren unter anderem Versionen von Laaz Rockit und Boysetsfire. Serj Tankian und die Foo Fighters spielten auf den MTV Video Music Awards 2007 ebenfalls eine Neuauflage des Songs.

Der Song "I Kill Children", insbesondere der Eröffnungssatz, inspirierte den Künstler Winston Smith zu einem Gemälde mit dem Titel 'God Told Me to Skin You Alive', das später wiederum Verwendung als Artwork beim Green Day Album "Insomniac" fand. Das Album diente zudem als Inspiration für eine ganze Reihe von Künstlern, so bezeichneten unter anderem Dinosaur Jr., Hüsker Dü, The Pixies, Nirvana, The Offspring und Massive Attack das Album als grossen Einfluss. Im Mai 2001 veröffentlichte das US-Musikmagazin Spin das Themenheft '25 Years of Punk' mit einer Liste der '50 Most Essential Punk Records'. Das Album "Fresh Fruit For Rotting Vegetables" stand dort auf Platz 46. Das britische Mojo nannte das Album das musikalisch komplexeste Punkalbum aller Zeiten. Robert Dimery nahm das Album in sein musikalisches Referenzbuch '1001 Albums You Must Hear Before You Die' auf. 2004 erschien eine Liste des deutschen Rolling Stone Magazines, bei dem "Fresh Fruit For Rotting Vegetables" auf Platz 185 geführt wurde. Sowohl auf der Liste des US-amerikanischen Rolling Stone als auch bei der Neuauflage der Liste 2012 fehlte es dagegen.

Der New Musical Express nahm das Album 2013 in seine Liste der 500 besten Alben aller Zeiten auf. Geführt wird es dort auf Platz 365. "Fresh Fruit For Rotting Vegetables" war das einzige Album der Band, dessen Rechte nicht bei Alternative Tentacles lagen, bevor der Rechtsstreit zwischen Jello Biafra und den restlichen Mitgliedern der Dead Kennedys begann. Während des Rechtsstreits ging es insbesondere um falsch berechnete und nicht ausgezahlte Royalties sowie fehlerhafte Urheberrechtsangaben. Ein Punkt war allerdings, dass Biafra den Backkatalog nicht genügend beworben hätte. Als Gegenbeispiel wurde daher Cherry Red Records ausgewählt, die das Album als Digipak mit verschiedenen Bonustracks erneut herausgebracht hatten und damit die Verkäufe von 5000 auf 15000 Stück anheben konnten. Als Folge sprach die Jury den restlichen Mitgliedern die Rechte zur Veröffentlichung aller Alben ausser "Fresh Fruit For Rotting Vegetables" zu.

Am Ende des Jahres 1980, nur wenige Wochen nach der Veröffentlichung des Debutalbums, trennte die Band sich von Schlagzeuger Ted aus musikalischen Gründen und fand in D. H. Peligro einen Nachfolger. Über die gesamten 80er Jahre tourten sie durch die USA und Europa und schafften sich so weltweit Gefolgschaft in der Undergroundszene. Ihre Musik, aber insbesondere ihre Texte, attackierten unter anderem die religiöse Rechte und Ronald Reagan mit bösem Sarkasmus. Die Veröffentlichung des Albums "Frankenchrist" (1985) rief das damals neu gegründete Parents Music Resource Center (PMRC) auf den Plan, und die Organisation klagte die Band 1986 wegen Verbreitung jugendgefährdender Inhalte an Minderjährige an. Dabei ging es um ein der Schallplatte beigelegtes Poster mit der Zeichnung 'Penis Landscape' des Schweizer Künstlers H. R. Giger. Die Anklage verlangte eine Verurteilung jedes Bandmitglieds zu einem Jahr Gefängnis und 20000 Dollar Strafe. Im Jahr 1987 wurde nach einem dreiwöchigen Prozess die Anklage gegen die Band fallen gelassen. Das Album verschwand in den USA jedoch fast vollständig aus den Plattenläden. Nach der Veröffentlichung der LP "Bedtime For Democracy" gegen Ende des Jahres 1986 erklärten sich die Dead Kennedys für aufgelöst. Jello Biafra blieb weiterhin in der Punk-Bewegung aktiv, pflegt bis heute das Label Alternative Tentacles, gründete unter anderem die Band Lard und brachte einige Spoken Word Alben heraus.

Seit der Auflösung sind die Bandmitglieder zerstritten. Angeblich wollten die restlichen Bandmitglieder den Song "Holiday In Cambodia" für einen Werbespot der Firma Levis Jeans lizenzieren, was Jello Biafra als Ausverkauf seiner Punk-Ideale verstand. Die übrigen Bandmitglieder bestritten dieses Vorhaben jedoch. Des Weiteren ging es in einem Gerichtsverfahren um nicht bezahlte Tantiemen, die den anderen Mitgliedern zugestanden hätten. Der Richter entschied zugunsten der anderen Mitglieder. Die komplette Palette der Dead Kennedys Werke (ausser dem ersten Album "Fresh Fruit For Rotting Vegetables") fiel auf den Rest der Dead Kennedys, die daraufhin das Label Decay gründeten. Der verbliebene Teil der Band, bestehend aus East Bay Ray, Klaus Flouride und dem Inhaber dieses Labels, D.H. Peligro, begann 2001 eine Reunion-Tour unter dem Namen DK Kennedys und ersetzte Biafra durch den Sänger Brandon Cruz. Trotzdem machten sie an verschiedenen Orten Werbung mit Bildern von Jello Biafra, so dass Fans der Band ihr Geld zurückverlangten, als sie feststellten, dass Jello Biafra nicht singen würde.

Jello Biafra distanzierte sich von allen Aktivitäten der DK Kennedys und deren Label Decay, da diese nichts mit dem Geist und der Qualität der Dead Kennedys von vor 1986 zu tun hätten. Am 9. Oktober 2007 wurde ein Best Of Album mit dem Namen "Milking The Sacred Cow" herausgebracht. Es enthielt zwei unveröffentlichte Versionen von "Soup Is Good Food" und "Jock-O-Rama". Cruz' Nachfolger Jeff Penalty verliess die Band im März 2008. Er wurde von dem früheren Wynona Riders Sänger Ron 'Skip' Greer ersetzt. Die Liedzeilen "Weil sie dich verplant haben, kannst du nichts anderes tun als aussteigen und nachdenken" wurden in der bekannten Kurzgeschichte "Im Spiegel" von Margret Steenfatt zitiert. Die Toten Hosen veröffentlichten 2017 eine Coverversion des Songs "California über alles" mit Jello Biafra als Gastsänger. Dieser Song war auf dem Album "Learning English Lesson 2" enthalten.



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