Aug 30, 2017


NAPALM DEATH - Scum (Earache Records MOSH 3, 1987)

Der Bassist Nicholas Bullen gründete die Band Napalm Death im Jahre 1981 im Alter von gerade mal 13 Jahren. Massgeblichen Einfluss auf die Musik der Anfangsjahre hatten Bands wie Discharge, Chaos U.K. oder Disorder. Nach verschiedenen Line Up-Wechseln spielte die Band 1986 in der Besetzung Nik Bullen (Bass, Gesang), Justin Broadrick (Gitarre) und Mick Harris (Schlagzeug) die A-Seite des Debütalbums "Scum" ein. Sämtliche Stücke dieser Session stammten aus der Feder von Nicholas Bullen und Justin Broadrick, die jedoch nach den Aufnahmen die Band verliessen. Broadrick gründete die neue Gruppe Godflesh, Bullen begann zu studieren. Anfang 1987 kamen Lee Dorrian (Gesang), Jim Whiteley (Bass) und Bill Steer (Gitarre) hinzu, damit war kein einziges Gründungsmitglied mehr in der Band. Das Quartett nahm erst 1987 die B-Seite des Debütalbums auf, das schliesslich zum Ende desselben Jahres bei Earache Records erscheinen konnte. Bereits bei den 87er Aufnahmen war Shane Embury anwesend, der zunächst als Roadie für die Band tätig war und ab 1988 Jim Whiteley am Bass ersetzte. In dieser Besetzung nahm die Band dann 1988 das zweite Album "From Enslavement To Obliteration" auf, das bis auf Platz 1 der englischen Independent Charts stieg. Doch bis dahin wehte sowohl ein personeller wie ideeller Tornado durch die Band. Noch heute nennen zahlreiche Kritiker fälschlicherweise das Debutalbum "Scum" als die Geburtstunde des Death Metal. Richtig ist eher: "Scum" (englisch für 'Abschaum') gilt als eine der bedeutendsten Grindcore-Alben. Die Aufnahmen zur A-Seite und zur B-Seite der Schallplatte, zwischen denen rund ein Jahr lag, fanden in unterschiedlichen Besetzungen statt. Als einziger Musiker wirkte Schlagzeuger Mick Harris an beiden Seiten mit. Durch die verschiedenen Besetzungen unterschied sich die Musik auf beiden Seiten im Gesang und in der Klangfarbe der Gitarren. Während sich die Lieder der A-Seite ausschliesslich am Hardcore-Punk und Anarcho-Punk orientierten, kamen auf der B-Seite durch die tiefer gestimmten elektrischen Gitarren für den Metal typische Elemente hinzu und der Gesang war stärker verfremdet. Von dem Album wurden im Jahr der Veröffentlichung mehr als 10000 Stück verkauft und es erreichte den respektablen achten Platz der britischen Independent Charts.

Daz Russell, der Promoter des Clubs 'The Mermaid' in Birmingham, hatte Napalm Death zur Hausband des Clubs gemacht. Aufgrund der lokalen Popularität der Band sicherte ihm dieses Arrangement die Besucherzahlen, um genügend Einnahmen für die Gagen auswärtiger Bands zu erzielen. Napalm Death traten daher im Vorprogramm aller Hardcore Punk Bands auf, die Russell seit Ende 1984 für den Club buchte, unter anderen Anti-System, Sacrilege, Heresy, Concrete Sox und The Varukers. Nach der Aufnahme des ersten Demos "Hatred Surge" wurde am Schlagzeug Gründungsmitglied Miles Ratledge im November 1985 durch Mick Harris ersetzt. Dessen Anspruch war es, schneller als alle anderen Schlagzeuger zu spielen. Als Vorbilder nannte er die Perkussion bei Siege und Deep Wound. Der erste Live-Auftritt in dieser Besetzung fand im Januar 1986 mit Amebix und Instigators statt. Durch häufiges Proben verbesserte die Band ihre Fähigkeiten an den Instrumenten. Im März 1986 folgte in den Flick Studios mit "From Enslavement To Obliteration" die Aufnahme eines weiteren Demos, auf dem die Band den Anarcho-Punk des ersten Demos mit Riffs nach dem Vorbild der Schweizer Band Celtic Frost und extrem schnellen Schlagzeugpassagen kombinierte.

Napalm Death beabsichtigte, 1986 ein weiteres Demo aufzunehmen, da noch kein Plattenlabel Interesse an der Band gezeigt hatte. Daz Russell bot ihnen an, dies als Single oder Split bei seinem neu gegründeten Independent-Label Children of the Revolution zu veröffentlichen. In der Besetzung Nicholas Bullen (Growls, Bass), Justin Broadrick (Gitarre) und Mick Harris (Schlagzeug) begaben sich Napalm Death in das Rich Bitch Studio in Birmingham. Dort nahm die Band auf einem 8 Spur-Rekorder zwölf Stücke auf. Die Aufnahmen fanden an zwei Tagen jeweils über Nacht statt, weil das Studio in dieser Zeit statt der regulären zehn nur fünf Pfund je Stunde kostete. Bei den Aufnahmen waren neben der Band und dem Studiopersonal rund 20 Freunde anwesend. Unter ihnen waren die Bands Head Of David und Unseen Terror, die auf der Schallplatte als Produzenten aufgeführt wurden, sowie Damian Thompson von Sacrilege, der Broadrick sein Effektpedal lieh. Die Stücke stammten aus verschiedenen Phasen der Bandentwicklung. Ein Teil der Songs ging auf Ideen von Justin Broadrick aus dem Jahre 1983 zurück, ein weiterer Teil wurde von Broadrick und Ratledge für das 1985er Demo "Hatred Surge" geschrieben. "The Kill", "You Suffer" und "Death By Manipulation" waren auf dem 1986er Demo "From Enslavement To Obliteration" enthalten. Für die Aufnahmen wurden die Titel schneller gespielt als in den ursprünglichen Fassungen, viele Riffs waren Stücken von Chaos UK und Disorder entlehnt. Die Studiokosten von 80 Pfund hatte Russell bezahlt, aber Napalm Death beschlossen, ihm die Masterbänder nicht auszuhändigen, weil er sie für ihre Auftritte im The Mermaid nie bezahlt hatte. Das Demo wurde verschiedenen Plattenlabels zur Veröffentlichung angeboten. Bei Manic Ears Records sollte es als Split-Album mit der Band Atavistic erscheinen, doch der Label-Inhaber Shane Dabinett zog sein Angebot zurück. Von Pushead und dessen Label Pusmort Records erhielten Napalm Death ebenfalls eine Absage.

Nach den Aufnahmen kam es zu Spannungen in der Band. Nicholas Bullen führte dies darauf zurück, dass jedes Bandmitglied gerne die Führungsrolle in der Band übernehmen wollte. Im September 1986 übernahm Jim Whiteley den Bass, Nicholas Bullen trat in der Folge nur noch als Sänger in Erscheinung. Diesen Schritt begründete Bullen mit seinem nachlassenden Interesse an Napalm Death und an der Musik allgemein. Nach einem Konzert in Leeds zusammen mit der Gruppe Sacrilege verliess Gitarrist Broadrick die Band, weil er das Angebot bekommen hatte, bei Head Of David als Schlagzeuger einzusteigen. Ausserdem war diese Band zu dem Zeitpunkt erfolgreicher als Napalm Death und hatte bereits ein Album bei Blast First, dem Plattenlabel der Band Sonic Youth, veröffentlicht. Ersetzt wurde Broadrick zunächst durch den späteren Benediction-Bassisten Frank Healy, bevor der 16-jährige Bill Steer dessen Platz einnahm. Wenig später verliess auch Nicholas Bullen Napalm Death, neuer Sänger wurde Lee Dorrian. Mit der neuen Besetzung wurde die Musik der Band metallischer, ohne dass die Musiker ihre Anarcho Punk-Attitüde vernachlässigen wollten. Ende 1986 kam es zu ersten Kontakten mit Digby Pearson, der gerade die neue Plattenfirma Earache Records gegründet hatte. Obwohl Broadrick bei Napalm Death kein Mitglied mehr war, hatte er die Masterbänder der Aufnahme von August 1986 an Pearson geschickt.

Im März 1987 schlossen Napalm Death eine Vereinbarung mit Digby Pearson. Er kaufte der Band die Masterbänder der Aufnahmen aus dem Jahr 1986 ab und buchte das Rich Bitch Studio, um die B-Seite aufzunehmen. Mick Harris hatte 16 Songs geschrieben, die er gemeinsam mit Bill Steer in dessen Elternhaus in Liverpool bei zwei Proben fertigstellte und einstudierte. Zwei Tracks der B-Seite stammten von Bill Steer, Jim Whiteley war bei einigen Stücken am Arrangement beteiligt. Die Stücke von Harris waren nach Meinung von Whiteley ganz offensichtlich von Repulsions Demo von 1985 (damals noch unter dem Namen Genocide) beeinflusst. Harris hatte sie auf einer Gitarre geschrieben, obwohl er nach eigenen Angaben nicht Gitarre spielen konnte. Er stimmte lediglich die A- und die E-Saiten und entfernte die übrigen Saiten, sodass er die Akkorde im Barrégriff ohne zusätzliches Greifen spielen konnte. Um die Ergebnisse nicht zu vergessen, notierte er sie auf Schmierzetteln und nahm sie mit einem einfachen Kassettenrekorder auf. Die Songtexte schrieb Jim Whiteley, die Gesangspassagen fügte Sänger Lee Dorrian am Abend vor den Aufnahmen in das musikalische Gerüst der Stücke ein. Es gab nur eine rund dreistündige gemeinsame Bandprobe unmittelbar vor dem Beginn des Studioaufenthaltes im Mai 1987. Die Aufnahmen fanden unter Leitung von Toningenieur Mike Ivory statt. Ebenfalls anwesend waren Digby Pearson und Unseen Terror, die schliesslich auf der Schallplatte als Produzenten aufgeführt wurden. Wie schon die Aufnahmen zur A-Seite fanden die Aufnahmen zur B-Seite aus Kostengründen über Nacht statt. Insbesondere für Sänger Lee Dorrian waren die Aufnahmen schwierig, da er das erste Mal in einem Tonstudio war. So musste Mick Harris ihm Zeichen geben, wenn Dorrian mit dem Gesang einsetzen sollte. Mit dem ersten Mix war die Band nicht zufrieden, weil sowohl die Snare als auch die Basstrommel kaum zu hören waren. Pearson organisierte einen letzten Studiotermin, der von 4 bis 8 Uhr morgens stattfand, damit die Aufnahmen noch einmal gemischt werden konnten.

Digby Pearson wollte als Napalm Deaths Debüt kein Minialbum und auch keine Split-LP veröffentlichen, sondern ein vollständiges Album. Allerdings glaubte er nicht, dass die neue Besetzung, die noch nicht lange bestand, in angemessener Zeit genügend Stücke für ein Album schreiben könnte, sodass er entschied, die bislang noch nicht verwerteten Aufnahmen aus dem August 1986 als A-Seite zu verwenden. Die Erwartungen an den kommerziellen Erfolg des Albums waren nicht sehr hoch, da Napalm Death eher eine Randerscheinung im britischen Hardcore war. Aus diesem Grund fiel das Budget für die Produktion sehr gering aus, die Aufnahmen und das Mastering kosteten insgesamt lediglich 200 Pfund. Pearson steckte nahezu seine gesamten bisherigen Einnahmen sowie sein Erspartes in Höhe von insgesamt 2000 Pfund in Aufnahme, Herstellung und Promotion des Albums. Für sein Label war es die dritte Veröffentlichung, bei einem Misserfolg hätte es die Pleite des Labels bedeuten können. Im Juni 1987 erschien das Album in einer Erstauflage von 2000 Stück.

Die Musik des Albums verbiand letztlich Growling mit für den Hardcore-Punk typischen Gitarrenriffs, einem stark verzerrten Bassklang und sehr schnellem Schlagzeugspiel, das durch nur wenige langsamere Abschnitte unterbrochen wurde. Diese Mischung galt als musikalische Definition des Grindcore. Die 28 Titel des Albums hatten eine Gesamtspielzeit von rund 33 Minuten und liessen kein einheitliches Songaufbaumuster erkennen, Melodien waren nur in Bruchstücken vorhanden. Einzige Ausnahme hiervon stellte "Siege Of Power" dar, das als längstes Stück des Albums dem klassischen Wechsel zwischen Strophe und Refrain folgte. Der Gesang war bis zur Unverständlichkeit verfremdet, sodass die Texte im beigelegten Textblatt nachgelesen werden mussten. Von manchen Hörern konnten sie daher nicht als gesungener Text, sondern als weiteres Musikinstrument wahrgenommen werden. Während sich die Tracks der A-Seite ausschliesslich am Hardcore-Punk und Anarcho-Punk orientierten, floss in die Aufnahmen zur B-Seite mit den tiefer gestimmten Gitarren ein für den Metal typisches Element ein. Ein weiterer wesentlicher Unterschied zwischen beiden Schallplattenseiten war der Gesang, der auf der B-Seite von Lee Dorrian stammte und noch stärker verfremdet war als auf der A-Seite, auf welcher Nicholas Bullen als Sänger zum Einsatz kam. Die Songtexte waren einfache linksgerichtete Botschaften, die sich mit verschiedenen Themen wie Korruption und Rassismus, dem Umweltschutz ("Point Of No Return"), Kapitalismus und Habgier ("Success ?") und sozialen Problemen auseinandersetzen. Mit "Multinational Corporations" und "Instinct Of Survival" wurde die Ausbeutung des Menschen durch internationale Grosskonzerne thematisiert: "Advertise the product you make, Never give but always take. Clingfilmed flesh and genocide, A contented life while millions die". Uebersetzt: Werbung für euer Produkt, Niemals geben, immer nehmen. Abgepacktes Fleisch und Völkermord. Ein zufriedenes Leben, während Millionen sterben". In anderen Songtexten übten Napalm Death Kritik an den politisch Verantwortlichen in Grossbritannien. So bestand der Text von "C.S. (Conservative Shithead)" aus einer Aneinanderreihung von Charaktereigenschaften wie Arroganz und Ignoranz zur Charakterisierung der konservativen Politiker. Allerdings wurden die politischen und sozialkritischen Aussagen durch den bis zur Unverständlichkeit verfremdeten Gesang konterkariert und waren selbst mit Textblatt aufgrund des hohen Tempos kaum nachzuvollziehen.

Das Plattencover wurde von Jeff Walker, dem späteren Bassist der Gruppe Carcass, gestaltet. Er war mit den Musikern von Napalm Death befreundet. Nach dem Ausscheiden von Bullen fragte ihn Mick Harris, ob er für Napalm Death ein Bandlogo und ein Albumcover entwerfen wolle. Harris hatte konkrete Vorstellungen über die Covergestaltung, auf deren Grundlage Walker das Cover entwarf. Er verwendete Elemente, die er auf Flugblättern von Bands gesehen hatte, die Harris als musikalische Vorbilder benannt hatte. So stammten die im unteren Bereich gezeigten Totenschädel von Schallplattencovern der Bands Siege und Dead Kennedys, während die Flügel des menschlichen Skeletts im Hintergrund von Celtic Frost stammten. Die in die Totenschädel eingebetteten Logos bekannter Konzerne wie IBM, Coca Cola und McDonald’s waren eine Vorgabe von Harris. Die Schädel sollten Köpfe darstellen, welche die Roten Khmer ihren Opfern abgeschlagen hatten. Die Gestaltung mit ihrer schonungslosen Darstellung politischer Brutalität stellte die Vorlage für die Plattencover folgender Veröffentlichungen anderer Grindcore-Bands wie Terrorizer oder Brutal Truth dar. Earache Records konnte durch einen Vertrag mit Revolver Records den landesweiten Vertrieb seiner Veröffentlichungen sicherstellen, sodass sich die Erstauflage innerhalb weniger Wochen verkaufte. Zugleich bestritten Napalm Death die erste Tournee der Bandgeschichte gemeinsam mit Ripcord. Den entscheidenden Impuls für den kommerziellen Erfolg von "Scum" legte der Radiomoderator John Peel, indem er Stücke des Albums in seiner Sendung bei BBC Radio 1 spielte und die Band zu einer Peel Session einlud. Am 13. September 1987 nahmen Napalm Death zwölf Stücke mit einer Gesamtspielzeit von 5 Minuten und 40 Sekunden auf (!), die in Peels Sendung am 22. September 1987 erstmals gesendet wurden. Die Ausstrahlung der Sendung verschaffte dem Album überregionale Aufmerksamkeit, sodass Earache Records eine weitere Auflage pressen liess, die sich gut verkaufte und Napalm Death eine Notierung auf Platz 8 der britischen Independent Charts bescherte. Innerhalb weniger Wochen nach der ersten Peel Session sollen in Grossbritannien von dem Album rund 10000 Einheiten verkauft worden sein.

Während die Reaktionen auf das Album nach seiner Veröffentlichung zunächst unentschlossen ausfielen, änderte sich dies nach Ausstrahlung der Peel Sessions im September 1987. Danach wurden sowohl Napalm Death als auch das Album von einer breiteren Öffentlichkeit wahrgenommen. Einer Untersuchung von Dietmar Elflein aus dem Jahr 2006 zufolge gehört "Scum" zu den zehn am häufigsten in Literaturquellen und Bestenlisten von Musikzeitschriften genannten Extreme Metal Alben. Natalie J. Purcell schreibt dem Album eine Vorreiterrolle für den europäischen Grindcore zu, und für Ian Christe markiert "Scum" den Höhepunkt eines zehnjährigen Wettkampfs um den schnellsten und härtesten Sound, und weder Schnelligkeit noch Härte konnten ab hier eine Steigerung erfahren. Für ihn war es das radikalste Debüt seit "Kill ’Em All" von Metallica: ein ungebremster, völlig neuartiger Klangangriff voll dichter, wummernder Kakofonien. Das Album gilt als zentrale Veröffentlichung des Grindcore und stellt sowohl in musikalischer als auch in textlicher Hinsicht die Vergegenständlichung des Extremisierungsdiskurses innerhalb der britischen Punk-Szene dar. "Scum" wurde auch in das Referenzwerk '1001 Albums You Must Hear Before You Die' aufgenommen. Manish Agarwal schrieb: "Das bahnbrechende Debüt "Scum" bewies tiefe politische Überzeugungen". Das rund eine Sekunde lange Stück "You Suffer" wiederum wird im Guinness Buch der Rekorde als kürzestes je aufgenommenes Musikstück geführt.

Im Jahre 1989 verliess zunächst Bill Steer die Band, um sich ganz auf seine zweite Band Carcass zu konzentrieren. Auf Grund musikalischer Differenzen stieg wenig später auch Lee Dorrian aus und gründete die Doom Metal Band Cathedral. Ersatz fand man mit Barney Greenway (Gesang, vormals bei Benediction) und dem Amerikaner Jesse Pintado (Gitarre, vormals bei Terrorizer). Anfang 1990 folgte mit Mitch Harris (ehemals Righteous Pigs) ein weiterer Amerikaner. Gezeichnet von diesen raschen Besetzungswechseln, nahm die Band 1990 im auf Death Metal spezialisierten Morrisound Studio in Tampa "Harmony Corruption" auf. Produziert von Scott Burns, fiel das Album sehr Death Metal-lastig aus und erfuhr ein geteiltes Echo. Es folgte eine zweite Peel-Session. Auf Grund der massiven Kritik der Fans an dem mit "Harmony Corruption" eingeschlagenen Stilwechsel nahm die Band 1991 die EP "Mass Appeal Madness" auf, die sich stilistisch wieder mehr am Grindcore orientierte. Der Schlagzeuger Mick Harris verliess Napalm Death 1992 und widmete sich danach Bands wie Naked City und Scorn, seinen Job übernahm der bis dahin weitgehend unbekannte Danny Herrera. Noch im gleichen Jahr veröffentlichten Napalm Death "Utopia Banished", das die mit "Mass Appeal Madness" eingeschlagene Stilkorrektur fortführte. Auf den folgenden Alben "Fear, Emptiness, Despair" und "Diatribes" zeigte sich die Band offen für kleine musikalische Experimente. Sie verzichtete fast gänzlich auf die Grindcore-typische Geschwindigkeit, was ihnen die Möglichkeit eröffnete, mehr rhythmische Elemente einzubauen und so neue Fangruppen zu erschließen. 1995 verliess auch der Sänger Barney Greenway kurzfristig die Band und schloss sich Extreme Noise Terror an. Für kurze Zeit übernahm deren ehemaliger Sänger Phil Vane den Gesang bei Napalm Death. Doch schon nach kurzer Zeit kehrte Greenway zur Band zurück und die Aufnahmen zu "Inside The Torn Apart" konnten abgeschlossen werden. 1996 traten Napalm Death das letzte Mal für die BBC in der 'Friday Rock Show' auf. Diese Aufnahmen wurden 2000 zusammen mit den Titeln aus der John Peel Show unter dem Namen "The Complete Radio One Sessions" veröffentlicht.

Seit "Inside The Torn Apart" war die Besetzung der Band relativ konstant geblieben und Napalm Death veröffentlichten in regelmäßigen Abständen neue Alben. 2004 verliess Jesse Pintado krankheitsbedingt die Band und starb 2006 an den Folgen eines diabetischen Komas. Die Band besetzte die zweite Gitarre nicht mehr und machte, wie in Anfangstagen, mit nur einer Gitarre weiter. Mit "Leaders Not Followers" (1999) und "Leaders Not Followers Part 2" (2004) veröffentlichten Napalm Death zwei Tonträger mit Coverversionen ihrer musikalischen Vorbilder. Unter anderem coverten sie das Stück "Nazi Punks Fuck Off" von den Dead Kennedys, das bei Konzerten bis heute einen festen Platz in der Setlist hat. Auf ihren späteren Alben spielten oft befreundete Musiker mit, unter anderem Jello Biafra und Jeff Walker. Die Band wurde fälschlicherweise oft als Erfinder des Grindcore bezeichnet. Allerdings war sie selbst massgeblich durch die Band Repulsion beeinflusst, deren 1986er Demo "Slaughter Of The Innocent" jedoch erst im Jahre 1989 posthum unter dem Titel "Horrified" als LP veröffentlicht wurde, zwei Jahre nach Napalm Deaths Album "Scum". Das Debütwerk "Scum" war 1987 in punkto Brachialität und Geschwindigkeit wegweisend. Im Laufe der 90er Jahre wurden Napalm Death musikalisch wesentlich gemässigter und wandten sich dem Death Metal zu. Eine beachtliche Anzahl von Death Metal- und Grindcore-Klassikern stammte aus ihrer Feder, wie zum Beispiel "Mass Appeal Madness", "Greed Killing", "Suffer The Children", "Twist The Knife (Slowly)", das auch im Film 'Mortal Kombat' Verwendung fand, oder das nur knapp über einer Sekunde lange "You Suffer".



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