Jul 25, 2017


TIM BUCKLEY - Greetings From L.A. (Straight Records BS 2631, 1972)

Tim Buckley begann ursprünglich als reiner Folksänger, entwickelte jedoch seinen Gesang und seine Musik mit der Zeit immer stärker in Richtung Jazz und Experimentalmusik. Im Alter von fünf Jahren hatte er seine erste Begegnung mit modernem Jazz, denn seine Mutter war ein Miles Davis-Fan. 1952 zog die Familie nach Bell Gardens in Kalifornien. Mit 13 Jahren begann er Banjo zu lernen und spielte zusammen mit seinem Freund Dan Gordon in einer Gruppe. Im Laufe der Zeit stieg er auf Gitarre um, die auch zeitlebens sein Instrument blieb. Im Jahre 1962 trat er in die Buena Vista High School ein und versuchte, sich dort im Football Team als Quarterback zu profilieren. Nach einigen Verletzungen beschloss er 1964, Football bleiben zu lassen. Im selben Jahr trat er der Gruppe Princess Ramona & The Cherokee Riders bei, einer Countryband. Bald gründete er mit seinen Freunden Larry Beckett und Jim Fielder die Bands The Bohemians und Harlequins 3 und spielte in den Clubs rund um Los Angeles. 1965 zog die Familie Buckley nach Anaheim um, seine Eltern trennen sich. Nach Abschluss der High School versuchte er sich am College, verließ es aber bereits nach zwei Wochen. Im November heiratete er seine ehemalige Mitschülerin von der High School, Mary Guibert. Er arbeitete am Tag und spielte als Musiker in diversen Clubs im Bereich des Orange County.

1966 entdeckte ihn Jimmy Carl Black, der Schlagzeuger von Frank Zappas Mothers Of Invention, als Buckley in seinem Club spielte. Black stellte ihn Herb Cohen, dem Manager der Mothers vor. Das darauf folgende Engagement verschaffte ihm Kontakt zu Lee Underwood (fortan auf allen Studioalben Buckleys als Gitarrist zu hören) und zum Gründer von Elektra Records, Jac Holzman. Dieser vermittelte ihm seinen ersten Plattenvertrag. Das Debutalbum, schlicht betitelt mit "Tim Buckley" erschien bereits im Dezember des Jahres. Im selben Jahr wurde auch sein Sohn Jeffrey Scott geboren, der später als Jeff Buckley bekannt wurde. Tim hatte sich inzwischen von seiner Ehefrau Mary Guibert scheiden lassen. 1967 kehrte er zurück nach New York, wo er sich die Bühne mit den Mothers Of Invention, der durch The Velvet Underground bekannten Musikerin Nico, Jefferson Airplane und Jimi Hendrix teilte. In Los Angeles nahm er daraufhin seine zweite LP "Goodbye And Hello" auf, die von der Plattenfirma gross herausgebracht wurde. Es kam zu mehreren Fernsehauftritten.

1968 tourte Tim Buckley durch Europa, wo er unter anderem auch in der John Peel's Top Gear Show auftrat. Privat beschäftigte er sich intensiv mit Jazzmusik, was sich schliesslich auch in seiner Musik niederschlug. Seine Lieder wurden zunehmends komplexer, er setzte seine ausdrucksstarke Stimme vielseitiger als zuvor ein. Im Dezember nahm er sein drittes Album "Happy/Sad" auf, das aus kommerzieller Sicht sein erfolgreichstes werden sollte. 1969 veröffentlichte er zwei weitere Alben, nämlich "Blue Afternoon" und "Lorca". Neben zahlreichen Konzerten begann er auch mit den Aufnahmen zu seiner sechsten LP "Starsailor". Im darauf folgenden Jahr stellte er diese fertig und sie wurde von den Kritikern, vor allem vom Musikmagazin Down Beat, in den höchsten Tönen gelobt. Kommerziell war die Platte allerdings ein Fiasko. Sie enthielt unter anderem das Lied "Song To The Siren". Seine Musik wurde nun endgültig experimentell und seine ursprünglichen Fans, die den Folksänger schätzten, wandten sich von ihm ab. Die Platte verschwand vom Markt und wurde zum teuer gehandelten Kultobjekt.

Dieser kommerzielle Misserfolg stürzte Tim Buckley in eine schwere Krise. Er begann zu trinken und andere Drogen zu konsumieren, gleichzeitig setzte ihm die Plattenfirma das Ultimatum "Spiel Rock'n'Roll oder gar nichts". Einige Zeit lang versuchte er sich irgendwie über Wasser zu halten, aber nach zwei Jahren gab er schliesslich klein bei und nahm 1972 das Album "Greetings From L.A." auf. Auf dieser Platte war auch jenes Lied zu finden, das auch heute noch unvergleichlich ist: "Sweet Surrender". "Greetings From L.A." war letztlich kein Album mehr, das Musik präsentierte, die man sich von dem fragilen und ewig suchenden Künstler gewohnt gewesen war: Weder fanden sich hierauf experimentelle Sachen, noch berief sich Buckley auf seine Folk-Roots. "Greetings From L.A." gab man das Etikett eines glattgebügelten, sehr gewöhnlichen Mainstream-Albums. Damit tat man dem Werk allerdings unrecht, denn trotz einer Armada von ausgewissenen Topmusikern und gehörfreundlichen Songs war auch dieses Album weit weg vom üblichen 08/15-Sound. Tim Buckley hatte es sich mit seinem eigenen Publikum verscherzt, das dürfte einer der Hauptgründe dafür gewesen sein, dass das Album so polarisierte bei dessen Veröffentlichung. Auch die Kritiker, die sich dem Künstler gegenüber zuvor meist wohlwollend geäussert hatten, kritisierten nun offen seine Anbiederung an den Mainstream Sound ohne grossem Tiefgang.

Mit den Musikern Joe Falsia und Chuck Rainey (Gitarre), Kevin Kelly (Keyboards), Reinhold Press (Bass) und Ed Greene (Schlagzeug) hatte Tim Buckley eine Top-Crew im Studio, zu der sich mit Harry Hyams, Ralph Schaffer, Louis Kievman, Robert Konrad, William Kurasch, Jesse Ehrlich, Paul Ross Novros, Eugene E. Siegel, Jerry Goldstein und Carter C.C. Collins weitere Top-Studio Asse hinzu gesellten. Kompositorisch gab sich Buckley hier eher poppig-soulig und orientierte sich stark am damaligen, lockeren Westcoast Sound, der zwar auf diesem Album wirklich schön in Szene gesetzt worden war, für Buckley-Verhältnisse allerdings eher als zweitklassig angesehen wurde. Wenn man von einem Künstler, der sich die Jahre davor meist durch hochqualifizierte Arbeiten profiliert hatte, fast schon leichte Unterhaltungskost zu nennende Musik serviert erhält, führt das beinahe zwangsläufig zu enttäuschenden Kritiken. Doch das Werk strahlte vor schönen Augenblicken, wie etwa den Perlen "Get On Top", "Make It Right", "Devil Eyes" oder "Hong Kong Bar". Alle Songs überzeugten durch ein lockeres sonniges Gesamtfeeling, das insbesondere im Stück "Get On Top" vor allem auch durch die schmissige Perkussion umgesetzt wurde.

Seinen kreativen Tiefpunkt erreichte Tim Buckley schliesslich, als er in den beiden folgenden Jahren die enttäuschenden Alben "Sefronia" und "Look At The Fool" aufnahm und veröffentlichte. Beide Alben fuhren sehr schlechte Verkaufszahlen ein, was schliesslich zur Trennung von seiner Plattenfirma führte. Buckley sah in diesem Jahr seinen damals achtjährigen Sohn Jeffrey zum ersten und letzten Mal. Am 29. Juni 1975 starb Tim Buckley in der Notaufnahme des Santa Monica Hospitals. In der Nacht zuvor hatte er mit seiner Frau den Universitäts-Assistenten Richard Keeling besucht, der dem Ex-Junkie Buckley ein weisses Pulver zum Schnupfen anbot. Im Glauben, es handle sich um Kokain, so Buckleys Frau, habe Buckley eine Prise genommen. Es habe sich aber um unverschnittenes Heroin gehandelt. Auf dem Weg in die eigene Wohnung brach Tim Buckley mit Herzbeschwerden zusammen und auch ein Notarzt konnte nicht mehr helfen. Gegen Keeling wurde später ein Verfahren wegen Totschlags eingeleitet.



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