Jun 8, 2017

IAN HUNTER - You're Never Alone With A Schizophrenic
(Chrysalis Records 7107 598, 1979)

"You're Never Alone With A Schizophrenic" war das vierte Soloalbum des ehemaligen Mott The Hoople Mitgründers Ian Hunter. Der Musiker spielte das Album mit Hilfe von Musikern aus Bruce Springsteen's E Street Band ein. Das Album gilt als Hunter's bestes Solowerk. Die Idee zu dem eigentümlichen und humorvollen Titel des Albums kam von seinem Co-Produzenten und Musiker Mick Ronson, der diesen Titel eigentlich für ein eigenes geplantes nächstes Album verwenden wollte. Weil Ian Hunter der Titel so genial fand, offerierte er Ronson einen Deal: Hunter darf seinem Album diesen Titel geben, dafür würde er im Gegenzug Ronson Songschreiber-Credits geben für den Titel "Just Another Night", das als Single erscheinen sollte. Dieses Agreement sollte sich für Mick Ronson, der darauf einging, sehr lohnen: "Just Another Night" kletterte als Singleauskopplung bis auf Rang 68 in den britischen Charts und warf für Mick Ronson einen schönen Gewinn ab. Auch das Album entpuppte sich als wahrlich sehr erfolgreich. Das bis dato bestverkaufte Album Hunters erschien weltweit und brachte sehr gute Verkaufszahlen. Später coverte der amerikanische Sänger Barry Manilow den ebenfalls auf dem Album enthaltenen Titel "Ships" für seine LP "One Voice", mit welcher Manilow ein Top 10 Hit gelang.

Ian Hunter's Alben waren bis zu diesem Zeitpunkt häufig ein halbes Vergnügen, denn am stärksten war er, wenn er Rock gespielt hatte. Seine Balladen dagegen waren meist recht langweilig. Das galt in weiten Teilen auch für Hunter's Gruppe Mott The Hoople. Für diese Band komponierte Ian Hunter einen Grossteil der Songs.
Richtig gute Balladen gab es dennoch: "I Wish I Was Your Mother" war eine und vor allem das grandiose "Saturday Gigs". Bei seinen Soloalben verfuhr er nach demselben Strickmuster. Insbesondere beim Stück "Overnight Angels" war das auffällig. Die Hälfte der Songs waren robuste, teils kernige Rocker, allesamt erstklassig und die zweite Hälfte waren zumeist eher Balladen, allesamt leider nur wenig überzeugend. Bei seinem vierten Album "You're Never Alone With A Schizoprenic" stimmte dann aber diese Mixtur perfekt. Balladen konnte man hier deren vier hören: "Ships", "When The Daylights Comes", "Standing In My Light" und "The Outsider", eine schöner als die andere. Die restlichen fünf Songs waren Rocknummern, mal etwas langsamer gespielt wie bei "Bastard", dann wieder dynamisch und energetisch wie bei "Life After Death", dem eigentlich besten Song des Albums.

Ian Hunter gehörte nie zu den sogenannten Superstars der Rockmusik. Zu seinen besten Zeitenmit Mott The Hoople war er zwar ausgesprochen nahe dran, aber solo konnte er sich die Charts meistens nur von unten ansehen. Das lag vermutlich daran, dass er sämtlichen musikalischen Trends aus dem Weg gegangen ist. Bis auf einmal, als Hunter bei der Platte "All Of The Good Ones Are Taken" auffällig viele Synthesizer-Sounds einsetzte. Das Ergebnis war eine seiner schlechtesten Platten und passte im Grunde überhaupt nicht zu diesem Musiker, der ansonsten immer etwas glücklos in der zweiten Reihe der Rockliga spielte. Ian Hunter ist verbrieftermassen ein überdurchschnittlich intelligenter Mensch und ein äusserst scharfsinniger Beobachter, was sich in seinen Songtexten immer wieder niederschlug. Zu Zeiten von Mott The Hoople veröffentlichte er ausserdem das Buch "Diary Of A Rock'n'Roll Star", das von der Fachkritik wohlwollend beurteilt worden war. Hunter's Musik empfand man letztlich auch in qualitativ eher bescheidenen Momenten nie als unangenehm. Der Musiker vermittelte stets so etwas wie Ehrlichkeit in der Musik. Da hörte sich nichts gekünstelt oder aufgesetzt an. Hunter war immer eine sehr ehrliche Haut, der man seine Songs auch abkaufte.

Ian Hunter begann seine musikalische Karriere als Bassist. Er spielte mit Colen York und Colin Broome in einer Skiffle-Band namens The Apex, bevor er 1963 seine erste eigene Band namens Hurricane Henry And The Shriekers gründete. 1966 zog der Musiker nach London, wo er der Band The Scenery beitrat. Aber bereits Anfang 1968 gründete er im Zuge eines kurzfristigen Rock & Roll-Revivals die Formation At Last The 1958 Rock And Roll Show. Nachdem der Rock & Roll-Hype wieder abnahm, änderte Hunter seinen Namen in Charlie Woolfe und veröffentlichte seine vorerst letzte Single "Dance, Dance, Dance". Danach spielte er sporadisch in vielen bekannten Bands der 60er Jahre, so unter anderem bei den Yardbirds, bei Billy Fury, bei Freddie 'Fingers' Lee, The Young Idea oder David McWilliams. Er arbeitete auch als Journalist und fest angestellter Songwriter für die Plattenfirma Francis, Day & Hunter (wobei dieser Hunter weder verwandt noch verschwägert mit ihm war). Daneben schrieb er auch Reportagen für eine lokale Tageszeitung. 1969 hoffte Ian Hunter, der mittlerweile verheiratet war und zwei Kinder hatte, nach wie vor auf eine Rückkehr als Vollzeit-Musiker. Er spielte in einer Band namens Silence vor. Er bekam ein Engagement, und die Band nannte sich nach einem Roman von Willard Manus um, der 1966 veröffentlicht wurde: Mott The Hoople. Hunter begann, grundsätzlich Sonnenbrillen zu tragen, was in Verbindung mit seiner lockigen Haarmähne zu seinem Markenzeichen werden sollte. Obwohl die Band dank ihrer vorzüglichen Musiker als exzellenter Live Act galt, blieb der wirklich grosse kommerzielle Erfolg aus, und nach einem Konzert in der Schweiz 1972 verkündeten Mott The Hoople schliesslich ihre Auflösung.

David Bowie, ein langjähriger Fan der Band, konnte sich damit nicht anfreunden und bot ihnen ein Lied an, das er gerade geschrieben hatte. Wie sich Ian Hunter in einem im Jahr 2004 geführten Interview erinnerte wollte David Bowie der Band Mott The Hoople seinen Song "Suffragette City" überlassen, und Ian Hunter dachte, das wäre nicht gut genug. Dann setzte David sich im Büro eines Musikverlegers auf den Fussboden und spielte auf einer akustischen Gitarre den Titel "All The Young Dudes". Dieser Song schoss in Grossbritannien auf Platz 3 der Single-Charts und verhalf der Band zu neuem Leben. Danach hatten Mott The Hoople weiter beträchtlichen kommerziellen Erfolg mit den Alben "All The Young Dudes" (1972, produziert von David Bowie), "Mott" (1973) und "Hoople" (1974). 1973 verliess der Gitarrist Mick Ralphs die Band, um Bad Company zu gründen, und Hunter fing an, Gitarre zu spielen, bevor Luther Grosvenor diese Rolle übernahm. Später wurde Grosvenor, auch bekannt als Ariel Bender, für die Aufnahme eines Livealbums kurzzeitig von Mick Ronson ersetzt. Ian Hunter verliess die Band im Dezember 1974, und die restlichen Mitglieder machten weiter mit anderen Sängern, zunächst für zwei Alben unter dem Namen Mott und ab 1979 als British Lions, dannzumal mit dem ehemaligen Medicine Head-Sänger John Fiddler. Im März 1975 verband Ian Hunter seine Kräfte mit Mick Ronson, einem ehemaligen Mitglied von David Bowie’s Begleitband The Spiders From Mars, das auch kurz vor der Bandauflösung bei Mott The Hoople aktiv war. Hunters' erste Solo-Single "Once Bitten Twice Shy" erreichte in Grossbritannien die Top 40 und war für Hunter die Initialzündung zu seiner langen Solokarriere.


Zu den Songs auf dem Album "You're Never Alone With A Schizophrenic": Bei der Nummer "Cleveland Rocks" handelte es sich um eine Wiederaufbereitung seines eigenen Songs "England Rocks", den man unbedingt gehört haben sollte. Man bekam diesen Titel jedoch nur auf einer CD-Version von "Overnight Angels" als Bonustrack. In "Cleveland Rocks" wurde er als Hommage an den amerikanischen Discjockey Alan Freed umgeschrieben. Alan Freed hatte mit seiner Sendung "The Moondog Show" den Mut gehabt, den Rock & Roll populär zu machen und so konnte man in der Einleitung zu dem Song auch die Stimme von Freed hören. "Cleveland Rocks" wurde zu einem wichtigen Standardsong bei Konzerten von Ian Hunter, wobei er dann mit solchen Wortspielereien wie "Cleveland Rocks, Boston Rocks, New York Rocks, Disco Sucks" witzelte.

"Bastard" und "The Outsider" waren zwei weitere richtig tolle Kompositionen, die wie eigentlich der ganze Rest der Platte weit über dem Durchschnitt damaliger Rockveröffentlichungen lag, und ganz bestimmt auch weit über der qualitativen Arbeit Hunters auf dessen vorangegangenen drei Solowerken.  Neben den erwähnten Musikern aus Bruce Springsteen's E-Street Band, namentlich der Keyboarder Roy Bittan, der Schlagzeuger Max Weinberg und der Bassist Gary Tallent kamen auch John Cale mit seinem tollen Klavierspiel im Titel "Bastard" und die Sängerin Ellen Foley als Background Sängerin zu Ehren. Mick Ronson spielte seine typische rockige Gitarre und präsentierte zusammen mit Ian Hunter einen tollen Duettgesang in dem Lied "When The Daylight Comes". Weitere Musiker waren noch die Backgroundsänger Eric Bloom und Rory Dodd, sowie die beiden Saxophonisten George Young und Lew Delgatto. Als Aufnahmeleiter fungierte der ebenfalls seit langem mit Bruce Springsteen zusammenarbeitende Bob Clearmountain, was dem Album insgesamt durchaus eine gewisse stilistische Nähe zur Musik von Bruce Springsteen verpasste.

Die Jahre 1979 und 1980 bildeten einen Höhepunkt in der Karriere der Ian Hunter Band. Von Kritikern und Fans besonders gelobt wurde das Live-Album "WelcomeTo The Club", in welchem die alten Hits von Mott The Hoople ebenso Revue passierten wie neuere Soloaufnahmen. Nach einem viel beachteten Rockpalast-Auftritt am 19. April 1980 unternahm die Ian Hunter Band featuring Mick Ronson in den 80er Jahren weitere gemeinsame Anstrengungen, konnte aber nicht mehr an die früheren Erfolge anknüpfen. Während seiner Solokarriere arbeitete Ian Hunter überwiegend mit Mick Ronson bis zu dessen Tod im Jahre 1993 zusammen, aber er hatte auch musikalische Beziehungen mit vielen anderen Künstlern geknüpft, wie zum Beispiel zu Queen, Mick Jones (The Clash), Clarence Clemons, Jaco Pastorius, Dennis Elliot (Foreigner) und natürlich David Bowie. Sein Studioalbum "Rant" wurde 2001 mit viel Beifall aufgenommen und er gewann damit den 'Songwriter's Award' des Classic Rock Magazins im Oktober 2005.







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