DANDO SHAFT - Dando Shaft (RCA Neon Records NE-5, 1971)
Nachdem ich damals, zu
Anfang der 70er Jahre schon im Bereich des britischen Folk und Folk Rock einige
ganz persönliche Favoriten gefunden hatte, wie beispielsweise Fairport
Convention, Pentangle oder die Strawbs, entdeckte ich 1972 ein Album, das mich ziemlich
überraschte, weil das Album zwar aus dem Bereich der Folk Music kam, aber wirklich
rockte, und dies ohne dass diese Gruppe einen Schlagzeuger in ihren Reihen
hatte. Diese Band hiess String Driven Thing und das Album war deren selbstbetiteltes
zweites Werk. Dieses Album war für mich die Initialzündung, mich noch
wesentlich tiefer in diese Welt zu begeben, was mich in der Folge mit Gruppen
wie Amazing Blondel oder Dando Shaft konfrontierte, deren Musik mich schlicht
und ergreifend umhaute. Zur Gruppe String Driven Thing hatte ich in diesem Blog
bereits eine Rezi geschrieben, nun möchte ich das wunderschöne Debutalbum von
Dando Shaft vorstellen.
Dando Shaft stammten
aus der englischen Stadt Coventry in den West Midlands und bestanden ab den
ausgehenden 60er Jahren zunächst aus dem Geiger und Mandolinen-Spieler Martin
Jenkins, den Gitarristen Dave Cooper und Kevin Dempsey, dem Perkussionisten Ted
Kay und dem Bassisten Roger Bullen. Die Titelfigur eines Romans von Don Calhoun
aus dem Jahre 1965 trug den Namen Dando Shaft und die Musiker wählten diese
Romanfigur zu ihrem Bandnamen. Das Quintett bestritt ab September 1969 viele
Konzerte und ihr qualitativ überzeugendes musikalisches Portfolio bescherte der
Gruppe 1970 einen Plattenvertrag bei dem zu dem Zeitpunkt recht aktiven Label
Young Blood, welches im Jahr zuvor erst gegründet wurde, aber schon in den
ersten Monaten ihres Bestehens eine Vielzahl Singles aus den verschiedensten musikalischen
Bereichen veröffentlicht hatte. Dazu zählten etwa Künstler wie Don Fardon, Mack
Kissoon oder Jimmy Powell. Das Label erlangte später grosse Aufmerksamkeit,
weil die erste, auf dem Label veröffentlichte LP das grossartige Werk "A
Time Before This" von Julian's Treatment war, der Band des Science Fiction
Autors und Keyboarders Julian Jay Savarin, welches heute als eines der grossen frühen
Progressive Rock Meisterwerke gilt.
Etwas weniger
spektakulär geriet indes das Debutalbum von Dando Shaft, das den schlichten Titel
"An Evening With Dando Shaft" erhielt. Es erinnerte durchaus an die
weitaus bekannteren Pentangle und war trotzdem anders. Wenn es einen Begriff
wie Progressive Folk gibt, dann wäre dies vielleicht eine treffende
Umschreibung für die Musik, welche Dando Shaft auf diesem ersten Album
präsentierten. Der Gitarrist Martin Jenkins jedenfalls trug durch sein
virtuoses und abwechslungsreiches Gitarrenspiel wesentlich dazu bei, dass nicht
nur typisch britische, sondern auch exotischere Folklore-Elemente mit in die
Songs einflossen, allen voran rhythmische Muster aus dem Balkan. Mit diesem
sehr vielversprechenden Album im Gepäck bereiste die Gruppe in der Folge die
Insel und landete schliesslich auch in London, der Traumdestination fast jeder Combo
in jenen Tagen des musikalischen Auf- und vor allem Umbruchs. In London trafen
Dando Shaft dann im Oktober 1970 auf die Sängerin Polly Bolton, welche zuvor
gemeinsam mit der Folksängerin June Tabor musiziert hatte. Polly veränderte den
Sound in der Band frappant. Eine so wunderschöne, fast schon leicht schwebende
Stimme, welche später gerne in einem Atemzug mit Shirley Collins oder Sandy
Denny genannt wurde, gab den Gesangsarrangements wesentlich mehr Tiefe, die
Songs klangen dynamischer und dabei trotzdem irgendwie schwerelos.
In dieser neuen
Besetzung landete die Gruppe Dando Shaft beim heute legendären Label Neon
Records, dem progressiven Ableger der grossen Plattenfirma RCA Victor England
und erhielt die Möglichkeit, ein weiteres Album einzuspielen. Würde ich heute
nach meinen 10 Lieblingsalben des British Folk gefragt, würde ich Dando Shaft's
selbstbetitelten Zweitling definitiv als eines der Vordersten nennen. Das elf
Songs präsentierende Album wurde in den ersten beiden Monaten des Jahres 1971 in
den Pye Studios in London von Dave Hunt und Larry Bartlett aufgenommen,
produziert wurde es von Miki Dallon, einem der Verantwortlichen des Label Young
Blood. Da RCA Victor das grosse Potential der Gruppe erkannte, wurde das Album
jedoch nicht mehr auf Young Blood veröffentlicht. Heute weiss man, dass dies
nicht unbedingt zum Vorteil der Band war: Der progressive Ableger Neon Records
und dessen gerade mal elf veröffentlichten Platten geriet zum finanziellen
Fiasko, auch, weil hinter dem Label kein klares stilistisches Konzept erkennbar
war. So gerieten Dando Shaft als durchaus progressiv klingende Folk Band zwischen
die musikalischen Fronten neben Interpreten wie den Düster-Rockern Indian
Summer, den Jazzmusikern Mike Westbrook und Chris MacGregor oder dem Free Jazz
Projekt Centipede des Pianisten Keith Tippett. Die Werbung für das Album von
Dando Shaft war bescheiden, die Plattenverkäufe noch bescheidener und das Label
segnete das Zeitliche nach nur 11 Veröffentlichungen. Neon Records existierte
gerade mal ein knappes Jahr.
RCA Victor behielt die
Band jedoch unter Vertrag und ermöglichte ihr ein weiteres Album auf ihrem Stammlabel
RCA, das dann im Folgejahr unter dem Titel "Lantaloon" erschien.
Müssig zu erwähnen, dass dies wiederum ein wunderbares Album wurde, das leider
völlig unterging. Dando Shaft segneten kurz darauf das Zeitliche, und Polly
Bolton strebte eine Solokarriere als Solo-Künstlerin an. Sie zog in die USA und
versuchte es in verschiedenen Formationen und Musikstilen, auch im Soul- und
Jazzbereich, jedoch ohne zählbare
Erfolge, weshalb sie schon 1976 wieder in ihre Heimat zurückkehrte, um mit
ihrem ehemaligen Dando Shaft Partner Kevin Dempsey wieder in Folkclubs
aufzutreten. Bands mit Namen About Time und die Polly Bolton Band waren ihre
weiteren musikalischen Stationen ab 1980. Polly Bolton erteilte schliesslich
auch Gesangsunterricht in dem von ihr ins Leben gerufenen Shropshire Workshop
Centre.
Leider blieben Dando
Shaft letztlich nur eine Fussnote in der Geschichte des britischen Folk und
Folkrock, was schade ist, denn das widerspiegelt keineswegs die musikalischen
Qualitäten dieser wunderbaren Gruppe, die es auch heute noch lohnt, entdeckt zu
werden. "Coming Home To Me", der Opener ihres Albums "Dando
Shaft" von 1971 ist einer der schönsten Folksongs, den ich kenne. Das
Album wurde inzwischen mehrfach wiederveröffentlicht, zuletzt auf dem deutschen
Repertoire Label, ich möchte aber ausdrücklich alle drei originalen 70er Jahre
Alben der Band empfehlen, sie sind allesamt eine grosse Bereicherung für jede anspruchsvolle
Plattensammlung.