Sep 16, 2020


THE LILAC TIME - The Lilac Time (Swordfish Records SWF LP6 , 1987)

Zunächst nur in England beim kleinen Independent Label Swordfish Records erschienen, legte die weltweit operiernde Firma Fontana Records das Debutlabum von THE LILAC TIME im darauffolgenden Jahr nochmals auf und vertrieb die Platte auf der ganzen Welt (in Amerika durch das entsprechende Pendant, Mercury Records). Dies zeigt wohl sehr eindrücklich, wie erfolgreich Stephen Duffy mit seinen Mitstreitern von Anfang an musizierte, was für wundervolle Stücke er schrieb und wie universell er seine Vorstellung von Folkrock interpretierte, dass sie auch ein grosses Publikum weltweit erreichen konnte. Der Anfang war indes doch nicht ganz so einfach, wie sich das vielleicht lesen mag, denn der Musiker trug ein grosses Erbe mit sich, dem er erst einmal gerecht werden musste. Duffy war Gründungsmitglied von Duran Duran, die weltweit erfolgreiche Band, die er zusammen mit John Taylor, den er beim gemeinsamen Studium an der Birminghamer Universität kennenlernte gegründet hatte. Er blieb bei der Band als Sänger, Texter und Bassist, bis die Band bei EMI unterschrieb. Dann stieg er aus und gründete in kurzer Folge erst TIN TIN mit Andy Growcott von Dexy's Midnight Runners und Bob Lamb (UB40), spielte später das Chill Out Album "Designer Beatnik" unter dem Namen DR. CALCULUS ein, bevor er 1986, zusammen mit seinem älteren Bruder Nick Duffy die Band The Lilac Time gründete, die zuerst nur aus den beiden Duffy-Brüdern plus dem gemeinsamen Freund Michael Weston bestand. In dieser Besetzung entstand das wundervolle Debut Album, das im darauffolgenden Jahr erschien.

Stephen Duffy ist ein Kind der 60er Jahre, das mit den Sounds der Beatles aufwuchs. In den 70er Jahren kamen dann Bob Dylan, Leonard Cohen und Joni Mitchell dazu. All diese Musiker prägten Stephen Duffy für sein späteres Songwriting, zusammen mit den englischen Folkies von Pentangle und Fairport Convention. Als seinen grössten und nachhaltigsten musikalischen Einfluss nennt Duffy jedoch The Incredible String Band, von deren fast mystischen Folkrock-Songs er sehr beeindruckt war, und die ihn auch nicht mehr losliessen. Gerade auf dem Debutalbum von The Lilac Time kann man da und dort Einflüsse dieser Band ausmachen. Aber auch vermeintlich ganz einfach strukturierte Popsongs, wie sie auch die Beatles raffiniert arrangieren konnten, erhielten von Stephen Duffy diesen leicht mystischen Touch, der aus auf den ersten Blick banal scheinenden Liedchen perfekt in Szene gesetzte Kleinodien machte, die mal fragil, mal anspruchsvoll, oft auch elegant und geheimnisvoll wirkten, wobei sich der Songwriter auch nicht scheute, mal durchaus auch schräge oder leicht abstrakte Klänge in seine Songs einzubauen, genauso wie es zum Beispiel die Incredible String Band in ihrer frühen "Wee Tam"-Phase auch gemacht hatte. Man ist versucht, den Stil dieser ersten Lilac Time Platte mit mystischem Folkrock zu bezeichnen. Allerdings wirkt die Platte über weite Strecken auch durchaus bodenständig, was natürlich dabei half, auch ein breiteres Publikum zu erreichen.

Die zehn Songs des Albums bilden ein enorm vielseitiges musikalisches Programm, das aber jederzeit zusammenhält und nicht zerfranst. Der Einsteiger "Black Velvet" ist ein mehrheitlich akustisch gehaltenes Folkstück, das aufgrund seiner Akkordfolge durchaus auch von zum Beispiel Nick Drake stammen könnte. Das nachfolgende "Return To Yesterday" hingegen klingt schon fast nach typisch amerikanischem Country Rock, wohingegen "Rockland" ein für die damalige Zeit äusserst innovatives Popstück mit angesagten Keyboardsounds darstellte, das jedoch nicht dem puren Zeitgeist gehuldigt war, sondern auch heute noch erfrischend und aussergewöhnlich klingt. Die musikalischen Arrangements mit all ihren aussergewöhnlichen und punktgenau gesetzten Raffinessen sind letztlich das Geheimnis der Langlebigkeit dieser Songs, die anscheinend keinem Alterungsprozess unterliegen, und die genauso auch heute noch geschrieben und arrangiert werden könnten. Neben traurigen Liedern wie "Love Becomes A Savage" oder "The Road To Happiness" in gelittener Mol-Tragik stehen fröhliche, unbeschwerte musikalische Aufsteller wie "You've Got To Love" oder "Together" - letztere mit eindeutigem Mitsing-Charakter.

Das Paradestück dieses Debutalbums aber dürfte das finale "Trumpets From Montparnmasse" sein, ein instrumentales Stück, das frappant an Andy Partridge's aussergewöhnlichen Poprock seiner Band XTC erinnert. In der Folge hatten der bekannte englische Produzent John Leckie und Andy Partridge die Band auch unter ihre Fittiche genommen und mit ihnen im Jahre 1990 deren Album "And Love For All" produziert.

Stephen Duffy hat mit seinem Bruder unter dem Banner The Lilac Time insgesamt fünf Alben realisiert. Er hat später auch Soloplatten veröffentlicht, wovon eines ein bemerkenswertes Projekt mit dem hochangesehenen britischen Geiger Nigel Kennedy unter dem Titel "Music In Colors" war, das 1993 erschien und für Stephen Duffy ein grosses Renommée bedeutete.


ELVIN BISHOP - Let It Flow (Capricorn Records CP 0134, 1974)

Ein wahres Stelldichein einiger der damals grössten Country Rock- und Roots-Musiker bedeutete dieses 1974 erschienene Jam-Album des Gitarristen Elvin Bishop, der bis dato vor allem in Blues-Kreisen grosses Ansehen genoss, zumal er bereits in den 60er Jahren ein verdientes Mitglied der Paul Butterfield Blues Band gewesen war. 1968 gründete er seine eigene Elvin Bishop Group, spielte aber nebenbei auch noch mit Mike Bloomfield und Al Kooper auf deren erfolgreichem Album "The Live Adventures Of Mike Bloomfield And Al Kooper" mit. Durch Tourneen zusammen mit den Allman Brothers, für welche er zeitweise auch auf die Bühne stieg zum gemeinsamen Jammen, erwuchs die Idee, den zuvor in seiner eigenen Band gespielten Blues zugunsten des typischen Country Rock der Allman Brothers zu modifizieren, was dank einem neuen Plattenvertrag mit dem Capricorn Label, welches auch die Allman Brothers beheimatete, nur logisch schien.

Produzent Johnny Sandlin, der noch ein Jahr zuvor die brilliante "Brothers And Sisters" LP der Allman Brothers produziert hatte, versammelte einige der damals hochkarätigsten Musiker aus dem Capricorn Stall im Tonstudio und Elvin Bishop liess nebst seinem bisweilen recht witzigen Stil zu singen, was sicherlich auch an seinen manchmal recht humorvollen Songtexten lag, vor allem seine Slide Gitarre herrlich singen. Die Songs, die er komponiert hatte, waren allesamt grossartig. Mit "Travelin' Shoes" findet sich auf dem Album auch einer seiner populärsten Songs, den er später dauerhaft in sein Live-Repertoire integrierte und auch heute noch regelmässig spielt. Zu seiner Stamm-Band, welcher Gitarrist Johnny Vernazza, Keyboarder Phil Aaberg, Bassist Michael Brooks und Schlagzeuger Don Baldwin angehörten, wurden zu den Aufnahmen zu "Let It Flow" etliche prominente und ausgezeichnete Gastmusiker eingeladen. Sie alle halfen mit, dieses Album zu einer der schönsten und qualitativ herausragendsten Country Rock Veröffentlichungen der 70er Jahre werden zu lassen. Diese Lockerheit in seiner Musik, gepaart mit der hohen Qualität der Kompositionen konnte Elvin Bishop später nicht mehr erreichen. 

An den Klampfen spielten als Gäste der Allman Brothers Gitarrist Richard Betts, der Pedal Steel Gitarrist Toy Caldwell (Marshall Tucker Band) und Charlie Daniels an der akustischen Gitarre und der Fiddle mit. Für einen klasse Vintage-Touch an den Tasten sorgten Paul Hornsby und Sly Stone (Sly & The Family Stone) mit der Orgel, sowie Steve Miller am Piano. Schliesslich gab's mit Randall Bramblett (der unter anderem bei den Allman Brothers und Sea Level mitspielte), David Brown und Harold Williams einen kompetenten und punktgenau eingesetzten Saxophon-Satz, der vor allem beim Paradestück "Travelin' Shoes" überzeugt.

Neben Eigenkompositionen gibt es auf dem Album "Let It Flow" auch Coversongs zu hören, die teilweise fast wie Kontrapunkte zum eher im Midtempo-Bereich angesiedelten Songmaterial von Elvin Bishop wirken, aber gerade deswegen wunderbar ins Gesamtkonzept passen. So der aus der Feder von Merle Haggard stammende Country-Heuler "Can't Hold Myself In Line", den Charlie Daniels mit seiner Geige wundervoll veredelt. Ausserdem das von Lightnin' Hopkins geschriebene Blues-Stück "Honey Babe", das in Bishop's Variante eine erhebliche Rhythmus-Steigerung erfährt und schlicht Spass macht. Hier gibt es eine tolle Orgel von Sly Stone und interessante Slide-Spielereien von Bishop zu hören. Besonders erwähnenswert ist auch das diese LP beginnende Stück "Sunshine Special" aus der Feder von Jack "Applejack" Walroth, der aus der Band von Boz Scaggs kam und mit diesem Ohrwurm schon ein herrliches Statement lockerer und spassmachender Musik beisteuerte. Das traditionelle Country-Stück "Hey Good Lookin'" von Hank Williams rundet die Auswahl der Coversongs ab.

Bei den Eigenkompositionen ragen neben dem bereits erwähnten "Travelin' Shoes" auch das mit reichlich Gospel-Feeling (inklusive grossem Chor) ausgestattete Titelstück "Let It Flow", das für dieses Album noch einmal neu eingespielte "Stealin' Watermelons", das Elvin Bishop bereits einige Jahre zuvor auf einer seiner Blues-Platten veröffentlicht hatte, sowie der unwiderstehliche Ohrwurm "Fishin'" heraus, ein Titel, der dem Coverbild einerseits alle Ehre macht, und andererseits dem leidenschaftlichen Hobbyangler Bishop von der textlichen Thematik her wohl besonders am Herzen lag.

"Let It Flow" ist hervorragend produziert: Sam Whiteside als verantwortlicher Toningenieur und Johnny Sandlin als Produzent und Mixing Verantwortlicher legten ihr ganzes Können in diese Produktion hinein, bei der wahrlich weder in musikalischer, noch in produktionstechnischer Hinsicht irgendetwas falsch gemacht wurde. Schade nur, dass das der Platte nicht die Reputation zukommen liess, die sie verdient gehabt hätte: "Let It Flow" war kein Kassenschlager. Eine Annäherung an die Popmusik mit leichtem Westcoast-Einschlag erfuhr Elvin Bishop's Musik in den Jahren nach diesem Album, was ihm in der Folge einige kleine Hits wie zum Beispiel "Fooled Around And Fell In Love" bescherte. Nach einer sehr langen musikalischen Durststrecke besann sich Bishop zurück auf seine Wurzeln und spielte ab den 80er Jahren wieder mehrheitlich Blues und Bluesrock. Mit dieser Rückkehr zu seinen musikalischen Wurzeln stellte sich danach ein konstanter Erfolg ein, der eigentlich bis heute anhält, denn noch immer veröffentlicht Elvin Bishop regelmässig Platten. Ein so beseeltes, grossen Spass machendes Jam-Album wie "Let It Flow" indes war eine perfekte Momentaufnahme, die nur dank der richtigen Zeit mit den richtigen Beteiligten möglich war.




LUSK - Free Mars (Volcano Entertainment 61422-31141-1, 1997)

Es gibt Platten, die so unbekannt und darum unverkäuflich sind, dass sie nach einer gewissen Zeit in irgendwelchen Grabbel-Becken dümpeln, wo sie für fast geschenkt darauf hoffen, doch noch von einem echten Conoisseur gefischt zu werden, nur um später zum Kultobjekt der Begierde zu avancieren und irgendwann Preise jenseits von Gut und Böse zu generieren. Die LP von LUSK ist ein schönes Beispiel hierfür. Das originale Vinyl kostet mittlerweile mindestens 150 Euro in Bestzustand, wenn man es denn überhaupt einmal irgendwo findet. LUSK waren eine Art "Independent Rock Supergroup" - wohl letztlich aber bloss ein kurzlebiges Projekt einiger hochkarätiger Musiker aus Los Angeles, die noch auf der Suche nach ihrem ultimativen Sound waren. Ob von den beteiligten Musikern selbst mehr erwartet worden war, ist nicht sicher. Es spricht aber doch einiges dafür, dass sich die Künstler berechtigte Hoffnungen gemacht haben, mit LUSK über längere Zeit aktiv zu bleiben, denn die Platte erhielt immerhin einen Grammy - allerdings nicht für die Musik, sondern für die visuelle Gestaltung des Plattencovers, den sogenannten "Grammy Award for the Best Recording Package". Die Verkaufszahlen blieben jedoch weit hinter den Erwartungen für das mit etlichen Kritiker-Lorbeeren ausgestattete Album zurück, weshalb es in der Folge leider bei diesem einzigen Album blieb.

Einige ganz hervorragende Musiker bildeten die Formation LUSK: Gitarrist und Keyboarder Paul D'Amour kam ursprünglich von der Band TOOL, Bassist Brad Laner plus der Sänger und Multi-Instrumentalist Chris Pitman (die später bei GUNS'N'ROSES landeten), sowie Schlagzeuger Greg Edwards von FAILURE. Die drei Musiker Paul D'Amour, Greg Edwards und Chris Pitman bildeten zuvor auch schon das Grundgerüst der Gruppe REPLICANTS, die ebenfalls nicht über ein einziges Album hinauskam, das allerdings beim Publikum punkten konnte dank einer sehr eigenwilligen Mischung aus Shoegaze Psychedelia und Metal-inspiriertem Rocksound.

LUSK spielten auf ihrem Album "Free Mars" einen herrlichen, weder extrem versponnenen noch allzu abgehobenen experimentellen Psychedelik Rock, der ungewöhnlicherweise über weite Strecken recht bodenständig wirkte, was vor allem den guten Kompositionen geschuldet war, die nicht einfach nur auf einfache Effekthascherei ausgelegt waren, sondern ausgesprochen pfiffig und versiert durchkomponiert und arrangiert klangen. Die beiden Hauptsongschreiber Paul D'Amour und Chris Pitman legten grossen Wert auf individuelle Arrangements bei jedem einzelnen Song, weswegen zum Beispiel auch punktgenau exotischere Instrumente wie zwei beeindruckende Celli, gespielt von Dana Woolard und Joe Russo oder die Konzert-Harfe von Patti Hood eigentümliche Akzente setzten. Ausserdem würzten verschiedene Blasinstrumente, gespielt von Korel Tunador und allerlei abenteuerliche und absonderliche Soundspielereien die Titel noch zusätzlich.

Diesbezüglich erwähnenswert sind vor allem die Musik erzeugenden Spielzeuge wie Electrovibe Slide, Chamberlin, Kurzwellenradio, Reverse (Rückwärts-) Effekte, Corrupted Loops, ein von dem Gastmusiker Danny Carey gespieltes Membramophon (?) und verschiedene sogenannte (Mis)Treatments (!). All dies zusammengemixt klingt das Album extrem eigenständig und trotzdem absolut hörgerecht und "einfach", was meines Erachtens daran liegt, dass die Songs in ihrer Grundstruktur relativ einfach gehalten sind, dafür aber beim Bearbeiten extrem phantasievoll und kreativ arrangiert worden sind. Hier sind ein paar Musiker ganz klar den richtigen Weg gegangen: Man nehme einfache Songs und lasse sie am Ende klingen wie üppige Ouvertüren.

Die Platte ist alles andere als schwer verdaulich oder anstrengend anzuhören. Vielmehr präsentiert sich hier eine Platte, die anspruchsvoll arrangiert worden ist, jedoch mit einer fluffigen Leichtigkeit den Zuhörer einlullt, ab und zu recht melancholisch wirkt (dann am ehesten an die holländischen NITS erinnernd) und immer wieder die instrumental exotischen Ausschmückungen einen kurzen Moment lang in den Vordergrund bringt, um gleich darauf wieder als Ganzes zu funktionieren. Ein schönes Beispiel dafür, dass das auf dieser Platte perfekt funktioniert, bietet der Song "Mindray", eine fast hypnotisch wirkende Low Tempo Nummer, die zudem arrangementmässig auch noch den Geist des sogenannten Monumentalsounds verströmt und den Zuhörer perfekt davonträgt. Oder die über knapp 9 Minuten Laufzeit ausgelegte Doppelnummer "The Hotel Family Affair / Black Sea Me", bei der trotz dominanter Wah Wah Gitarre und einer genialen Fuzz Lead Guitar allerlei fremdartige Geräusche plus das bereits erwähnte und von Gastmusiker Danny Carey gespielte Membramophon ungewöhnliche Reize schafft, die allerdings nur auf den ersten Blick abstrus wirken - beim zweiten Anhören jedoch bereits als wohltuendes Element wahrgenommen wird, ohne das der Song bloss halb so interessant klingen würde. 

Weitere Highlights sind auch der ungewöhnliche Opener "Backworlds", der trotz üppigstem Arrangement angenehm leicht und kühl wirkt, was vor allem am Cello und an den tollen Korg MS-20 Sounds liegt. Das verspielte "Savvy Kangaroos" oder das spaceige Titelstück "Free Mars" sind genauso wundervoll und ungewöhnlich arrangiert wie beispielsweise das von einer herrlichen 12-saitigen Gitarre geschrammelte "Undergarden". Das aberwitzige, rein elektronisch geplänkelte Schlussbouquet "Blair's Spider" schliesst dieses ungewöhnlich-aussergewöhnliche Werk, das die Musiker von LUSK in den Liner Notes des Albums keck als "Subharmonic Orchestrange" umschreiben, ab. Wunderbar!



DENNIS COFFEY - Back Home (Westbound Records WB 300, 1977)

Als Dennis Coffey diese hervorragende Platte 1977 einspielte, war er schon fast eine ganze Dekade vor allem als gefragter Studiogitarrist bekannt, der so mancher Platte mit seinem unverkennbaren und glasklaren Sound seinen Stempel aufdrückte. Als ein Mitglied der "Funk Brothers" arbeitete Coffey seit den 60er Jahren als Sessiongitarrist für das renommierte Motown Label und nahm dabei an Aufnahmen mit den Temptations und den Isley Brothers teil. Dennis Coffey's Markenzeichen war stets das Wah Wah Pedal, welches er beispielsweise auch bei Studioaufnahmen für Marvin Gaye oder David Ruffin und die Jackson Five einsetzte.

Erste eigene Aufnahmen spielte er für das Label Sussex Records ein. Dabei gelang ihm sein einziger Hit, ein Instrumentaltitel namens "Scorpio", mit welchem er bis auf Rang 6 der US-Charts vordrang. Die Single konnte sich über eine Million mal verkaufen und steigerte Coffey's Renommée zusätzlich. 1972 war er zeitgleich mit zwei Soloalben in den LP Hitparaden ("Evolution" und "Goin' For Myself").

1975 wechselte er zu Westbound Records und veröffentlichte dort in der Folge mehrere Singles, unter anderem das Stück "Wings Of Fire", bevor er 1977 mit seiner Solo LP "Back Home" vor allem in England's Jazz-Funk-Szene für Furore sorgte und er durch seine dort gestiegene Popularität die Gruppe C.J. & Co. produzieren und mit dem Stück "Devil's Gun" einen weiteren Hit verbuchen konnte. Für sein anstehendes LP-Projekt "Back Home" holte sich Dennis Coffey exzellente und äusserst versierte Studiomusiker, mit denen er 7 Songs einspielte, die alle im laidbacken Jazz-, Funk- und Soul-Bereich angesiedelt waren. Als Rhythmusgitarristen wirkten Bruce Nazarian und Eddie Willis mit. Am Klavier spielten abwechselnd Rudy Robinson und Garry Schunk, als Bassist wurde Roderick Chandler verpflichtet und am Schlagzeug spielte Lee Nathan Marcus. Eine Bläsertruppe unter der Leitung von Trompeter Johnny Trudell und der Perkussionist Lorenzo Brown vervollständigten das Studio Line Up.

Besonders Rhythmusgitarrist Bruce Nazarian sorgte für ständige Bodenhaftung, denn er spielte zuvor bei Brownsville Station, einer eher rockigen bluesinspirierten Band. Aber auch der besonders vielseitige Gitarrist Eddie Willis, der unter anderem mit Chet Atkins im Country-Bereich, für Wes Montgomery im Jazz und in der Begleitband von Bluesmusiker Albert King arbeitete, sorgte bei den Aufnahmen für einen interessanten musikalischen Touch, der dadurch auch viel Lockerheit erfuhr, wie sie sonst im Funk-Bereich nicht allzu oft anzutreffen ist. Highlights der Platte sind sicherlich der Einsteiger "Funk Connection" mit einem unwiderstehlich lockeren funky Groove, das laidbacke "High On Love" sowie das bereits zuvor als Single veröffentlichte "Wings Of Fire", das auf der LP in seiner Gesamtlänge von 7 1/2 Minuten brillierte.

"Back Home" ist ein sehr zeitloses musikalisches Werk, das man sich auch heute noch anhören kann, als wäre es ein aktuelles Album. Dennis Coffey spielte nur dieses eine Album für Westbound Records ein. Danach produzierte er in den 80er Jahren noch ein Album für High Fashion und arbeitete mit Mike Theodore (mit dem er schon seit 1971 arbeitete) und Kashif zusammen. Coffey's letztes Album "Under The Moonlight" erschien 1989 auf Orpheus Records und präsentierte den Gitarristen einmal mehr als laidbacken und äusserst lockeren Gitarristen, der inzwischen leider ziemlich in Vergessenheit geraten ist.

Aug 25, 2020


DAVE SHARP - Hard Travellin' (I.R.S. Records X2 13090, 1991)

Der Sänger und Gitarrist Dave Sharp dürfte manchem Musikfan als Mitglied der sehr erfolgreichen Band THE ALARM noch in Erinnerung sein. Er gründete die gleichermassen von der ausgehenden Punk-Aera und der aufkeimenden britischen New Wave beeinflusste Band im Jahre 1981 zusammen mit Mike Peters (Gesang und Gitarre), Eddie MacDonald (Bass) und Nigel Twist (Schlagzeug). Praktisch während der gesamten 80er Jahre war die Gruppe einer der führenden Vertreter der neuen britischen Poprock-Szene. Die Band experimentierte allerdings nicht mit neuestem synthetischem Instrumentarium, sondern setzte zumindest in punkto Songarrangements nachwievor auf analoges Equipment, zumeist verwendeten sie in ihren Songs sowohl akustische, wie elektrische Gitarre und kamen damit nicht selten in die Nähe des Americana Sounds, was zum Beispiel Coversongs wie etwa "Rockin' In The Free World" von Neil Young noch untermauerten. Die Gruppe landete zahlreiche Hits, auch ausserhalb Englands. Titel wie "The Stand," "68 Guns," "Absolute Reality," "Strength," und "Rain In The Summertime" waren auch hierzulande durchaus erfolgreich.

Als sich die Gruppe 1990 trennte, siedelte Dave Sharp nach New York um und schloss sich der Rockabilly Band The Barnstormers aus New Jersey an, die er auch als Backing Band für sein erstes Soloalbum "Hard Travellin'" verpflichten konnte. Die Platte erschien 1991 und war unterteilt in zwei musikalische Kategorien: "Electric" und "Acoustic". Produziert von Bob Johnson, der schon bei Bob Dylan bei dessen Platten-Klassikern "Blonde On Blonde", "John Wesley Harding" und "Nashville Skyline" als Produzent mit dabei war, sorgte dafür, dass aus dem vordergründig noch recht ALARM-lastigen Folkrock von Dave Sharp auch eine akustische Seite zum tragen kam, die den Musiker stilistisch durchaus in die Nähe von Bob Dylan positionierte. Die Platte "Hard Travellin'" wurde von den Kritikern sehr positiv bewertet, leider ohne einen nennenswerten Verkaufserfolg zu generieren. Dabei beinhaltet die Platte eigentlich sämtliche Zutaten eines Erfolgsalbums: Die allesamt aus der Feder von Dave Sharp stammenden Titel sind erstklassig komponiert, perfekt instrumentiert und kompetent gespielt. Neben den Musikern der Band The Barnstormers konnte Dave Sharp einige zusätzliche hochkarätige Gastmusiker für die Aufnahmen zum Album verpflichten. So etwa den renommierten Al Kooper für die Hammond Orgel,  McGavock Gayden an der akustischen Gitarre und Billy Beard, der Schlagzeuger der Alternative Rock Band FACE TO FACE.

Das elektrische Set umfasst 6 Songs, die alle den typischen Americana Rock der beginnenden 90er Jahre bieten, welcher beispielsweise auch von den Brandos oder Blue Rodeo präsentiert wurde. Was im Falle von Dave Sharp's Songs dagegen anders ist: Er hat seinen Songs keinen Hochglanz-Sound verpasst, sondern die Musik recht roh belassen und man kann sich durchaus vorstellen, dass er mit seiner Band seine Songs auch live ziemlich genauso präsentiert hat. Der vom klassischen Rockabilly inspirierte Opener "In The City" zeigt klar die Handschrift der Barnstormers, holpert lüpfig und rauh, ohne glänzende Fassade. Die Ballade "It Ain't Long For The Day" wiederum könnte auch ein verschollener Bob Dylan-Track sein. Der Song ist wundervoll flächig mit Al Kooper's Hammond Orgel arrangiert, die dem Song den Charakter gibt. "Wonderful World" ist dasselbe, jedoch als Steigerung: Wiederum Al Kooper's exzellentes Hammon Orgel-Spiel, aber ein insgesamt rasant Fahrt aufnehmender Titel, der wieder die angenehme Rockabilly-Rumpelrhythmik bietet. "The Last Smilin' Villain From The South" brilliert durch einen hervorragenden Songtext. "Long Black Night" ist ein Americana-Rock der allerbesten Sorte, mit einem unwiderstehlichen Refrain zum Mitsingen. Schliesslich die schleppende Nummer "New Age Eden" wieder mit Al Kooper's famoser Hammond und einer hervorragenden Story.

Das akustische Set mit seinen 5 Songs klingt dann schon fast wie in der Tradition der grossen amerikanischen Folk-Troubadoure der 60er und 70er Jahre. Assoziationen ewta zu Mickey Newbury, John Prine, vor allem aber Bob Dylan werden sofort wach, wenn man sich die Titel "In The Dead Of The Night" oder das Titelstück anhört: Beide Songs sind ausschliesslich mit einer akusitschen Gitarre vorgetragen und leben alleine von Dave Sharp's manchmal etwas kauziger, leicht krächzender Stimme, die jedoch sehr eindringlich herüberkommt, ohne penetrant oder gar nervig zu wirken. Geschmackvolle Chorstimmen einiger Gastsänger werten die Songs zusätzlich auf und das abschliessende "Homeless Child" klingt schon fast wie ein altes Pete Seeger Original, dem hier neues Leben eingehaucht worden ist.

Dave Sharp spielte in den beiden Folgejahren ausschliesslich Konzerte in den USA, nahm 1995 ein weiteres Soloalbum auf ("Downtown America"), das genauso unverzichtbar ist wie dieses Debutalbum, das danach allerdings keine Fortsetzung mehr fand. Dave Sharp hat allerdings auch weiterhin Konzete bestritten und im Jahre 2007 zu einem Paukenschlag ausgeholt: Er gründete - in Anlehnung an sein Debutalbum - die Band THE HARD TRAVELERS, zusammen mit dem legendären irischen Folkrock-Musiker Henry McCullough. Mit dem Keyboarder Zoot Money, der schon in den 60er Jahren mit seiner Big Roll Band und mit Dantalion's Chariot grosse Erfolge feiern konnte und mit prominenten Top-Musikern wie dem Ex-Fleetwood Mac Gitarristen Peter Green, dem Folkrock-Sänger Kevin Ayers und der Band Humble Pie spielte, stieg ein weiterer Promi bei den Hard Travelers ein. Die Rhythmusgruppe bestand aus dem Bassisten Gary Fletcher (The Blues Band) und dem Schlagzeuger Colin Allen, der sowohl bei der Band Stone The Crows, als auch bei Bob Dylan, John Lee Hooker, Memphis Slim, John Mayall's Bluesbreakers, Mick Taylor und bei vielen Anderen trommelte. Mit den Hard Travelers verfolgte Dave Sharp das musikalische Ziel, die klassischen Songs von Woodie Guthrie einem neuen, jungen Publikum näher zu bringen.





JEFF CROSBY - Postcards From Magdalena (Blue Rose Records BLULP 0715, 2018)

Seit langem schon ist der Singer/Songwriter Jeff Crosby aus Idaho unterwegs auf den staubigen Strassen der weiten Prairie mit längeren Stopps in Kalifornien, Oregon und Nashville, um aber immer wieder in seine Heimat zurückzukehren - und sei es nur für das alljährliche Braun Brothers Reunion Festival, das sich von einem durchaus respektablen lokalen Ereignis zu einem wichtigen Event des Genres gemausert hat. Dort geriet er mit seinen attraktiven, charaktervollen Auftritten auf den Radarschirm von Blue Rose Records, die ihn postwendend unter Vertrag nahmen und Jeff Crosby's viertes Studioalbum "Postcards From Magdalena" auf dem schwäbischen Label veröffentlichten. Es ist inzwischen fast schon Tradition: alle paar Jahre gelangt ein interessanter Musiker auf den Americana/Roots-Plan, der nicht nur vom Leben on the road, der Kleinstadt-Tristesse mit all ihren Spiessigkeiten, von bitterer Liebe, neuer Hoffnung und Selbstreflektion singt, der eine grundgute Stimme mit genau der richtigen Dosis Rauhheit besitzt und Begleitmusiker ausgewählt hat, die einen astreinen Job machen, sondern darüber hinaus dieses ganz spezielle, relaxte 70er Westcoast Feeling ausströmt, das man vor vielen Jahrzehnten mal im Zusammenhang mit Gram Parsons 'Cosmic American Music' genannt hat.

Israel Nash ist so ein Typ, Elijah Ocean muss man erwähnen und ganz sicher gehört auch Jeff Crosby in diese Kategorie. Geboren und aufgewachsen in Donnelly, Idaho zog es Crosby mit Anfang 20 nach Los Angeles, wo er 5 Jahre in der Nähe des Sunset Boulevard alle Höhen und Tiefen eines talentierten Newcomers erfuhr. Hier schrieb er seine ersten starken Songs und begann seine Karriere mit über 250 Shows pro Jahr im Stil eines echten Troubadours. Er verpflichtete, rund um den Gitarristen/Keyboarder John Gilbertson und seinen Bruder Andy Crosby am Bass, seine Begleitband The Refugees und hinterliess mit den Alben "Jeff Crosby" (2011), "All Nighter" (2014) und "Waking Days" (2015) erste Spuren auf Tonträger. Über zwei Jahre spielte er dazu parallel als Gitarrist bei dem kultig-legendären Pacific Northwest Singer/Songwriter und Jam Rocker Jerry Joseph, bekannt von Little Women, als Solomusiker, aktiv aber auch bei den Jackmormons, bei der Band Stockholm Syndrome, und ausserdem auch Songautor für die weitaus populäreren Widespread Panic.

Seit 2016 konzentrierte sich Jeff Crosby voll auf die Songs, die Aufnahmen und die Produktion zu seinem Album "Postcards From Magdalena". Es sollte sein bis dato reifstes, professionellstes und stilistisch breitest gefächertes Projekt werden und seinen Durchbruch, nicht nur in den USA von Küste zu Küste, sondern auch bei der stetig wachsenden internationalen Americana-Gemeinde bewirken. Keine Frage, es war ihm gelungen, das Album geriet in der Tat zu einem Genre-Meisterwerk. Die zehn für das Album eingespielten Songs waren inspiriert von den verschiedenen Plätzen und Kulturen, die Crosby in den Jahren zuvor besucht hatte - teilweise für länger, um richtig einzutauchen: England, Island, Kolumbien, Nicaragua und in den Vereinigten Staaten Portland, Oregon, Los Angeles, Alaska, Nashville und natürlich immer wieder Donnelly, Idaho bei seiner Familie und alten Freunden. Mehr noch als auf den Vorgängerplatten hatte sich Jeff Crosby mit seinem Team nun sehr um eine originelle Ausgestaltung seiner Songs gekümmert. So hatte er beispielsweise die Klangmöglichkeiten der Pedal Steel Guitar genutzt, um teilweise regelrechte Soundlandschaften zu kreieren - Ben Waligoske aus Colorado (Springdale Quartet, King Cardinal) und Paul Brainard aus Portland (Richmond Fontaine) wechselten sich dabei ab.

Diese beiden Musiker gehörten zum erweiterten Kreis der Refugees um John Gilbertson und Andy Crosby sowie den Schlagzeugern William Prescott, Marshall Vore und Ryan Wykert, Keyboarder Daniel Blumenfeld oder Multi-Instrumentalist Roger Alan Nichols. Der erfahrene Gregg Williams (Blitzen Trapper, The Dandy Warhols, Jerry Joseph, Pete Droge, Jesse Malin) hatte den Grossteil der Aufnahme-Sessions in Portland produziert. Ein paar Feinheiten wurden in Nashville nachgearbeitet. Es gab - und das war vielleicht das Ungewöhnlichste an diesem Album - gar keinen Song mit 'Magdalena' im Titel, dennoch schwebte dieser Name atmosphärisch über dem gesamten Album. Denn Magdalena gilt unter Sprachgelehrten als Synonym für seltene, aus dem Innersten kommende Schönheit. In Wirklichkeit entstand der Album-Opener in Kolumbien in der nördlichen Provinz Magdalena am karibischen Meer. In "Best $25 I Ever Spent" schildert Jeff Crosby ein modernes Hippie-Szenario einer lauen Nacht am Strand mit seiner Liebsten - trefflich intoniert als lockerer 70er Jahre Country Rock mit perlenden Gitarren, einer Pedal Steel Gitarre und diesem klaren, leicht nasalen Gesang von einer markanten Stimme mit rauhem Unterton, die den Zuhörer von nun an als grösstmöglicher Sympathieträger begleiten sollte.

Mit "Everything Will Change" folgt ein weiterer Pedal Steel-getränkter Road Song mit Motiven einer Tour auf der Interstate 80 durch Wyoming, während Crosby in der Westcoast-Träumerei "Full Moon On Sunset" über seine Zeit im Herzen von Los Angeles sinnieren mochte. "Cold Summer" bietet Fleetwood Mac-Feeling all over, neben tollen Harmonien im Chorus begeistern die vielen Gitarren-Licks aus der Lindsey Buckingham-Trickkiste. Mit "Hearts Too Heavy" folgt eine nachdenkliche, emotionale Ballade, sehr intensiv gesungen und schnörkellos von der guten Band untermalt. Nach dem langsamen Start des eigentlich recht traurigen "What Stories, What Light" kommt ab Mitte des Songs nochmal richtig Fahrt auf, das ist bester Country Rock im Geist der frühen Eagles oder Jackson Browne: "I'm dreamin' American dreams in the ocean of desire known as the western world". Nicht nur mit dieser Zeile erweist sich Jeff Crosby als wortgewandter Poet. Durchweg schreibt er unbedingt mitlesenswerte Songtexte.

"It's Us" kommt als straighter Midtempo Rocker mit mehreren elektrischen Gitarren und druckvoller Rhythm Section, der mit über 6 Minuten längste Track "Sunrise Over Iceland (For Lois)" überzeugt mit einer unwiderstehlichen Hookline und delikaten Arrangements mit besonderer Instrumentierung von Steel Guitar, Drums, Slide Guitar, Klavier und Banjo. Es ist ein Trauerlied über den Verlust einer Freundin, von deren Tod er auf Island erfährt. Nichts kann mehr so sein wie zuvor. "Beautiful And Strange" erinnert an Tom Petty zwischen leicht melancholisch und melodisch-poppig, ausgestattet mit herrlich twangenden Gitarren über dem kalifornischen Beat. Am Ende der regulären Scheibe steht der einzige wirkliche Solosong. In "Hotel Bibles" bereut der Erzähler seine schweren Fehler, die zur Aufgabe einer grossen Liebe führten. Akustische Gitarre, Mundharmonika, Gesang: Bob Dylan meets Steve Earle Folk der Güteklasse A, nichts weniger. Zwei exklusive Bonus Tracks runden diese ausgezeichnete Veröffentlichung ab: Während "Lonely In Love" zunächst noch ein weiteres Mal auf der California Cosmic Country Rock-Schiene fährt, ergehen sich Jeff Crosby und seine Band auf "Time Is Cryin" in schwer elektrischen, massiv klotzenden Southern Blues Rock, der musikalisch stark vom eigentlichen Thema abweicht. Sozusagen ein echter Rausschmeisser. Ein tolles Album, das zu entdecken sich unbedingt lohnt.





AMELIA CURRAN - They Promised You Mercy (Six Shooter Records SIX089, 2014)

Amelia Curran ist eine kanadische Singer-Songwriterin aus St. John's, Neufundland. Die National Post beschreibt ihre Musik als ein bisschen wie Leonard Cohen, der von Patsy Cline in einem staubigen Salon kanalisiert wird. Als Teenager begann sie Gitarre zu spielen und Songs zu schreiben und brach schliesslich die Universität ab, um auf den Strassen von St. John's als Strassenmusikerin zu spielen. Amelia Curran veröffentlichte ihr erstes Album im Jahre 2000 und seitdem hat sie viele weitere veröffentlicht. Curran's Songtexte wurden von einem kanadischen Musikkritiker als 'evokativ' beschrieben, der unter Bezugnahme auf Curran's Titel "The Mistress" schrieb: "Wie die besten Dichter packt Curran so viel Bedeutung in jede Zeile, dass der Hörer kaum Zeit hat, jeden cleveren Text vorher zu registrieren".

Bei ihrer Veröffentlichung "Trip Down Little Road" im Jahre 2001 trat Amelia Curran als Mitglied der Gruppe The Sense Amelia Project auf, einer siebenköpfigen Gruppe, zu der auch der Trompeter Caleb Hamilton gehörte. Das Sense Amelia Project wurde 2003 für einen Preis der East Coast Music Association in der Kategorie Rock Recording of the Year nominiert. Ihre Veröffentlichung von 2006 mit dem Titel "War Brides" wurde zunächst bei einem kleinen Independent Label und später von Six Shooter Records in Europa und Kanada veröffentlicht. "War Brides" wurde für zwei East Coast Music Association Awards in den Kategorien Folk Recording of the Year und Female Solo Recording of the Year nominiert. Ein von Curran geschriebenes Stück ("The Union") wurde von der in Nova Scotia ansässigen Folk Roots Gruppe Heavy Meadows aufgenommen und bei ihrer gleichnamigen Veröffentlichung im Jahr 2004 veröffentlicht.

Im Jahre 2009 veröffentlichte Curran das nächste Werk "Hunter Hunter". Sie beschreibt dieses Album als etwas härter als "War Brides", aber nur marginal. Es ist das erste Album, das sie in ihrer Heimatstadt St. John's aufgenommen hat. "Hunter Hunter" bescherte Curran Nominierungen für vier 2010 East Coast Music Association Awards in den Kategorien Weibliche Soloaufnahme des Jahres, Genre-Aufnahme des Jahres, SOCAN-Songwriter des Jahres und Folk Album des Jahres. Am 17. April 2010 gewann Amelia Curran ausserdem einen der sehr begehrten Juno Awards in der Kategorie Roots und traditionelles Album des Jahres (für "Hunter Hunter"). Im selben Jahr gewann Curran auch den ersten Preis (Folk-Kategorie) des 15. jährlichen USA Songwriting Wettbewerbs und wurde bei den Canadian Folk Music Awards zur Solokünstlerin des Jahres gekürt.

Curran's Album "They Promised You Mercy" wurde am 8. November 2014 veröffentlicht. Die Künmstlerin erhielt Nominierungen für vier East Coast Music Association Awards 2016 für das Album und gewann in der Kategorie Songwriter des Jahres. Im Jahr 2017 veröffentlichte Curran ihr achtes Album mit dem Titel "Watershed". Auf diesem Werk wurde Amelia Curran vom Gitarristen Dean Drouillard, dem Bassisten Devon Henderson und dem Schlagzeuger Joshua Van Tassel (Mitglied der Gruppe Great Lake Swimmers) begleitet. Curran wurde für die JUNO Awards 2018 in den Kategorien Contemporary Roots Album des Jahres und Songwriter des Jahres (für die Songs "Come Back for Me", "Watershed" und "Try") und 2018 East Coast Music nominiert. Amelia Curran ist nicht nur Musikerin, sondern auch Dramatikerin und Schauspielerin und gehört in Kanada zu den bekannten Künstlern. Leider ist sie hierzulande praktisch unbekannt geblieben.






WILLIAM CLARK GREEN - Rose Queen (Blue Rose Records BLU DP0630, 2014)

Und wieder ein neuer Typ am unendlich weiten Himmel über Texas. William Clark Green - ein Name wie aus dem Setzkasten für Countrymusik - heisst der Gute und, ja, er macht auch Country. Jene Sorte Country, die sich gerne mit Rock, Folk, Roots Music, viel Lokalkolorit und einer gewissen ländlichen Rauhbeinigkeit verbindet und die, obwohl durch und durch texanisch, oft in den kleinen, hipperen Studios in Nashville abseits der Hutträger-Industrie hergestellt wird. "Rose Queen" ist Green's drittes Album, aber bei aller Wertschätzung für sein Frühwerk, das erste richtig professionell durchdachte und das erste, das von wesentlich mehr als einer Handvoll Fans überregionale Beachtung findet. Green, der heute in Lubbock lebt, ist in der Nähe von Tyler im Osten des Staates Texas, aufgewachsen. Bereits im zarten Alter von 13 war klar, was aus ihm mal werden sollte: ein erfolgreicher Texas Folk & Country-Musiker nach Art seiner grossen Vorbilder Gene Clark, Steve Earle, Townes Van Zant, Lyle Lovett, Rodney Crowell und dem von ihm besonders verehrten Willis Alan Ramsey.

Mit 22, im Jahre 2008, hat er sein Debütalbum "Dangerous Man" vorgelegt, gefolgt von "Misunderstood" zwei Jahre später. Beide Scheiben sind geprägt von Talent und Aufbruchsstimmung, so hat er sämtliche Songs selbst verfasst und mit soliden Musikern kompetent aufgenommen. Aber der Schritt zu "Rose Queen" kommt denn doch einem Quantensprung gleich. Alle elf Titel stammen wieder aus seiner Feder, vier davon jeweils in Zusammenarbeit mit den befreundeten Kollegen Kent Finlay, Brandon Adams, Kenneth O'Meara und Brian Keane. Und diesmal geht's ans Eingemachte: Persönliche Befindlichkeiten, Trennungsgeschichten und die Widrigkeiten des Everyday Life spiegeln sich in seinen Texten wieder, genauso wie Erinnerungen an seine Jugend in Tyler. Story Songs nennt man das, was Green hier bietet und dazu gehört mit "She Likes The Beatles (And I Like The Stones)" auch ein echter Mitsing-Gassenhauer, von dem die einschlägigen Texas Music-Internetsender wie KNBT & Co. gar nicht mehr lassen wollten - manch einer konnte das Stück wohl schon nicht mehr hören. Aber auf "Rose Queen" gibt es ja noch so viel mehr.

Zum Beispiel den kompletten Gegenentwurf mit dem introspektiven Abschlusslied "Welcome To The Family". Mit dem Titeltrack als Eröffnung im Steve Earle-Stil und dem nachfolgenden Country Rocker "Remedy" setzt William Clark Green die Messlatte sehr hoch an. Schon früh wird klar, dass wir hier jemanden hören, der sich mit unwiderstehlichen Hooks und Refrains auskennt. Der mit seiner Band auch richtig Gitarrendruck erzeugen kann und gerne rockt - wie bei den sehr an die Gruppe Reckless Kelly erinnernden "It's About Time" und "Hangin' Around". Als Ausgleich kommen aber auch die (Midtempo-) Balladen nicht zu kurz: Das kleine Roadmovie "Drowning" passt in dieses Raster und das gut abgehangene "Take Me Away". Und sowieso "What It Takes To Be Me", eine autobiografische Selbstreflektion, eindringlich interpretiert und herrlich mit sägender Slide Guitar umgarnt.

William Clark Green singt mit kerniger, attraktiv angerauter, sehr charaktervoller Stimme, die man unbedingt wiedererkennt und die einfach perfekt zu seiner Musik passt. Im klaren Sound (made in Nashville) regieren abgesehen von der Stimme vor allem melodisch angerockte bis slidige elektrische Gitarren neben akustischen und Steel Guitar über einer eingespielten Rhythm Section mit Gitarrist Steven Marcus, Bassist Cameron Moreland und Drummer Jay Saldana (seine Touring Band, made in Texas), dazu etwas Beiwerk, zum Beispiel Singer/Songwriter-Kollege Brian Keane an den Tasten, Rob McNelley (Delbert McClinton) mit einer zweiten elektrischen Gitarre. Das Bluegrass-gefärbte "Let's Go" wurde mit Fiddle und Mandoline garniert. Keane's Frau Rachel Loy hat die Nashville Sessions gewohnt ohrenfreundlich, warm und wie analog produziert. "Rose Queen" ist ein überragendes Genre-Werk im Bereich zwischen Red Dirt und Texamericana mit vielen Attributen, die man schon so oft vergeben hat, und auch William Clark Green wird nicht als Erneuerer in die Texas Music-Geschichte eingehen. Aber die coole Art und hörbare Leidenschaft, mit der er an seine Stücke rangeht, das ist schon was ganz Besonderes.




Aug 17, 2020



ARJEN ANTHONY LUCASSEN - Lost In The New Real
(Inside Out Music IOMLTDCD 356, 2012)

Arjen Anthony Lucassen ist ein holländischer Multi-Instrumentalist und ein Meister der Kreativität, der hierzulande schon mit zahlreichen Bands und Projekten stets einem qualitativ extrem hohen Level folgte und dabei immer wieder mit kreativen Ueberraschungen aufwartete. Seine Monumental-Epen unter dem Band-Banner AYREON, oder auch das dem Progressive Metal-nahe Projekt STAR ONE warteten stets mit einer Heerschar an hervorragenden Musikern und Sängern auf. Der Künstler zelebrierte bei all diesen Projekten aber stets die musikalische Alleinherrschaft, vielleicht am besten nachvollziehbar bei seinem Album GUILT MACHINE, das quasi als Bandname in Erscheinung trat. Die Motivation Lucassens, auch einmal ein echtes Solo-Album einzuspielen, das wiederum anderen Grundideen Nahrung gibt, ist daher gut nachvollziehbar und seiner immensen Kreativität geschuldet. Sein nimmermüder Drang, stets Neues auszuprobieren, gipfelte 2015 im Mittelalter-inspirierten Konzept-Werk "The Gentle Storm", das der Musiker mit der ehemaligen Sängerin von THE GATHERING, Anneke van Giersbergen, veröffentlicht hat.

Wichtig für den Künstler war beim 2012er Album "Lost In The New Real", der Erwartungshaltung der Fans nicht entsprechen zu müssen, nicht mit vielen Musikern zusammenzuarbeiten, und vor allem: ein komplettes Album selber einzusingen, nachdem Arjen Lucassen jahrelang stets mit Gastsängern seine Alben einspielte und nur selten einmal selber das Mikrophon in die Hand nahm. Folgerichtig war dieses Werk eigentlich das erste echte "Lucassen"-Werk, das der Musiker von A bis Z sich selbst auf den Leib zugeschnitten hatte. Es handelt sich bei "Lost In The New Real" natürlich wiederum um ein Konzeptalbum, und zwar um ein sehr Interessantes und Schlüssiges. Indem Lucassen sich vor der musikalischen Vergangenheit, die ih nselber all die Jahre geprägt hat, verneigt, stellt er ein Zukunfts-Szenario auf die Beine, wo alte Werte nicht mehr zählen, Maschinen und Computer alle instrumentalen Fertigkeiten längst übernommen und eine Welt kreiert haben, in welcher Kreativität und künstlerisches Schaffen weitgehend eliminiert ist. In einer Art Rückschau legt Lucassen ein Werk hin, das sich deshalb folgerichtig am alten Musikschaffen bedient und aufzeigt, wo eigentlich all die schön gestylte, unpersönliche und kalte Plastikwelt ihren Ursprung hatte.

Zitate gibt es in dieser Hinsicht massig. Das fängt schon bei einem eindeutigen Songtitel wie "Pink Beetles In A Purple Zeppelin" auf und manifestiert sich musikalisch in extrem vielen Schattierungen der Rockmusik, wie wir sie heute kennen, wie Rock, Metal, Pop, Folk, Industrial. Man kann "Lost In The New Real" durchaus als das Spannendste Album von Arjen Lucassen bezeichnen, denn das Vielseitigste ist es ganz bestimmt. Mit diesem Konzept breitet der holländische Musiker auch seine ganz eigene musikalische Entwicklung aus, streift all die vielen Stationen, die er selber als Inspirationsquelle über viele Jahre eingesogen hat und sie für sein eigenes Schaffen über die lange Zeit, die er nun schon Musik macht, verinnerlicht hat. Entstanden ist dadurch das mutigste Album, das der Holländer jemals aufgenommen hat. Und mit Sicherheit auch eines seiner besten. 

Inhaltlich geht es auf dem Werk wie bereits erwähnt um die Wirren der modernen, von Computern und Internet dominierten Welt. Zusammengehalten wird das Album von der Stimme des Schauspielers Rutger Hauer, den Arjen Lucassen als Sprecher für die Einleitungen zu den Songs gewinnen konnte. Wie auch musikalisch gibt es ebenso bei den Texten – trotz des konzeptionellen roten Fadens – keinerlei Barrieren. Ernste Themen stehen neben augenzwinkernden oder gar albernen, vor allem in der Popmusik üblichen Texten. Da Lucassen sich selbst keinerlei Grenzen bei der Umsetzung seines Konzeptes setzte, bietet er auch musikalisch eine enorme stilistische Vielfalt. Ob sinfonisch in Richtung klassischem Progressive Rock, eher betont bodenständig rockend, eher bombastisch oder auch bewusst sehr einfach strukturiert: Die Musik wirkt trotzdem, dank dem Gesamtkonzept, das von Rutger Hauer's Erklärungen stets zusammengehalten wird, erstaunlich kompakt und nachvollziehbar, sodass die stilistische Vielfalt auf den Hörer faszinierend und in keiner Weise erdrückend wirkt.

Natürlich gibt es auf diesem erstaunlichen Werk Passagen, die auch auf Lucassen's AYREON-Werke gepasst hätten, da er doch seinen immer wieder erknnbaren persönlichen Stil hat. Doch insgesamt bietet "Lost In The New Real" unendlich viel mehr an kreativen Spielereien als seine anderen Produktionen. Bei 20 Songs kann es vielleicht nicht 20 Volltreffer geben. Und dennoch finden sich auf dem Doppelalbum kaum irgendwelche Schwachstellen, unpassende oder gar schlechte Songs schon gar nicht. Nicht mal Mittelmässige, würde ich sagen. Denn jedes Konzept in sich sich geschlossen, die Stücke gehören alle zusammen und sollen daher auch als Ganzes funktionieren und letztlich in diesem Kontext beurteilt werden. Individuell herausgefilterte Titel als eher durchschnittlich bezeichnen zu wollen hiesse daher, das Gesamtkonzept als Solches in Frage stellen zu wollen, und dafür besteht hier in der Tat kein Anlass zu irgendwelcher Kritik. Das ganze Werk ist überzeugend aufgebaut und perfekt in Szene gesetzt, zudem von hochkarätigen Musikern eingespielt worden.

Die bereits erwähnte stilistische Vielfalt des Werks umfasst beispielsweise solch auf den ersten Blick vielleicht eher nicht zusammen passende Sachen wie das auf moderne Loungemusik getrimmte "Don’t Switch Me Off", den exaltierten Coversong "I'm The Slime" aus der Feder von Frank Zappa oder die bereits erwähnte Poprock Rundum-Hommage "Pink Beatles In A Purple Zeppelin", das selbstironisch-lässige "When I’m A Hundred Sixty-Four", das treibende "E-Police", das mächtige Beatles-orientierte Breitwand-Stück "Dr. Slumber’s Eternity Home", das nicht minder epische "Yellowstone Memorial Day" mit hörbaren Referenzen an den Altmeister David Bowie und die zehn Minuten dauernde Achterbahnfahrt des Titelsongs, um nur einige zu nennen. Herrlich wirken da dann auch die bewusst gestreuten Zitate aus allerlei bekannten Rocksongs und natürlich die gut gewählten Coversongs von Rock-Berühmtheiten, denen Arjen Lucassen musikalisch teilweise massiv zu Leibe rückte.

Beispielsweise das Pink Floyd-Stück "Welcome To The Machine", das im Kontext zur Geschichte des Albums richtigerweise ein extrem maschinengesteuertes Grundbild erhielt, das vom organischen Sound des Floyd-Originals kaum mehr etwas behalten hat - als Versinnbildlichung der kalten Welt aber hervorragend auch in so einem Klangkleid glaubwürdig funktioniert. Aber auch Led Zeppelin's "Battle Of Evermore", das für mich fast beste Stück auf dem Album, das den Hörer in seiner ursprünglichen Form mit jener wundervoll verträumten Mandolinenmelodie verführte, hier in Lucassen's Variante jedoch genau diese Gefühlskälte von heute präsentiert, die von vielen Menschen fälschlicherweise für Gefühl gehalten wird, letztlich aber doch nur Oberflächlichkeit bedeutet. "Some Other Time", im Original von Alan Parsons, passt perfekt zu diesem musikalischen Konzept und reiht sich herrlich ein in alles, was der Künmstler uns mit auf den Weg geben will: Es gibt eine andere Zeit als die heutige. Sie war einmal, könnte aber auch genauso gut dereinst einmal wieder sein. Je nachdem, wie wir Menschen mit unseren wertvollen Ressourcen umgehen und wie bewusst wir an uns selber arbeiten. "Veterans Of The Psychic Wars", ein Song der Gruppe Blue Oyster Cult, zu welchem der legendäre Science Fiction Künstler Michael Moorcock den Text beisteuerte, passt ebenfalls perfekt ins Gesamtkonzept. 

Arjen Anthony Lucassen ist nicht nur ein begnadeter Songschreiber, Instrumentalist und Arrangeur, er ist auch ein sehr guter Sänger, der mit seiner Stimme viele unterschiedliche Stimmungen transportieren kann. Angesichts der musikalischen Klasse, der Selbstverständlichkeit und der Leichtfüssigkeit, mit der er sämtliche Stilbarrieren überwinden kann, um am Ende doch ein absolut homogenes Album zu präsentieren, sei die Frage erlaubt: Was kann Lucassen eigentlich nicht ?




FREEDY JOHNSTON - Can You Fly (Bar/None Records A-HAON 024-2, 1992)

Die Lieder des in New York lebenden, ursprünglich aus Kinsley, Kansas stammenden Singer-Songwriters Freedy Johnston handeln oft von melancholischen Einzelgängern und decken Themen wie Liebeskummer, das Gefühl des Entfremdetseins und Enttäuschungen ab. Aufgrund der hohen Kunstfertigkeit seiner Songs wird er als "Songwriter für Songwriter" bezeichnet. Johnstons erstes Album "The Troubled Tree" erschien 1990. Johnston verkaufte einen Teil des Ackerlands seiner Familie, um die Finanzierung seines zweiten Albums "Can You Fly" zu sichern (über dieses Ereignis singt er in seinem Song "Trying to Tell You I Don't Know", dem Opener dieses wundervollen Albums). 1994 erfolgte mit seinem dritten Wer "This Perfect World" seine Debutveröffentlichung bei einem grossen Plattenlabel. Für dieses Album wurde er von der Kritik hoch gelobt und vom Magazin Rolling Stone zum "Songwriter des Jahres" gekürt. Das Album brachte die Single "Bad Reputation" hervor, die in den amerikanischen Billboard Hot 100 Charts Rang 54 erreichte und zu seinen bekanntesten Liedern zählt. Freedy Johnston steuerte auch Songs zu Soundtracks bei ("Kingpin", "Das Leben nach dem Tod in Denver" und "Little Manhattan").

Viele Musikkritiker sind sich indes einig, dass "Can You Fly" ein grosses Werk in der populären Musik darstellt, vor allem in den entsprechenden stilistischen Bereichen Singer/Songwriter, Americana und Roots Rock, in denen sich der Künstler bewegt. Was mich immer ein wenig geärgert hat ist die Tatsache, dass etliche Zeitgenossen ein so grosses Aufheben über die erste Textzeile der Platte gemacht haben: "Well I sold the dirt to feed the band" ("Nun, ich habe den Dreck verkauft, um die Band am leben zu halten"). Eigentlich jedoch eine kluge Entscheidung, wenn man den Sinn dieser Worte versteht: Wie bekannt, bezieht sich die Textzeile auf die Tatsache, dass Freedy Johnston einen Teil des Landes seiner Familie-Farm verkaufte, um als professioneller Musiker weiter arbeiten zu können. Es spielt daher keine grosse Rolle, ob das nun klug formuliert war oder nicht - eine weise Entscheidung war es allemal. Die Zeile bildet lediglich einen Gegensatz zu den traditionellen Werten, die Freedy Johnston in den meisten seiner Songs proklamiert.

Johnston war und ist ein extrem ehrgeiziger Musiker, aber seine Seele würde er niemals verkaufen für ein bisschen Erfolg. Seine Musik ist ein hervorragendes Gemisch aus akustischen und elektrischen Instrumenten, die manchmal interagieren, dann aber auch wieder für sich alleine stehen, und die Produktion bietet viel Raum zwischen den Darbietungen der einzelnen Musiker - Freedy's Musik klingt wie eine leicht schwebende und friedvolle Jam Session mitten in der riesigen Prärie unter einem grauen Himmel, ein bisschen so, wie das auch auf dem Plattencover dargestellt wird und das vielleicht jenen Teil seines Farmlandes im Bild festgehalten hat, das der Musiker damals verkaufte, um unter anderem diese Platte finanzieren zu können. Das ist auch nicht einmal besonders originell, denn engagierte Bands und Musiker tun viel, um ihre musikalische Seele ausleben zu können, warum dann nicht einfach einen Flecken Land verkaufen ? Freedy Johnston machte im Gegensatz zu vielen anderen Künstlern jedoch etwas Grossartiges daraus.

Freedy Johnston's Stimme gleicht kaum einer anderen Stimme des Americana, die man kennt. Er singt seine Melodien, im Gegensatz etwa zu John Hiatt, mit einer ziemlich hohen Stimmlage, oft und gerne mit Kopfstimme, was zu seinen ätherischen, manchmal leicht über dem Boden schwebenden Kompositionen perfekt passt. Daneben kann er aber auch herzhaft rockig röhren, etwa im Song "Wheels", einem Titel, in welchem er von einem Kaff namens Hoffnungslosigkeit singt ("There really is a town called Hopeless"). Viele von Freedy Johnston's Liedern klingen sehr autobiographisch, und er versteht es ausgezeichnet, die jeweiligen Details seiner kleinen und grossen Geschichten in einer spröden, aber dennoch sehr poetischen Sprache abzufassen, wobei er selbst bei persönlichen Tragödien nicht auf ein kleines Augenzwinkern verzichtet. Er schreibt Lieder über Menschen, die sich Sorgen machen. Lieder über das Altwerden, über den VErlust der Kinder, wenn sie gross sind und gehen. Unabhängig davon, ob Freedy Johnston solche Texte basierend auf persönlichen Erfahrungen geschrieben hat, gelingt es ihm, diese Emotionen immer sehr persönlich wirken zu lassen, was seiner Musik eine grosse Glaubhaftigkeit vermittelt. Es sind letztlich diese Geschichten, die Jeder von uns erleben kann und bestimmt auch schon erlebt hat.

Neben dem wundervollen Titelstück "Can You Fly" überzeugen vor allem das mit einer tollen Hookline versehene "Tearing Down This Place", das zu seinen besten Momenten auf dieser Platte zählt. Hier erreicht seine Musik genau diesen Schwebezustand, den auch das Plattencover suggeriert - ein melancholisches Kleinod, das dank seines Arrangements und seiner musikalischen Darbietung nicht als drückend oder traurig empfunden wird. Im etwas folkigeren "Mortician's Daughter" erreicht Johnston's Musik eine Leichtigkeit, die einen äusserst angenehmen Zustand der Schwerelosigkeit hervorruft. Bemerkenswert schöne vokalistische Akzente schafft auch die Roots-Musikerin Syd Straw als Duettpartnerin beim Stück "Down To Love".

Musikalische Begleiter auf diesem zweiten Album von Freedy Johnston waren unter anderem Mitglieder relativ bekannter Bands, die allesamt kompetent und mit enorm viel Feeling ihren Job erledigt haben. So spielte etwa Graham Maby aus Joe Jackson's Band mit, ausserdem Jared Michael Nickerson von der Band BURNED SUGAR, Brian Doherty von THEY MIGHT BE GIANTS, Kevin Salem von GIANT SAND und DUMPTRUCK, Jimmy Lee, Alan Bezozi von MADDER ROSE und GIANT SAND und Knut Bohn von COWBOY MOUTH. Da Knut Bohn das Album auch gemixt hat, verströmt es stellenweise durchaus den sympathischen Independent-Charme von Cowboy Mouth. Dass mit den Gastmusikern Syd Straw (THE GOLDEN PALOMINOS, THE DB's), Marshall Crenshaw, Kenny Margolis (MINK DeVILLE, LITTLE BOB STORY), Dave Schramm (THE SCHRAMMS, YO LA TENGO), James MacMillan (YO LA TENGO, THE DB's) und Bob Rupe (THE SILOS, CRACKER, SPARKLEHORSE) einige prominente Künstler Schützenhilfe boten, machte dieses Album zu einem wahren Glanzstück des Americana und Roots Rock.

Und wenn das Plattencover dieses schwerelose Gefühl von Traurigkeit vermittelt, dieses wilde, unbearbeitete Stück Acker zeigt, das Freedy Johnston wohl verkauft hatte, um weiter Musik machen zu können und die unbeantwortete Frage "Kannst Du fliegen ?" im Raum stehen lässt, so darf man trotzdem nicht glauben, dass auf diesem hervorragend produzierten und gespielten Werk die Tristesse alle anderen Stimmungsfarben überdeckt. Nein, der letzte Song auf der Platte trägt den ebenso versöhnlichen wie hoffnungsvollen Titel "We Will Shine".







RICHARD BETTS - Highway Call (Capricorn Records CP 0123, 1974)

Was der Gitarrist der Allman Brothers Band auf dem 1973 erschienenen Meisterwerk "Brothers And Sister" bereits andeutete, setzte er im folgenden Jahr auf seinem ersten Soloalbum konsequent fort: Seine Vorliebe für die Countrymusik. Nicht erstaunlich, denn Richard "Dickey" Betts stammte aus einer musikalischen Familie, in welcher immer Musik gespielt wurde, hauptsächlich Bluegrass, Country, sowie Western Swing. Als Kind bereits an der Ukulele geschult, lernte er später nach und nach auch die Mandoline, das Banjo und die Gitarre zu spielen. Im Alter von 16 Jahren verliess er sein Elternhaus und begann zuerst im Grossraum Florida, mit der Zeit auch entlang der Ostküste und schliesslich im mittleren Westen der USA in verschiedenen Bands Erfahrungen zu sammeln, bevor er im Jahre 1967 zusammen mit seinem späteren Allman Brothers-Gefährten Berry Oakley die Formation SECOND COMING, seine erste eigene Band, gründete. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits mit später ebenfalls bekannt werdenden Musikern zusammengespielt und wichtige Erfahrungen gesammelt, beispielsweise in einer Band namens GROUP CALLED THE JOKERS, in welcher ein gewisser Rick Derringer mitmischte und den später zum Hit werdenden Rock-Song "Rock'n'Roll Hoochie Koo" spielte.

1969 traf Richard Betts auf den Gitarristen Duane Allman, welcher sich zu der Zeit einen Namen als hervorragender Studio-Gitarrist geschaffen hatte und daher von Otis Redding's Produzent Phil Walden gefördert wurde. Walden's Idee war, Duane Allman eine kompetente Begleitband zur Seite zu stellen, um dem Gitarristen ein passendes musikalisches Korstett zu verpassen, damit dieser seinen unglaublich virtuosen und hervorragenden Stil, die Gitarre zu spielen, einem breiteren Publikum zugänglich machen kann. Allman's soulig-bluesiger Spielstil war längst in aller Munde. Bei den dafür anberaumten Jam Sessions durch die beiden Allman Brüder Duane und Gregg wurde Berry Oakley als Bandmitglied verpflichtet, der seinen Kumpel Richard Betts gleich mitbrachte. Die Allman Brothers Band war geboren. Bis zum Album "Brothers And Sisters", dem grössten kommerziellen Erfolg der Gruppe, stand der Blues eher im Vordergrund, ausserdem der Hang der Gruppe zu langen Jams auf der Bühne, die manchmal den 30 Minuten-Rahmen locker sprengten (zum Beispiel die Songs "Whipping Post" oder "Mountain Jam". Einer dieser Longtracks stammte aus der Feder von Richard Betts und hiess "In Memory Of Elizabeth Reed", ein locker-flockiger Westcoast-Jam, der öfters mal die 20 Minuten-Marke überschritt und neben dem typisch laidbacken Rock-Sound der Band auch jazzige Elemente aufwies und der heute einen der herausragenden Songs der Band darstellt.

Als Duane Allman 1971 bei einem Motorradunfall ums Leben kam, übernahm Richard "Dickey" Betts die Rolle des Leadgitarristen und die Band schwenkte für die Aufnahmen zum Album "Brothers And Sisters" in eine eher von der Country Rock Musik beeinflusste Richtung, was sich beispielsweise in den später zu Millionen-Hits mutierenden Songs wie "Ramblin' Man" oder dem Instrumental "Jessica", das Dickey Betts seiner 1972 geborenen Tochter Jessica gewidmet hatte, niederschlug. "Jessica" war der grösste kommerzielle Hit der Allman Brothers geworden und es schien nur logisch, dass Richard Betts im Folgejahr, als er mit den Arbeiten zu seinem ersten Solo-Album begann, von diesem Sound inspirieren liess. Besonders das Stück "Ramblin' Man" hätte genauso gut von seinem Soloalbum "Highway Call" stammen können. Auf diesem wundervollen Soloalbum intonierte der Gitarrist und Sänger zusammen mit einer erlesenen Mannschaft ausgebuffter Session Musiker diesen lockeren und fröhlichen Country Rock, der zudem auch noch hervorragend aufgenommen war. Den routinierten Keyboarder Chuck Leavell brachte er gleich von den Allman Brothers mit. Klar, dass die instrumentalen Leistungen der Vollblutmusiker ihresgleichen suchten. Unterstützung bekam Betts noch durch das Country-Gesangstrio The Rambos sowie vom Bluesgrass-Quartett The Poindexters.

Das Album startete mit dem locker groovenden "Long Time Gone". Betts' einzigartige Stimme und seine wunderbar jubilierende Gitarre prägten diese und auch die folgenden Nummern. Das nachfolgende "Rain" war ähnlich angelegt wie "Long Time Gone" und folgte demselben hervorragenden Arrangement-Muster. Auch dieser Song zog den Zuhörer magisch in seinen Bann. Mit "Highway Call " folgte anschliessend der Titelsong der Platte: eine wunderschön inszenierte Ballade, die von der Weite von Amerika's Highways erzählte und von Sehnsucht förmlich durchflutet wurde. Chuck Leavell glänzte darauf mit einem federleichten Klavier-Solo, das herrlich gedankenverloren und völlig unangestrengt klimperte. "Let Nature Sing" war eine fast hymnenhafte Ode an die Schönheit der Natur. Durch die Mitwirkung der Poindexters mit ihren akustischen Instrumenten wirkte dieser Song am stärksten in der traditionellen Country Musik verhaftet.

Das fast die gesamte zweite Seite der LP füllende instrumentale Stück "Hand Picked" schliesslich war eine grandiose, über vierzehn Minuten lange, leicht jazzig arrangierte und im Western Swing-Stil vorgetragene Jam Session, wie sie stilistisch rockiger auch von den Allman Brothers Band immer wieder gerne ins Szene gesetzt wurde, mit dem Unterschied, dass hier teils klassische Country-Instrumente wie beispielsweise die hervorragend gespielte Geige von Vassar Clements in den teils langen Solis Akzente setzte. Auch Chuck Leavell und Richard Betts steuerten hier mit ihrem Klavier und der Gitarre hervorragende Soloarbeiten bei, welche "Hand Picked" zum Höhepunkt dieser fabelhaften Platte werden liessen. Zum Abschluss des Albums gab es dann mit "Kissimmee Kid" noch ein kleines weiteres Instrumental, das aber flotter gespielt wurde, obendrauf. Das Stück verwies auf den Ort Kissimmee in Florida und war von Geiger Vassar Clements komponiert worden.

Das Album "Highway Call" überzeugte von der ersten bis zur letzten Minute und bot eine hervorragend gespielte und ausgezeichnet arrangierte Sammlung toller Songs und Jams, die Richard Betts' Ruf als einer der grössten Gitarristen seiner Zeit bestätigten. Schade ist die Tatsache, dass sich Richard Betts in späteren Jahren nicht mehr auf ein musikalisch ähnlich ausgerichtetes Album hat hinreissen lassen. Seine weiteren Alben, zum Beispiel mit der Band Great Southern, waren stilistisch wieder näher am Sound der Allman Brothers, teilweise sogar noch stärker im Blues Rock verwurzelt. So blieb es leider bei diesem einen wundervollen magischen Moment aus dem Jahre 1974, auf welchem dieser wunderbare Sänger und Gitarrist die Messlatte hochschraubte im Bereich Country Rock.







FRANCIS CABREL - Des Roses & Des Orties
(Columbia Records 88697271472, 2008)

Francis Cabrel gehört seit vielen Jahren zu den modernen französischen Rock-Troubadouren, die eine individuelle Metamorphose vom anfänglich noch recht ausgeprägten Chanson Pop immer stärker hin zum Rock vollzogen haben. Vergleiche zu Jean Jacques Goldman's musikalischer Entwicklung kann man diesbezüglich durchaus erkennen. Der nahe seines Geburtsortes Astaffort lebende Sänger erfreut sich seit den 80er Jahren grosser Beliebtheit, nachdem ihm 1979 der Durchbruch mit dem Lied "Je l'aime à mourir" gelang. Durch seine eindrucksvolle Diskographie konnte er sich in der Folge bis heute einen festen Platz in der französischen Musikszene sichern. In der Reihenfolge der erfolgreichsten Alben in Frankreich seit 1968 steht sein dort 3,9 Millionen mal verkauftes Album "Samedi Soir Sur La Terre" auf Platz 2. Seine Musik zeichnet sich durch anspruchsvolle Harmonien und häufig einfühlsame Texte aus, denen er mit einer freundlichen, warmen Stimme und seinem typischen südfranzösischen Akzent Ausdruck verleiht. Aber auch Rock ’n’ Roll, Folk und Blues, die in seiner Jugend durch Musiker wie Neil Young, Leonard Cohen, Jimi Hendrix und insbesondere Bob Dylan ihren Einfluss nicht verfehlt haben, prägen bis heute sein Werk. So löste Dylans "Like A Rolling Stone" bei Francis Cabrel als Jugendlichem ein Hörerlebnis aus, das ihn veranlasste, seine erste Gitarre zu kaufen. Diese spielt bei seinen Rock- und Chansontiteln fast immer eine tragende Rolle, sei dies als akustische oder elektroische Gitarre, in jüngeren Jahren insbesondere auch das Dobro oder die Mandoline.

Seine Texte handeln stets vom Leben, einer bewusst traditionell ausgerichteten Lebensart und damit einhergehend ener gewissen Heimatverbundenheit, der Liebe und Freundschaft, üben aber auch oft soziale Kritik, wie zum Beispiel bezüglich Rassismus oder Stierkämpfen - zwei immer wieder aufgegriffenen Themen Cabrels. Seine Veröffentlichungen, spätestens seit des Millionen-Erfolges "Samedi Soir Sur La Terre" bestechen durch hervorragende Songs, perfekte Arrangements und einen hohen Qualitätslevel, weshalb seine Plattenfirma stets auch ziemlich hohe finanzielle Mittel zur Verfügung stellte für seine Produktionen. Einen solchen Millionenerfolg wie "Samedi Soir Sur La Terre" konnte der Musiker indes bis heute nicht mehr wiederholen, obgleich sich auch seine nachfolgenden, leider eher spärlichen Platten allesamt perfekt anhören und sehr abwechslungsreich und hervorragend produziert sind. 

Zu Cabrel's bekanntesten Liedern gehört das seiner Frau Mariette gewidmete "Petite Marie", mit dem er 1974 den Musikwettbewerb einer französischen Radiostation gewann. Daraufhin erhielt er beim französischen Ableger von CBS Records einen ersten Plattenvertrag. "Je l'aime à mourir", das zunächst in französischer Sprache auf dem Album "Les Chemins de traverse" erschien, wurde von Cabrel unter dem Titel "La quiero a morir" auf dem 1980 in Kolumbien erschienenen Album "Algo más de amor" in einer spanischen Fassung veröffentlicht. Eine Version dieses Liedes wurde von der kolumbianischen Sängerin SHAKIRA zweisprachig gesungen. "La Corrida", ein Pamphlet gegen den Stierkampf von seinem Erfolgsalbum "Samedi Soir Sur La Terre", wurde vom Berliner Strassenmusiker Felix Meyer gesungen. Cabrel ist auch ein überaus beliebter Duettpartner, zum Beispiel - und das ist naheliegend - vom musikalischen Verwandten Jean-Jacques Goldman, aber auch von den in Frankreich sehr beliebten Künstlern Daniel Lavoie, France Gall, Maxime Le Forestier, Isabelle Boulay oder Roch Voisine. Francis Cabrel gehört ausserdem zur Stammbesetzung der ENFOIRÉS. Cabrel hat nie Lieder in englischer Sprache aufgenommen, aber gelegentlich englische Songs mit eigenen französischen Texten versehen. Von mehreren seiner Lieder singt er spanische und italienische Versionen in Konzerten und veröffentlichte sie auch auf CDs. Ausserdem schreibt er Chansons für andere sehr erfolgreiche Künstler, so etwa für Patricia Kaas und Johnny Hallyday.

Das 2008 veröffentlichte Werk "Des Roses & Des Orties" (übersetzt: Die Rosen und die Nesseln) präsentiert insgesamt 13 hervorragend arrangierte Songs, von denen 10 aus der Feder von Francis Cabrel stammen und "La Robe & L'Echelle", "Mademoiselle L'Aventure" und "Des Gens formidables" neben den anderen Stücken drei herausragende Kompositionen darstellen, wie sie in dieser Perfektion und Ausdruckskraft nur von recht wenigen französischen Künstlern präsentiert werden. Das ganze Album besticht durch seinen exquisiten Klang, für den Sébastien Bramardi und Ludovig Lanen als ausführende Tontechniker und James Farber und Matthias Froidefont als Mixing Engineers verantwortlich zeichnen. Den letzten klanglichen Feinschliff erhielt das Album in seinem finalen Mastering vom renommierten Greg Calbi von den weltberühmten Sterling Sound Studios in New York.

Das Album spielt mit vielen verschiedenen Grundstimmungen. Cabrel wechselt oft seine Gitarren, weshalb alle Songs sehr abwechslungsreich klingen, dabei jedoch stets zusammenhalten und ein wundervolles Ganzes bieten. Neben seinen klasse Eigenkompositionen präsentiert der Musiker hier auch drei Fremdkompositionen, die er textlich umgearbeitet hat und in französischer Sprache singt. Aus dem Klassiker "Born On The Bayou" von CREEDENCE CLEARWATER REVIVAL wir so seine Variante "Né dans Le Bayou", aus J.J. CALE's Nummer "Mama Don't" wird Cabrel's Version "Madame n'aime pas" und schliesslich bedient er sich auch am Werk von BOB DYLAN, einem seiner grossen Vorbilder, von welchem er das Stück "She Belongs To Me" entlehnt und daraus "Elle m'appartient (C'est une Artiste)" entstehen lässt.

Cabrel bietet eine aussergewöhnlich breite Vielfalt an Instrumenten auf diesem Album und fast jeder Song erhält dadurch ein ganz individuelles, stets stimmiges Klangbild. Von Trompeten über das Akkordeon, diesem typischen Chanson-Instrument, hin zu verschiedensten Klangfarben von Gitarren und anderen Saiteninstrumenten und sogar, wie im Song "African Tour" präsentiert, einem grossen Orchester, dem Cabrel lediglich etwas Weniges an Perkussion und seine gefühlvolle Gitarre entgegenhält. Wenn der Musiker schliesslich im finalen "Elle m'appartient (C'est une Artiste)", der Dylan-Covernummer, mit seinem Dobro, einem sehnsüchtigen Akkordeon und einer Nylongitarre dieses wunderschöne Chanson-Flair versprüht, beendet er eine Platte, die rundum glücklich macht.