Apr 29, 2025


THRICE MICE - Thrice Mice! (Philips 6305 104, 1971)

Infiziert vom Fieber der Beatles-Mania beschlossen die Brüder Rainer und Werner von Gosen im Frühsommer 1966, eine Beat-Band zu gründen. In Flensburg geboren und in Hamburg aufgewachsen, besuchten sie dort das Alexander von Humboldt-Gymnasium im Ortsteil Harburg. Rainer und Werner, beide musikalisch durch Klavierunterricht vorgebildet, übernahmen Bass und Gitarre, ihr Mitschüler und Freund Arno Bredehöft spielte das Schlagzeug. Der Name Thrice Mice (dreimal Mäuse) liess auf ein gewisses Understatement schliessen, wollten die Jungs doch in die erste Liga der damaligen Bandszene aufsteigen. Möglichkeiten dazu boten die zu diesem Zeitpunkt überall stattfindenden Beat-Wettstreite, an denen die Band mit grossem Erfolg teilnahm.

Im August 1966 gewann sie den ersten Preis der Beat Band Battle der Hamburger Gymnasien. Veranstaltet vom Gymnasium Hamburg-Alsterdorf setzten sie sich gegen sechs weitere Konkurrenz-Bands durch. Das Hamburger Abendblatt fand für diese Veranstaltung folgende Schlagzeilen: "Dem Musiklehrer war die Beat-Schlacht zu laut" und "Schiedsrichter sass vor der Tür!". Im Verlauf des Artikels vom 24.August 1966 hiess es weiter: "Ohrenbetäubende Beat-Musik, ohrenbetäubender Beifall, 7 Beat-Bands aus Hamburger Gymnasien kämpften im Schweisse ihres Angesichtes um den ersten Preis der Beat Band Battle. Die Aula kochte. Nur einer schlich sich während der Schlacht aus der Tür. Dem Musiklehrer war es zu laut geworden. Dabei sollte er als sachverständiges Jurymitglied Preisrichter spielen. Das tat er auch, aber mit Distanz. Er setzte sich im Flur vor der Aula auf eine Bank und liess die Musik dort auf sich wirken. Als dann nach zwei Stunden der Lärm im Saal verebbt war, fällte er in aller Ruhe seinen Spruch. Sieger der Schlacht in der Aula: The Thrice Mice vom Humboldt-Gymnasium in Harburg".

Bemerkenswert war, dass Thrice Mice, obwohl nicht Schüler des veranstaltenden Gymnasiums, trotzdem siegten und die Bands des heimischen Gymnasiums auf die Plätze verwiesen. Dies war ein erster Hinweis auf den Ehrgeiz und das Können der drei Jungs. Der Sieg bei der Beat Battle brachte ihnen Ansehen in der auch zu diesem Zeitpunkt schon vielfältigen und bandreichen Hamburger Szene. Die Anerkennung erfuhr einen weiteren Höhepunkt, als Thrice Mice auch als Sieger im Beat-Wettstreit der Harburger Anzeigen und Nachrichten, einer grossen Hamburger Lokalzeitung, hervorgingen. Die Veranstaltung fand im Februar 1967 in der Harburger Friedrich Ebert-Halle vor ungefähr 1200 Zuschauern statt. 24 Bands waren angetreten. Thrice Mice siegten mit fast der Hälfte der Stimmen des Publikums und ein Jurymitglied, delegiert vom Hamburger Starclub, erklärte: "Für mich haben Thrice Mice am besten gespielt".

Die Veranstaltung fand ihr kongeniales Presseecho und der Musikkritiker Willi Hofmann versuchte sich an einer soziologischen und kulturhistorischen Erklärung: "Man muss betonen, dass der Gedanke, von solch offizieller Warte, wie es die Presse heute ist, zu der Volksbewegung des Beat Stellung zu nehmen, ausserordentlich zu begrüssen ist. Wie alle Volksbewegungen kommt der Strom von unten, von den undifferenzierten und schlichten Bewusstseinslagen. Das Naturereignis Beat ist ein riesiger Protest gegen die Zerfaserung der modernen Jazz-Musik, gegen alles Alte und Morsche und gegen Zwang und jegliches Korsett. Es funktioniert wie die Posaunen von Jericho, und es ist ein Wunder, dass die Ebert-Halle bei dem Lärm keinen Schaden nahm. Es ist auch ein Sieg des elektrischen Stromes, den man bekanntlich mühelos verstärken kann und in dem die Singstimmen untergehen, es ist uralte Magie und moderne Technik, Ekstase und Monotonie zugleich. In der stilistischen Enge der wenigen Akkorde und Rhythmen unterscheiden sich die Bands durch die persönliche Leistung. Das pausenlos Hämmernde und das Grelle entspricht der Pop-Art in der Malerei, ein Protest gegen alle pintige Leisetreterei. Keine Rede von Schwüle, es ist der Ausdruck des ganz Direkten ohne jede Umschweife, echtes Zeichen der Zeit doch im Wesen uralt. Die Jugend im Saal konsumierte den Lärm meist mit tiefernsten Gesichtern".

Ob die anwesenden Fans dies genauso empfanden darf bezweifelt werden. Jedenfalls fanden Rainer und Werner von Gosen nach der Veranstaltung vor ihrer Haustür Tulpen, die ihnen junge Anhängerinnen als Zeichen ihrer Verehrung gestreut hatten. Dies war jedoch nicht der einzige Lohn der schweisstreibenden Arbeit. Als Preis hatte der Veranstalter für die vier erstplatzierten Bands die Möglichkeit einer Schallplattenaufnahme ausgelobt, einer EP, auf der sie sich jeweils mit einem Titel präsentieren durften. Trice Mice entschieden sich für die Eigenkomposition "An Invitation". Dieser Titel, der in seiner Art etwas an The Who erinnerte, gab der Band die Möglichkeit, sich professionell durch Vorlage eines Tonträgers weiter nach oben zu arbeiten. Die EP wurde soäter zu einer sehr gesuchten Rarität. Die lokalen Erfolge der Band hielten an und Thrice Mice mussten eine Menge von Auftritten absolvieren, betreut vom dritten von Gosen-Bruder, Jürgen, der als Roadmanager der Band half. Ein Bruch in der Bandgeschichte erfolgte, als Werner von Gosen 1968 zur Bundeswehr eingezogen wurde. Arno Bredehöft erhielt zu diesem Zeitpunkt ein Angebot der Beathovens und verliess die Band für ungefähr ein Jahr. Als Ersatz kamen Gerhard Adlung als neuer Schlagzeuger und Hans-Hermann Jäger an der Orgel in die Band. Nach Beendigung des Wehrdienstes stieg Werner von Gosen wieder in die Band ein; Arno Bredehöft kehrte ebenfalls wieder zurück. Die Urbesetzung spielte wieder zusammen.

Die Band war sich zu diesem Zeitpunkt allerdings bewusst, dass die Dreierbesetzung ihrer Musik bestimmte Grenzen setzte, die nur durch weitere Bandmitglieder überwunden werden konnten. Mit Karl-Heinz Blumenberg (Gesang, Altsaxophon, Perkussion, Querflöte, Gitarre), Wolfgang Buhre (Tenor-, Alt- und Sopransaxophon, Klarinette und Perkussion) und Wolfram Minnemann (Orgel, Klavier, Gitarre) fanden sich drei kongeniale Mitstreiter. Alle Drei verfügten bereits über erhebliche musikalische Erfahrungen. Karl-Heinz Blumenberg hatte zuvor Jazz, Skiffle und Folklore gespielt; Wolfgang Buhre kam vom Jazz und hatte schon mit Chris Barber und Monty Sunshine sowie Albert Nicholas, einem berühmten Klarinettisten, Musik gemacht; Wolfram Minnemann, ebenfalls vom Jazz kommend, hatte zuvor mit einigen Mitgliedern der legendären City Preachers Folklore gespielt. Damit hatte sich die Besetzung gefunden, die Anfang 1971 das gleichnamige Album auf Philips Records veröffentlichte. 

Die musikalischen Lebensläufe der einzelnen Gruppenmitglieder veranschaulichen, welche verschiedenen musikalischen Strömungen und stilistischen Auffassungen nun unter einen gemeinsamen Hut gebracht werden mussten. Die Gruppe erarbeitete sich die Titel im Kollektiv. Nachdem in der Anfangszeit die übliche Beat- und Popmusik gespielt, dann sich am Soul versucht wurde, war dies nun Makulatur. Die Band sah durch das Nachspielen internationaler Hits die konsequente Linie zur eigenen Musik beeinträchtigt. Im Promotionstext der Rolling News ihrer damaligen Plattenfirma wurde der aktuelle Zustand zutreffend wiedergegeben. Dort hiess: "Heute stützt sich die Thrice Mice' Musik auf eine mittelschwere Rock-Basis, die allerdings sehr variabel ausgelegt ist. Jazzeinflüsse sind unverkennbar, ein klassisches Motiv lieferte ihnen ihren grossen Reisser "Vivaldi's Revival", mal eine Progressivfärbung, mal eine Blueswendung. Wir wollen uns keinen Stempel aufdrücken lassen, sagen Thrice Mice. Es gibt Gruppen, die erkennt man beispielsweise immer an ihrer Art Rhythmus. Das mag seine Vorteile haben, aber uns würde es einengen. Zumal jeder von uns mindestens zwei Instrumente spielt. Wir sind offen nach allen Seiten, und wir finden, dass wir dadurch eine Menge mehr ausdrücken können".

Wie sich das äussert, zeigte die Thrice Mice LP. Sie enthielt vier Stücke. Zunächst das erfolgreiche "Vivaldi". Dann "Jo Joe", die eigenwillige Lebensphilosophie eines Mannes, gegenwartsbezogen, aber ebenso sprunghaft wie diese Gegenwart. Für das dritte Opus stand eine Idee von Joachim Ringelnatz Pate: "Fancy Desire", die Geschichte vom Reh im Park, dass sich als Gipsfigur entpuppt. Und dann "Torekov", ein Stück mit einer ganz eigenartigen Story. Einige Mitglieder von Thrice Mice campierten in Schweden und freundeten sich dort mit einer hübschen Finnin an, die immer, wenn sie zärtlich wurde, in englischer Sprache die unwahrscheinlichsten Dinge erzählte. Die Erzählungen dieser Finnin verarbeite die Gruppe zum Textgerüst des Titels "Torekov", benannt nach dem Ort, wo damals die Zelte standen. Die Aufnahmen zum Album fanden im November und Dezember 1970 in den renommierten Windrose Dumont Studios in Hamburg statt. Zuvor hatte sich die Band auch überregional einen Namen gemacht. So trat sie als eine der wenigen deutschen Bands Ostern 1970 beim Pop- und Bluesfestival in der Hamburger Ernst Merck Halle auf, wo ihnen über 10000 Fans zujubelten.

Noch gigantischer war ihr Auftritt beim legendären Fehmarn-Festival vom 4. bis 6. September 1970, wo auch der letzte Live-Auftritt von Jimi Hendrix vor dessen Tod stattfand, als sie vor 25000 begeisterten Fans spielten. Der berühmte Alexis Korner hatte sie angekündigt und wenige Minuten später vor Begeisterung bei ihnen mitgespielt. Von diesem Auftritt wurden später zwei Titel für eine Wiederveröffentlichung des Albums auf CD verwendet, das beim Label Long Hair Music erschien. Thrice Mice hofften ihren Status als semi-professionelle Band mit dem ersten Album zu verbessern. Anfang 1972 läutete sich jedoch das Ende der Band ein, als Rainer von Gosen aus beruflichen Gründen nach Frankfurt verzog. Die verbliebenen Gruppenmitglieder versuchten mit wechselnden Besetzungen Thrice Mice am Leben zu erhalten, letztlich wurde aber die Auflösung der Band beschlossen. Werner von Gosen und Karl-Heinz Blumenberg spielten mit Altona zwei Alben ein. Nach Beendigung seines Engagements bei der Gruppe Altona kehrte auch Werner von Gosen dem Musikbusiness den Rücken. Karl-Heinz Blumenberg war später mit der Band Leinemann erfolgreich; Wolfgang Buhre blieb als Musiker aktiv; Wolfgang Minnemann verschlug es nach Portugal und Arno Bredehöft verstarb.






WALLENSTEIN - Cosmic Century (Kosmische Musik KM 58.006, 1973)
 
Im Spätherbst 1971 gründete der Kunststudent und klassisch ausgebildete Musiker Jürgen Dollase die Rockgruppe Blitzkrieg. Mit ihm rüsteten der amerikanische Gitarrist Bill Barone, der holländische Bassist Jerry Berkers und der deutsche Schlagzeuger Harald Grosskopf die Truppe auf. Noch vor dem Jahresende 1971 spielte das so entstandene Quartett die vier Themen der ersten Langspielplatte ein. Da eine britische Band den Gruppennamen Blitzkrieg ebenfalls für sich beanspruchte, entschied sich Jürgen Dollase für den Albumtitel "Blitzkrieg" und den neuen Bandnamen Wallenstein, nach dem gleichnamigen Feldherrn aus dem 30jährigen Krieg. Zwar kam bei "Blitzkrieg" manches schon von anderen Gruppen bekannt vor, das Ganze war aber sehr virtuos gespielt und zeigte auf, wozu die Rockmusik fähig sein konnte, wenn andere Musikrichtungen (hier vorzugsweise Klassik bis zu den modernen Im- und Expressionisten) nicht nur collagenhaft eingebaut, sondern in den Kompositionen weiterverarbeitet wurden. Dollase schuf aus dem Geist der Klassik eine Musik, die sich nur gelegentlich gewisser Formprinzipien der Musiktradition bediente.

Im Frühsommer 1972 nahmen Dollase, Barone, Berkers und Grosskopf das zweite Album "Mother Universe" auf, für dessen Plattenhülle die Grossmutter Dollases abgelichtet wurde. Die französische Popzeitschrift Best kürte "Mother Universe" zur LP des Monats, mit der Begründung, dass die Musik von Wallenstein einmalig seki, weil es der Band perfekt gelänge, eine Synthese von reiner, melodischer Musik und hartem, brutalem Rock und unfassbaren, an Wahnsinn grenzenden Empfindungen zu kredenzen. Innerlich zeigten sich Wallenstein jedoch immer wieder zerrisssen, und auch der grosse Durchbruch war nicht zu schaffen gewesen, weshalb sich der Bassist Jerry Berkers, der mit "Unterwegs" eine eigene Platte veröffentlichte, sich von Wallenstein trennte und in der Folge nur noch solo auftrat. In den nächsten Monaten gastierten Wallenstein mit der Show wie bei Alice Cooper - lackierte Fingernägel, geschminkte Gesichter (Pressetext) als Trio in der Schweiz und in Frankreich. TV-Auftritte im französischen, österreichischen und Schweizer Fernsehen schlossen sich an. Durch die Sendung 'Klatschmohn' und ein 70-minütiges WDR-Porträt wurden Wallenstein auch in Deutschland am Fernsehen vorgestellt. Vom Mai bis zum August 1973 bediente Dieter Meier den Wallenstein-Bass, danach kam Jürgen Pluta in die Band. Im Juni wurde der Geiger Joachim Reiser als fünftes Wallenstein-Mitglied integriert. Mit Pluta und Reiser spielten Wallenstein am 16. September 1973 auf dem German Rock Festival in Krefeld und waren dort eine der grossen Attraktionen. Noch im selben Jahr erschien "Cosmic Century", das dritte Wallenstein-Album und das erste Werk des Symphonischen Rock Orchester Wallenstein.

Nach langer Besinnungszeit spielten Wallenstein als letzte Gruppe des Labels Kosmische Musik im Januar 1975 das Album "Stories, Songs & Symphonies" ein, mit dem Bandchef Jürgen Dollase eine eigene Idee von allverbindender Musik zu verwirklichen suchte. Das Ergebnis, eine unharmonische Mischung aus Klassik, Jazz und Rock, fand jedoch beim Publikum keinen Anklang. Mitte 1975 verliess der Gitarrist Bill Barone die Band in Richtung USA, und auch der Schlagzeuger Harald Grosskopf (später gelegentlich Mitspieler von Klaus Schulze) trennte sich von Wallenstein. Mit den neuen Mitspielern Gerd Klöcker (Gitarre) und Nicky Gebhard (Schlagzeug) erschienen Wallenstein im Herbst 1975 auf einer sehr erfolgreichen Frankreichtournee. Im Frühjahr 1976 verabschiedete sich auch der Geiger Joachim Reiser. Danach wurde es wieder still um Wallenstein. Erst eine Herbsttournee - zu der auch ein gelungener Auftritt beim 'First Dortmunder Rockdream Festival' am 2. Oktober jenes Jahres gehörte - brachte die Band wieder ins Gespräch.

Musikalisch neu gewandet stellten sich Jürgen Dollase (Keyboards), Gerd Klöcker (Gitarre), Jürgen Pluta (Bass) und Nicky Gebhard (Schlagzeug) von Mitte April bis Ende Juni auf einer Deutschlandtournee vor, zu der auch ein Auftritt beim Deutschrock-Festival in Krefeld an Pfingsten gehörte. Auf der gleichzeitig erschienenen LP "No More Love" (dem auf der Plattenhülle abgebildeten Paar fehlten jegliche Geschlechtsteile) stellte sich das Quartett befreit vom Pathos vergangener Tage vor, blieb aber musikalisch flau und konzeptlos. Nach einem Konzert in Hildesheim am 26. Mai 1978 entliess Jürgen Dollase alle Mitspieler und bereitete mit neuen Musikern einen Richtungs- und Stilwandel vor. Mit Joachim 'Kim' Merz (Gesang), Pete Brough (Gitarre), Michael Dommers (Gesang), Terry Park (Bass) und Charly Terstappen (Schlagzeug) nahm er bereits Mitte 1978 zehn Eigenkompositionen auf, die mit den relativ kopflastigen ersten vier Wallenstein-Produktionen nicht zu vergleichen waren. Die Langspielplatte "Charline" machte deutlich, dass sich Wallenstein für einen kommerzielleren Weg mit gradlinigem Rock, einfacher Melodieführung und mehrstimmigen Gesang entschieden hatten.

Am 10. November stellte sich die neue Wallenstein-Besetzung mit dem aktuellen Pop/Rock-Repertoire erstmals öffentlich in der Mönchengladbacher Kaiser Friedrich-Halle vor. Ihr Auftritt am 7. Dezember beim Dortmunder 'Sound & Music Festival' wurde vom WDR aufgezeichnet und in der Rockpalast-Sendung vom 27.Dezember 1978 ausgestrahlt. Nach einer Frühjahrstournee 1979, bei welcher die Gruppe gefeiert wurde wie sonst nur ausländische Bands (Zeitschrift Pop), und einem Auftritt in der Musiksendung 'Disco' kam die Gruppe zu ihrem ersten und einzigen Singlehit: "Charline" kletterte bis auf Rang 17 in den deutschen Popcharts. Im Sog des Single-Erfolges gaben Wallenstein 1979 mehr als 200 Konzerte, so auch etwa am 12. August 1979 auf dem Loreley-Festival und dem Festival in Pforzheim. Dazu kam am 10. August 1979 ein TV-Auftritt in der Sendung 'Szene'. Auch die im Oktober veröffentlichte LP "Blue Eyed Boys" entstand nach dem neuen Dollase-Konzept: "Eine straight spielende Rhythmussektion, ein prägender Lead-Gesang und ein hervorragender Satzgesang". Der gefällig arrangierte und durchsichtig produzierte Pop-Rock war kommerziell überaus erfolgreich. So verkaufte auch die Single-Auskopplung "Don't Let It Be" mehr als 10000 Exemplare.

Ab 1.1.1980 waren Wallenstein bei EMI unter Vertrag. Dort erschien bereits im März das Album "Fräulein"; bestückt laut der Zeitschrift Musik Express mit Pop sauberster Machart. Die Band promotete das neue Songmaterial auf einer grossen Deutschlandtournee und besuchte, gemeinsam mit den Scorpions, auch die Benelux-Länder, Frankreich, Österreich und die Schweiz. Zwischenzeitlich setzte sich der Gitarrist Pete Brough ab, um in Südafrika ein Mitglied der Gruppe Clout zu heiraten. Jürgen Dollase, Texter, Komponist und Produzent aller Wallenstein-Werke, war 1980 Gastdozent an der Pädagogischen Hochschule Aachen. Mit der gegen Ende 1980 veröffentlichten Single "Lady In Blue" kam es zum ersten kommerziellen Einbruch. Auch das Album "Sssss ... top", obwohl deutlich Rock-orientierter konzipiert und weitgehend spieltechnisch hervorragend gestaltet, konnte am schwindenden Hörerinteresse nichts ändern. Von März bis Juni 1981 gingen Wallenstein letztmalig auf Tournee. Dann wurde die Band, wie zahlreiche andere auch, von der Neuen Deutschen Welle überspült. Mit englischen Texten, erkannte Dollase, war nichts mehr zu machen. Die 1982 gestarteten Versuche mit deutschen Textzeilen blieben in der Schublade. Ende 1982 schloss Dollase das Kapitel Wallenstein ab: "Ich denke gern daran zurück, weil ich immer von dieser Musik gelebt habe. Aber nun bin ich froh, dass Schluss ist".


Anfang der 80er Jahre erwachte Jürgen Dollase's Faible fürs Kochen und Geniessen durch einen Besuch in dem Pariser Künstler-Restaurant La Coupole. Daneben widmete er sich ab 1988 intensiv der Malerei, zeigte jedoch seine Ölgemälde keinem Galeristen. Seit etwa 1993 wuchs auch sein Interesse am Kochen. Johannes Gross, der damalige Herausgeber der Zeitschrift Capital, ermutigte ihn in den 90er Jahren zu Publikationen auf dem Gebiet der Gastronomiekritik. Bald darauf begann er mit seiner Tätigkeit als Restaurantkritiker. Er arbeitete unter anderem mit den Meisterköchen Hans Stefan Steinheuer und Ingo Holland zusammen an einem Buchprojekt sowie 2007 mit Joachim Wissler für eine Kochdokumentation im Fernsehen. Dollase veröffentlicht seit 1999 regelmässig gastrosophische Kolumnen und Artikel. Den Anfang machten von 1999 bis 2004 kulinarische Texte und Gastronomiekritiken auf der Seite Stil des Feuilletons der FAZ. Von 2004 bis 2016 schrieb er dort die wöchentliche Kolumne 'Geschmacksache'. Seit 2002 schreibt Dollase auch für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung Gastronomiekritiken (Kolumne 'Hier spricht der Gast') und Serien wie 'Das besondere Restaurant'.

Von 2010 bis 2014 kamen eine kulinarische iPhone-App, von 2010 bis Ende 2015 die Online-Kolumne Esspapier (mit einer wöchentlichen Buchrezension) dazu. Neben der Arbeit für die FAZ schrieb Dollase für den Feinschmecker von 2002 bis 2010 die Serie 'Küchengeheimnisse', deren Rezepte und Analysen teilweise im Feinschmecker-Bookazine Nr. 9 (mit Harald Wohlfahrt) zu finden sind. Ebenfalls im 'Feinschmecker' schrieb er von 2002 bis 2010 die Kolumne 'Wiederbesucht'. In der Kunstzeitung erschien von 2007 bis 2008 die dem Schaffen von Spitzenköchen gewidmete Serie 'Telleranalyse' und von 2008 bis 2009 die Serie 'Fast Forward', die die Kochavantgarde untersuchte. 2008 begann Dollase auch die Zusammenarbeit mit der neu in deutscher Sprache erschienenen Weinzeitschrift 'Fine European Wine Magazin' mit der Serie 'Wein und Speisen'. Seit 2009 schreibt er für das vierteljährlich erscheinende, von Fotograf Thomas Ruhl herausgegebene Magazin 'Port Culinaire' eine Serie über die Avantgarde-Küche.