Oct 25, 2023


SAVOY BROWN - Raw Sienna (Decca Records SKL 5043, 1970)

Die bereits aufgrund des überraschenden Erfolges ihres Albums "A Step Further" in den USA bestrittenen Konzerte zahlten sich für Savoy Brown weiterhin aus. Trotzdem entschied sich die Band um Mastermind Kim Simmonds und den brillianten Sänger Chris Youlden dazu, ein weiteres Album erneut in ihrer Heimat England aufzunehmen. Durch ein bereits früher geschlossenes Agreement zwischen ihrer Plattenfirma Decca Records und dem amerikanischen Parrot Label waren schon im Vorfeld der nächsten Aufnahmen die Weichen gestellt: Sowohl Decca wie Parrot gaben schon grünes Licht für die Veröffentlichung des fünften Albums von Savoy Brown, bevor überhaupt klar war, welche musikalische Richtung das nächte Werk einschlagen würde. Ein Arbeitstitel für das kommende Projekt war von Anfang an bestimmt: "Raw Sienna". Die spätere endgültige Veröffentlichung trug dann ebenfalls diesen Titel.

Durch die feste Zusage bereits im Vorfeld der Aufnahmen fühlten sich die Musiker schliesslich ermuntert, die Aufnahmen zwar wiederum  in ihrer Heimat England einzuspielen, jedoch in den USA zu mixen und mastern. So entstand das erste quasi 'amerikanische' Album der Gruppe. Die Songs wurden im Recorded Sound Studio im Londoner West End aufgenommen. Der finale Mixdown und das Mastering fand jedoch auf der anderen Seite des grossen Teichs statt, und zwar im Bell Sound Establishment im Big Apple, dem Herzen New Yorks. Die Idee war, den Songs ein unverwechselbar amerikanisches Feeling angedeihen zu lassen, und damit einhergehend einen weiteren Schritt weg vom typisch britischen Bluesrock zu vollziehen. Ob sich dies kommerziell auszahlen würde, war jedoch alles andere als sicher, denn der Vorgänger "A Step Further" erwies sich in den USA als grosser Erfolg: Das Album schaffte am 13. September 1969 den Einstieg in die Billboard Top 200 Charts, kletterte bis auf Position 71 und hielt sich insgesamt 14 Wochen in den Billboard Charts.

Durch die geplante, verstärkte Neuausrichtung auf den amerikanischen Musikmarkt entschieden sich Kim Simmonds und Chris Youlden dazu, die neue Platte nicht mehr von Mike Vernon, dem Top-Produzenten von Decca Records, produzieren zu lassen, sondern "Raw Sienna" selbst zu produzieren. Eine gewagte Entscheidung, die ein grosses Risiko darstellte, waren doch die Namen Mike Vernon und Savoy Brown bislang untrennbar miteinander verbunden. Trotzdem wagten Savoy Brown diesen Schritt, der auch eine Zäsur in der bisherigen Arbeitsweise bedeutete, denn Kim Simmons setzte bei den Songs zum "Raw Sienna" Album verstärkt auf Jam-Elemente, und bei diesen vor allem auf amerikanische Jazz-Muster. Das Kompositions-Gerüst war ebenfalls neu: Es gab auf "Raw Sienna" nicht mehr wie zuvor Kollaborationen zu hören etwa zwischen Kim Simmonds und Chris Youlden. Stattdessen trugen beide Musiker unabhängige eigene Kompositionen bei, welche die Band im Verbund arrangierte und einspielte. Ein Novum waren auch die Brass- und Streicher-Elemente.

Bei den Songs des Albums zeigte sich, dass Chris Youlden's Kompositionen wesentlich zugänglicher ausfielen: "A Hard Way To Go" bot einen wunderbar lockeren Jazz-Schmiss, "Needle And Spoon" geriet zu einer Art jazzigem Blues, "A Little More Wine" war grossartiges Jam-Feeling und "I'm Crying" ein opulent mit Brass-Instrumenten arrangierter Jazzrock-Song. Die coolste Nummer jedoch war "Stay While The Night Is Young", ein verhaltener, dennoch fiebriger Crooner-Titel, den Chris Youlden meisterlich inszenierte. Das finale "When I Was A Young Boy" wiederum fügte dem jazzigen Grundton noch eine kleine Prise Folk-Würde bei. Kim Simmonds zeigte sich mit seinen Beiträgen wesentlich experimentierfreudiger. "Master Hare" präsentierte sich als waschechter Brass Rock mit Jam-Einlagen: Sehr viel Verve und eine exzellente Gitarrenarbeit - ein Instrumental-Titel, perfekt zugeschnitten auf den Bandleader. "That Same Feelin'" erinnerte an den Jazzrock des ersten Blodwyn Pig Albums, während "Is That So", erneut ein Instrumental, als fast reiner Jazztitel genannt werden darf dessen Kern im Grunde von Simmonds' subtiler Solo-Spielweise lebte.

"Raw Sienna" erschien am 25. April 1970 zuerst in den USA (ein Novum bei einem Savoy Brown Album), bevor es am 8. Mai 1970 auch in England veröffentlicht wurde. Den Achtungserfolg des Vorgängers "A Step Further" konnte das neue, jazzige Album nicht wiederholen. "Raw Sienna" sollte sich zwar 18 Wochen lang in den US-Charts halten, kam aber nicht über Rang 121 hinaus. Noch schlechter sah es in ihrer Heimat England aus. Dort konnte die Platte den Sprung in die Charts nicht schaffen. Trotzdem veröffentlichte Decca Records in England neben dem Album auch eine Single. Dazu wählte sie den LP-Opener "A Hard Way To Go" und fügte als B-Seite einen Song der Vorgänger-LP hinzu: "Waiting In The Bamboo Grove". Promotet wurde die Platte in England leider kaum, es fanden lediglich ein paar Konzerte statt, einige davon im Verbund mit Ten Years After und Jethro Tull, mit welchen sich Savoy Brown das Konzertmanagement, die Chrysalis Agency, teilten. Erfolgreicher waren wie zu erwarten ihre Auftritte in den USA, die kurz darauf folgten. 

Die langen Reisen quer durch die Staaten setzten der Band langfristig jedoch zu, was schliesslich dazu führte, dass Chris Youlden sich aus der Band verabschiedete. Er reiste noch während der laufenden US-Tour zurück nach England, wo er einige Monate später beim Label Deram Records (das zum Decca Konzern gehörte) einen Solo-Plattenvertrag unterzeichnete, in deren Folge er zwei  Alben veröffentlichte, die von den Musikkritikern zwar hochgelobt wurden, jedoch völlig erfolglos blieben (Nowhere Road" 1972, "City Child" 1973). Chris Youlden drehte danach der Musikszene für lange Zeit den Rücken. Er opferte seine beruflichen Ambitionen als Musiker, um einen Abschluss in Soziologie zu machen. Erst mehr als eine Dekade später tauchte er in London's Bluesszene wieder auf, diesmal jedoch weit unter dem Radar irgendwelcher Kritiker, sang unter anderem in der hervorragenden Band von Shakey Vick mit, war als Gastsänger auf einem Album des Bluesgitarristen Mick Pini zu hören (Mick Wildman Pini, 1989) veröffentlichte mit Musikern aus Shakey Vick's Band auch ein weiteres 'Band'-Album unter dem Namen Waydown ("Greek Street", 2005).

Chris Youlden präsentierte nebenbei eine ganze Reihe meist sehr guter weiterer Soloalben, die jedoch allesamt kaum zur Kenntnis genommen wurden, wie zum Beispiel das Werk "Mantico", das er 1993 als eine Art Comeback verstanden haben wollte und dafür sogar eine eigene Band gründete mit dem Namen The Big Picture, die sich jedoch mangels Erfolg bald wieder auflöste, genauso wie sein nächstes Band-Projekt Maxwell Street, das es immerhin noch auf ein Mini-Album brachte ("Movin' Along", 2002). Mit The Slammers gab es noch ein weiteres Band-Projekt von Chris Youlden, das zwar brilliante Rhythm'n'Blues- und Bluesrock-Aufnahmen einspielte, für die sich jedoch kein Label fand. Die Aufnahmen wurden erst 2018 beim Kleinstlabel The Last Music Company erst- und einmalig in kleinster Auflage unter die Fans gebracht. Erwähnenswert ist letztlich noch sein Soloalbum "Second Sight" aus dem Jahre 1994, das zustande kam dank der grosszügigen Unterstützung von Uwe Tessnow (Line Records). Das Album enthielt einige hochkarätige Songs, die Chris Youlden scheinbar immer noch locker aus dem Hemdsärmel schütteln konnte, schreckte aber viele Musikhörer ab wegen der teilweise sehr kalten digitalen Produktion. Trotzdem lohnt sich hier ein Reinhören auf jeden Fall.

Es ist eigentlich ein Jammer, dass Kim Simmonds und Chris Youlden nicht weiter zusammen musiziert haben, da wäre ganz bestimmt noch das eine oder andere grossartige Projekt aus der Taufe gehoben worden. "Raw Sienna" gehört definitiv zu den besten Werken der Gruppe Savoy Brown.






Oct 1, 2023


MOON SAFARI - Blomljud (Blomljud Records BRCD002, 2008)

Wer dermassen unverschämt melodiöse Musik wie dieser schwedische Fünfer macht, der darf sich schon mal des Vorwurf erfreuen, er spiele Dosenöffner-, Verzeihung Frauenversteher-Musik. So einschmeichelnde und schwelgerisch-romantische Klänge hört man - zumindest im Bereich des progressiven Rocks, zu welchem die Band eigentlich gezählt wird - eher selten, und ich schwanke bei der Beurteilung dieser Musik eigentlich zwischen Kuschel- und Sunshine Prog-Pop, aber was es vielleicht ganz gut trifft, ist 'Schmuse-Prog'. Das gibt's nicht ? Okay, dann hab ich das jetzt eben grade erfunden. Manche Passagen dieses Albums erinnern von den mehrstimmigen Gesangs-Arrangements her nicht selten an die Beach Boys, während die Musik, die oftmals alleine durch die Dominanz lieblicher akustischer Gitarren und einem äusserst luftigen Klavier selbst in lebhafteren Passagen an Barclay James Harvest oder - etwas aktueller betrachtet - an den wundervoll romantischen Prog-Sound von The Pineapple Thief erinnert. Aber vor allem sind diese fünf Herren einmal Hippies, und zwar Hippies der ganz alten Schule, die ihre Joints noch selber drehen, textinhaltlich dem Landleben verpflichtet und dabei auch schon mal in einem Song mit dem Titel "Yasgur's Farm" dem Mann Tribut zollen, der 1969 fast einer halben Million Hippies sein Land zur Verfügung gestellt hat, auf welchem dann ein Musik-Festival über die Bühne ging, das unter dem Namen "Woodstock" noch heute Heerscharen von Musikern jüngeren oder älteren Jahrgangs ungebrochen als Quelle der Inspiration dient. Ausserdem ist gerade der Song "Yasgur's Farm" hier auch eine Brücke zwischen dem damaligen 'Uncle Sam' und den Hetzern und Provokateuren von heute, die längst nicht mehr nur mit Waffengewalt Gesinnung in die Köpfe der Menschen trichtern, sondern vor allem durch Worte, denen man sich auch nur mit Worten entgegenstemmen kann: "Mother we'll build a different world, the revolution is here we'll start with words...I'm a messenger of everlasting love".

Die Gruppe Moon Safari besteht aus Simon Akesson (Gesang, Klavier, Hammond Orgel, Moog Synthesizer, Mellotron), Petter Sandström (Gesang, Akustik-Gitarre, Mundharmonika), Pontus Akesson (6- und 12-saitige Akustik-Gitarren, elektrische Gitarre und Percussions), Johan Westerlund (Bass, Gesang) und Tobias Lundgren (Schlagzeug, Percussions und Gesang). Auf ihrem Album "Blomljud" kommen noch einige Gastmusiker hinzu, so die Cellistin Mona Falk, der Geigen- und Flötenspieler Mans Axelsson-Ljung, der Pedal Steel Gitarrist Anders Pettersson, Perkussionist Andreas Persson und Anthon Johansson, der eine zusätzliche elektrische Gitarre im Stück "Yasgur's Farm" spielt. Reizvoll im Sound der Band ist vor allem die öfters arrangierte Kombination von akustischer Gitarre und Moog Synthesizer. In diesen extrem schönen Momenten klingt die Gruppe wie hoffnungslos aus der Zeit katapultiert und man wähnt sich beim Zuhören in der Tat inmitten einer wohlriechenden Blumenwiese, in welcher alles Hektische, Stinkige und Krankmachende, das unsere heutige Gesellschaft so bereithält, um uns innerlich abzustumpfen und kaputt zu machen, durch Moon Safari's sonnige und fröhliche musikalischen Streicheleinheiten komplett ausgeblendet werden kann.

Die Gruppe wurde 2003 gegründet und stammt aus Skelleftea (Schweden), wo sie schon nach relativ kurzer Zeit ihres Bestehens ein Demo Tape aufnahm, das die Aufmerksamkeit von Tomas Bodin der Band The Flower Kings erregte. Dank ihm und seinen Connections konnte die Gruppe 2005 ihr erstes Album realisieren. Unter dem Titel "A Doorway To Summer" lieferte die Band ein Konzeptalbum, das sich im weitesten Sinne mit den beiden Begriffen "Sommer" und "Sonne" und der Hoffnung auf die Vernunft der Menschen in Bezug auf das Sorge tragen zu lebenswichtigen Ressourcen auseinandersetzte. "Blomljud" ("Blumenmusik"), das drei Jahre später als Doppelalbum erschien, knüpfte an diese Art des Konzepts an und nahm sich die Blumen- und Pflanzenwelt zum zentralen Inhalt und deren Wichtigkeit im Zusammenhang mit dem Schutz der globalen Vegetation. Selbst biblischer Themen nimmt sich die Gruppe bisweilen an, vor allem in Bezug auf eine mögliche Apokalypse. Oft aber bedient sich die Band ganz alltäglicher Themen, wie zum Beispiel im Song "The Other Half Of The Sky", in welchem die Band davon berichtet, dass in den Sternen geschrieben steht: "How come people claim they want to live forever, when at work they can't wait for the day to end ? On Friday night you reset you are drinking to forget all the worries of the week. Dead men on their feet, they have pulse but they have no heartbeat, just a shadow on the street." Das ist wahrlich sehr bodenständige Poesie im Hier und Jetzt. Im Zusammenhang mit der Musik wirkt das allerdings alles andere als anstrengend, mahnend oder gar gefährlich. Nein, die Band lullt den Zuhörer musikalisch perfekt ein - der aber gerade dadurch vielleicht intensiver und aufmerksamer die Message der Songtexte verinnerlichen kann.

Am schönsten passt dies im Song "Bluebells" (Glockenblumen) zusammen. Hier kriegt der Zuhörer einen mächtigen Ohrwurm zu hören, der sofort zum mitsingen animiert, lieblich und traumhaft mehrstimmig arrangiert ist, und beim genaueren Hinhören einen Text serviert, der diesen leicht biblischen Hintergrund, jedoch auch wieder eine Art mahnende Poesie offenbart: "Dancing on the feet of a miracle, while winter's growing cold. Life seems almost cynical in the gardens of green and gold, while the apples of eden calling me, I sometimes just can't believe, that man was made a replica of someone else's dream." Und die zentrale Botschaft für das gesamte Doppelalbum liefert sie Band schon im A Capella vorgetragenen Intro zum ersten Song "Constant Bloom": "We promised you gardens made of green, yet we're lost in this tune, just men of the moon, that sing for a world of constant bloom". Die Gruppe schaut also vom Mond herunter auf die Erde und betrachtet und analysiert, wie die Menschen schleichend sich selber kaputt machen, indem sie ihr natürliches Habitat vergiften. Schön gemacht und plausibel erzählt. Dazu noch musikalisch wundervoll verpackt.

Wer es sich vorstellen kann, den sonnigen Pop der Beatles und die mehrstimmigen Gesangs-Arrangements der Beach Boys mit progressiven Rock-Elementen beispielsweise von Genesis, Marillion oder The Pineapple Thief zu vermischen, für den dürfte die Gruppe Moon Safari ein dicker Tipp sein. Wenn zur inneren Grundhaltung noch ein bisschen Hippie sein dazu kommt, umso besser...dann passt das ganz bestimmt.



 

JEFFERSON AIRPLANE - Bark (Grunt Records FTR-1001, 1971)

Als die Musiker, die einst als letzte offizielle Besetzung der Band Jefferson Airplane agierten, dieses Album 1971 veröffentlichten, war die Band bereits stark zerrissen, woran auch die Lancierung eines eigenen Plattenlabels nichts änderte. Geplant war dieses Album bereits im Herbst 1970, und zwar als Mix aus Studio- und Live-Stücken. Am 4. Oktober 1970, als die Band auf einer Tournee war, stiess die Gruppe auf den Violinisten Papa John Creach und hievten ihn mit ins Boot. Er spielte darauf an einigen Konzerten der Band mit und wurde zum festen Mitglied. Sein Geigenspiel stellte eine Bereicherung für den Bandsound dar, stiess aber nicht bei allen Mitmusikern auf Gegenliebe. Gründungsmitglied, Sänger und Komponist Marty Balin gab seinen Ausstieg aus der Band noch während der Tournee bekannt, und auch zu bereits geplanten Aufnahmen zu einem neuen Album steuerte er nichts mehr bei, obwohl aus seiner Feder einige der Stücke stammten, die eigentlich hätten eingespielt werden sollen. Ausserdem stiess mit Joey Covington ein neuer Schlagzeuger zur Gruppe, welcher den bisherigen Drummer Spencer Dryden ablöste. Covington trat bereits auf dem Vorgänger Album "Volunteers" als Gastmusiker in Erscheinung, indem er zu zwei Stücken die Congas beisteuerte.

Das musikalisch auffälligste Merkmal der späteren Platte "Bark" war, dass diesmal alle Bandmitglieder kompositorisch in Erscheinung traten, was sich in einer relativ hohen stilistischen Vielfalt der Musik manifestierte. Da der Leadgitarrist Jorma Kaukonen zusammen mit Bassist Jack Casady zuvor bereits mit der Band Hot Tuna aktiv war, erfuhren ihre Beiträge zur "Bark" LP einen unterschwellig bluesigen Touch, was neben den eher psychedelischen Songs aus der Feder von Grace Slick (Beispiel "Never Argue with a German If You're Tired or European Song") oder Joey Covington (die A Capella Nummer "Thunk") für frischen Wind sorgte und die Platte wesentlich interessanter und bodenständiger klingen liess, als dies beispielsweise bei den beiden vorherigen Studiowerken der Gruppe der Fall war. Ausserdem boten Jorma Kaukonen mit seinem Song "Wild Turkey" und Paul Kantner mit "War Movie" auch dem Neuzugang Papa John Creach eine ausgezeichnete Plattform, sein Geigenspiel akkurat einzubringen und sich als gute Wahl und grosse Bereicherung in Szene zu setzen.

Geplant waren etliche Songs für das Album, die letztlich jedoch nicht eingespielt, oder wenn, dann schlussendlich nicht für die endgültige Fassung des Albums berücksichtigt wurden. So zum Beispiel eine Live-Version eines im Sommer 1970 als Solo-Single von Sängerin Grace Slick veröffentlichtes Stück mit dem Titel "Mexico", das als Single allerdings kein Erfolg war, weshalb die Band diese Idee schon bald verwarf. Ebenso wurde eine Live-Version des Titel "Have You Seen The Saucers ?" verworfen (die B-Seite dieser Single). Das Stück wurde später in einer anderen Live-Variante auf dem Live-Album "Thirty Seconds Over Winterland" berücksichtigt. Beide Stücke, "Mexico" und "Have You Seen The Saucers" kann man in diesen Live-Versionen lediglich auf der erwähnten 45er von Grace Slick hören, weshalb diese Single heute recht gesucht ist. Interessant ist auch, dass Marty Balin zwei Songs zum Album beitragen sollte, nämlich "You Wear Your Dresses Too Short" und "Emergency", die ebenso nicht realisiert wurden wie Peter Kaukonen's Titel "Up Or Down" (den Balin singen sollte), sowie die beiden Songs "Whatever The Old Man Does (Is Always Right)" und "The Man (The Bludgeon of the Bluecoat)". Bei Letzterem handelte es sich um einen Rhythm'n'Blues-Titel als Hommage an Rubén Salazar, einem Journalisten, der sich vehement gegen den Vietnam-Krieg einsetzte und der von einem Polizisten während einer Kundgebung erschossen wurde.

Stattdessen lieferten die beteiligten Musiker einige neue, teils hervorragende Songs für das Album, von denen vor allem die beiden aus der Feder von Paul Kantner stammenden Titel "When The Earth Moves Again" und "Rock And Roll Island" einen bemerkenswert offenen und lockeren Bezug zum melodiösen Rock, resp. Rock'n'Roll zeigten, wohingegen das aus der gemeinschaftlichen Feder von Covington, Kaukonen und Casady stammende "Pretty As You Feel", das auch als Single veröffentlicht wurde, klar die Handschrift des Latin Rocks von Carlos Santana trug, welcher bei dem Stück auch mitspielte, zusammen mit seinem Santana-Mitmusiker Michael Shrieve. Erwähnenswert ist auch das von Grace Slick geschriebene, äusserst merkwürdige und ziemlich schräge Stück "Never Argue with a German If You're Tired or European Song", das in seiner Grundstruktur klar dem psychedelischen Poprock der vergangenen Jahre huldigt, aufgrund seiner teilweise doch ziemlich misslungenen pseudo-deutschen Sprachfetzen eher belächelt werden kann. Auf der anderen Seite liefert aber gerade Grace Slick mit einer zweiten Nummer mit dem Titel "Crazy Miranda" auch einen stillen Höhepunkt dieses Albums - das ist diese typische leicht verträumt-säuerliche Folk-Psychedelik, für welche die Sängerin seit Jahren gschätzt wurde.

"Bark" war in den Augen der Kritiker einerseits ein zerrissenes Album mit wenig zusammenhängenden Strukturen, andererseits aber auch gefeiert als das angeblich innovativste Album seit "After Bathing At Baxter's" (Kommentar zum Album vom legendären Musikkritiker Lester Bangs). Für mich war es stets ein Album, das die psychedelische Zeit perfekt reflektierte und als spätes Werk noch einmal aufzeichnet, wie locker und unangestrengt Hippiemusik sein konnte. Auf der anderen Seite hat das Album aber auch aufgezeigt, dass sich nicht nur innerhalb der Musikszene in Kalifornien, sondern auch innerhalb der Band Jefferson Airplane musikalische Veränderungen ankündigen. Nach einer weiteren, leider eher wenig berauschenden Platte mit dem Titel "Long John Silver" (1972), welche im Grundsatz der Vielseitigkeit der "Bark" LP folgte, jedoch über wesentlich weniger kompositorische Highlights verfügte, sowie einem nachgereichten Live-Album im Jahre 1973 ("Thirty Seconds Over Winterland"), das leider nicht ganz die Reputation erhielt, das es eigentlich verdient gehabt hätte (denn live war die Gruppe auch in jenen Tagen noch immer ein Garant für tolle Musik), stieg im Jahre 1974 mit der neu formierten Band Jefferson Starship ein neues Sternen-Vehikel auf, das über wesentlich mehr Bodenhaftung verfügte als das manchmal doch etwas verschwurbelte Luftschiff Jefferson Airplane. Aber das ist eine andere Geschichte.