Feb 26, 2018


BRANFORD MARSALIS - Random Abstract (Columbia Records C 44055, 1988)

Für all jene, die nach einem Album suchen, das nur ein Vehikel ist, um ihre technischen Fähigkeiten zu zeigen, ist dies nicht das passende Album. Für jene Leute aber, die nach einem Album suchen, das das höchste Niveau der Musik darstellt, die zu jener Zeit produziert wurde, ist "Random Abstract" etwas vom qualitativ besten, was man aus dem Bereich Jazz finden kann. 1987 aufgenommen, zu der Zeit, als die Jazzmusik für längere Zeit in eine andere Richtung ging, konzentrierte sich "Random Abstract" auf das, was einige heute als Mainstream bezeichnen würden. Als das dritte von Branford Marsalis veröffentlichte Jazz-Album gab es Hinweise darauf, dass inzwischen ein über einige Jahre gereifter Künstler entstanden war. Nicht nur der Klang, sondern auch seine Fähigkeit, Melodien zu kreieren, die ganz für sich stehen konnten, ohne die Hilfe einer Band, die sie unterstützen würde, strahlten die Titel auf diesem Album.

Branford Marsalis wurde als der angesehenste lebende amerikanische Jazz-Instrumentalist genannt. Während er vor allem für seine Arbeit im Jazz als Leiter des Branford Marsalis Quartetts bekannt ist , tritt er auch häufig als Solist mit klassischen Ensembles auf und hat die Gruppe Buckshot LeFonque angeführt. Marsalis wurde in Breaux Bridge, Louisiana als Sohn von Dolores (geb. Ferdinand), einem Jazzsänger und Ersatzlehrer, und Ellis Louis Marsalis, Jr., einem Pianisten und Musikprofessor, geboren. Seine Brüder Jason Marsalis , Wynton Marsalis , Ellis Marsalis III und Delfeayo Marsalis und Vater Ellis sind ebenfalls Jazzmusiker. Mitte der 80er Jahre, während er noch Student an der Berklee College of Music war, tourte Marsalis in einem grossen Ensemble unter der Leitung von Schlagzeuger Art Blakey als Alt- und Baritonsaxophonist. Weitere Big Band Erfahrungen mit Lionel Hampton und Clark Terry folgten im Laufe des nächsten Jahres, und Ende 1981 schloss sich Marsalis am Altsaxophon seinem Bruder Wynton in Blakey's Jazz Messengers an . Weitere Auftritte mit seinem Bruder, darunter eine Japan-Tournee 1981 mit Herbie Hancock führten zur Gründung des ersten Quintetts seines Bruders Wynton, wo Marsalis seinen Schwerpunkt auf Sopran- und Tenorsaxophone legte. Er arbeitete weiterhin mit Wynton bis 1985, eine Zeit, in der auch seine erste eigene Aufnahme, "Scenes In The City" veröffentlicht wurde, sowie Gastauftritte mit anderen Künstlern wie Miles Davis und Dizzy Gillespie.

1985 schloss er sich Sting, dem Sänger und Bassist der Rockband Police, zu dessem ersten Soloprojekt "The Dream Of The Blue Turtles" an, neben den Jazz- und Session-Musikern Omar Hakim am Schlagzeug, Darryl Jones am Bass und Kenny Kirkland am Keyboard. Er wurde Stammgast in Stings Line-Up, sowohl im Studio als auch bis zur Veröffentlichung von "Brand New Day" im Jahre 1999. 1994 erschien Marsalis auf der CD "Stolen Moments: Red Hot & Cool" der Red Hot Organization. Das Album, das auf die AIDS-Epidemie in der afroamerikanischen Gesellschaft aufmerksam machen sollte, wurde von der New York Times zum Album des Jahres gewählt. Im Jahre 1988 spielte Marsalis in dem Spike Lee Film 'School Daze', präsentierte auch mehrere musikalische Zwischenspiele für die Musik in dem Film. Seine geistreichen Kommentare hatten ihn an viele denkwürdige Einzeiler im Film gebunden. Von 1992 bis 1995 war Branford der Leiter der Tonight Show Band in der Tonight Show mit Jay Leno. Anfangs lehnte er das Angebot ab, aber später überlegte er und akzeptierte die Position. Er wurde schliesslich als Bandleader der Ersatz für den Gitarristen Kevin Eubanks. Zwischen 1990 und 1994 spielte Branford mehrmals mit der Gruppe The Grateful Dead.

Sein 1988 erschienenes Album "Random Abstract" enthielt mehrere Beiträge zu einigen der wichtigsten Erkennungsmerkmale von Branfords Spielweise. Die zwei denkwürdigsten waren "Crescent City", eine Hommage an John Coltrane's Periode von 1963/1964, und seine "Stare Play Beans" Version von "I Thought About You". Es war offensichtlich, dass Branford in seinem Herzen einen grossen Platz für Ben Webster hat, wenn er ein ganzes Stück spielt, das so detailtreu dem Original folgt. Ausserdem bot das Album eine fabelhafte Version von Wayne Shorters "Yes And No". "Yesterdays" war ebenfalls ein Highlight, nicht nur wegen der Gruppen-Kohäsion als Einheit, sondern auch wegen des ungewöhnlich langsamen Tempos des Titels. "Broadway Fools" swingt von Anfang bis Ende, besonders der Bass des damals aufstrebenden Delbert Felix.

Marsalis veröffentlichte 1997 eine zweite Buckshot LeFonque Aufnahme. Sein Hauptinteresse galt seit 1996 seinem Quartett, seiner klassischen Performance und seiner Ausbildung. Mit dem ursprünglichen Mitglied Jeff 'Tain' Watts am Schlagzeug kam der Bassist Eric Revis Hurst im Jahre 1997, und der Pianist Joey Calderazzo wurde ein Mitglied nach Kirklands Tod im Jahr darauf. Das Branford Marsalis Quartett absolvierte ausgedehnte Tourneen und Aufnahmen und erhielt 2001 einen Grammy für das Album "Contemporary Jazz". Zwei Jahrzehnte lang war Marsalis mit der Plattenfirma Columbia Records verbunden , wo er zwischen 1997 und 2001 als kreativer Berater und Produzent für Jazzaufnahmen tätig war, unter anderem als Saxophonist bei David S. Ware für zwei Alben. Marsalis legte seit der Veröffentlichung seines Albums "Creation" im Jahre 2001 mehr Wert auf klassische Musik. Auftritte mit Symphonieorchestern und Kammerensembles weltweit wurden nach und nach zu einem wichtigen Teil seiner Reiseroute. Im Oktober und November 2008 tourte Marsalis mit der 'Philarmonia Brasileira' durch die USA, wo er Musik des brasilianischen Komponisten Heitor Villa-Lobos vortrug, arrangiert für Solo-Saxophon und Orchester. Dieses Projekt erinnerte an den 50. Todestag des Komponisten.

Im Jahre 2002 gründete Marsalis sein eigenes Label Marsalis Music. Der Katalog umfasste Künstler wie Claudia Acuña, Harry Connick Jr., Doug Wamble, Miguel Zenón und präsentierte Alben von Mitgliedern der Marsalis-Familie. Branford Marsalis hatte sich auch an College-Ausbildung beteiligt, hielt Vorträge an verschiedenen Universitäten in den US-amerikanischen Bundesstaaten Michigan (1996-2000), San Francisco (2000-2002) und an der North Carolina Central University (2005 bis heute). Nach dem Hurrikan Katrina im Jahr 2005 gründeten Marsalis und Harry Connick, Jr. in Zusammenarbeit mit dem örtlichen 'Habitat for Humanity' das 'Musicians Village' in New Orleans, wobei das 'Ellis Marsalis Center for Music' das Herzstück bildete. Im Jahre 2012 erhielten Marsalis und Connick den S. Roger Horchow Award für den grössten öffentlichen Dienst von einem privaten Bürger, eine Auszeichnung, die jährlich von 'Jefferson Awards' vergeben wird. Im September 2006 wurde Branford Marsalis vom Berklee College of Music zum Ehrendoktor für Musik ernannt . Während seiner Annahmezeremonie wurde er mit einem musikalischen Tribut-Beitrag  geehrt, welcher die Musik seiner gesamten künstlerischen Karriere zusammenfasste.





Feb 25, 2018


THE HANDSOME FAMILY - Unseen (Milk & Scissors Records M&S001, 2016)

Das Ehepaar Sparks, das sich The Handsome Family nennt, wurde sowohl als Alternative Country Duo, als auch als Traditionalisten bezeichnet, aber ihre oft dunkle Musik liegt wahrlich in einem einzigartigen Raum irgendwo dazwischen und vermischt die Klänge von traditionellem Country und Bluegrass und insbesondere von sogenannten 'Murder Ballads' (Mordballaden) in eine moderne Klanglandschaft. Der Sänger und Komponist Brett Sparks stammt aus Texas, wo er Musik studierte und kurzzeitig an den Ölplattformen arbeitete. Mitte der 90er Jahre lebte er mit seiner Frau Rennie Sparks, einer Romanautorin aus Long Island, in Chicago. Brett überredete Rennie dazu, Songtexte für ihn zu schreiben, was zu der ungewöhnlichen und auffälligen Form der Lieder der Handsome Family führte - evokative Szenen und kurze Geschichten (sowohl Tagtraum- als auch Geistergeschichten) anstelle der Standard 'Strophe-Chor-Strophe' Struktur.

Das Debütalbum der Handsome Family mit dem Titel "Odessa" erschien im Januar 1995 auf dem Independent Label Carrot Top Records. Diese erste im sogenannten 'Home Recording' Verfahren (alle Alben der Handsome Family wurden in ihrem eigenen Wohnzimmer aufgenommen) hatte leichte Punk-Schattierungen, die auf ihren folgenden Alben nicht zu hören waren. "Odessa" hatte leider nur wenige Wellen gemacht, bis auf das Verbot einiger Radiosender, bezogen das zweite Stück "Arlene", das von einer Frau handelt, die zu Tode geprügelt wird. Das nächste Werk kam im Mai des folgenden Jahres heraus, und die Handsome Family machte sich auf den Weg, um ihre neue Veröffentlichung "Milk And Scissors" mit möglichst vielen Live-Auftritten zu promoten. Sie tourten zuerst mit Wilco durch die USA und dann weiter nach Europa für Shows in Österreich, Deutschland und der Schweiz. Mit "Milk And Scissors" hatte das Duo ihre bisherigen Rock-Kanten gegen traditionelle Country-Sounds eingetauscht. Das resultierende Album wurde von den Kritikern gelobt, erwies sich aber wiederum als nicht sonderlich verkaufsträchtig.

In der folgenden Zeit erlebten die beiden Musiker einige negative Erfahrungen. Brett erlitt während dieser intensiven und kräftezehrenden Zeit des Dauer-Tourens einen emotionalen Zusammenbruch, bei der eine Hospitalisierung die erschütternde Diagnose 'manisch-depressiv' ergab. "The Trees", ebenfalls auf Carrot Top Records im Januar 1998 erschienen, war das dritte Album der Handsome Family, und wurde unter dem Eindruck dieser persönlichen Schwierigkeiten geschrieben und aufgenommen. Die rohe, emotionale Qualität der Texte, die sich mit der Dunkelheit der alltäglichen Tragödie auseinandersetzen, wurde in Bretts trockenem Bariton umgesetzt, der oft von traditionelleren Country-Klängen getragen wird. Mit dieser Aufnahme kam die Handsome Family letztlich zu ihrem individuelle eigenen Sound und erhielt dadurch endlich auch breite Aufmerksamkeit. "Through The Trees" wurde die beste lokale Veröffentlichung und in den Top Ten von 1998 von grossen Chicagoer Zeitungen gewürdigt, aber die Aufmerksamkeit ging weit über die lokale Presse hinaus. Das Album wurde sowohl von Online-Magazinen als auch von Printmedien gelobt.

"Through The Trees" sollte sich als bahnbrechendes Album der Handsome Family erweisen, das in den nächsten Jahren immer beliebter wurde und es Brett und Rennie Sparks ermöglichte, ihre Jobs an den Nagel zu hängen und sich ganz auf ihre Musik zu konzentrieren. Nach der Veröffentlichung des Albums begann das Duo extensiv zu touren, trat regelmässig in Europa auf und tourte zweimal durch die USA - einmal mit den Mekons. Auf der Welle dieses Erfolges erschienen zwei Jahre später die etwas leichteren und natürlicheren Sounds von "In The Air" (Carrot Top Records, 2000), mit Gastauftritten von Jeff Tweedy von Wilco und dem Geiger Andrew Bird, ehemals von Squirrel Nut Zippers. Die Handsome Family unterstützte die Veröffentlichung ihres vierten Albums mit einer einmonatigen Europa Tournee, gefolgt von einer Konzertreise entlang der Westküste der USA. Ein Dokument ihres Sounds zu dieser Zeit findet sich in ihrem 2002 erschienenen Album "Live At Schuba's Tavern".

Das Duo veröffentlichte 2003 "Singing Bones", gefolgt von "Last Days Of Wonder" im Jahre 2006 und dem uncharakteristisch fröhlichen "Honey Moon" im Jahre 2009. Die 2013er Veröffentlichung "Wilderness" widmete die Handsome Family der Natur. 2014 erlebte die Handsome Family einen unerwarteten Glücksfall, als ihr Stück "Far Away From Any Road" vom Album "Singing Bones" als Titelmusik für die gefeierte TV-Dramaserie 'True Detective' ausgewählt wurde und der Gruppe ein grösseres Publikum bescherte als je zuvor. Das Lied wurde später auch in einer Episode der 'Simpsons' gezeigt, und Guns N 'Roses verwendeten es als Ouvertüre für eine Konzertreise von 2014, die aber auch das Einzige darstellt, was die beiden Gruppen gemeinsam haben. Im Jahre 2016 veröffentlichte die Handsome Family ihr elftes Studioalbum "Unseen" über ihr inzwischen lanciertes eigenes Milk & Scissors Label.

"Unseen" geriet wieder recht dunkel und erinnerte etwas mehr an ihre Anfangszeit, enthielt wieder einige bemerkenswerte, in bester Nick Cave Tradition ausgearbeitete 'Murder Ballads', aber insgesamt pendelte der Sound sehr ausgewogen zwischen persönlicher Alltags-Tragik und sehnsuchtsvoller Americana-Lockerheit, die manchmal auch schon mal eine Steel Guitar wimmern liess oder die Düsterheit der anderen Songs für einige Minuten vergessen liess. Die Handsome Family blieb allerdings bis heute leider vom grossen Publikum unentdeckt, was sich aber in den nächsten Jahren vielleicht noch ändern kann. Die Handsome Family lohnt sich unbedingt, entdeckt zu werden.









Feb 24, 2018



SAVOY BROWN - Looking In (Decca Reords SKL 5066, 1970)

Die britische Blues Band Savoy Brown, angeführt von Gitarrist Kim Simmonds, verlor Mitte 1970 ihren Leadsänger Chris Youlden, mit welchem die Band einen extravaganten und charismatischen, auch Jazz-affinen Frontmann in ihren Reihen hatte. Youlden wurde vorderhand nicht ersetzt und die Band machte als Quartett weiter, indem der zweite Gitarrist Lonesome Dave Peverett den zusätzlichen Part des Sängers übernahm.

War der Vorgänger von Anfang 1970 noch recht jazzlastig ausgefallen ("Raw Sienna"), so fiel dieser zusätzliche musikalische Input hier fast gänzlich weg. Praktisch ohne grössere Verzögerung nahm Kim Simmonds mit den drei verbliebenen Musikern dieses Werk im Sommer 1970 in Angriff und es dauerte nicht lange, als die Band die vorbereiteten Songs im Recorded Sound Studio in London unter der Regie von Paul Tregurtha in Angriff nahm. Mit Tregurtha war derselbe Tontechniker mit der Aufnahme betraut worden, der schon den Vorgänger "Raw Sienna" aufgenommen hatte, und der zuvor schon für die Band Steamhammer am Mischpult sass.

Das Album "Looking In" erschien am 6. November 1970 in England, nachdem es zuvor bereits Anfang Oktober in Amerika auf den Markt kam. Eigentlich ein Kuriosum, da Savoy Brown eine englische Band war. Angesichts der Tatsache aber, dass sie in Amerika weitaus grösseres Ansehen genoss, durchaus nachvollziehbar. Die wachsende Popularität in Amerika und das kaum beachtet werden im eigenen Land verstärkte sich in späteren Jahren noch zusätzlich, weshalb die Gruppenmitglieder ihr Domizil denn auch in die Staaten verlagerten.



Die Platte bot nur noch wenige Jazz-Anleihen, etwa im Titelstück, das einen recht perkussiv angelegten leichten Funk-Groove präsentierte, wohingegen Stücke wie "Leavin' Again" oder "Poor Girl" auch mit der reinen Blues-Ausrichtung brachen und vermehrt Rockmustern folgten. Das Werk kann in der langen Historie der Gruppe um Kim Simmonds als eine Art Uebergangswerk bezeichnet werden, da nach dieser Platte nach Chris Youlden auch die hier mitwirkenden Musiker ihren Leader verliessen, um in Amerika die später äusserst erfolgreiche Blues Rock Band Foghat zu gründen.

Kim Simmonds richtete seine Musik in der Folge einmal mehr neu aus und fand in ehemaligen Mitgliedern der Bands Chicken Shack und Idle Race neue Mitstreiter, mit welchen er zur kommerziell erfolgreichsten Phase seiner Band Savoy Brown starten konnte, die ihm mit den weiteren Alben "Street Corner Talking", "Hellbound Train" und "Lions Share" insbesondere in den USA grosse Popularität bescherte. Kim Simmonds zog daraufhin konsequenterweise den Stecker in seiner Heimat und siedelte nach Amerika über.

Aus dem "Looking In" Album wurde das Stück "Poor Girl" als Single ausgekoppelt (Decca Records DL 25444) und erhielt kurioserweise mit "Master Hare" als B-Seite einen Titel, der noch vom Vorgänger-Album "Raw Sienna" stammte. Es handelte sich dabei um einen Instrumental-Titel ohne den Gesang von Chris Youlden oder Lonesome Dave Peverett und erinnerte noch einmal an die kurze jazzige Phase der Gruppe.


Feb 23, 2018


XTC - Oranges & Lemons (Virgin Records V 2581, 1989)

XTC waren eine englische Rockband, die 1972 in Swindon gegründet wurde und bis 2006 aktiv war. Angeführt von den Songwritern Andy Partridge und Colin Moulding gewann die Band in den 70er Jahren Popularität mit dem Aufkommen von Punk und New Wave und spielte später in verschiedenen Stilen von kantigen Gitarrenriffs bis hin zu aufwändig arrangiertem Pop. Zum Teil, weil die Gruppe nicht in die aktuellen Trends passte, konnten sie den kommerziellen Erfolg in Grossbritannien und den USA leider nicht nachhaltig genug aufrechterhalten. Sie haben seitdem eine beachtliche Fangemeinde angezogen und sind für ihren Einfluss auf Britpop und später Power Pop- Acts bekannt. Partridge (Gitarre, Gesang) und Molding (Bass, Gesang) trafen sich Anfang der 70er Jahre in einem Plattenladen und gründeten anschliessend mit dem Schlagzeuger Terry Chambers eine Glitterrock-Band. Der Name und das Line-Up der Band änderten sich häufig und sie wurden erst 1975 als XTC bekannt. 1977 debütierte die Gruppe bei Virgin Records und war in den nächsten fünf Jahren für ihren ironischen Punkrock und energische Live-Auftritte bekannt. Sie strebten danach, völlig originell zu sein und weigerten sich, der Punk-Doktrin zu folgen, sondern brachten Einflüsse aus dem Pop der 60er Jahre, der Dub-Musik und der Avantgarde zusammen. Partridge, XTC's Frontmann und primärer Songwriter, bestand darauf, dass die Band nur Popmusik mache. Einen erweiterten künstlerischen Anspruch stellte er in Abrede.

Nach 1982 stoppte die Band das Konzertreisen und wurde zu einem Studio-basierten Projekt, das sich auf Partridge, Molding und den Gitarristen Dave Gregory konzentrierte. Sie produzierten zunehmend idiosynkratische Aufnahmen, darunter "The Big Express" (1984), "Skylarking" (1986), "Oranges & Lemons" (1989), "Nonsuch" (1992) und "Apple Venus Volume 1" (1999). Eine Spin Off Gruppe, die Dukes Of Stratosphear, wurde als einmalige Exkursion in die Psychedelia der 60er Jahre erfunden, aber als sich die Musik von XTC weiterentwickelte, nahmen die Unterschiede zwischen den beiden Bands ab. Von 1993 bis 1997 befand sich die Gruppe in rechtlichen Schwierigkeiten und weigerte sich, Musik aufzunehmen für Virgin Records, unter Berufung auf einen schlechten Plattenvertrag . Im Jahre 2006 gab Partridge bekannt, dass seine kreative Partnerschaft mit Moulding aufgelöst wurde und XTC in der Vergangenheitsform verbleiben würde. Im Jahre 2017 hatten sich Molding und Chambers dann doch als Duo TC & I wiedervereint. Partridge und Gregory blieben musikalisch aktiv. Das bekannteste Album von XTC, "Skylarking", galt allgemein als das beste seiner Art. Sie hatten insgesamt 18 Alben in den englischen Top 40, einschliesslich der Singles "Making Plans For Nigel" (1979) und "Senses Working Overtime" (1982), sowie die Alben "Black Sea" (1980) und "English Settlement" (1982). In den USA wurden sie auch mit dem Titel "The Ballad Of Peter Pumpkinhead" von 1992 bekannt.

Für ihr Album "Oranges & Lemons" reisten XTC nach Los Angeles, um einen preiswerten Studio-Preis zu nutzen, der von Paul Fox arrangiert wurde, der von der Band für seinen ersten Produktionsauftritt rekrutiert wurde. Um das Album zu unterstützen, trat Partridge XTC für eine amerikanische Akustikgitarren-Tour bei, die im Mai zwei Wochen dauerte. Gregory: "Es war eine interessante Art, auf die Platte aufmerksam zu machen, aber es war unglaublich harte Arbeit, da wir Gitarren und Gepäck über drei Wochen in bis zu vier Radiosender am Tag schleppten. Es gab ausserdem ein Live Acoustic-Set für MTV vor einem Publikum, sowie einen Auftritt in der berühmten Late Night Show von David Letterman. Eine ähnliche akustische Tournee war für Europa geplant, aber wieder abgesagt worden. "Oranges & Lemons" war das elfte Studioalbum von XTC, veröffentlicht im Jahre 1989. Der Name des Albums entstammte einem alten englischen Kinderreim, der auch in dem Song "Ballet For A Rainy Day" auf ihrem vorherigen Album "Skylarking" zitiert worden war. "Oranges & Lemons" war XTC's zweites Doppelalbum nach "English Settlement" von 1982.

Die Band wurde nach Los Angeles geschickt, um das Album aufzunehmen, und Paul Fox wurde für seinen ersten Produktionsauftritt rekrutiert. Das Album warf drei Singles ab: "Mayor Of Simpleton", "King For A Day" und "The Loving". Das Albumcover, entworfen von Andy Partridge mit Dave Dragon und Ken Ansell von 'The Design Clinic', war direkt von einem 1965er WOR-FM 98.7 Radio-Werbeplakat von Milton Glaser inspiriert. Während "Oranges & Lemons" häufig mit der Musik der 60er Jahre verglichen wird, insbesondere mit den Beatles (in den Worten eines Rezensenten: "Die Melodien verbiegen normalerweise Beatles-artigen Pop in kantige Asymmetrien"), waren viele weitere stilistische Einflüsse auf dem Album zu hören, beispielsweise Trommelklänge aus dem Nahen Osten zu jazzigen Trompeten und Zairischen Soukous. Der psychedelische Opener "Garden Of Earthly Delights" zeigte arabische Muster, "Poor Skeleton Steps Out" dagegen einen Samba- artigen Rhythmus, Glockenspiel und zahlreiche verlangsamte Stimmen. "Hold Me My Daddy" beinhaltete ebenfalls einen Samba-artigen Rhythmus, ebenso wie südafrikanisch anmutende Chor-Teile und eine Afro-Pop-Attitüde. "Miniature Son" wurde als Jazz Fusion- Track beschrieben, während weitere Songs klassischen Psychedelic Pop im Jangle Stil boten.

Das Album war auch als limitierte 3-Mini-CD- Box (CDVT2581) erhältlich, mit einer etwas anderen Titel-Reihenfolge (Wechsel der Positionen von "Cynical Days" und "Across This Antheap"). Ausserdem, weil "Poor Skeleton Steps Out" die zweite CD dieser Ausgabe eröffnete, begann der Song sauber und nicht überblendet vom vorherigen Song "The Loving". Ein Mobile Fidelity Sound Lab vergoldetes "Ultradisc" CD-Remaster (UDCD 682) wurde 1997 veröffentlicht. Auf der 2001 remasterten CD-Ausgabe war "Garden Of Earthly Delights" neu bearbeitet worden, "King For A Day" erhielt einen alternativen Mix (mit mehr Low End-Effekten) und "One Of The Millions" hatte eine kürzere Einleitung."Oranges & Lemons" wurde ausserdem im Jahre 2015 von Steven Wilson für Stereo und 5.1-Surround-Sound von den ursprünglichen analogen Bändern remixed. "Oranges & Lemons" war mit einem Rang 28 in den britischen LP-Charts das kommerziell erfolgreichste Album der Band, allerdings auch das am kontroversesten diskutierte. Viele Fans und Kritiker bemängelten die stilistische Ueberdosis und hielten das Werk einerseits für überambitioniert, aber auch für überproduziert. Mancher Musikkritiker wies auch auf die Alben von The Dukes Of Stratosphear hin: Unter diesem Pseudonym veröffentlichten XTC ebenfalls eine musikalisch ähnliche Mixtur, vielleicht noch etwas stärker auf psychedelische Elemente fokussiert. Viele Fans betrachteten die Dukes-Alben insgesamt als interessanter. Der Schriftsteller Chris Dahlen bezeichnete den Stil von XTC als 'Punk trifft Buddy Holly auf Amphetamin.




Feb 22, 2018


MIKE OLDFIELD - Hergest Ridge (Virgin Records V2013, 1974)

"Hergest Ridge" war das weitgehend instrumentale Nachfolgewerk, das von Mike Oldfield nach seinem überwältigenden Erfolg mit dem Debutalbum "Tubular Bells" im Frühjahr 1974 komponiert, produziert und grösstenteils wieder selbst eingespielt hatte. Das Album erreichte auf Anhieb Platz eins der britischen Charts und wurde nach drei Wochen von seinem Vorgänger "Tubular Bells" abgelöst, was ausser ihm nur den Beatles und Bob Dylan gelang. Nachdem Mike Oldfield mit dem wegweisenden Erfolg von "Tubular Bells" eher zu seinem Unbehagen im Rampenlicht stand, zog sich der Zwanzigjährige aufs Land zurück, um an seinem nächsten Werk zu arbeiten. Das Resultat war "Hergest Ridge", benannt nach einem Hügel im Grenzgebiet zwischen Herefordshire und Wales in Sichtweite seiner Unterkunft.

Um dem doppelseitigen Medium LP gerecht zu werden, war auch "Hergest Ridge" wie zuvor schon "Tubular Bells" in zwei Parts unterteilt. Anders als der Vorgänger baute die Komposition allerdings nicht auf einer Vielzahl von Themen auf, die im schnellen Wechsel nacheinander vorgestellt wurden, vielmehr wurden Themen sparsam eingesetzt und ausgiebig durchgeführt, das heisst variiert. Kennzeichnend für den Klang des Albums war gegenüber anderen Oldfield-Werken eine besonders wäldlich-idyllische Ausrichtung, die durch die behutsame Themenvariation sowie die überwiegend akustische Instrumentierung begünstigt wurde. Einen Kontrastpunkt zum Idyll stellte der hektische Thunderstorm-Part im zweiten Satz dar, bei dem angeblich über 60 Gitarrenspuren gleichzeitig zu hören waren.

Bei der Einspielung wandte Oldfield insbesondere zur Realisierung von repetitiven Klangtexturen innovative Aufnahmetechniken an. So setzten sich einige dieser Texturen aus Gitarrenspuren zusammen, welche, um einen orgelähnlichen Sustain-Effekt zu erhalten, mit hoher Lautstärke eingespielt und dann mit Hilfe von Overdubbing-Technik bei reduzierter Lautstärke übereinandergelagert wurden. Weitere Klangtexturen basierten auf verschiedenen Orgel-Sounds und Chorgesang. Laut dem Co-Produzenten Tom Newman wurden Teile des Albums in den Manor Studios in Chipping Norton eingespielt, in denen bereits das Album "Tubular Bells" aufgenommen worden war. Gemixt wurde die ursprüngliche Fassung des Albums in den Air Studios in London.

1976 wurde "Hergest Ridge" von Mike Oldfield für das vierteilige LP-Set "Boxed" Quadrofonie-fähig gemacht und im Zuge dessen editiert und neu abgemischt. Ein Abschnitt des Thunderstorm-Teils im zweiten Satz sowie einige Tonspuren mit Instrumenten wurden entfernt, dafür erhielten andere im Gesamtpegel eine Aufwertung. Im Anschluss äusserte Mike Oldfield den Wunsch, dass diese Version fortan auf allen weiteren Veröffentlichungen des Albums verwendet werden sollte. Das hatte zur Folge, dass neben späteren Neupressungen auf LP und Kassette auch sämtliche Veröffentlichungen auf CD die Boxed-Version enthielten. Eine remasterte Bootleg-Version des Original-Mixes befand sich nach einiger zeit hauptsächlich im Internetumlauf. Nachdem David Bedford, ein Vertrauter Oldfields aus der Canterbury-Szene, bereits eine Orchesterfassung zu "Tubular Bells" erarbeitet hatte, arrangierte und dirigierte er auch die Orchestralversion zu "Hergest Ridge", die zwar mehrfach aufgeführt, aber im Gegensatz zu "The Orchestral Tubular Bells" niemals offiziell veröffentlicht wurde. Allerdings wurden Auszüge daraus im Dokumentarfilm 'The Space Movie' verwendet.

Am 11. Juni 2010 erlebte die ursprüngliche Version von 1974 eine Wiederveröffentlichung auf CD und auf LP. Gleichzeitig wurde die 2010 neu abgemischte Version in der Deluxe Edition in Stereo und Dolby Surround veröffentlicht. Auch das damals darauf folgende Album "Ommadawn" wurde an diesem Termin neu veröffentlicht. Während die neue Version von "Ommadawn" das alte Cover beibehielt, bekam 2Hergest Ridge" ein neues, welches den gesamten namensgebenden Berg aus der Vogelperspektive zeigte. Der Landstrich um den Hügel Hergest Ridge an der englisch-walisischen Grenze entwickelte sich mit der Zeit zu einem beliebten Reiseziel für Mike Oldfields Fangemeinde. Das Haus, in dem er zeitweise lebte, 'The Beacon', ist heute ein Gasthaus. Das Coverbild zeigte ein von Trevor Key angefertigtes und effektverfremdetes Foto von Hergest Ridge. Der darauf abgebildete Irish Wolfhound trug den Namen Bootleg. "Hergest Ridge" stand später immer ein wenig im schatten der beiden wesentlich bekannter gebliebenen Alben "Tubular Bells" und "Ommadawn", steht den beiden Werken qualitativ allerdings in kaum etwas nach.


Feb 21, 2018


THE QUIREBOYS - Twisted Love (Off Yer Rocka Recordings OYR035, 2016)

Den Grundstein für die Quireboys legte der damals 17-jährige Sänger Jonathan 'Spike' Gray bereits im Jahre 1984, als er von Newcastle Upon Tyne nach London zog und dort auf den Gitarristen Guy Bailey traf. Nächster im Bunde wurde der Bassist Nigel Mogg, ein Neffe von UFO-Sänger Phil Mogg, dem bald der Schlagzeuger Paul Hornby (der wenig später The Dogs D’Amour gründete) und Chris Johnstone am Klavier folgten. The Queerboys, wie sie sich zuerst nannten, starteten ihre Karriere im renommierten Marquee Club und bauten sich in London und Umgebung mit ihrem stark vom Rhythm & Blues beeinflussten Hard Rock schnell eine treue und stetig wachsende Fangemeinde auf. Nachdem die Band 1987 das Angebot bekam, auf dem Reading Festival zu spielen, falls sie ihren Namen ändern würde, tauften sie sich in The Quireboys um.

1989 durften sie als Vorband von Guns N’ Roses im Hammersmith Odeon in London spielen. Auch Auftritte als Vorgruppe von Hanoi Rocks und Yngwie Malmsteen wurden absolviert. Als Ozzys Ehefrau Sharon Osbourne wenig später das Management für die Quireboys übernahmen, stand die Band für ihr Debütalbum "A Bit Of What You Fancy" bei EMI Records unter Vertrag. Das Album erschien 1990, nachdem es bereits 1989 durch die Single "7 O'Clock" promotet wurde. Auf der anschliessenden Tournee zu diesem Album spielte die Band unter anderem mit Soundgarden, Iggy Pop und den L.A. Guns Konzerte. Auf ihren Touren rund um den Globus schnitten sie ihr erstes Livealbum "Recorded Around The World" mit und machten sich dann an die Arbeiten zum zweiten Album. Gemeinsam mit dem Produzenten Bob Rock nahmen sie "Bitter Sweet & Twisted" auf, gingen aber in der aufkommenden Grunge-Welle unter. Zwar spielten sie mit Guns N' Roses auf deren 'Use Your Illusion'-Tour, doch dann fiel die Formation 1993 überraschend auseinander.

Zur ersten ernst zu nehmenden Reunion kam es, als Spike, Gitarrist Guy und Bassist Nigel einen Neustart im Jahre 2001 wagten. So folgte das dritte Album "This Is Rock'n'Roll", auf dem Luke Bossendorfer an der Gitarre und Martin Henderson am Schlagzeug debütierten. Das Album wurde jedoch auf dem Label Sanctuary Records veröffentlicht. Für die anschliessenden Auftritte in England sprang der Sohn des verstorbenen Led Zeppelin Schlagzeugers John Bonham, Jason Bonham ein. 2002 folgte mit "100% Live - 2002" ein Live-Album zur Tour. 2004 erschien das Album "Well Oiled", bei dem Paul Guerin (Gitarre), Pip Mailing (Schlagzeug) und Keith Weir (Keyboards) mitspielten. Erneut wurde ein Label-Wechsel vollzogen, denn das Album erschien über SPV Records. Im selben Jahr spielte die Band zum ersten Mal auf dem Wacken Open Air. In der Folgezeit verliess Bassist Nigel Mogg erneut die Band und wurde durch Jimi Cruthley ersetzt. In dieser Besetzung erschien 2008 das Album "Homewreckers & Heartbreakers", das ohne Plattenlabel veröffentlicht wurde. Bereits 2009 folgte mit "Halfpenny Dancer" das nächste Album, diesmal mit Damon Williams am Bass, Phil Martini am Schlagzeug auf dem Plattenlabel Jerkin Crocus. 2009 wurde ihr Debütalbum "A Bit Of What You Fancy" wiederveröffentlicht. Auf der folgenden Tournee trat die Band unter anderem beim Bang Your Head-Festival in Balingen auf. 2010 folgte das Live-Album "Live In London", das jedoch die gleichen Songs enthielt wie das Live-Album "100% Live - 2002". 2012 spielte die Band auf dem Download-Festival.

2013 veröffentlichte die Band über das Label Off Yer Rocka das Album "Beautiful Curse", auf dem Simon Hanson Schlagzeug spielte und kein Bassist angegeben wurde. Dazu spielte die Band im selben Jahr auf dem Sweden Rock Festival. Für das 2014 erschienene Album "Black Eyed Sons" kehrte dann der ehemalige Schlagzeuger Pip Mailing zurück. Neuer Bassist war zudem Nick Mailing. Ein Blues-Set anlässlich eines Auftritts auf dem Ramblin' Man-Festival führte zu der Idee, ein komplettes Album mit Coverversionen von Blues-Klassikern aufzunehmen. Es wurde 2017 unter dem Namen "White Trash Blues" veröffentlicht. Noch ein Jahr zuvor erschien das herzhafte Album "Twisted Love", das, obwohl mit ausgezeichneten Kritiken bedacht, leider wieder nicht den erwünschten Verklaufserfolg generieren konnte. "Twisted Love" war wieder ein richtig hart drauflos rockendes Album, das zwar nicht an die dreckigen, zum Teil mit Glam-Elementen aufpolierten Hymnen der Anfangszeit herankam, dafür aber umso konsequenter den Sound der assoziativ genannten Wegbereiter aus England am Leben erhielt.


Zusammen hatten sie für das Album zehn neue Songs aufgenommen, mit kleinen ausnahmen allerdings, denn beim Stück "Gracie B, Pt. 2" coverte die Band sich nämlich selbst. Der Titel, der bereits auf dem Vorgänger "St. Cecilia And The Gypsy Soul" vertreten war, hüllten Spike und seine Mitmusiker auf "Twisted Love" in ein neues elektrisches Gewand. Ansonsten blieben sich The Quireboys auf ihrem inzwischen zehnten Album treu, sowohl was ihre Qualität anging als auch ihrem Signaturesound, der irgendwo zwischen Glam- und Hardrock, Americana und Country lag und bis heute liegt. Nur auf eines verzichtete die Band beim Album "Twisted Love" komplett: Irgendwelche Balladen. Stattdessen kredenzten sie hier satten Rock'n'Roll soweit das Auge, respektive das Ohr reichte.

 Bis heute stehen hauptsächlich Spike und Gitarrist Guy Griffin hinter der Band. Bis zu dem Album "Well Oiled" von 2004 war Bassist Nigel Mogg ebenfalls einer der führenden Köpfe in der Band. Die Band ist bekannt für viele Besetzungswechsel. An das Debütalbum von 1990, das in Grossbritannien Platz 2 der Charts erklomm, konnte die Band jedoch nicht mehr anknüpfen. Mit Paul Guerin und Keith Weir hat die Band jedoch inzwischen wieder zwei langfristige Mitglieder gefunden.


Feb 18, 2018


THE BAND - Jubilation (River North Records 51416 1420 2, 1998)

The Band starteten ursprünglich als Levon And The Hawks und waren die Begleitgruppe des kanadischen Rockmusikers Ronnie Hawkins. The Band vereinten eine perfekte gleichberechtigte Mixtur aus fünf meist multi-instrumentellen Musikern: Den vier Kanadiern Garth Hudson, Richard Manuel, Rick Danko und Robbie Robertson, sowie Levon Helm aus Arkansas in den US-Südstaaten. Ronnie Hawkins liess sich zu Ende der 50er Jahre von dem damals noch jungen Levon Helm eine ebenso junge Begleittruppe zusammenstellen. Gemeinsam mit Hawkins tingelten die Musiker durch Bars und Absteigen, Juke Joints und Honky Tonks. Hier lernten sie alle Genres der amerikanischen Populärkultur kennen: Country, Blues, Rock’n’Roll und mehr. Ab Herbst 1963 gingen die Musiker dann ohne Hawkins auf Tournee. Aber erst 1965 begegneten sie dem Mann, der nicht nur ihre eigene Karriere, sondern die Richtung der gesamten amerikanischen Musik Mitte des Jahrzehnts schier revolutionierte.

Bob Dylan hatte gerade erst die Folk-Puristen mit seinem elektrifizierten Auftritt in Newport gegen sich aufgebracht und suchte für eine Konzertreise durch Kanada und die USA dringend eine Begleitcombo. Wirkten in ihr anfangs nur Robertson und Helm mit, waren schon bald alle Hawks mit an Bord. Die gemeinsamen Auftritte entpuppten sich jedoch bald als eine wahre Tour de Force gegen die Puristen im Publikum, die sich mit der Dylan’schen Wende zum Rock einfach nicht abfinden wollten. Jedes Konzert glich einem Ausnahmezustand mit lautstarken Pöbeleien und deftigen Schmähungen. Während Bob Dylan gleichsam Honig aus diesen Konfrontationen zu ziehen schien, war das Levon Helm's Sache nicht. Entnervt stieg er Ende 1965 aus und wollte sich gar ganz aus dem Musikgeschäft zurückziehen. Dylan und der Rest der Hawks zog 1966 dann durch die Welt, bis Dylan mit seinem Motorradunfall den vorübergehenden Ausweg aus dem Rockzirkus fand.

Als dann die Hawks und Dylan von Frühjahr bis Herbst 1967 im Keller von 'Big Pink' unzählige Standards aus Country, Blues, Gospel und Folk sowie eine ganze Reihe von gemeinsame Eigenkompositionen spielten, war Levon wieder da. Man wollte und konnte einfach nicht auf ihn verzichten. Dies war die eigentliche Geburtsstunde von The Band. So nannten sie sich nun selbstbewusst, als sie 1968 ihr Debütalbum "Music From Big Pink" vorlegten. Die Platte veränderte die Richtung des Rock: Den damals aktuellen Psychedelic-Klängen setzten sie eine ruhigere, aber umso kraftvollere, durch Country, Blues und Folk geerdete Art der Rockmusik entgegen. Mit dem Album "The Band" gelang ihnen dann 1969 auch kommerziell der Durchbruch. Von vielen wurde es aufgrund seiner Bedeutung und in Anlehnung an die Beatles auch als 'The Brown Album' genannt. Grösster Hit daraus wurde "The Night They Drove Old Dixie Down". Geschrieben hatte das Stück Robbie Robertson, der als Songwriter für einige der bekannten Songs der Band stand.

Im selben Jahr gaben sie in San Francisco im legendären 'Winterland ihr Live-Debüt als The Ban“. Beim Isle Of Wight Festival traten sie nochmals als Bob Dylan's Begleitgruppe auf, und sie waren beim legendären Woodstock Festival dabei. The Band waren auf dem ersten Höhepunkt ihres Schaffens. Die Musiker waren Anfang der 70er Jahre ständig auf Tournee, ein eindrucksvolles Zeugnis davon legte der Film 'Festival Express' (1970) von einer gemeinsamen Tour mit Janis Joplin und den Country-Rockern von The Flying Burrito Brothers ab. Die Bühne war ihre Berufung und dort schienen sie viel stärker sie selbst zu sein, als im Plattenstudio. Und so war denn auch ihr Live-Album "Rock Of Ages" von 1971 in den Augen vieler Kritiker und Fans ihre beste Platte der frühen 70er Jahre. Es steht exemplarisch für Live-Kunst der Gruppe, für das Gesamtkunstwerk The Band, als perfekt aufeinander abgestimmte Einheit von Einzelkönnern. 1973 erschien dann "Moondog Matinee", ihre Hommage an ihre Vorbilder und den Songs der 50er und frühen 60er Jahre. Doch ihre eigene Entwicklung als kreative Songschreiber schien in einer künstlerischen Sackgasse zu stecken.


Wieder einmal war es die Zusammenarbeit mit Bob Dylan, die von dieser Situation zumindest ablenkte. 1973 hatten the band mit ihm bereits die Platte "Planet Waves" eingespielt, Anfang 1974 starteten sie mit ihm auf seine grosse Comeback-Tournee, die erste USA-Konzertreise Dylans seit Ende 1965. Sie wurde ein rauschendes Fest, dokumentiert auf dem Live-Mitschnitt "Before The Flood". Dylan & The Band zeigten sich hier in absoluter Bestform. Im Studio aber stagnierte The Band in diesen Tagen weiter. Die beiden Alben "Northern Cross, Southern Lights" und "Islands" waren keine grossen Würfe. Stattdessen arbeitete beispielsweise Robbie Robertson als Produzent von Neil Diamond. Robertson war es auch, der den Deal mit dem Abschiedskonzert einfädelte. Was unter dem Namen "The Last Waltz" später als bester Konzertfilm aller Zeiten in die Rockgeschichte eingehen sollte, war hinter den Kulissen nichts anderes als das Auseinanderbrechen von The Band in seiner bisherigen Form. Nicht The Band verabschiedeten sich von der Bühne, sondern Robertson von The Band. Levon Helm schilderte in seiner Autobiographie 'This Wheel’s On Fire' über die unangenehmen Kontroversen zwischen Robertson und ihm. Doch er und die anderen Mitglieder der Band fügten sich. Robertson holte den Filmemacher Martin Scorsese und den Konzert-Impresario Bill Graham ins Boot. Heraus kam ein eindrucksvoller Film mit einem absoluten Staraufgebot. Tolle Auftritte von Joni Mitchell, Neil Young, Van Morrison, Eric Clapton und Bob Dylan sowie eine eindrucksvolle gemeinsame Performance von The Band mit Country-Star und Bluegrass-Queen Emmylou Harris ("Evangeline"). Der Film wies nur einen Schönheitsfehler auf: Robertson wurde als eine Art Bandleader inszeniert, der er so nicht war.

Wie auch immer, vorerst war die Geschichte von The Band zu Ende. Robertson sollte nie mehr in den Schoss der Gruppe zurückkehren, da wurde wohl rund um "The Last Waltz" zu viel Porzellan zerschlagen. So beklagte sich beispielsweise Levon Helm später darüber, dass Robertson sie um gemeinsam erarbeitete Copyrights gebracht habe. Die Solopfade der einzelnen Band-Mitglieder verliefen unterschiedlich. Am erfolgreichsten waren sicherlich die beiden Antipoden der Gruppe. Robbie Robertson arbeite weiterhin als Produzent, wagte sich als Schauspieler und Komponist ins Film-Metier und festigte mit den drei Soloplatten "Robbie Robertson" (1987), "Storyville" (1991) sowie "Contact From The Underworld Of Redbo" (1998) seinen Ruf als intellektueller Songwriter. Darüber hinaus beschäftigte er sich als Sohn eines Juden und eine Mohawk-Indianerin verstärkt mit seinen indianischen Wurzeln. Levon Helm, der imgrunde immer nur der Südstaaten-Junge sein wollte, der ehrliche bodenständige Musik machte, veröffentlichte einige Soloplatten und liess aufhorchen, als auch er ins Filmgeschäft strebte. An der Seite von Sissy Spacek spielte er in 'Coal Miners Daughter' und neben Sam Shepard in 'The Right Stuff'. Auch Rick Danko und Garth Hudson arbeiteten weiter im Plattenstudio, während Richard Manuel am meisten unter der Trennung litt und so recht kein Ziel mehr im Leben fand. Tragischerweise setzte er nur wenige Wochen nach Beginn einer The Band Comeback-Tour (ohne Robertson) am 4. März 1986 seinem Leben durch Selbstmord ein Ende. Es war auch das zweite vorläufige Ende von The Band.

Auslöser für die zweite Band-Reunion war wohl das 30-jährige Plattenjubiläum von Bob Dylan 1992 im Madison Square Garden. Hudson, Helm und Danko schlossen sich nun mit dem Gitarristen Jim Weider, dem schlagzeuger Randy Cialante und dem Pianisten Richard Bell zu einer neuen Formation unter dem Namen The Band zusammen. Mit "Jericho" (1993), "High On The Hog2 (1996) und "Jubilation" (1998) veröffentlichte diese Gruppe dann noch drei Alben, die eindrucksvoll durch jede Rille Americana atmeten, die zeigten, welch stilsichere und spielfreudige amerikanische Musikanten da am Werk waren. Doch auch diese Reunion endete tragisch. 1999 verstarb Rick Danko, deutlich sichtbar vom Drogenkonsum gezeichnet, den er zuletzt nicht mehr in den Griff bekommen hatte. Das Kapitel The Ban“ war damit endgültig beendet und "Jubilation" geriet dadurch zum Schwanengesang. Während Robbie Robertson später hauptsächlich als Produzent, Talent-Scout und Repräsentant in der Plattenindustrie tätig wurde
, kümmerte er sich daneben weiterhin um die Situation der nordamerikanischen Indianer und versuchte, auf deren zum Teil prekäre Lage aufmerksam zu machen. Garth Hudson blieb als Studiomusiker aktiv, hatte 2001 seine erste Soloplatte veröffentlicht und danach auch eine Liveplatte mit seiner Frau Maud. Daneben erteilte er auch Musikunterricht.

Levon Helm genoss wahrscheinlich die stärkste öffentliche Präsenz. Nachdem er 1996 an Kehlkopfkrebs erkrankte, verlor er seine Stimme. Doch es gelang ihm, die Krankheit zu besiegen und das Singen wieder zu lernen. Umso eindrucksvoller geriet 2007 sein Comeback mit dem Album "Dirt Farmer", einer Hommage an seine Heimat Arkansas mit viel Country, Folk und Old Time Music. Die Platte bekam einen Grammy für das beste traditionelle Folk-Album. Zudem hatte er in seinem Wohnort Woodstock ein Plattenstudio und einen kleinen Konzertraum errichtet, in welchem er befreundete Musiker zu gemeinsamen Sessions vor Publikum einlud, den sogenannten 'Midnight Rambles'. Und er war weiterhin immer wieder live unterwegs, zu seiner Tourband gehörten unter anderem seine Tochter Amy sowie Larry Campbell, der jahrelang mit Bob Dylan getourt war. Auch das Filmen konnte er nicht lassen, so wirkte er 2005 in 'Three Burials - Die drei Begräbnisse des Melquiades Estrada', 2007 in 'Shooter' und zuletzt 'In The Electric Mist' (2008) mit. Unter dem Strich hatten The Band und jeder Einzelne von ihnen Grossartiges für die amerikanische Populärmusik geleistet. Sie hatten den Rock der 60er Jahre mit Country-Einflüssen geerdet und alle musikalischen Traditionslinien immer wieder gebündelt. Es war keine Übertreibung, sie als die Urväter des Americana zu bezeichnen.






Feb 17, 2018


THE BLACKBIRDS - No Destination  (Saga Fid Records STFID 2113, 1968)

Die Zeit nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und die sich anschliessenden 50er Jahre erlebten die Bewohner des Saarlandes, im Südwesten von Deutschland gelegen und mit Ausnahme der Stadtstaaten das kleinste Bundesland, als Gegenstand eines politischen Gezerres, was den nationalen Status betraf. 1950 erfolgte die politische Trennung von Deutschland. Das Saarland erhielt einen autonomen Status und überliess Frankreich die aussenpolitische Vertretung. 1955 lehnte die Saarbevölkerung das europäische Saarstatut, das die politische Trennung des Landes von Deutschland und den wirtschaftlichen Anschluss an Frankreich sanktionierte, mit einer überwältigenden Mehrheit der Stimmen ab. So wurde das Saarland am 1. Januar 1957 das zehnte Land der damaligen Bundesrepublik Deutschland. Um Frankreich allzu grosse Verluste zu ersparen, erfolgte die wirtschaftliche Rückgliederung erst zweieinhalb Jahre später, am 5. Juli 1959. Die sich anschliessenden 60er Jahre waren geprägt von den ersten Erfolgen im neuen Wirtschaftswunderland Deutschland und dem Wunsch, die Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs nun endlich hinter sich zu lassen. Die Arbeit in den Steinkohlebergwerken, den Hüttenwerken sowie im Weinanbau gab der Bevölkerung Brot. Zerstreuung und Vergnügen lieferten Kino, Fernsehen und Radio. 

Dem Zeitgeist entsprechend altbacken und konservativ konnte dies allein natürlich nicht die Jugend und die Junggebliebenen befriedigen. So war es kein Wunder, dass der Rock'n'Roll und die anrollende British Invasion auch die jungen Saarländer beeindruckte und zum Nachahmen motivierte. So auch in Püttlingen, einem kleinen Ort unweit von Saarbrücken, wo sich 1963 die ersten Bands gründeten und zunächst mit einfachsten Mitteln versuchten, ihren stetig bekannter werdenden englischen Vorbildern nachzueifern. Turnhallen, Schulaulen, Hintersäle in Wirtschaften, Gemeinde- und Kolpingsäle waren die Orte, an denen die öffentlichen Auftritte, oft nach nur kurzer Probenzeit und entsprechend holprig stattfanden. Die Geburtsstunde der Blackbirds schlug Anfang März 1965, als vier Freunde den Entschluss fassten, sich ihrem Hobby Musik durch die Gründung einer Band noch intensiver zu widmen. Das musikalische Quartet von damals setzte sich zusammen aus Werner Breinig (Gitarre und Gesang), Klaus Althmeyer (Gitarre), Siggi Burda (Bass) und Helmut Vigneron (Schlagzeug).

Geprobt wurde in einem kleinen Saal der örtlichen Peter Wust-Schule, wo die Band nicht gestört wurde und vor allem auch selbst niemand stören konnte. Das damalige Equipment bestand aus selbstgebauten Verstärkern, zusammengestückelten Gitarren und prähistorisch anmutenden Schlagzeugteilen. Dies motivierte die Musiker jedoch um so mehr, da es galt, sich mit einem ansprechenden Bühnenprogramm eine Fan-Gemeinde zu erspielen, mit der Folge stetig steigender Auftrittsmöglichkeiten und damit verbundener Geldquellen, die wiederum der Verbesserung der technischen Ausrüstung zu Gute kommen konnten. So liess denn der erste Auftritt auch nicht lange auf sich warten, und am 1.Mai 1965 starteten die Blackbirds ihre erste Jugendtanz-Veranstaltung. Die Gruppe setzte alles daran, die musikalische Qualität ständig zu verbessern. Jeden Sonntag wurde in einem Püttlinger Tanzlokal eine Veranstaltung angesetzt. Der Grundstein für die späteren Erfolge wurde in diesem Saal gelegt. Gespielt wurden Hitparadentitel aus England und Frankreich. Band-Leader Werner Breinig hatte eine erstklassige gesangliche Ausbildung als Solist im Chor der Regensburger Domspatzen erhalten. Seine klare, durchdringende Stimme war das Markenzeichen der Band. Ein nächster wichtiger Abschnitt in der Laufbahn der Gruppe erfolgte im Sommer 1965, als sich Hubert Koop (Orgel) dem Quartet anschloss. Durch den Orgelsound wurde die musikalische Qualität der Formation stark verbessert. 

Im Januar 1966 verdienten sich die Blackbirds dann die ersten überörtlichen Meriten, als sie als erste saarländische Band eine Aktion Sorgenkind-Veranstaltung starteten. Kurz darauf erfolgte der erste Fernsehauftritt der Band im Rahmen der Saarmesse im Messestudio des Saarländischen Fernsehens. Im April 1966 verliess dann der Bassist Siggi Burda aus beruflichen Gründen die Band und wurde dauerhaft Ende 1966 durch Heinz-Peter Koop ersetzt. Klaus Althmeyer hatte zwischenzeitlich ebenfalls die Band verlassen. 1967 war dann das erste richtig erfolgreiche Jahr der Blackbirds: Ende Mai 1967 wurden sie Sieger der Beat-Gruppen beim Bundesfestival 'Chance 67' in Bochum in der Ruhrlandhalle. Im Juli belegten sie den zweiten Platz in der Sparte 'Beat-Gruppen' beim 'Festival de l'Européen' in Belgien. Am 11. September 1967 hatten sie einen viel beachteten Auftritt in der Sendung 'Talentschuppen' im Regionalprogramm des Südwestfernsehens. Aufgrund der Nähe zu Frankreich fanden auch viele Konzerte im Nachbarland statt. Dort gab es in vielen so genannten Tanzpalästen ideale Auftrittsmöglichkeiten. Die Franzosen standen besonders auf die langsamen Titel der Band und so hiess es häufig 'jouez un slow'. Problematisch war die Ein- und Ausreise. Die Band musste stets eine Inventarliste des gesamten Equipments bei Zoll vorlegen und abstempeln lassen. Entsprechende Kontrollen konnten schon mal etwas dauern. 

Die Rundfunk- und Fernsehauftritte sowie die zahlreichen Konzerte verschafften der Band eine erhebliche Reputation, so dass es nur noch eine Frage der Zeit war, die erste Schallplatte zu veröffentlichen. Entsprechend dem Ehrgeiz der Band wurde nicht zunächst eine Single veröffentlicht, sondern die Gruppe versuchte es auf Anhieb mit einer Langspielplatte. Die Aufnahmen fanden Anfang 1968 im Studio Horst Jankowski in Stuttgart statt. Die Aufnahmebedingungen (Vier-Spur) waren für heutige Verhältnisse kaum vorstellbar: Die gesamte Langspielplatte wurde an einem einzigen Tag eingespielt und abgemischt. In der Nacht vor dem Aufnahmetermin mussten im Hotel in aller Eile noch einige Songs auf Wunsch der Plattenfirma geschrieben werden, um eine vollständige LP abliefern zu können. Beeinflusst von der allseits herrschenden Müdigkeit entstanden die Titel "Sandman's Bound" und "She". Andere Titel wie beispielsweise "Something Different" entstanden im Rahmen von Improvisationen. Trotz der nicht wirklich optimalen Bedingungen bezüglich der Aufnahmen schaffte es die Band, eine durchaus international konkurrenzfähige LP-Produktion auf die Reihe zu kriegen. Bemerkenswert war, dass die LP zuerst in England veröffentlicht wurde.

Die Songs auf dem Album waren durchaus zeitgemäss und ansprechend arrangiert. das Stück "Golden Sun" besang die Vergänglichkeit der Gelegenheiten, die laue Sommernächte boten und hoffte auf den nächsten Sommer. "Space" atmete den Geist der Raumpatroullie Orion und hob langsam aber zuverlässig ab. "No Destination", titelgebender Song der LP und weltschmerzklagende Hymne, war eine Art 'No Future'-Song à la 1968. "Sandman's Bound" trug den Wünschen der Band Rechnung, endlich Ruhe zu finden und schlafen zu dürfen, anstatt sich für den Plattenproduzenten noch mit einem geforderten Titel für die LP abquälen zu müssen. "That's My Love" widmete sich der Verflossenen, die den Liebesschwüren nicht mehr traute. "Girl I'm Wondering" und "Show Me That You Love Me" waren zeitgemässe Popnummern mit Songtexten über junge Liebe und "Something Different" schliesslich war eine grosse Wiese, auf der sich der Organist Hubert Koop austoben durfte. "She" liess die Hoffnung auf positive weibliche Einflüsse weiterleben, auch wenn der junge Mann keine Arbeit hatte und ihn alle nicht so wirklich mochten.

Leider litt der kommerzielle Erfolg der Langspielplatte unter dem unzulänglichen Engagement der kleinen Plattenfirma. In der Region allerdings und insbesondere bei den Auftritten konnte die Platte so gut verkauft werden, dass die Musiker selbst später kein Exemplar mehr besassen. Von der LP ausgekoppelt wurde die Single "No Destination" mit der B-Seite "Space". Einer der Konzerthöhepunkte war "Sherry Baby", eine Coverversion des Hits der Four Seasons. Ende 1968 wurde dieser Titel mit der B-Seite "Lead On Light" als Single veröffentlicht. Bei der B-Seite handelte es sich um einen Titel, den ein Komponisten-Team der Plattenfirma Saga Records zur Verfügung gestellt hatte. "Space" und "Golden Sun" wurden auf einer Split 7" EP mit der Gruppe Bing & The Birds als Freebie im Rahmen einer Messe für Freizeitgestaltung in Köln veröffentlicht. Geld hat die Band dafür nicht gesehen. Geld gab es auch nicht für die Verwendung von fünf Titeln der "No Destination" LP auf einem Sampler mit dem Album-Titel "Hot And Sweet With Beat". Die restlichen sieben Titel stammten wohl von einer englischen Band, die offenbar die frühen Small Faces als Vorbilder hatten. Eine empfehlenswerte Platte, aber eben kein Blackbirds Album unter falschem Namen, wie vielfach angenommen wurde. 

Wie beliebt die Blackbirds gegen Ende der 60er Jahre war, zeigte die eintausendste 'Hallo Twen' Sendung von Manfred Sexauer in der Saarlandhalle mit Grössen wie Joy Unlimited, Jeronimo und John Mayall, in deren Verlauf die besten Saarländischen Bands ausgezeichnet wurden. Zum damaligen Zeitpunkt unterhielten die Blackbirds allein zehn Fanclubs in Deutschland und vier in Frankreich und Belgien. Die Stadt Püttlingen ehrte ihre berühmten Söhne mit dem 'Anker in Silber'. Das Ende der ersten erfolgreichen Blackbirds-Formation läutete dann die Einberufung von Organist Hubert Koop im Jahre 1969 zur Bundeswehr ein. Zudem waren auch musikalische Veränderungen notwendig, da Beat- und Psychedelic-Pop langsam aus der Mode kamen und immer mehr Bands sich dem Progressiv- und Krautrock zuwandten. 1982 erfolgte eine Neuaufnahme des Titels "Sherry Baby" mit der B-Seite "Burn Out For Rock'n'Roll ", allerdings in geänderter Besetzung. Die B-Seite, eine Werner Breinig Komposition, rief vor allem in den Strophenteilen Erinnerungen an den Psych-Pop der späten 60er Jahre in Erinnerung.




Feb 12, 2018


RANDY NEWMAN - Little Criminals (Warner Brothers Records BSK 3079, 1977)

Der amerikanische Singer und Songwriter Randy Newman wurde in eine musikalische Familie geboren, seine drei Onkel Alfred Newman, Emil Newman und Lionel Newman waren erfolgreiche Komponisten von Filmmusik; davon war Alfred Newman der bekannteste. Auch sein Vater, der Mediziner Irving Newman, war hobbymässiger Songwriter. Randy Newman ist ausserdem ein Cousin von Thomas Newman und David Newman. Randy Newman wuchs in New Orleans (Louisiana), von wo seine Mutter stammte, und in Los Angeles auf und begann bereits im Alter von 17 Jahren, als Songwriter zu arbeiten. Nach seinem Musikstudium bekam er einen Job als professioneller Songwriter bei Metric Music. Nach ein paar Hits unter anderem für Gene Pitney, Manfred Mann und Jerry Butler bekam er 1967 einen eigenen Künstlervertrag bei Reprise Records. Die erste Platte namens "Randy Newman" verkaufte sich jedoch so schlecht, dass die Plattenfirma sie schliesslich verschenkte. Auch das Folgealbum "12 Songs" erlitt dieses Schicksal. Ein Grund für den anfänglichen Misserfolg und dafür, dass meist andere Interpreten viel grössere Erfolge mit Newman-Songs hatten als der Komponist selbst, dürfte in der gewöhnungsbedürftigen, näselnden Stimme des Songwriters zu suchen sein.

Erst mit den folgenden Alben konnte sich Randy Newman als Künstler etablieren. Seine Platten "Sail Away" (1972) und "Good Old Boys" (1974) wurden von den Kritikern einhellig gelobt, waren insbesondere unter Studenten populär und verkauften sich recht gut. Fast im Sinne eines Konzeptalbums (und als ein solches war die LP zunächst auch geplant) sang Newman auf "Good Old Boys" Lieder, die verschiedene Seiten des amerikanischen Traums kritisch beleuchteten und sich insbesondere gegen die Rednecks genannten konservativ-reaktionären Bewohner der Südstaaten wandten. Gemeinsam mit dem 1977 erschienenen "Little Criminals", das Newmans ersten eigenen Single-Hit "Short People" enthielt, markierten "Sail Away" und "Good Old Boys" nach Ansicht vieler Kritiker den Höhepunkt von Newmans Schaffenskraft. Der erfolgreiche Song brachte Newman zunächst Beleidigungsklagen von Behindertenorganisationen und Proteste kleinwüchsiger Menschen ein. Im US-Bundesstaat Maryland wurde das Lied sogar gerichtlich verboten. Die Leute verstanden vielfach nicht, dass Newman in diesem für ihn typischen Character-Song bewusst in die Rolle eines Menschen mit einem offensichtlich lächerlichen und völlig überzeichnet dargestellten Vorurteil schlüpfte und verwechselten den Künstler mit der von ihm geschaffenen Kunstfigur.

Newman setzte sich in seinen Songtexten mitunter intensiv mit historischen Themen auseinander, so zum Beispiel in "In Germany Before The War" mit dem Fall des Serienmörders Peter Kürten oder in "The Great Nations Of Europe" mit der europäischen Expansion im 16. Jahrhundert, die auf geistreiche Weise auf gegenwärtige Tendenzen in der US-amerikanischen Aussenpolitik bezogen wurde. Fast prophetisch wirkte schliesslich die Satire "Political Science" von 1972, die den Narzissmus mancher Amerikaner, die sich von der übrigen Welt nicht genügend wertgeschätzt fühlen und daher umso aggressiver auftreten, karikiert – damals auf den Vietnamkrieg bezogen, hat der Text bis heute wenig an Aktualität eingebüsst: "No one likes us, I don’t know why. We may not be perfect, but heaven knows we try. All around even our old friends put us down. Let’s drop the Big One and see what happens. We give them money, but are they grateful ? No, they’re spiteful and they’re hateful. They don’t respect us. So let’s surprise them. We’ll drop the Big One and pulverize them".

Das von Randy Newman zu Mitte der 70er Jahre geschriebene "Louisiana 1927" beschrieb die grosse Flut in Mississippi, Arkansas und Louisiana und beklagte, wie die Bevölkerung in den 20er Jahren erst von der blindwütenden Natur geschlagen wurde und dann von einer hartherzigen Regierung, der das Leid der Menschen egal war: "Louisiana, Louisiana, they’re tryin’ to wash us away!". Nach dem Hurrikan Katrina wurde Louisiana 1927 die inoffizielle und emotionale Hymne des Staates Louisiana. Newman trat im Jahr 2005 bei einem Post-Katrina Benefit auf und nahm das Lied erneut, unterstützt durch das Louisiana Philharmonic Orchestra, für ein Album zu Gunsten der Katrina-Opfer auf. Mehrere Künstler, darunter Aaron Neville, Bo Dollis & The Wild Magnolia, Willie Nelson, Martin Simpson und Howard Tate hatten das Lied in eigenen Versionen interpretiert. Newman war aufgrund seiner sarkastisch-satirischen Texte früh ein Liebling der Intellektuellen. Zu kurz gegriffen wäre allerdings, ihn als Zyniker oder Komiker zu beschreiben, da er auch sehr anrührende, ernste Texte verfasst hatte. Musikalisch war Newman einerseits von Blues, Rock und Ragtime beeinflusst, andererseits versah er seine Songs oft mit ausgefeilten klassischen Orchesterarrangements. Seine Vielseitigkeit als Songwriter und Arrangeur wurde vielleicht am besten auf dem Album "Little Criminals" deutlich.

"Little Criminals" war das sechste Album von Randy Newman. Es erschien im September 1977 bei Reprise Records. Das Album beinhaltete zahlreiche politische und mitunter auch zynische Texte, wie etwa den kontrovers diskutierten Song "Short People". Die Musik des Albums war von Newmans Klavierspiel und den Orchesterarrangements bestimmt. Das von Lenny Waronker und Ross Titelmann produzierte Album erreichte Platz 9 der Billboardcharts und war somit Newmans grösster kommerzieller Erfolg. Die Kritiken für das Album fielen gut aus. So verteilte Allmusic dreieinhalb von fünf möglichen Sternen. Der Musikkritiker Robert Christgau hingegen vergab die Schulnote 2 +, merkte aber an, dass Newmans Songs auf "Little Criminals" nicht mit seinen besten Stücken mithalten könnten. Unter den Studiomusikern befanden sich alle damaligen Mitglieder der Band The Eagles. Das Stück "Short People" wurde im November 1977 mit der B-Seite "Old Man On The Farm" als Single veröffentlicht. Das Lied war sehr erfolgreich und erreichte Platz 1 der Cash Box Top 100 und Platz 2 der Billboard Hot 100 und international zahlreiche weitere Platzierungen. Der Titel "Jolly Coppers On Parade" war laut Newman nicht unbedingt als Anti-Polizei Song zu verstehen. Er behandelte vielmehr offenen Rassismus. Newman hatte dieses Thema bereits auf Songs wie "Yellow Man" vom Album "12 Songs" angesprochen. "In Germany Before The War" behandelte die Taten des deutschen Serienmörders Peter Kürten, der 1931 wegen Mord in neun Fällen zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde. Newmans damalige Ehefrau stammte aus Düsseldorf, der Stadt, in der Kürten die meisten seiner Opfer ermordete. Im Text des Songs wurden die Emotionen des Täters aus seiner Sicht geschildert. "Sigmund Freud's Impersonation Of Albert Einstein In America" beschrieb das Schicksal des deutschen Physikers Albert Einstein nach seiner Auswanderung in die USA in den 30er Jahren. Dabei wurden auch mögliche Erwartungen und Hoffnung geschildert. Das Stück wurde mit einem Orchester eingespielt. Der Song "Baltimore" thematisierte die Probleme in der Stadt Baltimore, wie etwa Kriminalität und Suburbanisierung. Vor allem trat die Sicht der sterbenden Stadt heraus; zum Song gehörte ein markantes Gitarrensolo von Glen Frey.

Musikalisch war Randy Newman deutlich von der Hollywood-Filmmusik beeinflusst, wie besonders die Arrangements auf seinen Platten aus den 70er Jahren zeigten. Im Konzert trat er allerdings fast ausschliesslich solo am Klavier auf, wodurch zwar die Texte prägnanter hervor traten, sich das Publikum jedoch die nicht selten opulenten Arrangements der Studioalben hinzudenken musste. Im Studio wurde Newman von prominenten Musikern wie Ry Cooder, Mitgliedern der Eagles, Paul Simon, George Harrison, Elton John, Mark Knopfler, Jeff Lynne oder Van Dyke Parks begleitet. Dabei stand die gefällige und oft eingängige Musik häufig im Kontrast zu den oftmals satirischen, bissigen oder hintergründigen Texten. Zwischen den Plattenveröffentlichungen machte Newman seit den 80er Jahren immer längere Pausen, arbeitete allerdings immer wieder für Film-Soundtracks. 1995 entstand zudem das Musical "Faust". Während das zugehörige Studioalbum Newman in gewohnter Form zeigte, wurde die Bühnenproduktion von Kritikern und Publikum sehr verhalten aufgenommen. Das bislang letzte reguläre Studioalbum mit durchgängig neuem Material entstand 1999. Das 2008 erschienene "Harps & Angels" enthielt neben neuen Songs (die aber teils bereits seit Längerem als Bootlegs kursierten) auch ältere in neuen Aufnahmen wie etwa "Feels Like Home". Neun Jahre nach seinem letzten Album kam Newman im Sommer 2017 mit "Dark Matter" und neun neuen Songs heraus. Für die US-amerikanische Musik-Plattform Pitchfork Records, erläuterte der Musik-Satiriker sämtliche Tracks.

Früh begannen andere Künstler, die Songs von Randy Newman aufzunehmen und mit ihren Versionen Erfolge zu feiern. Im Jahre 1967 kam Alan Price mit "Simon Smith And The Amazing Dancing Bear" in die englische Hitparade. Die Gruppe Three Dog Night hatte früh einen Hit mit seinem ironischen Anti Drogen-Lied "Mama Told Me Not To Come". Zahlreiche Künstler coverten den Song "I Think It’s Going To Rain Today", wie zum Beispiel Melanie Safka, Tom Odell oder Katie Melua. Harry Nilsson nahm in den 70er Jahren erfolgreich ein ganzes Album mit Newman-Songs auf: "Harry Nilsson Sings Randy Newman". In den 80er Jahren machte Joe Cocker den Newman-Song "You Can Leave Your Hat On", der zuvor bereits von Etta James 1976 aufgenommen worden war, zum Welthit, während Nina Simone das Lied "Baltimore" in ihr Repertoire aufnahm. Auch "Feels Like Home" von 1995 wurde inzwischen bereits wiederholt gecovert. Nach 16 Oscar-Nominierungen bekam er 2002 endlich die begehrte Trophäe für seinen Song "If I Didn’t Have You" aus dem Film 'Die Monster AG'. Bei der Oscarverleihung 2007 war er bereits zum 17. Mal nominiert (diesmal für "Our Town" aus 'Cars'). 2009 erhielt er für die Songs "Almost There" und "Down In New Orleans" aus dem Animationsfilm 'Küss den Frosch' zwei weitere Oscar-Nominierungen. Im Juni 2010 wurde Randy Newman mit einem Stern auf dem Hollywood Walk of Fame geehrt. 2011 erhielt er dann für den Song "We Belong Together" aus dem Animationsfilm 'Toy Story 3' seinen zweiten Oscar. 2013 wurde er in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen. Der Rolling Stone listete Newman 2015 auf Rang 25 der 100 besten Songwriter aller Zeiten.











Feb 11, 2018


ALICE COOPER - The Last Temptation (Epic Records EK 52771, 1994)

Alice Cooper war ursprünglich der Name einer Band, welcher der Musiker Vincent Furnier als Sänger angehörte. Die Band existierte unter diesem Namen von 1968 bis 1974. Zunächst kommerziell erfolglos, wurde der kanadische Plattenproduzent Bob Ezrin auf sie aufmerksam. Durch die Zusammenarbeit schaffte die Band zum einen mit den Alben "School’s Out" und "Billion Dollar Babies" und zum anderen durch ihre aufwändigen Bühnenshows den internationalen Durchbruch. Nach der Auflösung der Band nahm Vincent Furnier den Namen Alice Cooper offiziell an und setzte seine musikalische Karriere als Solokünstler fort. Die Band galt aufgrund ihres Hangs zu schaurigen Bühnenshows als einer der Wegbereiter der heute gängigen aufwendigen Bühnenshows in der Rockmusik. Durch die provokanten Texte der Songs und die spektakulären und theatralischen Auftritte, in deren Verlauf Cooper nicht selten in Zwangsjacken gesteckt wurde und seine Hinrichtung durch Enthauptung oder am Galgen simulierte, erreichten die Band und später er als Solokünstler vor allem in den 70er und 80er Jahren ein Massenpublikum und beeinflussten zahlreiche Musiker und Bands wie Ozzy Osbourne, King Diamond, Marilyn Manson, GWAR oder Lordi. Im März 2011 wurde die ursprüngliche Alice Cooper Band für ihre Verdienste im Bereich des Rock'n'Roll in die Rock'n'Roll Hall of Fame aufgenommen.

1964 gründete Alice Cooper, damals noch als Vincent Furnier, seine erste Gruppe The Earwigs. Die Band war regional bekannt und spielte Beatles-Songs. 1965 änderte die Band ihren Namen und wurde zu The Spiders, die Band spielte Coverversionen, in erster Linie Rolling Stones- und Yardbirds-Stücke. 1967 änderte die Band abermals ihren Namen und wurde zu The Nazz. Um Verwechslungen mit der gleichnamigen Gruppe von Todd Rundgren zu vermeiden, erfolgte 1968 schliesslich die Umbenennung in Alice Cooper. Im gleichen Jahr traf die Band den Musiker Frank Zappa und brachte 1969 und 1970 die Alben "Pretties For You" und "Easy Action" bei dessen Plattenlabel Straight Records heraus, beide waren jedoch wenig erfolgreich. Anschliessend entwickelte die Band zusammen mit dem Produzenten Bob Ezrin ihren klassischen und später so erfolgreichen Sound. Ab 1970 entwickelte die Band ihre charakteristische Bühnenshow mit Sänger Cooper im Mittelpunkt. Mit einem bisher in diesem Umfang noch nie dagewesenen Aufwand an Lasereffekten, Kostümen, Make-Up und Requisiten aus der Folterkammer führte die Band auf ihren Tourneen grelle Horrorshows auf, in deren Verlauf Cooper mit einer Boa hantierte, grosse Mengen künstliches Blut vergoss, in Zwangsjacken gesteckt, auf andere Arten gefoltert wurde und als Höhepunkt mittels Hängen oder Enthauptung jeweils seine Hinrichtung simulierte. Für Kritiker waren die Spektakel ein Beleg dafür, wie sehr sich eine Band "heutzutage anstrengen muss, um den Schockeffekt zu erzielen, den einst Elvis mit einem einfachen Hüftschwung auslöste". Zuweilen ging die Rechnung mit der kalkulierten Provokation auf, und Coopers Shows riefen die Stadtverantwortlichen auf den Plan, die Konzerte wurden wegen Jugendgefährdung erst ab 18 Jahren freigegeben. Die Folge: In ihren erfolgreichsten Zeiten waren Alice Cooper-Tourneen regelmässig ausverkauft. In einem Interview sagte Cooper über seine Bühnenshows: "Bei mir gibt es keine Anspielungen auf den Satanismus. Ich spiele manchmal den Bösen, den Schurken, aber er wird am Ende jedes Mal getötet. Am Schluss ist Auferstehung, es ist Alice im weissen Frack. Wir führen ein klassisches 'morality play auf. Mein Pastor kam einmal in die Vorstellung und sagte, dass er eine Figur zwischen Gut und Böse erlebt habe, wobei am Ende das Gute die Oberhand behielt. Das ist es, was die Bibel im Buch der Offenbarung lehrt: Satan hebt seinen Kopf, doch wird er vernichtet".

Nachdem die Band mit dem Hit "I’m Eighteen" aus dem Album "Love It To Death" schon 1971 einen ersten grösseren Erfolg hatte und auch mit dem Nachfolgealbum "Killer" weiterhin Furore machte, gelang 1972 mit dem Konzeptalbum "School's Out" und dem gleichnamigen Top 10 Hit der endgültige Durchbruch. Das Nachfolgealbum "Billion Dollar Babies" war noch einmal ungleich erfolgreicher und machte die Alice Cooper Group zu einer der grössten und bedeutendsten Rockgruppen ihrer Zeit. Grosse Hits dieses Albums waren unter anderem "Elected" und "No More Mr. Nice Guy". Laut Neal Smith liess sich "Billion Dollar Babies" auf das Stück "Caught In A Dream" vom 1971 erschienenen Album "Love It To Death" zurückführen. Die ersten Aufnahmen fanden in Greenwich, Connecticut statt. Um bestimmte Stimmeffekte und Echos zu erzeugen, ging man mit Mikrophonen durch Räume unterschiedlicher Grösse und nahm auch in einem Gewächshaus auf. Weitere Aufnahmen fanden in London, England statt, wo Donovan an den Aufnahmen zu dem Stück "Billion Dollar Babies" beteiligt war und zusammen mit Cooper den Gesang übernahm.

Aufgrund von Glen Buxtons Drogenproblemen wurden für die Studioaufnahmen die Gitarristen Dick Wagner und Steve Hunter engagiert, sowie Mick Mashbir für die auf die Veröffentlichung folgende Tour. Coopers eigenen Angaben zufolge, war Chuck Berry eine der wichtigsten Inspirationen für das Album. Als er das erste Mal Stücke wie "Nadine" oder "Maybellene" hörte, erkannte er, dass sie eine Geschichte erzählten ("When I first heard something like "Nadine" or "Maybelline", I understood those songs told a story"). Das Erzählen von Geschichten innerhalb von dreieinhalb Minuten sei auch immer sein Ziel gewesen. Die Songs sollten witzig, manchmal auch nicht witzig, aber stattdessen dramatisch sein ("I always wanted to write three-minute stories that were funny, or maybe not just funny, but also dramatic. The idea was to compact everything into three minutes, which is really hard to do"). Der Titel des Albums entstand aufgrund des unerwarteten Erfolges, den die Band innerhalb kurzer Zeit hatte. Cooper äusserte dazu: "Wie konnten gerade wir, die zwei Jahre zuvor noch im Keller der Chambers Brothers in Watts lebten, die beste Band der Welt sein, für die die Leute das Geld zum Fenster hinauswarfen" ("How could we, this band that two years ago was living in the Chambers Brothers' basement in Watts, be the No. 1 band in world, with people throwing money at us").

"Billion Dollar Babies" war eines der erfolgreichsten Alben Alice Coopers. Es erreichte in den USA, dem Vereinigten Königreich und den Niederlanden Platz 1 der Albumcharts. In Deutschland kletterte das Album bis auf Platz 9 und hielt sich insgesamt 28 Wochen in den Charts. Der Erfolg des Vorgängeralbums "School’s Out" (Platz 3 in den deutschen Charts) konnte zwar nicht wiederholt werden, dennoch blieb "Billion Dollar Babies" bis heute eines von insgesamt nur drei Alben Alice Coopers, das eine Top 10 Platzierung in Deutschland erreichen konnte. In Österreich stieg das Album bis auf Platz 4 und hielt sich insgesamt 16 Wochen. Darüber hinaus erreichte das Album in Australien Platz 4. In Kanada stieg das Album am 10. März 1973 auf Platz 71 ein, erreichte am 28. April 1973 mit Platz 2 seine höchste Platzierung und hielt sich insgesamt 39 Wochen in den Charts. Eine weitere Top 10 Platzierung erreichte das Album in Norwegen, wo es bis auf Platz 6 stieg und sich 16 Wochen in den Charts hielt. Das Album hat sich bis heute mehr als eine Million Mal verkauft. Es erreichte in den USA kurz nach der Veröffentlichung bereits Gold-Status und am 13. Oktober 1986 schliesslich Platin-Status. Greg Prato bewertete das Album mit 4,5/5 Sternen. Er bezeichnete es als eines der besten Alice Cooper Alben und einen Klassiker im Bereich des Rock. Für Jason Thompson ist "Billion Dollar Babies" das beste Album von Alice Cooper als Band. Robert Christgau gab dem Album die Note B+ und sah darin Alice Coopers stimmigste Arbeit." Nach der Veröffentlichung des Albums begann die Band die Billion Dollar Babies Tour. Sie spielten innerhalb von 90 Tagen 64 Konzerte in 59 Städten. Die Bühnenshows waren gekennzeichnet von Coopers Outfit mit falschen Blutflecken im Genitalbereich, vom Auseinanderreissen von Puppen und dem Attackieren von Schaufensterpuppen mit einer riesigen Zahnbürste. Insgesamt wurden für die Bühnenshows über 12 Tonnen Material verwendet. Darunter tausende Spiegelteile und Wunderkerzen, sowie unzählige Glühlampen, Peitschen und Beile.

Nach dem weniger erfolgreichen Album "Muscle Of Love" (1973) folgte im folgenden Jahr die niemals offiziell erklärte Auflösung der Band, um allen Mitgliedern Zeit für Soloprojekte zu geben, die alle bis auf das des Sängers Alice Cooper (unter anderem mit "Welcome To My Nightmare") niemals veröffentlicht wurden. Die Band fand sich später unter dem Namen Billion Dollar Babies noch einmal für kurze Zeit zusammen. Ihr einzig erschienenes Album war "Battle Axe". Alice Cooper setzte seine Karriere als Solomusiker fort und konnte seinen Namen Vincent Furnier nach einem Streit, um die Rechte an dem Bandnamen Alice Cooper zu erhalten, 1974 auch offiziell in Alice Cooper ändern. Von diesem Zeitpunkt an wechselte er die ihn begleitenden Musiker in regelmässigen Abständen. Künstlerisch wollte er fortan noch mehr auf Konzeptalben und bei seinen Konzerten auf eine stark visuelle Bühnenshow setzen. Mit neuen Musikern gelang ihm das mit seinem erfolgreichen Album "Welcome To My Nightmare" und der anschliessenden Tournee, die Ballade und Single-Auskopplung "Only Women Bleed" wurde ein Hit. Die folgenden Alben, mit Ausnahme von "Alice Cooper Goes To Hell" (1976), waren weniger erfolgreich. Zudem wurde Cooper in den folgenden Jahren zu einem starken Alkoholiker. Eine Entzugstherapie konnte er 1978 erfolgreich abschliessen. Seinen Alkoholismus und die Eindrücke dieser Klinik verarbeitete er in dem im selben Jahr erschienenen Album "From The Inside", das er zusammen mit Elton Johns Songtexter Bernie Taupin schrieb, der ebenfalls alkoholkrank war. Es war Coopers am stärksten persönlich geprägtes Album, und er selbst nannte es sein 'classiest-sounding Album'. Allerdings kam Cooper durch die Zusammenarbeit mit Taupin mit Kokain in Kontakt und entwickelte eine starke Abhängigkeit von der Droge.

1981 folgte zusätzlich ein Rückfall in den Alkoholismus, welcher sich auch auf sein musikalisches Schaffen auswirkte. Die nächsten vier Alben zwischen 1980 und 1983 zeichneten sich vor allem durch bizarre Texte aus und waren wenig erfolgreich. Seit 1984 hatte Alice nach eigenen Angaben keinen Rückfall mehr erlitten. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung sagte Cooper über sein Alkoholproblem: "Gott hatte diese Gier nach Alkohol von mir genommen. Für die Ärzte war ich der klassische Alkoholiker, aber hier handelt es sich nicht um eine medizinische, sondern um eine spirituelle Angelegenheit. Ich bin in einer christlichen Gemeinschaft aufgewachsen. Mein Vater, mein Grossvater waren Priester, auch der Vater meiner Frau übrigens. Deshalb gab es Leute, die für mich gebetet haben, für mich, für den Inbegriff des Nichtchristlichen. Diese Gebete wurden erhört. Du musst eine ungeheure Willenskraft haben, sagen die Leute, wenn sie von meiner Abstinenz sprechen. Doch das stimmt nicht. Ich bin schwach und fehlbar wie alle, aber diese Gier wurde von mir genommen". Für die folgenden zwei Alben tat sich Alice Cooper im Jahre 1986 mit dem Gitarristen Kane Roberts zusammen, der bei Konzerten als musikalischer Leiter fungierte. Die Alben gingen wieder deutlich mehr in Richtung modernen Hardrock und orientieren sich an zeitgenössischer Musik von Bands wie Bon Jovi und Aerosmith. Neben Roberts gehörte zu dieser Zeit auch der Bassist Kip Winger zu den Musikern, die Cooper unterstützten. Coopers Rückkehr auf die Bühne fand am 31. Oktober 1986 in Detroit statt, das Konzert wurde von MTV live übertragen.

Erneuter weltweiter Erfolg gelang Alice Cooper im Sommer 1989 mit seinem Album "Trash" und dem Single-Hit "Poison". Auf dem vom damals extrem erfolgreichen Produzenten Desmond Child produzierten Album waren auch zahlreiche Gastmusiker (zum Beispiel Musiker der Bands Aerosmith und Bon Jovi) zu hören. Diese erfolgreiche Zeit fand auch Ausdruck in Alice Coopers Gastrolle in dem Kinofilm 'Wayne’s World' (von und mit Mike Myers), in dem er mit dem Song "Feed My Frankenstein" von seinem Album "Hey Stoopid" (1991) auftrat. 1994 brachte Cooper mit "The Last Temptation" seit langer Zeit wieder ein klassisches Konzeptalbum heraus. Das Album geriet düsterer als die Vorgängeralben und orientierte sich mehr an seinen Werken aus den 70er Jahren. 1997 erschien das Livealbum" A Fistful Of Alice", das in Sammy Hagars Cabo Wabo Cantina aufgenommen worden war. 1999 erschien "The Life And Crimes Of Alice Cooper", das Outtakes von 1965 bis 1999 beinhaltete. Die nächsten Alben "Brutal Planet" (2000) und "Dragontown" (2001) handelten von den Missständen auf der Erde (Anfangszeile aus "Brutal Planet": "We're spinning 'round on this ball of hate") und waren musikalisch deutlich härter als alle Werke zuvor. Seit der im Jahr 2000 erfolgten "Brutal Planet"-Tournee trat auch Alice Coopers Tochter Calico in den Shows mit auf, so wie es früher schon ihre Mutter Sheryl getan hatte. Sie spielte verschiedene Rollen, wie eine Krankenschwester, eine Domina oder sogar Britney Spears, und liess sich als Paris Hilton von ihrem Handtaschen-Chihuahua in die Kehle beissen. 2005 war auch sein Sohn mit von der Partie und spielte einige Figuren auf der Bühne. Im September 2003 kam das Album "The Eyes Of Alice Cooper" heraus, das aber, wider Erwarten, nicht der dritte Teil der "Brutal Planet"-Trilogie war. Das Album orientierte sich am klassischen Garage Rock der Siebzigerjahre.

Am 4. Juli 2005 erschien das Album "Dirty Diamonds", das sowohl musikalisch als auch vom Songwriting her (technisch) ausgefeilter war als sein Vorgänger. Die Besetzung der Musiker änderte sich nur geringfügig. Im Januar 2006 wurde ein neues Cooper-Stück veröffentlicht: "Mankind" aus dem Soundtrack des Horrorfilms 'Bloodrayne'. Nach der fast zweijährigen Dirty Diamonds Tour rund um den Globus war der Schockrocker im Frühjahr 2008 wieder im Studio, um sein neues Werk "Along Came A Spider" einzuspielen. Ryan Roxie (Gitarre), der Musiker, der von 1996 bis 2006 und somit länger als jeder andere Musiker vor ihm im Dienste Alice Coopers stand (abgesehen von Eric Singer, der seit 1990 dabei ist), kündigte im März 2006 seinen vorübergehenden Rückzug aus der Alice Cooper Band an, um sich um seine Familie und seine Solokarriere kümmern zu können. Seither steht Keri Kelli (früher bei Slash’s Snakepit, den L.A. Guns und Pretty Boy Floyd), der gemeinsam mit Roxie in der Band Dad's Porno Mag spielte, bei Alice Cooper auf der Bühne und war im Juni 2006 erstmals mit ihm in Deutschland zu sehen. Auch der ehemalige Bassist von Ritchie Blackmore's Rainbow Greg Smith hat lange Jahre mit Alice Cooper gespielt, wurde jedoch durch Chuck Garric ersetzt. Bis heute geht Alice Cooper regelmässig auf Tour. Eine Tournee in Deutschland fandzum Beispiel mit Deep Purple im Februar 2006 und mit Whitesnake im November und Dezember 2008 statt. Nebenbei gehört ihm ein Restaurant namens Cooperstown in Phoenix, Arizona. Ausserdem moderiert er die Radiosendung 'Nights with Alice Cooper', die von zahlreichen Radiosendern weltweit ausgestrahlt wird. Seine Freizeit verbringt er mit Golfspielen, seinen drei Kindern sowie seiner Frau, mit der er seit über 30 Jahren verheiratet ist. Am 2. Dezember 2003 wurde ihm ein Stern auf dem legendären Walk of Fame verliehen.

Alice Cooper, der eng mit Groucho Marx, dem Kopf der Marx Brothers, und Salvador Dalí befreundet war und mit Bruce Springsteen und Paul McCartney befreundet ist, hat 1976 in Zusammenarbeit mit Autor Steven Gaines ein autobiografisches Buch mit dem Titel 'Me, Alice (The Autobiography of Alice Cooper as Told to Steven Gaines)' veröffentlicht. Von diesem Buch wurde nur eine geringe Anzahl an Exemplaren aufgelegt, was es zu einem wertvollen Sammlerstück machte. 2007 trat er bei Tobias Sammet's Avantasia als Gastmusiker auf. Er sang in dem Lied "The Toy Master" aus dem Album "The Scarecrow". 2008 erschien seine Autobiografie 'Golfmonster', auch in einer deutschen Ausgabe. Am 5. August 2010 trat Alice Cooper unter dem Motto 'A Night to Remember' zum ersten Mal beim Wacken Open Air Festival auf, 2011 veröffentlichte er "Welcome 2 My Nightmare", ein Album, das die 1975 begonnene Geschichte um die Figur des Steven wieder aufgriff und ihn neue Albträume durchleben liess. Für die 'No More Mr. Nice Guy' Tour 2011 holte Cooper seinen ehemaligen Gitarristen Steve Hunter in seine Band, der sie jedoch Anfang 2012 aufgrund eines geplanten Soloprojektes wieder verliess. Er wurde wenige Monate später durch Ryan Roxie, welcher bereits viele Jahre für Cooper spielte, ersetzt. Für das Jahr 2012 kündigte er auf Facebook eine weitere Europa Tournee nach 2011 an. 2014 wollte er ein Cover-Album veröffentlichen, das unter anderem Songs von The Doors, John Lennon, The Who und Jimi Hendrix enthalten sollte. 2015 überraschte Alice Cooper, als er gemeinsam mit Joe Perry von Aerosmith und Schauspieler Johnny Depp das Bandprojekt Hollywood Vampires aus der Taufe hob. Die Gruppe ging nach ersten Liveauftritten Ende 2015 Mitte 2016 mit dem Projektalbum auf weltweite Tournee, unter anderem auch in Deutschland auf dem Hessentag in Herborn.