YELLOW DOG - Beware Of The Dog (Virgin Records V 2104, 1978)
Für manchen Zeitgenossen stellt sich manchmal die existenzielle Frage nach dem Sinn eines Begriffs, nach dem Zweck einer Wortschöpfung oder schlichtweg nach dem Inhalt einer Redewendung. So auch mir, als ich die orthographische Konstruktion " Eintagsfliege " in meine Überlegungen mit einbezog, die ich anstellen musste, um eine lesbare Rezension zu einem Album von der Gruppe mit einem nicht so ungewöhnlichen Namen wie Yellow Dog fertigen zu können. Nun, die Eintagsfliege (Ephemereptera) ist im biologischen Sinne, jene geflügelte Spezies, die nur wenige Stunden oder ein bis maximal vier Tage auf diesem Planeten lebt, sich vermehrt und dann sterben muss. Wie traurig! Manchmal werden unerwartete Erfolge als " Eintagsfliege " tituliert; so auch im Musik-Genre. Die - als Abbild der gesellschaftlichen Entwicklung - exorbitant gestiegene Zahl an musikalischen "Eintagsfliegen" werden wir kaum noch benennen können. Es sind vor allem jene künstlich und medial propagandistisch aufgebauschten Interpreten, deren Outfit und deren gymnastische Tanzbeilagen oft viel wichtiger sind, als der gesangliche oder instrumentale Vortrag.
Von dieser Kategorie im Show-Biz scheinen die Musiker um Yellow Dog personell betrachtet zwar weit entfernt, dennoch muss die im Jahre 1978 veröffentlichte LP "Beware Of The Dog", eben doch als klassische Eintagsfliege katalogisiert werden. Wer aber verbirgt sich nun hinter diesem Bandnamen ? Es scheinen - nimmt der Rezensent das Plattencover zuhilfe - vier Musiker zu sein, deren Zahl sich jedoch, geht der Wissbegierige nach den Angaben auf dem "Yellow Doggie Bag", sich auf drei Protagonisten reduziert, die dann allerdings um zwei weitere Musikernamen ergänzt werden. Ja, was denn nun ? Fakt ist, dass sich ein gewisser Kenny Young und ein Herbie Armstrong hinter diesem Projekt verbergen. Auch diese Namen sind nur Insidern ein Begriff. So bleibt allenfalls ein kleiner "Aha"-Effekt zurück, wenn das Plattenlabel erscheint. Es ist die Firma des Multimillionärs und Chaoten Mike Branson, nämlich Virgin Records.
Bei einer intensiveren Recherche stellt sich jedoch heraus, dass Yellow Dog so unbekannt wiederum nicht sind, hat es die Formation innerhalb von knapp vier Jahren immerhin auf drei LP's und auch Singles-Veröffentlichungen gebracht. Hinzu kommt, dass Herbie Armstrong bereits eine durchaus lebendige Musiker-Karriere aufweisen kann, eher er bei Yellow Dog sein Stelldichein gibt. Dennoch stellt sich für den Rock-Historiker die grundsätzliche Frage, ob diese Band nun einst aus zwei, drei oder mehr Musikern bestanden hat. Anhand der Discographie kann diese leider nicht exakt beantwortet werden. Sei´s drum. Denn: Auch die zweite LP der Gruppe ist dem Rockfan weitestgehend im Verborgenen geblieben, gibt sie inhaltlich eben nicht unbedingt eine besonders erwähnenswerte musikalische Leistung her.
Auf der ersten Seite des Albums "Beware Of The Dog" findet sich mit "Gee Officer Krupke" der Opener, in welchem jene, bereits damals grassierende, Perspektivlosigkeit der britischen Vorstadt-Jugend thematisiert wird, die sich zwischen dem Dienst in der brtischen Armee, dem Leben als Punk oder einer Knast-Karriere entscheiden muss. Während der Text in weiten Passagen - dank seines sarkastischen Abgesangs auf die englische Zivilgesellschaft - noch einen gewissen Anspruch erhebt, kommt die instrumental-vokale Umsetzung nicht über das Niveau eines Pub-Kampftrink-Liedes hinaus. Hier wird wohl auch ganz bewusst eine Allerweltsmelodie gewählt, um den Nonsens der Endsiebziger mit dem bereits aufleuchtenden, gefühlskalten Neonlicht Bar- Ambiente und einem bewusst provozierenden Schwenk der Folgegeneration hin zu mehr Spass und ungezügeltem Konsum, zu persiflieren. Der zweite Titel nennt sich "Up In The Balcony". Er zeigt sich ein wenig arg gesangslastig und wird von einem satten Bass geführt, der den Refrain nicht ausufern lässt. Hierzu tragen auch die sich gut ergänzenden Gitarreneinlagen von Young/Armstrong bei. Das songschreibende Duo nimmt dabei den Massentourismus kritisch unter die Lupe und verleiht somit dem Text eine originelle Würze.
Das dritte Stück "So This Is Love" ist von einem etwas pathetischen Gesang über die persönlichkeitverändernde Kraft des Verliebtseins geprägt, begleitet von einem blubbernden Bass und einem locker-leichten Gitarrenspiel. Mit "Flying Saucers" gibt sich die Truppe einem Thema hin, das sich insbesondere dem immer währenden Alptraum von der Existenz ausserirdischen Lebens widmet. Nur beiläufig wird deutlich, dass dem musikalisch spöttischen Lobgesang über jenen (un)wissenschaftlichen Richtungsstreit einige exzellente Keyboardeinlagen, aus den Fingern von Peter Bardens (einst Mitglied der Gruppe CAMEL) sowie Pete Solley (SNAFU) zu Grunde liegen, die dem Stück eine zarte futuristische Note verleihen. Die Seite 1 der LP schliesst mit dem Titelsong "Beware Of The Dog", einem nur knapp über eine Minute laufenden Stück, das in seiner Grundrhythmik sehr an die CAMEL-Kreationen aus jener Zeit erinnert und sich durch einen ebenso knappen Text auszeichnet, in dem vor dem bösen (?) Hund gewarnt wird.
Die zweite LP-Seite vermittelt durch den Song "Wait Until Midnight", der durch einen gewöhnungsbedürftigen Gesang sowie von einem stampfenden Rhytmus getragen wird, eher einen Vorgeschmack auf das Folgestück "Just One Night ", in dem der verzweifelte Versuch einer längst verarmten Witwe, sich quasi durch einen One Night Stand dauerhaft an ihren Beglücker binden zu wollen, eine gelungene Einleitung in diesem immer junge Thema. Jenes real-satirische Szenario wird von Yellow Dog nicht nur musikalisch verulkt, sondern erfährt noch eine Pointe, weil zum Schluss des Titels jene welkende, sub-alternde Witwe, ihre vielfältigen Dienste mittels des bereits gehörten Refrains nun am Telefon wiederholt und das dafür ruppige "No" des Angebeteten, eigentlich das phonetische Zerrbild jeder mit Vorurteilen behafteten Industriegesellschaft widerspiegelt. In dem Titel "I Got Carried Away" werden die gesanglichen Qualitäten des Duos Young / Armstrong erneut unter Beweis gestellt. Ein melodiöser Refrain über das Vergessen an eine Verflossene, untermalt vo einem eher banalen Gitarrenintermezzo, beendet damit auch die Herzschmerz-Thematik. Der absolut beste Titel des Albums folgt mit "Master Of The Night (The Laughing Song)" und stellt mit seinen über 6 Minuten das Kernstück der LP dar. Neben der textlichen Ode an die Schönheit einer durchzechten Nacht zeigt die Band hier am eindrücklichsten, was sie musikalisch zu leisten vermag. Ein einsetzendes Gitarrensolo in der Mitte des Titels, ein knurrender Bass und ein schwingendes Schlagzeug, unterstützt von den Keyboards von Peter Bardens sowie den elektronischen Einlagen von Pete Solley lassen selbst die kritischen Hörer ehrfurchtvoll verstummen.
"Beware Of The Dog" von ist nicht eines der Highlights aus den Spätsiebzigern, in der der "Punk"-Sturm auf die heilige Bastille vieler Plattenkonzerne losbricht, sondern eher ein gelungener Querschnitt aus dem Bereich der musikalischen Interpretationskünste jenseits des - auch längst überholten - Bombast- Rocks, wie ihn Yes, Emerson, Lake & Palmer, Rick Wakeman oder die frühen Genesis zelebrierten. Das Album stellt mithin schon deswegen ein absolutes Muss in der Sammlung eines Rockfans dar, weil es sich nicht an den vorherrschenden Klischees jener industriellen Vermarktungsstrategien orientierte, die schon längst auch hier Platz gegriffen haben und an deren negativen Auswirkungen eine Vielzahl von Rock-Heroen gescheitert waren. Das Duo Young / Armstrong hat es denn wohl auch nicht so sehr mit den Verkaufszahlen und einer mithaltenden Mainstream Platte gehabt, es wollte eigentlich nur den niedergehenden Musikindividualismus hervorheben und mittels ironisch-sarkastischer Titel zu dem Realzustand der einstigen Gesellschaft dem Zuhörer einen Spiegel vor das eigene Gesicht halten. Das dürfte, wenn auch leider kommerziell letztlich ziemlich erfolglos, in jedem Fall mehr als nur gelungen sein.
Mit dem Erstalbum "Yellow Dog" versuchte die Gruppe unter der Führung des Duos Kenny Young und Herbie Armstrong, jene stilistischen Segmente weiter zu verarbeiten, die die Beiden zuvor in den von ihnen durchlaufenden Stationen, bei Formationen wie "The Manhattan Showband", "Brian Rossi & The Golden Eagles", "Wheels", "Screaming Lord Sutch", "Demmick & Armstrong" oder "Fox" (Hit: "Only You Can") aufgenommen hatten, um aber auch ein eigenes Fundament zu bilden. Hieraus entstand eine Mischung aus kuriosen bis zeitkritischen Texten und überwiegend gesangs- sowie gitarrenlastigen Titeln, die nicht so recht in die üblichen Schemata passen wollten. Nach "Beware Of The Dog" blieb es über drei Jahre still um die Gruppe, ehe sie ihr letztes Album 1981 mit dem ebenso vielsagenden wie originellen Titel "Strangers In Paradox" veröffentlichten. Inzwischen waren dabei nicht nur die meisten Namen, der sie unterstützenden Musiker völlig andere, auch das Plattenlabel hatte die Gruppe gewechselt. In der Folgezeit stiegen Herbie Armstrong, Peter Bardens, Micky Feat und Peter van Hooke bei der Begleitband von Superstar Van Morrison ein. Es wurden mehrere Alben aufgenommen und mit ihm eine Reihe von längeren Tourneen absolviert, während es um Kenny Young eher still wurde. Erst Ende der 90er Jahre tauchte sein Name im Zusammenhang mit einem Chor-Projekt in Frankfurt am Main wieder auf, ehe er sich ab den ersten Nach-Milleniumsjahren als Initiator und Produzent rund um das "A.P.E." - Projekt und dem "Buena Vista Social Club" verdient machte. Da dem Duo nicht zuletzt auch mit dem Album "Beware Of The Dog" die musikalischen Grenzen deutlich aufgezeigt worden waren, dürfte eine Reunion dieser Formation eher im Bereich des Unwahrscheinlichen liegen. Yellow Dog blieben somit nur ein Wimpernschlag auf dem Zeitstrang der Rockgeschichte - eine klassische Eintagsfliege. Aber was für eine!