Jan 31, 2021


LLOYD COLE AND THE COMMOTIONS - Rattlesnakes 
(Polydor Records 823683-1, 1984)

Soft Rock, Independent Rock, Singer/Songwriter, Pop Rock - der britische Musiker Lloyd Cole passt in so einige Schubladen, und doch wieder in keine so richtig. Er selber meinte damals: "We're just a Rock'n'Roll Band". Und auf das Debutalbum "Rattlesnakes" bezogen erinnert sich Bassist Lawrence Donegan: "This is something they don't tell you: It's easy to make a great album. It's much more difficult making a bad album. Bad albums take forever to record - months, sometimes years, and cost a small fortune. "Rattlesnakes" was not a bad album. In fact it was a great album and it was finished in a few weeks." In der Tat war dieses Debutalbum ein akustischer Lichtblick im Sumpf der ganzen kalten und elektronischen Pop-Sosse der digitalen 80er Jahre, denn es verzichtete auf alle irgendwie verwendbaren zeitgemässen Studio-Gimmicks elektronischer Art. Es war quasi ein Album, das sowohl in den ausgehenden 70er Jahren, wie auch in den 90er Jahren hätte aufgenommen worden sein. Insofern kann man es auch als zeitlos betrachten, denn noch heute klingen alle Songs frisch und unverbraucht, vor allem nicht trendy oder gar nach 80er Jahre Sound. 

Wenn man sich spätere Werke etwa von The Church, Crowded House oder schlicht später erschienene Alben von Lloyd Cole anhört, so klang dieses Debut bereits wie der klassische Singer/Songwriter-Poprock der 90er Jahre. Und noch heute werden stilistisch verwandte Alben auf diese traditionelle analoge Art und Weise eingespielt, sodass sie warm, unverfälscht, auch mal hemdsärmlig, aber immer organisch und handmade klingen. Man muss aber schon auch festhalten, dass nicht alles kühl und leblos klang, was in den 80er Jahren produziert worden war. Vor allem im Bereich des Pop und Poprock allerdings gab es da schon technische Exzesse, an die man sich heute nur noch mit Gruseln erinnern mag.

Der Philosophie-Student Lloyd Cole und einige seiner Mitstudenten an der Universität von Glasgow gründeten 1982 die Band The Commotions. Ursprünglich als grosse Soul-Band gegründet, reduzierte sich die Mitgliederzahl jedoch bald auf eine Basisband von fünf Musikern: Neben Lloyd Cole als Sänger waren dies der Keyboarder Blair Cowan, der Gitarrist Neil Clark, der Bassist Lawrence Donegan und der Schlagzeuger Stephen Irvine. Die erste Single, das aus dem Debutalbum ausgekoppelte "Perfect Skin" erreichte unerwartet für die Gruppe die Top 30 in England, was natürlich zu einem guten Start auch als Live-Band führte. Lloyd Cole nennt Bob Dylan und Booker T. & the MGs als seine wichtigen musikalischen Einflüsse, aber weist auch auf sein Studium in Englisch und Philosophie in Bezug auf den Titel des Albums hin, der auf ein Zitat im Roman "Play It As It Lays" von Joan Didion zurückgeht, und nennt für die Songtexte als Referenzen etwa Renata Adler, Simone de Beauvoir und Norman Mailer.

Der Sänger und Gitarrist beschreibt die Songs auf "Rattlesnakes" als "die Dinge, die Menschen tun, wenn Sie verliebt sind. Menschen finden sich in allen möglichen, oft seltsamen Szenarien wieder und ich mag die Idee, über diese Situationen zu schreiben. Manchmal ist es komisch, manchmal tragisch, manchmal komisch und tragisch zugleich. Nach einigen Jahren des Versuches, dies zu leugnen, habe ich schliesslich erkannt, dass ich im Grunde über mich selbst schreibe." Cole beschreibt letztlich nicht nur seine eigenen Empfindungen in seinen Songtexten, er hat auch viel von seiner äusserlichen Persönlichkeit in die Songs gelegt. Vielleicht war auch alleine seine nicht zeitgemässe Erscheinung aus einer Art Mix aus Dandy und Inspektor Columbo (er trug oft einen verwaschenen alten Trenchcoat) schon der Grund, warum die Menschen ihn als äusserst sympathisch erlebten, denn er passte auch äusserlich so gar nicht in die glattgebügelte 80er Synthie-Popper Kultur.

Das Album "Rattlesnakes" enthält zehn ausgezeichnete und sehr stimmige Musikperlen, von denen das raffiniert arrangierte "Speedboat", die zarte und unbeschwerte Akustik-Ballade "2CV", das zusammen mit Neil Clark geschriebene "Are You Ready To Be Heartbroken ?" und natürlich der Opener, die Single "Perfect Skin" mit seinem tollen Ohrwurm-Charakter die vielleicht besten sind, was allerdings die Qualität der übrigen Songs in keinster Weise schmälern soll. Das ganze Album ist eine perfekte Sommer- und Sonnenschein-Platte, die grossen Hörspass bereitet, sehr unterhaltsam ist und dank ihrer sauberen und glasklaren Produktion auch klanglich exzellent ausgefallen ist. Produziert von Paul Hardiman blieb das Album allerdings das am besten verkaufte Werk von Lloyd Cole, der sich davon aber dennoch nie verdriessen liess und weiterhin tolle Alben aufnahm. Das Nachfolger-Album "Easy Pieces", veröffentlicht 1985, folgte demselben Qualitätsbewusstsein der Band und warf mit den Songs "Lost Weekend" und "Brand New Friend" zwei weitere veritable Hits ab, die es beide in die britischen Top 20 schafften. Das dritte Album "Mainstream" war 1987 zugleich der musikalische Höhepunkt und auch das Ende der Bandkarriere.

Lloyd Cole zog daraufhin nach New York City und war fortan als Solokünstler unterwegs. Während sein Debüt – 1990 unter dem Namen "Lloyd Cole" erschienen und mit Fred Maher (Schlagzeug), Robert Quine (Gitarre) und Matthew Sweet (Bass) eingespielt – noch dem Independent-Werk mit den Commotions ähnelte, vollführte das 1991er Album "Don't Get Weird On Me Babe" eine Wendung zum aufwendig produzierten (Paul Buckmaster) und streicher-lastigen Pop. Der grosse kommerzielle Erfolg blieb indes aus, und so hatte Cole Schwierigkeiten, für sein 1993 erschienenes Album "Bad Vibes" einen US-Vertrieb zu finden. Mit dem Album "Love Story" fand der Musiker 1995 zurück zu seinen Wurzeln mit den Commotions, nicht zuletzt, weil Neil Clark wieder die Gitarre spielte. Das Verhältnis zu Polydor war aufgrund unbefriedigender Verkaufszahlen allerdings getrübt, obwohl Lloyd Cole erstmals seit mehreren Jahren mit "Like Lovers Do" wieder einen Top 30 Hit in den englischen Charts verbuchen konnte. Die Plattenfirma weigerte sich, das 1996 eingespielte Album "Etc." zu veröffentlichen. Eine 1998 herausgebrachte Compilation mit dem Namen "Collection" verkaufte sich wiederum nicht gut genug, als dass man ein neues Album auf den Markt bringen wollte.

Erst 2000/2001 konnte sich Cole vertraglich wie künstlerisch befreien und sowohl mit seiner 1-Album-1-Tour-Band The Negatives (mit Jill Sobule, Dave Derby, Adam Schlesinger und Michael Kotch) das Album The Negatives (produziert von Stephen Street) veröffentlichen, als auch in rascher Folge das Album "Etc." endlich herausbringen, seinen Ausflug in die Electronica mit dem Titel "Plastic Wood", sowie sein Bootleg" Loaded: Live In New York" den Fans vorstellen. 2003 folgte das Album "Music In A Foreign Language" mit dem Coversong "People Ain't No Good" aus der Feder von Nick Cave. In der Folge reaktivierte Lloyd Cole auch seine Commotions wieder und hat sowohl Live-Platten, wie auch umfangreiche Konzert-Tourneen bestritten. Er ist nach wie vor als Musiker und Komponist aktiv.






HACKENSACK - Up The Hardway (Polydor Records 2383 263, 1974)

Produziert von Altmeister Derek Lawrence, der zum Zeitpunkt des Erscheinens des leider einzigen offiziellen Hackensack-Albums schon mit etlichen Grössen der Rockmusik zusammengearbeitet hatte (Deep Purple, Wishbone Ash, Flash, Warm Dust, Alquin) und mir vor allem durch die legendären "Green Bullfrog" Sessions ein Begriff war, erschien mit Hackensack eine Band auf der Rockbühne, die vor allem vom schwermütigen Zeitlupen-Bluesrock der Gruppe Free inspiriert war. Der spätere Samson-Sänger Nicky Moore war zwar kein Paul Rodgers, aber trotzdem ein hervorragender Rock-Sänger, der mit seinen gefühlten 200 Kilo Lebendgewicht nicht nur auf der Bühne eine stattliche Erscheinung bot, sondern mit seiner bärigen Stimme diesen bluesgetränkten melodiösen bis harten Rock auch perfekt herüberbringen konnte.

Die Gruppe Hackensack war durchaus prominent besetzt und wer sich im klassischen Rock-Bereich etwas auskennt, dem waren die Musiker auch sofort ein Begriff. So zum Beispiel der Gitarrist Ray Smith, der bei Hackensack seinen Einstand gab und sich später aufgrund einer ständigen Namensverwechslung mit einem anderen englischen Musiker namens Ray Smith (Raymond Barry Smith) von der Band Heads Hands & Feet das Pseudonym Ray Majors verpasste und bei Mott The Hoople, den British Lions und Mitte der 80er Jahre bei Box Of Frogs (mit Medicine Head-Sänger John Fiddler sowie einiger ehemaliger Yardbirds-Musiker inklusive Jimmy Page und Jeff Beck) zu einigem Erfolg gelangte. Bassist Paul Martinez, zuvor für Jimmy Castor und Cat Stevens tätig, spielte später auch mit Chicken Shack, Paice Ashton Lord und Strech und war jahrelang treuer Musikerfreund von Robert Plant in dessen Begleit-Band. Schlagzeuger Simon Fox wiederum wurde nach dem Hackensack-Einstand der Drummer der Gruppe Be Bop Deluxe. Sänger Nicky Moore wie erwähnt gelangte via die Rockbannd Tiger zu Samson und sang danach auch bei Mammoth und Hammerfall.

Diese illustre und kompetente Schar spielte mit dem auf Polydor erschienenen Album "Up The Hardway" einen Genre-Klassiker ein, der zum Zeitpunkt des Erscheinens kaum wahrgenommen, später allerdings zum Kultobjekt avancierte, wohl deswegen, weil die Musiker der Band erst in ihren späteren Projekten und Engagements richtig bekannt wurden. Das steigerte den Sammlerwert ihres Albums beträchtlich, zumal auch nicht allzu viele originale Alben im Umlauf waren damals und so gilt die Platte heute als sehr gesucht.

Das erste Lebenszeichen der Gruppe Hackensack war eine Single, die zwei Jahre zuvor erschienen war und ihre einzige überhaupt bleiben sollte. 1972 veröffentlichte sie den von Mick Ralphs geschriebenen Titel "Moving On" auf Island Records, was insofern bemerkenswert ist, als dass der Komponist Mick Ralphs als Mitglied der Band Bad Company diesen Song erst 1974 für deren Debutalbum einspielte. Hier war also das Paradoxon gegeben, dass quasi eine Coverversion fast zwei Jahre vor der Originalversion veröffentlicht wurde. Für Hackensack war die Single ein Flop, nicht so für Bad Company. Sie erreichte 1975 einen respektablen Platz 19 in den Charts.

Auf dem Album "Up The Hardway" finden sich vor allem etliche bluesgetränkte, mal melodischere, mal rockiger ausgerichtete "Schleicher": Songs, die teilweise über ein extrem entschleunigtes Tempo verfügen, was die Platte insgesamt recht bluesig erscheinen lässt. Allerdings muss man der Platte attestieren, dass sie durch diese Langsamkeit der schleppenden Songs eine sich durchziehende Stimmung erzeugt, die wesentlich konsequenter ist als beispielsweise Platten der Gruppe Free, die oft in ähnlicher Weise ihre Songs umsetzte. Auch Free drosselten bei vielen Songs das Grundtempo, und erzeugten damit einen mitunter bleischweren Bluesrock, der heute noch ziemlich einzigartig wirkt, wenn man sich ihre alte Platten anhört.

So kann auch im Grunde kein Song auf dem Album favorisiert werden, denn die ganze Platte verfügt wie selten eine über den berühmten "roten Faden": Jeder Titel folgt demselben Muster, vielleicht mit Ausnahme der Rock'n'Roll Tracks "Lazy Cow" und "Hot Damn Home-Made Wine" - zwei Songs aus der Feder von Chas Hodges (Chas & Dave, Heads Hands & Feet), die sich etwas vom Rest des Repertoires abheben. Ansonsten könnte man der Platte durchaus eine gewisse Gleichförmigkeit vorwerfen, was ich im Falle dieses Werks der Gruppe Hackensack allerdings eher als wohldurchdachtes Konzept bezeichnen möchte, denn unterhaltsam sind alle Songs der Platte, das keine Schwachstellen aufweist, sondern sich konsequent durchzieht. Das Titelstück mit dem mittigen, allein für sich stehenden Gitarren-Solo ohne weitere Instrumentierung zähle ich ebenso zu den Höhepunkten des Albums wie den die zweite LP-Seite eröffnenden Zweiteiler "Angels Theme / Goodboy Badboy", das mit ein paar folk-rockigen Tupfern versehene "Northern Girl" und auch den Zeitlupen-Bluesrock "A Long Way To Go", bei welchem die Band rhythmisch schon fast zum Stillstand kommt, was beim Zuhören allerdings ausgesprochen spannend wirkt...Tütenraucher-Groove - Hauptsache entspannt und ohne Hektik.

Für mich ist "Up The Hardway" schon immer einer dieser vergessenen und auch übersehenen Edelsteine aus einer längst vergangenen Zeit und ein früher Höhepunkt im Schaffen von vier kreativen Musikern, die erst später zu Bekanntheit gelangten, als sie sich getrennt hatten und Jeder seinen individuellen Weg suchte und fand.