Sep 17, 2022


DR. Z - Three Parts To My Soul (Spiritus, Manes Et Umbra)
(Vertigo Records 6360 048, 1971)

Dr. Z's Album "Three Parts to My Soul" gilt als das seltenste Album, das damals auf dem legendären Vertigo Swirl Label erschienen war. Es heisst, dass davon lediglich 80 Stück in den Verkauf gelangten, der Rest aufgrund nicht vorhandener Nachfrage vom Plattenlabel wegen Unverkäuflichkeit eingestampft wurde. Sollte Jemand also wie ich im Besitze dieser ultraseltenen Original-Platte sein, deren Marktwert in Top-Zustand mittlerweile bei annähernd 4000 Euro liegt, möge er sie behalten und horten wie einen Schatz, denn er wird sie kaum jemals wieder irgendwo finden. Als spätere Neuauflagen gibt es sie allerdings bis heute zu kaufen, sei es als LP oder als CD. Sicherlich suchenswert dürfte die Platte als Vinyl sein, denn auch spätere Wiederveröffentlichungen wurden teilweise dem originalen Gimmick-Look nachempfunden, zum Beispiel jene Version des italienischen Labels Akarma Records. Dr. Z war die Band des musizierenden Professors Keith Keyes von der University Of North Wales, der als Keyboarder das in jenen Tagen nicht wirklich angesagte Cembalo, sowie Orgel und Klavier spielte. In jenen Tagen des frühen Progressive Rock war eher das Mellotron das Tasteninstrument der Stunde. Als Begleitmusiker fungierten zwei seiner Studenten, nämlich Rob Watson am Bass und Bob Watkins am Schlagzeug. Ein Gitarrist war nicht im Line Up zu finden. Damit reihte sich die Band durchaus in die Reihe einiger damals sehr populärer sogenannter 'Keyboard Only'-Bands ein, wie etwa Refugee (mit dem Schweizer Patrick Moraz) oder Quatermass (John Gustafsson) als vielleicht bekannteste Beispiele.

1970 waren Dr. Z noch zu viert und veröffentlichten auf dem Plattenlabel Fontana eine erste Single mit dem Titel "Lady Ladybird" mit der Rückseite "People In The Street". Diese beiden Songs zeigten noch keinerlei Aehnlichkeit zu der LP, welche im Jahr darauf folgen sollte. die beiden wenig überzeugenden Songs waren eine Art Psychedelik-Pop, der damals, 1970 schon beinahe peinlich wirken musste, da diese Art von britischem Pop inzwischen so gut wie hoffnungslos aus der Mode gekommen war. Trotzdem waren beide Songs durchaus nicht etwa schlecht. Sie waren einfach nicht mehr zeitgemäss. Dies nahmen sich die Musiker dann wohl auch zu Herzen und machten sich bei der Vorbereitung der LP daran, sich an gängigen progressiven Rockbands zu orientieren. Dass ihnen dabei kein Gitarrist mehr zur Seite stand, machte das Ganze nicht etwa schwerer, sondern eher einfacher, denn Keith Keyes musste nun keine Gitarren-Arrangements mehr mit in seine Kompositionen einbeziehen, sondern legte alle für die LP vorgesehenen Songs auf verschiedene Keyboardklänge aus. So erhielt jeder Song, der es schliesslich auf das Album schaffte, fast sein eigenes individuelles Erkennungsmerkmal, indem Keith Keyes mit verschiedensten Keyboard-Arrangements experimentierte. Allen Song lag indes dasselbe, sehr tighte Rhythmus-Fundament zugrunde: Bass und Schlagzeug waren adäquat in die Kompositionen eingewoben worden, sodass man das Ergebnis durchaus nicht in die Nähe von Greenslade und Konsorten stellen musste. Irgendwie klang das Album "Three Parts To My Soul" wie ein Keyboard-Werk, das nicht in aufdringlicher Art und Weise nach Keyboardsounds gierte.

Das Album "Three Parts To My Soul" klang wie der typische britische Progressive Rock jener Tage und enthielt sogar okkulte Textfragmente, wie sie damals ebenfalls gerne in die Songtexte eingebaut wurden, wie beispielsweise von Black Widow auf deren Album "Sacrifice" oder auch von Graham Bond auf dessen beiden 'Holy Magick' Alben, die interessanterweise auch bei Vertigo Records erschienen waren. Produziert wurde das Werk von Patrick Campbell-Lyons, welcher damals so etwas wie der Hausproduzent von Vertigo Records war, in den 60er Jahren mit seiner eigenen Band dem Psychedelik Poprock frönte und 1971 bei Vertigo Records ebenfalls ein Album einspielte ("Local Anaesthetic"). So gesehen war Dr. Z's Album ein durch und durch von Vertigo Records in Szene gesetztes Album, denn auch das fabelhafte und mehrfach ausklappbare Plattencover war eine Arbeit des für Vertigo Records tätigen Designers Barney Bubbles, der aber auch für andere Künstler und Bands spezielle Plattencovers entwarf. Eines seienr bekanntesten Coverdesigns war das ebenfalls mehrfach ausklappbare Cover von Hawkwind's Album "In Search Of Space", das ebenfalls 1971 erschien.

Das neben der wirklich tollen Musik Beachtenswerteste waren ganz bestimmt die Songtexte von Keith Keyes, die sich mit dem Leben nach dem Tod beschäftigten. Darin vertrat der Musiker die Theorie, dass die Seele des Menschen nach dessen Tod nicht einfach entweder in den Himmel oder in die Hölle komme, sondern sich dreiteilt und gleichzeitig in den Himmel und in die Hölle kommt, aber auch weiterhin auf der Welt bleibt, um diese heimzusuchen. Dies, weil keine Seele wirklich gut oder schlecht ist und sich das Verbleiben im irdischen Dasein während seiner Lebenszeit im Grunde verdient hat. Eine etwas seltsam anmutende Thematik vielleicht, aber damals durchaus gängig, insbesondere im Bereich des Underground, des Progressive Rocks und auch im Hard Rock, dessen Untersparte Okkult-Rock auch in jener Zeit entstanden war und dessen bekannteste Vertreter durchaus Black Sabbath waren, die, man ahnt es schon, ebenfalls auf Vertigo Records ihre ersten Platten veröffentlichten.

Der immer leicht symphonisch wirkende Progressive Rock von Dr. Z erinnerte stellenweise an die frühen Genesis oder Yes, insbesondere durch die von den Keyboards dominierte Musik. Andererseits standen Dr. Z kompositorisch auch den Bands Black Widow, Gracious oder Cressida nahe, alle drei ebenfalls entweder stark okkult oder aber sehr symphonisch ausgerichtet. Opulente Arrangements zeichneten die Songs des Album "Three Parts To My Soul" ausserdem aus. Der Opener "Evil Woman's Manly Child", das Stück "Spiritus, Manes Et Umbra", das seine Lauflänge durch ein Schlagzeug-Solo erheblich in die Länge zog, "Summer For The Rose" und "In A Token Of Despair" waren allesamt hochklassige Kompositionen und zeigten ausgefeilte Arrangements, die meilenweit von dem entfernt waren, was die Band nur ein Jahr zuvor noch auf ihrer erstne Single präsentiert hatte. Der Gesang auf den Stücken unterstützte die musikalischen Botschaften perfekt, indem die Stimmen teilweise fremdartig, zumindest aber richtiggehend mysteriös und manchmal etwas nebulös wirkten. Ob das beabsichtigtes Kalkül war, oder ob diese Stimme einfach wirklich echt und so perfekt zu den Songs passte, kann man nur mutmassen. Jedenfalls passte das alles hervorragend zusammen. Das Werk enthielt ja den Untertitel "Spiritus, Manes Et Umbra", was die bereits erwähnten drei Teile der menschlichen Seele nach dessen Tod symbolisieren sollten. 'Spiritus' stand dabei für den Atem des Menschen und dessen Geist, 'Manes' für die Verstorbenen, die an Festtagen aus der Unterwelt emporstiegen und 'Umbra' für den Kernschatten, wie er beispielsweise bei einer Sonnen- oder Mondfinsternis auftritt.

Eine der erstaunlichsten Geschichten um Dr. Z's Album "Three Parts To My Soul" rankt sich allerdings um deren Verkaufszahlen. Angeblich wurden von dem Album lediglich 80 Stück verkauft, was man angesichts der wunderschönen optischen Aufmachung und vor allem auch der exzellenten Musik kaum glauben mag. Dennoch versäumte es die Plattenfirma, genügend Werbung für das Werk zu machen. Ein Problem dabei war aber sicherlich auch, dass die Band, die ja eigentlich keine war, praktisch keine Live-Auftritte bestritt, da Rob Watson und Bob Watkins weiterhin an der Universität studierten, respektive dozierten (Keith Keyes). Nichtsdestotrotz kann das Album heute als eines der essenziellen Art Rock-Alben jener Zeit angesehen werden und dass es seine rockmusikalische Relevanz bis heute nicht eingebüsst hat, beweisen die zahlreichen Wiederveröffentlichungen, die es von dem Album inzwischen gibt. In Dr. Z's Album reinzuhören, lohnt sich unbedingt, denn hier stimmte eigentlich alles: Musik, Songtexte, instrumentales Können und nicht zuletzt das phantastische Cover-Artwork.















HASIL ADKINS - Out To Hunch (Norton Records ED-201, 1986)

Eigentlich war Hasil Adkins so, wie man sich sich einen leicht verrückten amerikanischen Hinterwäldler vorstellt. Sein ganzes Leben lang wohnte der Musiker in einer Hütte in Boone County, West Virginia, zu seinen grössten Leidenschaften gehörte neben Gitarren, Autos und Frauen vor allem das Essen von Hühnerfleisch und seine Beziehung zum Gesetz war nicht immer ganz unkompliziert. Allerdings war Adkins doch nocht etwas mehr, denn als One Man Rockabilly Band und Psychobilly-Pionier geniesst er heute bei manchen Musikfans einen legendären Status.

Hasil Adkins kam 1937, mitten der Zeit der Great Depression, als jüngstes von 10 Geschwistern zur Welt. Geld gab es in seiner Umgebung zunächst kaum und die Schulzeit des späteren Musikers beschränkte sich einigen Berichte zufolge auf wenige Tage. Damit blieb Adkins Zeit seines Lebens ein Mann mit wenig Bildung aber einer sehr reichen und etwas sonderbaren Phantasie. In seiner Kindheit kam Adkins auch das erste Mal mit Musik in Kontakt, vor allem mit Countrysängern wie Hank Williams und Jimmy Rodgers. Irgendwie nahm der Heranwachsende ganz selbstverständlich an, dass diese alle Instrumente gleichzeitig spielten. Diese Idee sollte er bald selbst umsetzen, denn beim Radiohören beliess es Adkins nicht lange.

Schon als Kind begann er damit, auf Blechdosen zu trommeln. Später ging er dann zur Gitarre über und begleitete sich zunehmend mit diversen Perkussions-Instrumenten beziehungsweise dem Schlagzeug, das er mit dem Fuss spielte. Nach eigener Aussage konnte Hasil Adkins auch noch Klavier und Orgel mit dem Ellbogen bedienen, falls er dies als notwendig betrachtete. In den 50er Jahren begann er damit, die Öffentlichkeit mit seinem Können bekanntzumachen, und musste bald feststellen, dass die grosse Masse noch nicht bereit war für diesen rohen Sound aus einer Hütte in Virginia. Woran es genau lag, dass Hasil Adkins mit seiner Suche nach Plattenverträgen Anfang der 60er Jahre keinen Erfolg hatte, lässt sich schlecht rekonstruieren. Höchstwahrscheinlich war die Zeit einfach noch nicht reif für die punkige Mischung aus Rockabilly und Country, die der passionierte Fleischesser und Frauenheld den Plattenproduzenten in Kaliforninen entgegenschleuderte.

Das galt wohl nicht nur für die Musik von Hasil Adkins, sondern auch für seine Songtexte. Denn der Multi-Instrumentalist sang selten von der Liebe, und wenn dann oft auf seine ganz  eigene Art. So handelten Adkins' Songs beisielsweise davon, auf dem Mond Erdnussbutter zu essen, die eigene Freundin zu enthaupten oder den von Adkins selbst entworfenen "Chicken Walk" zu tanzen. In den 60er Jahren trat Hasil Adkins deshalb hauptsächlich in kleinen Clubs in seiner Heimatregion auf. Platten nahm er in Eigenregie in seinen eigenen vier Wänden auf, diese interessierten allerdings bis in die 80er Jahre hinein nur wenige Hörer. Das galt wohl auch für den jeweils amtierenden Präsidenten der USA, dem Hasil grundsätzlich eine Aufnahme von sich zuschickte. Von Richard Nixon kam immerhin eine Antwort, die lautete: "I am very pleased by your thoughtfulness in bringing these particular selections to my attention".

Dass Hasil Adkins heute zumindest einigen Musikenthusiasten als früher Wegbereiter des Psychobilly bekannt ist, ist vor allem den Cramps zu verdanken. Denn nachdem die amerikanische Punk Rockabilly Band eine von Adkins' Kompositionen, "She Said", zu unverhofftem Ruhm verholfen hatte, entdeckte ein New Yorker Plattenlabel den unermüdlich spielenden Adkins und holte ihn aus seiner Hütte auf eine Tournee durch Amerika. Von da an sollte Atkins eine späte musikalische Hochzeit erleben. Nicht nur wurde sein erstes professionelles Album 1987 in der New York Times zum "Rock Album of the Week" gekürt. Auch ein neuer Vertrag mit dem Blues-Label Fat Possum Records erwies sich als erfolgreich. Sogar eine kleine Karriere als Schauspieler schlug Hasil Adkins auf seine alten Tage noch ein, unter anderem, ganz in Psychobilly-Manier, mit einem kleinen Auftritt in der Zombie-Komödie "Die You Zombie Bastards".

Mittlerweile gehört die Geschichte von Adkins zu einer von Journalisten und Musikkritikern gerne erzählten. Einer von ihnen sorgte für einen Wutanfall bei Sting, als er dem Ex-Police-Bassisten Hasil Adkins als positives Beispiel eines integren Musikers vorhielt. Der Clinch interessierte Adkins selbst wohl kaum. Er schien in seinen letzten Jahren recht glücklich mit der positiven Resonanz, den seine Songs plötzlich erfuhren, auch wenn ihn ein Teil des Publikums mehr als Freak denn als Künstler betrachtete. Leicht war das Leben als One Man Band wohl nicht. Nach diversen Aussagen litt Adkins immer wieder an Depressionen und Schlaflosigkeit. Dass er die Frauen liebte, aber nie die eine fürs Leben fand, führte für den Musiker unter anderem zu einem Gefängnisaufenthalt, nachdem er sich eine Schiesserei mit einem eifersüchtigen Ehemann geliefert hatte. Und auch das Ende des bis auf seine Hahnenkämpfe stets freundlichen Sängers war ein tragisches. Er wurde auf seinem eigenen Grundstück von einem Jugendlichen auf einem Quad überfahren. Bleibt zu hoffen, dass sich einige Musikhörer von den Worten des Kritikers und Journalisten Nick Tosches inspirieren lassen, der meinte: "Like the Bible and toilet paper, the music of Hasil Adkins belongs in every household".



LOCKSLEY HALL - Locksley Hall
(Or Records OR-13, 1996 / Originalaufnahmen von 1969)

Es ist liebevollen Spinnern wie beispielsweise den brettharten Plattensammlern Jade Hubertz, Stan Denski und Rick Wilkerson zu verdanken, dass immer wieder musikalische Perlen das Licht der Welt erblicken, die für immer verschollen geblieben wären, würde es solche zumeist selbstlose, rein der Sache verpflichtete Gönner nicht geben. Die drei überzeugten Psychedelik- und Hippie-Rock Freaks aus Indianapolis USA gründeten 1993 ein Kleinstlabel, das zu dem Zweck gegründet wurde, Platten, die entweder nur in Kleinstauflage oder sogar gar nicht veröffentlicht worden waren, einem interessierten Publikum zugänglich zu machen. Das Or Records genannte Label brachte in den folgenden Jahren insgesamt 18 Platten und CDs heraus, bevor sich die Firma in Aether Records umbenannte. Von den wenigen veröffentlichten Alben auf Or Records dürfte das unter Sammlern sehr begehrte Gitarren-Psychedelik Album "See ?" von WINDOPANE wohl das Bekannteste sein. Die Band um die später eher im Country-Bereich tätige Sängerin und Gitarristin Beki Brindle konnte ihre beiden Alben auf dem Label herausbringen, neben "See ?" noch das nachfolgende Werk "Lucky Catatonia".

Locksley Hall wiederum war eine der eher bekannteren Psychedelik Bands an der Nordwestküste der USA, die von 1967 bis 1970 existierte und zumeist wesentlich bekanntere Acts dieses musikalischen Bereichs als Supporting Act begleiten durfte. Das Problem, nicht bekannter zu werden lag keinesfalls an mangelnden spielerischen Qualitäten der Musiker, sondern vor allem darin, dass sich für das im Jahre 1969 unter der Leitung des lokal sehr angesehenen Gitarristen Ned Neltner (Mark Five, Gas Company, Junior Cadillac) und vom Sound-Techniker der legendären SONICS Kearny Barton produzierte Album kein Plattenlabel fand, welche das Werk veröffentlichen wollte. So blieben die 11 eingespielten Songs bis 1996 unveröffentlicht, die Band auch weitestgehend unbekannt, bis sich die drei Recken von Or Records der originalen Studiobänder der Songs annahmen und sie restaurierten, um sie in einer limitierten Auflage von gerade mal 300 LP's zu veröffentlichen.

Der äusserst bunte und vielfältige Psychedelik Rock Cocktail von Locksley Hall klingt wie eine herzhafte Mixtur verschiedenster Stilrichtungen. Allen Stücken war allerdings gemeinsam, dass sie über viele typische Elemente des damaligen Psychedelik Rocks und des aufkeimenden Progressive Rocks verfügten. Ein bisschen IT'S A BEAUTIFUL DAY Hipness, etliche JEFFERSON AIRPLANE Versatzstücke, sowie Gitarrenpassagen, die immer wieder an BIG BROTHER & THE HOLDING COMPANY erinnerten. Warum diese Mischung damals bei den Plattenfirmen keinen Anklang fand, bleibt eines dieser grossen Rätsel, für die es keine schlüssige Antwort gibt: Sowohl gesanglich, wie was das instrumentale Können der Musiker anbelangt, brauchte sich die Band nicht unter den ganz Grossen der Szene zu verstecken.
 
Durch den Umstand, dass die Musiker die verschiedenartigsten Musikstile zu einem homogen klingenden Gesamtwerk vereinigen konnten, hörte sich ihre Platte fast wie ein Sampler der ausgehenden 60er Jahre an, auf welchem sowohl die Fans von West Coast Music wie von Psychedelik Rock gewiss ihre Freude gehabt hätten, denn ausser an die bereits Genannten erinnerten ihre Songs durchaus auch an COUNTRY JOE & THE FISH, THE CHARLATANS oder auch an THE ASSOCIATION, denn bei aller hippiesken Vernebelung waren Locksley Hall auch sehr sehr melodiös und bewiesen ein grosses Gespür für tolle Songs. Auch waren die Songs des Albums professionell aufgenommen und abgemischt worden und klingen heute, verglichen mit unzähligen anderen, wesentlich bekannteren Alben aus jener Zeit, mindestens gleichwertig gut. Wer ausserdem mit dem Frühwerk von GRATEFUL DEAD vertraut ist, wird auch einige Gitarren-Stellen auf dem Album finden, durch die schon fast der Geist von Jerry Garcia weht. Toll!

Ausserdem spielten Locksley Hall immer mit einer gewissen Härte im Sound, weniger soft beispielsweise als damals die meisten Psychedelik Bands. Dadurch wirkten ihre Songs wesentlich knackiger und forscher, was sich in einer hör- und spürbaren Dynamik in den Titeln niederschlug. Ein tolles Werk, das man hin und wieder noch finden kann und das sich lohnt, gehört zu werden. Interessant am Rande vielleicht noch, dass das Album damals für das immerhin sehr bekannte Epic Label von Columbia Records aufgenommen wurde, aber leider in den Archiven verschwand. 

Songs

1.Locksley Hall (Poem)
2.Boy
3.Let Me Blow Out Your Candle
4.Baby Blue Eyes
5.D-O-P-E
6.Some Say Love
7.What Does A Lonely Heart Do ?
8.Que-Bell
9.Wake Up (Tubby’s Tune)
10.When Autumn Leaves Turn To Gold
11.Locksley Hall (Poem)

Band Line-Up

Ben Stanley - Gitarre, Gesang
Shannon Svenson - Gesang
Kevin Svenson - Gesang
Roy Castleman - Bass, Gesang
Denny Langdale - Keyboards
Randy Thompson - Schlagzeug







EDGEWOOD - Ship Of Labor (TMI Columbia Records Z 30971, 1972)

Progressiver Rock aus Memphis Tennessee und das in der Blütezeit des Memphis Sound, der für richtige Männermusik, für erdigen Rhythm'n'Blues steht ? Ja, das gab's in der Tat. EDGEWOOD hatten Mut. Sie hatten aber auch eine gute Reputation und die hiess THE GENTRYS. Denn in dieser erfolgreichen Teenie-Band liegen die Wurzeln der Gruppe; ihren Millionseller "Keep On Dancing" von 1965 hatte jede Schülerband im Repertoire ("Shake it, Shake it, Baby!") Weil aber weder die anderen Bandmitglieder, noch das Management etwas am Bopper-Image und damit am Musikstil der GENTRYS ändern wollten, verliessen Keyboarder David Beaver, Bassist Steve Spear und Gitarrist Jim Tarbutton 1970 die Band. Sie waren davon überzeugt, dass THE GENTRYS vielleicht einigermassen Geld, aber auch totalen musikalischen Stillstand bedeuteten. In Gitarrist und Sänger Pat Taylor, zuvor im Ensemble von Ronnie Stoots ("Ashes To Ashes"), Schlagzeuger Joel Williams (zuvor kurzfristig ein Musiker in der Band von Mike Bleecker) und Multi-Instrumentalist David Mayo fanden sie weitere kompetente Mitstreiter. Taylor war es auch, der den Bandnamen EDGEWOOD vorschlug; er wohnte in einer gleichnamigen Strasse.

Progressiver Rock, ganz im Stile britischer Vorbilder wie KING CRIMSON oder YES, das schwebte ihnen ursprünglich vor. Dass im einzigen gemeinsamen Werk letztlich noch einige andere, auch amerikanische Rockgruppen ihre Spuren hinterliessen, wer will es ihnen verdenken. Nach dem die Mannen von EDGEWOOD bereits mehrere Monate lang komponiert und geprobt hatten und das bei den GENTRYS erspielte Geld langsam zur Neige ging, bekamen sie schliesslich einen Vertrag beim kleinen TMI-Label in Memphis. Mit Produzent Jim Johnson hatten sie einen erfahrenen Produzenten und Studioingenieur an ihrer Seite, der sowohl selbst Musiker in der Muscle Shoals Rhythm Section war, als auch schon für Aretha Franklin, The Rolling Stones, Wilson Pickett, Joe Cocker und Cher am Mischpult gesessen hatte.

Erinnert man sich daran, was für eine Art Musik die Musiker von EDGEWOOD zuvor gemacht haben ("Keep On Dancing", "Do You Love Me", "Don't Send Me No Flowers"), hat man schnell Verständnis für den Albumtitel "Ship Of Labor". Wie Galeerenarbeit müssen sie es wohl empfunden haben, sich in die vertrackten Synkopen ihrer neuen Songs einzuspielen, wieder und wieder kurze Sets zu üben, weil das Gitarrenriff nicht in die Tonlage für den richtigen Anschluss an den letzten Keyboardakkord zu bringen war, und so weiter. Zum Glück fanden sie in TMI Label-Chef Steve Cropper (Booker T. & The M.G.'s, Blues Brothers Band) einen Mentor, der oft ins Studio kam und den Musikern mit Rat und Tat zur Seite stand.

Zeitgenössische Kritiker haben die Musik von EDGEWOOD in eine Reihe mit AMBROSIA und KANSAS mit einer Vorliebe für Southern Garage-Rock gestellt; eine Einschätzung, die ich nicht nachvollziehen kann. Ich denke, die Ameruikaner hatten lange mit Progressive Rock so ihre liebe Mühe, er war ihnen irgendwie zu verkopft. Wenn ich Verweise auf andere Bands einbringe, so will ich damit keinesfalls die Kreativität des besprochenen Albums in Frage stellen oder gar ein Abkupfern unterstellen. Ich versuche bei weniger bekannten Gruppen und Interpreten damit lediglich eine Vorstellung zu vermitteln, wie die entsprechende Passage in etwa klingt. Die Musik von EDGEWOOD lebte davon, in Beaver, Mayo und Taylor mit drei starken Sängern gesegnet gewesen zu sein und fünf verschiedene Gitarristen oder zwei Keyboarder vor die Mikrophone stellen zu können. Und mit Joel Williams verfügten sie über einen klassisch geschulten Schlagzeuger, dem auch vor symphonischen Sequenzen nicht bange war.

Der erste Titel "Ain't Had No Lovin'" eröffnet mit einer westcoast-animierten Gitarre. Das einsetzende Piano wird überraschend von einem Cembalo abgelöst, doch die klassische Einlage ist nur von kurzer Dauer, dann nimmt ein Honky Tonk-Klavier augenzwinkernd den Ernst aus der Sache. Sachte Himmelsklänge, umrahmt von einem an die DOOBIE BROTHERS erinnernden Satzgesang, führen zum von einer Kirmesorgel gesetzten Schlusspunkt. Die Variationsmöglichkeiten der Tasteninstrumente werden auch bei "Why Don't You Listen" voll genutzt. Es geht rhythmisch los, Gitarren und Keyboards liefern ein schneidiges Korsett für die grunzenden Keyboardakkorde, die an "Taurus" von EMERSON, LAKE & PALMER erinnern. In diesem heftigen Wechselspiel bleibt dennoch genügend Zeit, die äusserst virtuose Schlagzeug-Arbeit von Williams zu bewundern. Dass bei "Burden Of Lies" der Schwerpunkt nicht auf der Rhythmusarbeit liegt, kündigt die Folk-Gitarre zu Beginn schon an. Das Ganze erinnert sehr an die frühen HOLLIES, wenn auch die Harmonien immer wieder leicht verkanten und damit Spannung in den Refrain bringen. In den zweiten Teil des Songs führt eine hammondmässig gestimmte Orgel, die sich vom fleissigen Schlagzeug ein bisschen antreiben lässt.

Das Titelgeber-Stück kommt verständlicher Weise nicht als fröhlich pfeifender Junge, sondern als abgearbeiteter, sehr melancholischer alter Mann daher. In den sechseinhalb Minuten für "Ship Of Laabor" spannt ein sphärenhaft klingendes Keyboard mit viel Hall den Himmel, während ein zweites, mehr an ein Mellotron erinnerndes Keyboard den Part des Bösen, Drohenden übernimmt. Beavers voluminös klingende Stimme passt gut zum verlangsamten Geschehen, das alle Instrumente deutlich voneinander trennt. Doch je länger das Stück dauert, umso mehr verschmelzen die Leadgitarren von Taylor und Tarbutton bis zum Einklang. Auch in diesem Song drängen sich einem permanent Erinnerungsfetzen von bei anderen Gruppen Gehörtes auf, ohne dass man sie genau definieren könnte. Das ist bei "Unconscious Friend" ganz anders. Die Gitarren kennt man von den FLYING BURRITO BROTHERS oder der SOUTHER HILLMANN FURAY BAND. Hier weht überhaupt kein Südstaatenwind mehr, hier mischt sich eine kalifornische Brise mit englischem Nebel vielleicht ein wenig à la TRAFFIC: Ein zuerst lockeres Orgelgewebe wird zum Ende hin kräftig in die Rock-Zange genommen. Ähnlich ergeht es dem Keyboarder beim Song "Medieval People". Gleich zwei Leadgitarren fordern die typische Progressive Rock-Orgel zum Wettlauf heraus.

"We Both Stand To Lose" liefert äusserst entspannte Momente. Nicht sehr originell, aber wie der Leadsänger seine stimmlichen Mitstreiter zum Refrain herausfordert, wirkt schon sehr inspirierend. Und man kann endlich auch die Arbeit des Bassisten Steve Spear würdigen "What You See" ist fast so etwas wie ein Unikum auf diesem Album. Die etwas wirre und zerfaserte Melodieführung verschrecken mit hardrockigen Gitarren und zeigen dabei einen deutlichen Trend zur Disharmonie. Passt nicht recht zum Rest des Albums, klingt aber hochinteressant. Indes: Kein Progressive Rock-Album ohne Traum-Sequenz. EDGEWOOD haben sich an diese Vorgabe gehalten und mit "Silent" das entsprechende Stück komponiert. Klar, wieder ein wabernder Orgel-Himmel über allem und eine schauspielerhaft artikulierende Stimme, die uns den Weg durch den Traum weist. Ich weiss, es wird nicht so sein, aber das in kurzen Abständen wiederholte kinderliedartige Thema erinnerte mich schlagartig an Sergej Prokoffiev's "Peter und der Wolf". Als einige Jahre später dann die von Jack Lancaster, Robin Lumley und Dennis McKay produzierte Rockversion des Musikmärchens heraus kam (mit Gary Moore, Gary Brooker, Julie Tippett, Manfred Mann, Cozy Powell, Phil Collins und anderen) war die Ähnlichkeit sogar frappierend: Ente und Katze begleiten Peter durch den Wald. Die letzten zwei der insgesamt sieben Minuten des Songs vergibt EDGEWOOD an die BEACH BOYS. Sie nehmen jetzt das Thema auf und geben es bis zum Schluss nicht mehr her. Also der Satzgesang ist derart similar, da muss Absicht dahinter stecken: Eine - wenn als das gedacht - herrliche Hommage an die Strandjungs.

Nach dem leider einzigen Album unter dem Namen EDGEWOOD kam nichts mehr hinterher. Die Band löste sich auf, genauere Gründe waren nicht zu erfahren. David Beaver spielte und tourte mit den GENTRYS erneut weiter, die nun doch endlich einen Stilwechsel hin zum Americana geschafft hatten, ging mit CACTUS, CHICAGO, DEEP PURPLE, BONNIE RAITT und SURVIVOR jeweils als Gastmusiker auf Tournee und unterstützte Steve Cropper's Studioarbeit. 1973 veröffentlichte er gemeinsam mit David Mayo das Album "Combinations", diesmal sahen die Musikkritiker darin eine Kreuzung zwischen ARGENT und BADFINGER. Dann verliert sich seine Spur. Heute ist Beaver ein erfolgreicher Bankier, spielt aber offenbar immer noch in einer lokalen Band in Memphis. Steve Spear gründete 1974 die Gruppe THE RADIANTS, machte viel Studioarbeit, so etwa für Tony Joe White, B.B. King und Rufus Thomas. Jim Tarbutton arbeitete nach EDGEWOOD für José Feliciano und sein Mother Music Studio in Orange, California. Zurück in Tennessee (1976), engagierte ihn J.J. Cale für sein Crazy Mama Studio und diverse Tourneen. Seit 1993 ist er freier Soundingenieur und Produzent.

Über David Mayo war zu erfahren, dass er später in den Gruppen TRIPLE CROSS, RUBY STARR, THE VILLAGE SOUND, GREY GHOST und JAGUAR gespielt hat. Pat Taylor konnte später im Studio mit Ringo Starr und Al Green arbeiten, noch später findet man ihn als Studio-Ingenieur bei Aufnahmen von Albert King, Stevie Ray Vaughn, Joe Walsh, Jerry Lee Lewis und Stevie Nicks vermerkt. Joel Williams schliesslich arbeitete zuerst als Studiomusiker in Memphis, war dann jeweils kurzfristiges Mitglied von CABOOSE, TARGET, TRIPLE CROSS, RUBY STARR, THE SPENCER DURHAM GROUP und schloss sich 1974 für längere Zeit BLACK OAK ARKANSAS an. Heute spielt er zusammen mit Steve Spear in der Classic Rock-Band DOWN2FIVE sowie hin und wieder in der kalifornischen Psychedelic-Folk-Band THE QUARTER AFTER. EDGEWOOD's Album "Ship Of Labor" ist ein bis heute praktisch unentdeckter Geheimtipp geblieben, der sich auch heute noch unbedingt lohnt, entdeckt zu werden.