Jul 23, 2020


THE JESS RODEN BAND - Blowin' (Island Records ILPS 9496, 1977)

Vielleicht ist er eine der tragischsten Figuren in der Rockmusik, vielleicht war er immer zur falschen Zeit am falschen Ort, wer weiss. Auf jeden Fall hat er viele Jahre lang auf höchstem Niveau gesungen, hat mit etlichen Koryphäen der Rockmusik zusammen musiziert, aber niemals war es ihm gelungen, den ihm ohne Zweifel zustehenden Erfolg zu haben. Die Rede ist von Jess Roden, einem der für meine Begriffe besten Rocksänger, der je aus England’s enormem rockmusikalischem Fundus hervorgegangen ist. Jess Roden kam 1947 in Kiddermister auf die Welt und seine allerersten musikalischen Gehversuche startete er im Alter von 15 Jahren, als er für den Job am Mikrophon der lokalen Bluesband SHAKEDOWN SOUND beitrat. Zahlreiche Konzerte absolvierte diese Band, einige davon auch mit dem zu jenem Zeitpunkt (1967) auch relativ bekannten ALAN BOWN SET. An einem dieser Konzerte, wo die Band SHAKEDOWN SOUND als Vorgruppe für Alan Bown spielte, wurde Jess Roden abgeworben, um als Leadsänger dem Alan Bown Set beizutreten und gleichzeitig nach London umzusiedeln. Für ein Album und eine Handvoll Konzertauftritte war Jess Roden dann der Leadsänger des ALAN BOWN SET. Weil zu dem Zeitpunkt in London jedoch die grosse Psychedelik-Welle startete, und dies nicht Jess Roden’s musikalischer Vorstellung entsprach, gesellte sich ein zweiter Leadsänger mit Namen ROBERT PALMER zur Band. Auf einem Album des ALAN BOWN SET kann man dann beide Sänger noch hören („The Alan Bown“). Danach stieg Jess Roden aus der Band aus.

Für die nächste Station in Jess Roden’s musikalischer Biographie ebnete dann Guy Stevens den Weg. Er hatte Jess Roden einige Male an Konzerten singen gehört und war gerade dabei, eine noch unbekannte Band aus Hereford mit Namen MOTT THE HOOPLE zu promoten. Diese Band setzte sich in ihren Anfangstagen aus Mitgliedern der Band SHAKEDOWN SOUND zusammen, der Band, in welcher Jess Roden seinen allerersten Mikrophon Job inne hatte. Sänger dieser neuen Formation war IAN HUNTER. Guy Stevens wollte nun auch für Jess Roden ein neues Band-Outfit zusammenstellen, und wurde dabei fündig bei Musikern der lokalen und unbekannten Band SILENCE, sowie noch zwei bis dato unbeschäftigten ehemaligen SHAKEDOWN SOUND Musikern: Gitarrist Kevyn Gammond und Bassist John Pasternak. Die Gruppe BRONCO war geboren. Gitarrist Kevyn Gammond spielte bis dahin in einer Band namens BAND OF JOY, deren Sänger Robert Plant später der ZEP-Sänger wurde. In der Band Of Joy spielte auch John Bonham Schlagzeug. Davor hiess der Drummer von Band Of Joy aber Pete Robinson, und der wurde dann der Drummer von BRONCO. Als zweiter Gitarrist stieg Robbie Blunt in die Band Bronco ein. In der Besetzung Jess Roden, Kevyn Gammond, Robbie Blunt, John Pasternak und Pete Robinson wurde dann das erste Album der Band BRONCO, genannt „Country Home“ eingespielt. Gastmusiker darauf waren unter anderen Jeff Bannister, der Keyboarder des ALAN BOWN SET, und Clifford T. Ward, der später als Solokünstler in England beachtliche Erfolge feierte. Produziert wurde das Album von Jess Roden in den Island Studios in London’s Basing Street. Aufgenommen wurde es von Richard Digby Smith. Es war sein allererstes Album überhaupt, das er aufnahm. Smith war später der Toningenieur von etlichen äusserst erfolgreichen Platten, die beim Label Island Recdords erschienen. Der Cat Stevens Produzent und Ex-Yardbirds Musiker Paul Samwell-Smith gab der Platte den letzten Schliff, mischte sie auch ab. Das Album wurde begeistert von den Kritikern aufgenommen, und der Band BRONCO wurde eine grosse Karriere vorausgesagt, was sich aber leider nicht bewahrheitete. Vielmehr wurde die LP zum Flop, trotz intensivem Touren als Vorgruppe unter anderem für Traffic, Free oder Mott The Hoople.

Ein Jahr später erschien das zweite BRONCO Album „Ace Of Sunlight“. Wie es zu jener Zeit schon durchaus üblich war, lud man bekannte Musiker als Gastmusiker zu den Aufnahme-Sessions ein. So sind auf dem zweiten Bronco-Album nebst einigen anderen Gästen auch der damalige Free-Keyboarder Mick Ralphs, sowie Mott The Hoople’s Ian Hunter am Piano zu hören. Und obwohl sich diesmal sogar Muff Winwood der Produktion annahm, half es nichts: Auch dieses zweite BRONCO Album verschwand sang- und klanglos in der Versenkung. Jess Roden zog daraus die Konsequenzen und löste die Band 1972 auf. Im darauffolgenden Jahr holte ihn Paul Kossoff zu den Aufnahmen zu seinem Album „Back Street Crawler“ ins Studio, ausserdem arbeitete er in Keef Hartley’s Band und lieferte die Backing Vocals für das Stück „Magic Bus“ von The Who.

1974 folgte dann eine Einladung als Sänger für die neue Band der Ex-Doors Musiker John Densmore und Robbie Krieger, der BUTTS BAND. Wieder wurde nix draus. Das erste Album der BUTTS BAND wurde vom alten Doors-Produzenten Bruce Botnick hervorragend produziert, die Songs waren griffig, abwechslungsreich und Jess Roden lieferte einen perfekten Gesang bei jedem einzelnen Stück ab. Die Fans wollten das aber nicht hören, hatten sich noch nicht von Jim Morrison lösen können und kauften den ehemaligen Doors-Musikern diese neue Musik nicht ab. Beide BUTTS BAND Alben landeten sogleich in den Grabbelboxen.

1975 unterschrieb Jess Roden dann bei Island Records als Solokünstler, veröffentlichte einige ganz passable Alben, von denen ein Jedes inzwischen mehrfach wiederveröffentlicht wurde, nur nicht sein meines Erachtens nach bestes Werk. Die Live-Platte „Blowin’“ von 1977 gibt es bis heute nicht auf CD und es wurde auch seit Erscheinen des originalen Albums als Vinyl nicht mehr nachgelegt. Auf dieser Platte bewies Jess Roden, was für ein grossartiger Sänger er war. Sein Spektrum reichte von Bluesrock der Marke Paul Rodgers über gefühlvollen Soul-Gesang bis zu Steve Marriott’scher Kratzbürstigkeit.

Jess Roden zog sich frustriert aus dem Musikgeschäft zurück, nachdem er jahrelang in den unterschiedlichsten Formationen und mit den unterschiedlichsten musikalischen Ausrichtungen als Solo-Performer gescheitert war. Er arbeitet seit vielen Jahren als Grafikdesigner, ist in diesem Beruf mittlerweile erfolgreicher als er es als Sänger je war. Seine letzte musikalische Aktivität datiert von 1995, als er mit einer Band namens HUMANS einige Konzerte in meist vollen Hallen sang, und dabei Neil Young’s „Cinnamon Girl“ als Ueberflieger im Live-Repertoire präsentierte, einen Titel, den er in den 60er Jahren bereits mit seiner ersten Band SHAKEDOWN SOUND zum besten gab.

Vor einigen Jahren sind die beiden BRONCO-Alben neu remastered erstmalig auf CD aufgelegt worden, nachdem eine zeitlang ein von Vinylquellen gezogenes Bootleg mit den beiden Alben herumgeisterte. Die Bronco-Alben gibt es inzwischen aber auch wieder als Vinyl zu kaufen. Grund für mich, mich an diesen hervorragenden Sänger, diese tragische Figur des britischen Rock, wieder einmal zu erinnern und sein brilliantes und kraftstrotzendes Live-Album „Blowin’“, dieses wundervolle Live Album mit den ultimativen Highlights „Ballad Of Big Sally“, „Jump Mama“ und einer wunderschönen Coverversion des Eagles-Klassikers „Desperado“ zu empfehlen.




JEFFERSON STARSHIP - Dragonfly (Grunt Records BFL1-0717, 1974)

Als dieses überwältigende Rock-Album im September 1974 erschien, musste sich jeder, der noch von dieser glückseligen und drogengeschwängerten Hippieband Jefferson Airplane schwärmte, erkennen, dass mit den 70er Jahren ein neues und äusserst innovatives rockmusikalisches Zeitalter begonnen hatte, das im Sog der kreativen Höhenflüge und des sich längst aufgelösten Blumenkinder-Korsetts auch die Hippie-Ikonen Grace Slick und Paul Kantner nicht länger entziehen wollten. Das Jefferson-Fluggerät war erfolgreich im neuen Rock-Zeitalter angekommen. Längst war es nicht mehr zwischen Nebel und Wolken als wackeliger Doppeldecker unterwegs, sondern hatte sich als Folge der kreativen Entwicklung bereits als veritables Sternenschiff in Stratosphären herangewagt, die zuvor kaum Jemand der Fans hätte für möglich halten können: Einem Raketenantrieb gleich fegte die neu formierte Crew geradewegs in den Himmel und liess die süsslich duftenden Rauchschwaden des ehemaligen Fluggeräts weit hinter sich. Die Zeiten von Warp Antrieb hatten begonnen und so manche Band setzte zum künstlerischen und kreativen Höhenflug an. In der ersten Hälfte der 70er Jahre schien in dieser Beziehung alles möglich zu sein, wie beispielsweise auch die brave Beatband Status Quo bewies, als sie ihr bärenstarkes Live-Equipment ins Studio schleppte, alle Regler auf 11 drehte und mit dem bekannten "Piledriver" den ganzen ollen 60's Pop-Muff hinweggeblasen hatte. Das war 1972 und zu der Zeit explodierte die Rockszene förmlich. Die Tontechnik erfuhr eine revolutionäre Verbesserung, plötzlich standen nicht mehr 2 oder 4, sondern 8 und 16 Tonspuren zur Verfügung, und das grosse kreative Spielen mit den Spuren war Usus geworden.

Mit den erweiterten technischen Möglichkeiten gerieten auch die Schallplatten zunehmends zu klanglichen Meisterwerken, der Begriff "Mixdown" wurde zu einem soundbestimmenden und wichtigen Element wie nie zuvor. Komplexe Arrangements, die früher im sogenannten Ping-Pong Verfahren mit enormen und hörbaren qualitativen Einbussen aufgezeichnet werden mussten, erhielten nun plötzlich ihre eigenen Spuren auf der Bandmaschine, was zum Beispiel gerade bei mehrstimmigen Gesangs-Arrangements zu einer enormen qualitativen Steigerung führte. Die ohnehin schon zu Jefferson Airplane-Zeiten markanten mehrstimmigen Vokalsätze erhielten durch die neuen technischen Möglichkeiten zusätzlichen Gehalt, sodass die Musik der Band gesamthaft wesentlich druckvoller, dabei aber auch erstaunlich frisch und unverbraucht und vor allem klanglich exzellent herüberkam. Jefferson Starship war nicht nur eine neue Band, es war auch ein hervorragendes Beispiel für die Entwicklung der soundtechnischen Möglichkeiten. Grace Slick sang im Stück "Hyperdrive" passend dazu: "I never thought there were corners in time, 'til I was told to stand in one".

Jefferson Airplane hatten ab 1971 praktisch aufgehört zu existieren. Sämtliche bisherigen Musiker der Truppe begannen, ihre eigenen Süppchen zu köcheln, wobei sich hier schon die Spreu vom Weizen zu trennen begann. Paul Kantner lebte weiterhin den Hippietraum und entwarf einen ganz eigenen Planeten, den er liebevoll "The Planet Earth Rock'n'Roll Orchestra", kurz PERRO, nannte. Mit den ewigen Hippies von Grateful Dead und David Crosby (Crosby, Stills, Nash & Young) entwarf er eine versponnene, spaceig-psychedelische bunt-naive Welt, die sich oberflächlich betrachtet vielleicht nicht grundlegend von der musikalischen Idee von Jefferson Airplane unterschied, jedoch eine enorme stilistische Weiterentwicklung bedeutete: Sie war auf lockere, sehr Dead-inspirierte Jams ausgelegt und klang manchmal fast noch verkiffter als Grateful Dead selber, wobei neben der Rockmusik auch Elemente von Folk und Blues vermehrt Einzug in den Gesamtsound fanden. Grace Slick brauchte sich nicht neu zu erfinden. Die Ikone spielte mit "Manhole" ein Album ein, das die Sängerin als das präsentierte, was sie immer schon war: Eine grossartige und sehr gefühlvolle Sängerin und Songautorin. Einzig die Herren Jorma Kaukonen und Jack Casady wechselten zu ungleich trivialerer und wenig innovativer Musik, die hauptsächlich im Bereich Folk und Blues angesiedelt war und wesentlich weniger experimentierfreudig ausgelegt war. Neben Casady und Kaukonen spielte auch der Strassenfiddler Papa John Creach bei Hot Tuna mit, der dann allerdings ausstieg, um das Sternenschiff zu besteigen und beim Drachenflug mitzufliegen, nachdem er schon in der sogenannten "Transition Phase", also der Uebergangszeit von Airplane zu Starship bei Kantner & Slick's Projekten beteiligt war.

Spencer Dryden schied bereits Anfang 1970 aus, ebenso wie der Sänger Marty Balin. Paul Kantner und Grace Slick, inzwischen ein Paar geworden, waren noch Label-gebunden und veröffentlichten mit "Bark" und "Long John Silver" zwei weitere Studioproduktionen für RCA Records und legten mit einem Live-Album mit dem Titel "Thirty Seconds Over Winterland" auch noch einen tollen Konzertmitschnitt nach, bevor sie, nun unabhängig in ihrer Veröffentlichungs-Philosophie mit den Alben "Blows Against The Empire" (das im Untertitel bereits den Zusatz 'Jefferson Starship' trug!) "Sunfighter" und "Baron von Tollboth & The Chrome Nun" drei sich im musikalischen Wandel präsentierende Alben vorlegten, die den Erfolg der späteren Starship-Werke schon vorwegnahmen. Obwohl konzeptlastig, waren auf allen drei Platten bereits bodenständigere und rockigere Themen zu hören, sodass eigentlich die nächsten 1 1/2 Jahre dazu verwendet wurden, die verschiedenen Projekte unter einen einzigen Band-Hut zu bringen.

Massgeblichen Anteil am wiedererstarkten und zweifellos auch kommerzieller ausgerichteten Sound der neuen Formation Jefferson Starship hatte Marty Balin, der zurückgekommen war, nachdem ihm mit einem Bandprojekt samt Album namens Bodacious D.F. kein Erfolg bescheiden war. Ausserdem waren mit Pete Sears und vor allem Craig Chaquico zwei hervorragende Gitarristen zur folrmation gestossen, die dem neuen Jefferson-Sound ihren Rock-Schliff gaben. Während Pete Sears zuvor schon bei Steamhammer, Stoneground und der Soul- und Funk-Shouterin Betty Davis brillierte, kam der langjährige musikalische Kumpel von Rod Stewart gerade von der Studioaufnahme dessen "Smiler"-Albums zu Jefferson Starship. Da Pete Sears auch hervorragend Keyboards spielte, entstanden in der Folge diese perfekten Sound-Arrangements, bei denen Sears immer punktuiert und absolut songdienlich entweder zusätzliche Rhythmus-Gitarre oder aber Keyboardsounds beisteuerte. Als Leadgitarrist fungierte Craig Chaquico, ein damals noch relativ unbekannter Gitarrist, äuf dessen Dienste allerdings zuvor Grace Slick und Paul Kantner bereits für ihre "Transition Phase" Projekte zurückgriffen. Besonders schön war dabei seine Gitarrenarbeit am Album "Baron von Tollboth & The Chrome Nun". Auch der Schlagzeuger John Barbata war auf jenem Album zu hören und er wurde zum fixen Schlagzeuger der Gründungsbesetzung von Jefferson Starship.

Fulminant war der Auftakt der LP mit dem kernigen Rocksong "Ride The Tiger", in welchem Craig Chaquico mit einer tollen Wah Wah Gitarre gleich den Rock in den Vordergrund stellte, wie er bis dato noch nie von Jefferson-Musikern präsentiert worden war. Der Songmix aus treibendem Rock-Groove, dem wie immer unwiderstehlichen mehrstimmigen Gesang sowie Kantner's und Slick's Faszination gleichermassen für Orientalisches, Mystik und Utopie wirkten als Ganzes äusserst spannend und elektrisierend. Vor allem zeigte schon dieser Opener der LP die Aufbruchstimmung einer Band, die im Begriff war, wie Phönix aus der Asche emporzusteigen. Das nachfolgende "That's For Sure", wiederum ein Rocksong, enthielt bereits einige typische Soundmerkmale, wie sie die Band in den folgenden Jahren noch verfeinern würde. Da war dieser irgendwie lässige Grundgroove, den man schon als typischen Westcoast-Sound bezeichnen konnte, andererseits wirkten die verspielten Instrumental-Arrangements, wiederum perfekt in gemeinsamer Interaktion vorgetragen von Pete Sears und Craig Chaquico zusammen mit dem freakigen Geigenspiel von Papa John Creach sehr unterhaltsam und anspruchsvoll. Ueberhaupt fiel auif, dass die neue Band wesentlich mehr Sinn und Gespür für detailreiche Ausschmückungen der Stücke entwickelte, was beim dritten Stück "Be Young You" aus der alleinigen Feder von Grace Slick zum ersten wahren Höhepunkt der Platte führte. Immer wenn Grace Slick ein auf ihr Storytelling perfekt zugeschnittenes selbstkomponiertes Stück zum besten gab, klang das manchmal wie nicht von dieser Welt. Diese Frau hatte einfach eine unheimliche Mystik in sich, und was sie sang, klang wie pure Magie. Auch der nächste Song war ein Highlight: Das sich über fast acht Minuten erstreckende Liebeslied "Caroline", komponiert und gesungen vom zurückgekehrten Marty Balin. Ich würde heute noch "Caroline" als das vermutlich beste Stück nennen, das dieser tolle Musiker mit diesem ganz eigenen und jederzeit wiedererkennbaren Stimmcharakter je geschrieben hat.

Eine schöne Plattform erhielt der Fiddler Papa John Creach im das die B-Seite der LP beginnenden Stück "Devils Den", wiederum von Grace Slick lead-gesungen und von der Band mit tollem mehrstimmigen Gesang unterstützt. Eine kleine Ueberraschung war das nachfolgende "Come To Life", ein wundervolles laidbackes Westcoast-Rockstück aus der gemeinsamen Feder des ehemaligen Grateful Dead Musikers Robert Hunter und dem vormals bei Quicksilver Messenger Service spielenden und nunmehr ebenfalls im Starship eingestiegenen Bassisten David Freiberg. Der absolute LP-Höhepunkt markierte dann die Covernummer "All Fly Away" aus der Feder des amerikanischen Folk-Troubadours Tom Pacheco, einem Musikbarden, dem zeitlebens nie die Aufmerksamkeit zuteil wurde, die er eigentlich verdient gehabt hätte. Und schliesslich das wahre Space Balladen-Monster "Hyperdrive", eine Nummer, die wohl mit zum besten gehört, was Grace Slick - hier zusammen mit Pete Sears - jemals geschrieben hat. "Hyperdrive" ist fast wie ein Space-Märchen aufgeführt mit grosser Geste gespielt, verträumt wirkend, manchmal tieftraurig, dann wieder betörend schön und unfassbar melancholisch. Das Stück besteht aus einem Songteil und einem instrumentalen zweiten Teil, der wiederum einige Aehnlichkeiten mit dem zweiten, ebenfalls instrumentalen und von Klavier getragenen Teil des Songs "Layla" von Derek & The Dominos aufweist. Ein zum Sterben schönes Stück.

Die Zukunft nach "Dragonfly" konnte gar nicht besser sein, war aber unbestritten absehbar. Mit dem im Folgejahr präsentierten zweiten Album "Red Octopus" landete Jefferson Starship einen Volltreffer. Die aus dem Album ausgekoppelten Singles "Miracles" (phantastisch gesungen von Marty Balin) und "Play On Love" festigten den Ruf der neuen Band als fabelhafte Reinkarnation einer der herausragenden Bands der Hippie-Aera. Vor allem ist der enorme Erfolg der Band Jefferson Starship wohl zu einem grossen Teil das Verdienst von Marty Balin, der für den Rest der Dekade bei der Band blieb und niemals den Versuch unternommen hat, zurück in die alten Hippie-Träume zu verfallen, sondern die Band stilistisch konsequent immer weitergeführt hat, sodass Jefferson Starship heute rückblickend als eine der wichtigsten Rockbands aus dem Amerika der 70er Jahre bezeichnet werden können. Mit "Dragonfly" legten die Musiker hierzu ihren Grundstein. Das Album gehört für mich zu den besten Alben aller Zeiten. Es gibt nicht viele Alben, die sich im Laufe meiner jahrzehntelangen Freude an guter Musik so oft auf den Plattenteller gedrängt haben.




 


YOUNG & MOODY - Young & Moody (Magnet Records MAG 5015, 1977)

Kaum hatte sich in England der Punk so richtig breitgemacht, servierten die beiden versierten Musiker Bob Young und Micky Moody einen vielfältig gewürzten Country Rock Eintopf, der sowas von hoffnungslos 'out of fashion' war, dass er zum Zeitpunkt der Veröffentlichung von kaum Jemandem probiert wurde. Die LP gelangte quasi vom Presswerk direkt in die Grabbelbox, wo sie für ein bescheidenes Trinkgeld von so manchem Gourmet überhaupt erst entdeckt wurde. Auch mir erging es so. Mir waren die Namen der beiden Musiker durchaus geläufig: Bob Young als jahrelanger Tour-Manager von Status Quo, der auch in kompositorischer Hinsicht viel Prägendes für die Boogie Rocker geleistet hatte, sowie Mick Moody, der hervorragende Gitarrist, der zuerst bei Tramline und Juicy Lucy den progressiven Blues und Bluesrock ausgangs der 60er und anfangs der 70er Jahre zelebriert hatte, um danach mit Snafu vor allem in einem musikalischen Gemischtwarenladen unterwegs zu sein, dessen Grundausrichtung zwar der weisse Funkrock war, jedoch auch Country, Blues, Rock und gar Gospel im breitgefächerten Angebot hatte. Kennengelernt hatten sich die beiden Musiker anlässlich einer Tournee von Status Quo, bei welcher die Gruppe Snafu das Vorprogramm bestritt. Die Kontakte zwischen Bob Young und Mick Moody verstärkten sich, als der Gitarrist Moody mit seiner Band Snafu Schiffbruch erlitten hatte. So fanden die Zwei als grosse Fans des Blues und des countryesken Rock'n'Rolls zusammen und schrieben einige ganz prächtige, völlig unangestrengte und mit hohem Spassfaktor ausgestattete Lieder, für die sich später sogar eine Plattenfirma fand, nämlich jene, auf welcher auch der britische Musiker Chris Rea seine ersten Platten ablieferte: Magnet Records. Das Label, das ausserdem Künstler wie die Rockabilly Stars Matchbox, den Rock'n'Roller Alvin Stardust oder auch die Ska-Truppe Bad Manners unter Vertrag hatte, zeigte sich musikalisch betont offen und war stets auf der Suche nach neuen unverbrauchten Talenten, die später zumeist das Plattenlabel wechselten, nachdem sie Magnet Records quasi als Karriere-Sprungbrett genutzt hatten.

Bob Young war während mehr als zehn Jahren als Tour-Manager für die Band Status Quo tätig. Während dieser langen Zeit ist er auch als Komponist für die Boogie Rock Band tätig gewesen und hat einige der grössten Hits der Band mitgeschrieben, so etwa "Caroline", "Paper Plane" oder "Down Down" nebst vielen anderen. Ausserdem spielte er während dieser Zeit auch immer als Mundharmonika-Spieler bei Status Quo mit und wurde dadurch stets als so etwas wie ein inoffizielles Bandmitglied angesehen. Mick Moody wiederum dürfte vor allem als Gründungsmitglied und Lead Gitarrist von David Coverdale's Gruppe Whitesnake bekannt sein. Er hatte sich zuvor bereits lange Zeit als hervorragender Gitarrist in verschiedenen Combos einen Namen gemacht. Im Juni 1977 war es dann soweit, dass die beiden Musiker ihre LP "Young & Moody" veröffentlichten, auf welcher sie ihre ganz eigenen persönlichen Vibes und vor allem ihre stilistischen Gemeinsamkeiten präsentieren konnten.

Dies war nicht nur eine fruchtbare Zusammenarbeit, sondern auch eine ultraschnelle. Es ist überliefert, dass die beiden versierten Musiker für das Komponieren und Arrangieren der originalen 9 Songs der Platte gerade einmal sechs Tage benötigten. Als die beiden die Songs im Tonstudio zusammen mit dem Keyboard spielenden Bassisten Graham Preskett (Mott The Hoople, Slapp Happy, Metro) und dem Schlagzeuger Terry Stannard (The Grease Band, Kokomo) plus einigen Gästen für den mehrstimmigen Gesang eingespielt hatten, fertigten sie von den Aufnahmen eine Cassette an und überreichten sie dem gemeinsamen Freund und Deep Purple-Bassisten Roger Glover, der aufgrund seiner eigenen musikalischen Präferenzen sofort Feuer und Flamme für die Musik der beiden war und ihnen in der Folge den Plattendeal mit dem Label Magnet Records verschaffte. Er war es auch, der die finalen Versionen der Songs, so wie sie später auf der LP klingen würden, schliesslich in den Central Sound Studios in London in nur acht Tagen produzierte.

Da beide Musiker zum Zeitpunkt des Erscheinens des Albums auch live ziemlich stark engagiert waren (mit Status Quo und Whitesnake), kam es leider zu keinerlei Live-Konzerten als Promotion für das Album. Bob Young bedauerte dies später: "We never actually went out on the road as a band which is something we always regretted". Leider führte dies auch dazu, dass die Platte kaum wahrgenommen wurde und nur sehr schlecht verkauft werden konnte. Dabei verbergen sich auf dem Album wahre Perlen, die auch heute noch problemlos funktionieren, will heissen: Die Titel sind überhaupt nicht gealtert in all den Jahren und könnten in der Form genauso auch im Hier und Jetzt entstanden sein. Zeitlose Musik nennt man das, und dies verdanken die Stücke vor allem ihrer instrumentalen Grundausrichtung, die niemals streng und anspruchsvoll wirkt, sondern auf hohen Spassfaktor und einfache Strukturen setzt. Diese Musik versteht Jeder. Sie ist einfach, grundsolide und von aussergewöhnlich positiver Lebensfreude durchflutet.

Der Opener "You Make It Roll" ist ein wundervoller, sehr zurückhaltend gespielter Schleicher, der so viel Lässigkeit und Coolness verströmt, als wäre es ein verschollenes Stück von J.J. Cale. Eine jammernde Slide-Gitarre und ein wehmütiges Grundfeeling, das Ganze dazu noch wunderbar relaxed in einer gebremsten, fast zeitlupenartigen Art und Weise vorgetragen, lädt geradezu ein, die Seele baumeln zu lassen. Das nachfolgende "I'll Be Back" präsentiert urbritisches Folkrock-Feeling, und das auch als Single veröffentlichte "Chicago Blue" ist eine Reminiszenz an den Blues der gleichnamigen Stadt. Robert Johnson's Bluesklassiker "Four Until Late" wird dann auch gleich nachgeschoben. Das Stück hatte Mick Moody schon seit vielen Jahren stets in seinen verschiedensten Formationen im Gepäck gehabt, und auch später, als er mit seiner eigenen Gruppe, der gemeinsam mit dem Gitarristen Bernie Marsden gegründeten Moody Marsden Band unterwegs war, kam das Stück immer ins Live-Repertoire mit hinein. Das forcierte "Young & Moody", ein wiederum folkrockiges "Too Young To Feel This Way" und ein beseeltes "Just Close Your Eyes" zeigten die grossen kompositorischen Fähigkeiten der beiden Musiker, die mit Ausnahme von zwei Coversongs alle Stücke des Albums gemeinsam geschrieben hatten. Mit dem wunderschönen "Someone Else's Door" und der von Elizabeth Cotton verfassten Nummer "I'm Going Away" beschlossen Bob Young und Mick Moody dieses stimmungsvolle Album.

Aus der Sicht des Musikhörers ist es sicherlich schade, dass die beiden Künstler dieses Werk nicht als Ausgangspunkt für eine gemeinsame musikalische Karriere gesehen haben. Mangelnde Aktivitäten, das Werk zu promoten liessen es leider untergehen. Dennoch ist Bob Young stolz auf die Aufnahmen, denn er sagte abschliessend über die Platte: "We didn't do it to launch our careers, but we just had to do it and we were both very proud of the results". Dank der Plattenfirma Repertoire Records kann man das Album auch heute noch als CD erwerben und eine Entdeckung dieser kleinen musikalischen Kostbarkeiten lohnt sich, auch nach fast 40 Jahren, auf jeden Fall.











LES VARIATIONS - Take It Or Leave It (EMI Pathé Records 2C 064-12628, 1973)

Die französische Band Les Variations wurde im Jahre 1966 von Alain Tobaly gegründet. Sie spielte in ihrer Anfangsphase durchwegs Coverversionen bekannter Rock'n'Roll Epigonen wie beispielsweise von Little Richard, Chuck Berry, Elvis und den Rolling Stones. Einzige Veröffentlichung in ihrer Frühphase war 1967 eine Single mit den zwei Coversongs "Spicks And Specks" (von Bobby Bland) mit der B-Seite "Mustang Sally" (von Mack Rice). Zu dieser Zeit tourte die Gruppe intensiv durch ganz Europa und schuf sich relativ schnell einen Namen als tolle Partyband, die mit ihrem Repertoire und den dynamischen Coverversionen aus Beat, Blues, Pop und Rock einem ständig wachsenden Publikum zu gefallen wussten. 1969 unterzeichneten sie in Frankreich einen Plattenvertrag bei EMI/Pathé Records und begannen mit der Einspielung ihrer ersten Platte "Nador" auch, eigene ganz ausgezeichnete Songs zu verfassen. Les Variations war die erste und zu ihrer Zeit wohl auch die populärste Rockband in Frankreich, die ihre Songs durchwegs englisch sang. Ausserdem punktete sie in Frankreich als grossartige Live-Band mit viel Power und verkaufte ihre Musik entsprechend gut. Sie waren auch die erste Band aus Frankreich, die einen Plattenvertrag mit einem amerikanischen Label abschliessen konnte, weshalb ihre LP's auch in den USA veröffentlicht werden konnten. Ihr Sound bewegte sich in einer guten Balance zwischen den bekannten Acts The Rolling Stones, The Who und Led Zeppelin, wobei die Gruppe aber auch stets den weicheren, teils akustisch vorgetragenen Balladen grosse Beachtung schenkte.

Drei der originalen Bandmitglieder waren marokkanischer Abstammung: Joe Leb war der Sänger, Marc Tobaly der Gitarrist und Isaac Bitton spielte das Schlagzeug. Viertes Bandmitglied war Jacques "Petit Pois" Grande, ursprünglich aus Italien. Später kamen mit dem Franzosen Michel Chevalier als Ersatz für Joe Leb und dem Tunesier Robert Fitoussi weitere Musiker hinzu. 1972 gelang es Alain Tobably, mit Doug Yeagar und Charles Benanty von Applewood Productions in New York eine musikalische Partnerschaft einzugehen, welche es der Band ermöglichte, in den USA sowohl Konzerte zu bestreiten, wie auch in Lizenz ihre Platten zu veröffentlichen. Während die Gruppe in Amerika ständig Konzerte bestritt und auch Aufnahmen tätigte, erwies sich die Zusammenarbeit mit Doug Yeagar als äusserst erfolgreich. Die einzige, von der Band jemals eingespielte französisch gesungene Aufnahme "Je Suis Just Un Rock'n'Roller" entpuppte sich als ihr grösster Hit, wurde als Single sowohl in den USA wie auch in Frankreich sehr gut verkauft. Aufgenommen in Cincinnati's '5th Floor Recording Studios' erreichte die Single Platz 7 in den französischen Pop Charts. Dieser erneute Popularitätsschub ermöglichte es der Gruppe, ihr nächstes Album 1973, das Werk "Take It Or Leave It" in den renommierten Arden Studios in Memphis mit dem Top-Produzenten und Musiker Don Nix einzuspielen.

Die zehn Songs des Albums, von denen bis auf eine Ausnahme alle aus der Feder von Gitarrist Marc Tobaly stammten, überzeugten durch ihre kompositorisch sehr ausgereifte Qualität, wirkten keineswegs "fremd" im amerikanischen Umfeld, wo sie aufgenommen worden waren und entpuppten sich als durchaus konkurrenzfähig. Parallel zum Album wurde auch eine Single eingespielt, dessen A-Seite sich nicht auf dem Album fand, nämlich der Song "Only You Know (And I Know)", geschrieben von Dave Mason. Auch bei dieser Coverversion zeigte die Gruppe Les Variations, dass sie durchaus ihren eigenen Sound selbstbewusst bei einem Coversong anwenden konnte, sodass dieser eine eigene Note bekam, die sich hinter der originalen Version von Dave Mason überhaupt nicht zu verstecken brauchte.

Die Platte glänzte einerseits durch ihre hervorragende, sehr transparent gehaltene, niemals überbordende Produktion, bei der Don Nix wohl die absolut perfekte Wahl als Produzent gewesen war. Andererseits war auch die Ausrichtung der Songs nicht ausschliesslich amerikanisch, sondern griff besonders in den eher melancholischen Momenten stets auf charmante französische Sprenkel zurück, etwa bei "All I Want To Know", einer träumerisch-schwelgerischen Rock-Ballade, die ich zum Schönsten zähle, was Les Variations überhaupt aufgenommen haben. Daneben sind es aber vor allem die Rocker, die zu begeistern vermögen, wie der Opener "Silver Girl", das erdige "Rock'n'Roll Jet" oder der ultraschnelle, augenzwinkernd bei Ten Years After's "Goin' Home" abgekupferte Boogie "Take The Time To Live", das dem Gitarristen Marc Tobaly genau die Plattform bot, sich als toller Gitarrist absolut überzeugend in Szene zu setzen. "I Need Somebody" und das vom Schlagzeuger Jackie Bitton verfasste "C'Mon Joe" sind weitere Höhepunkte auf diesem tollen und sehr unterhaltsamen Album, das absolut keinen mittelmässigen Song bietet.

Ein knappes Jahr später waren Les Variations die erste französische Rockband, die einen amerikanischen Plattenvertrag unterzeichnen konnte (bei Buddha Records). Sie erweiterten ihr musikalisches Repertoire etwa um leichte nordafrikanische Einflüsse, die vor allem dazu beitrugen, dass der Gesamtsound der Band vom Rock'n'Roll hin zu recht groovigem Pop-Rock heranwuchs. Diesen erweiterten Stil präsentierte die Band auf zwei weiteren Platten, nämlich "Moroccan Roll" (1975) und "Café De Paris" (1975). Dieser Stilmix beeinflusste nicht wenige Bands in den USA und Europa, und trotzdem blieben diese beiden Alben letztlich relativ unbekannt, was sehr schade ist, denn beide sind genauso hörenswert wie die "Take It Or Leave It", die mir persönlich jedoch noch etwas besser gefällt, weil sie gradlinig rockt und von einer gewissen Aufbruchstimmung lebt, die eine Band zeigt, die einfach Freude am Musizieren hat und top motiviert bei der Sache ist. Erfolgreich war die Band in den USA jedoch weiterhin. Mit dem Einzug von Maurice Meimoun, einem französisch-tunesischen Geigenspieler arabischer Musik, erreichte die exotische Note in der Musik von Les Variations ihren Höhepunkt, was in einem respektablen Einzug der Platte "Café De Paris" in den Billboard Top 200 Album Charts resultierte und einen veritablen Single-Hit mit dem Stück "Superman, Superman" abwarf, das bis auf Rang 36 in den amerikanischen Pop Charts stieg.

Robert Fitoussi, der für Joe Leb den Posten des Sängers übernommen hatte, entschloss sich im Sommer 1975, die Band zu verlassen, um eine eigene Karriere zu starten. Er würde sich dabei F.R. David nennen und mit dem Song "Words" einen Welt-Hit des seichten Pop landen. Trotz ansehnlicher Plattenverkäufe und erfolgreicher Konzerte verabschiedete sich die Gruppe von der Bildfläche nur Monate später, zwei Wochen nach einem letzten Auftritt am 7. Dezember 1975 in der Academy Of Music in Philadelphia.

1977 reformierten sich Les Variations für kurze Zeit anlässlich einer legendären Aufnahme-Session für CBS Records International. Das Resultat war die Single "Shalom, Salem Aleicum", welche Richie Havens mit Les Variations veröffentlichte und die im Mittleren Osten einschlug wie eine Bombe, in Israel, Ägypten und Jordanien gar den ersten Platz in den Charts erreichte. Beim Song handelte es sich um eine Friedensbotschaft zwischen Anwar Al Sadat und Israel. 2009 fand schliesslich ein Tribut-Festival zu Ehren der Band Les Variations statt: 250'000 begeisterte Fans feierten am "Boulevard Rock Music Festival" in Casablanca, Marokko, die Band als die Väter der "Moroccanroll Music".





Jul 15, 2020


THE TARNEY / SPENCER BAND - Three's A Crowd (A&M Records SP-4692, 1978)

Zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt veröffentlichte die Tarney Spencer Band 1978 ein Power Pop / Poprock-Meisterwerk, das leider nur moderat erfolgreich war, weil das zum damaligen Zeitpunkt grassierende Punk-Fieber inzwischen nicht nur ganz Europa, sondern auch Amerika komplett in seinen Bann gezogen hatte. Konträr zum Punk blieb eigentlich nur noch der pure Kommerz. Dafür waren die beiden Musiker Alan Tarney und Trevor Spencer jedoch qualitativ wiederum zu anspruchsvoll, oder besser gesagt: zu stark 'out of fashion' und zu wenig innovativ. Man nannte ihre Musik daher damals schon mal "altbacken", wobei dieser Begriff nicht unbedingt negativ gemeint sein muss - vor allem nicht unter Traditionalisten, die noch immer dem perfekten und zeitlosen Pop der Beatles nachtrauerten. So war dieses Album leider nur einer kleinen Fangemeinde lieb und teuer, und das ist es wohl bis heute geblieben. 

Die beiden Musiker Alan Tarney und Trevor Spencer stammten aus Australien und fingen ab Mitte der 60er Jahre an, gemeinsam zu musizieren. Eine erste Band, mit welcher sie in Australien einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangten, nannte sich Johnny Broome & The Handels, wo sie vor allem als komponierende Begleitmusiker in Erscheinung traten und den typischen Mitt-60er Beat englischer Ausprägung pflegten. 1969 verliessen die beiden sowohl Band wie auch Heimatland und übersiedelten nach England, wo sie schon kurze Zeit später einen Plattenvertrag mit Decca unterzeichnen konnten. Sie spielten unter dem Bandnamen QUARTET zwei Singles ein, sowie ein komplettes Album. Leider wurde dies nie veröffentlicht, weil die beiden Singles nicht den gewünschten Erfolg brachten. Neben den Aktivitäten mit der eigenen Band spielten Tarney und Spencer auch immer wieder als Studio- und Sessionmusiker für teils namhafte Musiker, unter ihnen beispielsweise Olivia Newton-John, Chris Squire, Bonnie Tyler, Charlie Dore, die New Seekers, The Real Thing und viele weitere. Auffallend diesbezüglich waren schon die unterschiedlichen Musikstile, in welchen die beiden Musiker sich zuhause fühlten und hierbei keinerlei Scheuklappen zeigten.

1973 begannen die beiden, noch immer mit ihrer eigenen Band QUARTET unterwegs, in der Band von Cliff Richard mitzuspielen, und zwar beide zuerst als Studiomusiker, Alan Tarney später auch als festes Mitglied in Cliff Richard's Band als sein Bassist. Dort blieb er insgesamt vier Jahre. Danach begannen die beiden Musiker, gemeinsam an einem neuen Projekt zu arbeiten. Als eine Art Singer/Songwriter-Duo veröffentlichten sie in der Folge für das Label Bradley Records in England eine erste gemeinsame LP, die am ehesten mit dem Folkrock- und Poprock-Sound etwa des Duos Gallagher & Lyle verglichen werden kann, die zu jener Zeit ebenfalls gut im Geschäft waren mit einem ähnlich ausgerichteten Musikstil. Kurz darauf kam es zu einem wahren Exploit, als die Plattenfirma A&M Records die Aufnahmen dieses ersten Albums hörte. Die mit Gallagher & Lyle in diesem Bereich bereits stark engagierte Firma offerierte Alan Tarney und Trevor Spencer einen sagenhaften, nicht weniger als 10 Platten umfassenden Langzeit-Vertrag. Ein Unterfangen, das bestimmt mit einem grossen Risiko verbunden war, das aber auch von dem grossen Vertrauen in das musikalische Können der beiden Musiker zeugte. Heutzutage wäre ein solcher Vertrag schlicht unmöglich. Aber auch für damalige Verhältnisse war das ein normalerweise nur absoluten Top-Stars vorbehaltenes Angebot - ein Privileg, auf das Alan Tarney und Trevor Spencer sehr stolz waren. Dass die Talentscouts von A&M Records und der ausführende Produzent David Kershenbaum (der zur gleichen Zeit gerade die Ozark Mountain Daredevils produzierte) mit ihrer Entscheidung richtig lagen, die Band für eine längere Zeitspanne an sich zu binden, bewies das 1978 erschienene Album "Three's A Crowd".

Die Platte, die mit einem schön stylish gehaltenen Cover mit rund geschnittenen Ecken aufwartete, und wie eine Menu Karte eines 50's Bistros aufgemacht war, bot 10 hervorragend komponierte und perfekt produzierte Songs an der Schnittstelle zwischen Power Pop und Pop Rock, wobei die Band als solche quasi nur aus den beiden Musikern bestand. So spielte Alan Tarney die Gitarren, den grössten Teil der eingesetzten Keyboards und Synthesizers, während Trevor Spencer Schlagzeug und Perkussion übernahm. Den Gesang teilten sich die beiden und der war schlicht perfekt umgesetzt, sowohl was die Leadgesänge, als auch die gemeinsamen Duette anbetrifft. Lediglich für die Bläsersätze kamen als Gastmusiker der versierte Colin Cooper von der Climax Blues Band hinzu genauso wie Gitarrist Pete Haycock, sowie Derek Holt und John Cuffley (beide ebenfalls ehemalige Climax Blues Band Musiker), der Vokalist John Perry als Background-Sänger (Alan Parsons Project, Soft Machine), der zusätzliche Keyboarder Lynton Naiff (Affinity), Peter Filleul (The Parlour Band), Stuart Calver (Cockney Rebel) und der vor allem in den 60er Jahren erfolgreiche Sänger Tony Rivers als zusätzlicher Background-Sänger. Eine durchaus illustre Schar an Top-Musikern halfen dem Duo also bei der Umsetzung dieses klanglich perfekten Albums, das zahlreiche Ohrwürmer bietet.

Beispielsweise das von Produzent David Kershenbaum mitkomponierte "Set The Minstrel Free", der wohl beste Track auf dieser Platte, die ausgiebig im amerikanischen AOR Radio zu hören war und dadurch in den Billboard Charts einen respektablen Platz 174 erreichte. Aus dem Album ausgekoppelt wurde die Single "It's Really You", vielleicht nicht die beste Wahl, aber wohl zum damaligen Zeitpunkt der Titel auf dem Album, der dem amerikanischen Markt vermeintlich am ehesten gerecht wurde. Die Single erhielt ebenfalls reges Airplay und landete schliesslich auf einem achtbaren Platz 86 in den Billboard Hot 100.

Die LP bietet aber noch etliche weitere Trouvaillen, von denen beispielsweise das von einem sich im Ohr festkrallenden Gitarren-Lauf getragene "I Can Hear Love" eine der prägnantesten ist. Die Up Tempo-Nummer "We Believe In Love" mit einer ständig wiederkehrenden Moog-Einlage gefällt genauso wie die absolut hörenswerte Rockballade "Capital Shame".

Im Jahr darauf folgte der zweite Streich auf dem A&M Label (die dritte LP insgesamt) und wiederum wusste die Band mit einer ähnlichen Musikmischung sehr zu gefallen. Auch von der LP "Run For Your Life" wurde eine Single ausgekoppelt: "No Time To Lose" erklomm ähnlich hohe Chartspositionen wie "It's Really You". Auf diesem Niveau verharrte der Erfolg der beiden Musiker jedoch, was der Plattenfirma A&M letztlich doch zu wenig war. Das mit so vielen Vorschuss-Lorbeeren ausgestattete Duo stand danach plötzlich ohne Plattenvertrag da, weil A&M Records nicht mehr an den wirklich grossen Hit glaubte. Dies war gleichzeitig auch das Ende der Tarney / Spencer Band, nachdem eine weitere Single mit dem Titel "Cathy's Clown" floppte. Zwei Jahre später veröffentlichte A&M Records den Titel "No Time To Lose" noch einmal als Single, nachdem der Fernsehsender MTV das Stück mit einem Videoclip versehen und im Fernsehen gespielt hatte. Die Resonanz beim Publikum war so gross, dass die Single noch einmal die Charts erreichte und mit einem respektablen Platz 74 sogar noch moderat erfolgreicher war als die Erstveröffentlichung zwei Jahre zuvor.

Trevor Spencer und Alan Tarney trennten sich danach auch als musikalisches Duo, das so lange Zeit zusammen musiziert hatte. Spencer ging zurück nach Australien und half bei der Gründung des Tonstudios Sh-Boom mit. Er spielte später dann auf Platten von Hank Marvin mit.

Alan Tarney blieb in Europa und feierte später grossen Erfolg als Produzent der norwegischen Pop-Band A-Ha, deren erste drei Alben er produzierte und mit seiner exquisiten Studioarbeit mithalf, die Band auf der ganzen Welt berühmt zu machen. Der Welthit "Take On Me" geht auf seine Kappe. Durch die erfolgreichen Platten von A-Ha konnte Alan Tarney bald darauf etliche weitere Top-Stars produzieren, so unter anderem Pulp, Leo Sayer, Bow Wow Wow, Cliff Richard, Squeeze, The Hollies, Dream Academy und viele weitere.


PAT GALLAGHER AND GOATS DON'T SHAVE - Tor 
(Cooking Vinyl Records COOK LP 147, 1998)

Der Singer/Songwriter Pat Gallagher stammt wie die bekannten Musiker John Kerr und Rory Gallagher aus Donegal, Irland und war schon von Kindsbeinen an ein grosses Talent. Bereits im Alter von elf Jahren gewann er an Gesangswettbewerben an der Ulster Fleadh Ceól for English and Irish Singing zwei Goldmedaillen.  Zusammen mit seinen drei Schwestern spielte er vier Jahre lang in einer Familien-Band, tourte bereits in Irland, Schottland und England, während Gleichaltrige noch die Schulbank drückten. Im Laufe der Jahre sang er in verschiedenen irischen Folkrock-Bands, etwa der Gruppe Double Vision, den Witch Hunt, The Cream Buns, der Formation 3PM und den Roaring Meg. Während er in diesen Formationen seine Fähigkeiten als Sänger unter Beweis stellte, begann er auch kontinuierlich, Songs und Texte zu verfassen, die im Laufe der Zeit immer anspruchsvoller wurden, und so reifte mit Pat Gallagher ein hervorragender Songschreiber heran, der bald in ganz Irland bekannt und sehr geschätzt wurde. Ein Song seines ersten Demo Bandes, das er aufnehmen konnte, trug den Titel "Four Minutes To Go" und wurde ohne Pat Gallagher's Wissen von einer seiner Schwestern beim in Irland populären Balinga Song Contest eingereicht, wo er mit dem Song den zweiten Platz erreichte. Dies erregte die Aufmerksamkeit der beiden Musikjournalisten Shay Healy und Dave Fanning, die das junge Talent ermunterten, seine Demo Songs bei einer Plattenfirma in Dublin einzureichen. Ein knappes Jahr später erschien dann unter dem Bandnamen 3PM die erste Single "Picture On The Wall", die sich immerhin vier Wochen lang in den irischen Top Ten behaupten konnte.

Pat Gallagher verliess kurze Zeit später Irland und siedelte für einige Zeit nach Amerika über, wo er sein Handwerk weiter verfeinerte, an neuen Songs und Songtexten intensiv arbeitete und mit vielen Musikern zusammenspielte. Danach kehrte er nach Donegal zurück und gründete die Band Roaring Meg, mit welcher er im Frühjahr 1988 ein Album mit 11 Songs aus seiner Feder veröffentlichte. Im Winter 1988 gab Pat Gallagher mit Freunden und ständig wechselnden Musikern in einem seiner Lieblings-Pubs in Donegal regelmässig rein aus Spass irische Folksongs zum besten. In diesem Pub hingen die verschiedensten Instrumente an den Wänden. Man konnte sich einfach eines schnappen und damit spielen. Aus diesen lockeren Pub-Sessions heraus entwickelte sich nach und nach die Gruppe Goats Don't Shave, die bald über die Landesgrenzen hinaus bekannt wurde und nach einer ersten gemeinsamen LP mit dem Titel "The Rusty Razor" (1992) auch international grosse Beachtung fand. Die überaus süffige und gutgelaunte Mixtur aus irischem Folk, Folkrock, Country-Elementen und gar World Music Sprenkeln fand eine breite Hörerschaft. Schon bei diesem ersten Album konnte man eine gewisse Nähe zur Musik beispielsweise von den ebenfalls zum damaligen Zeitpunkt sehr bekannten Band Alias Ron Kavana feststellen.

Es folgte 1994 mit "Out In The Open" ein weiteres Album, das weltweit veröffentlicht wurde, und mit "Children Of The Highways", "War", "Arranmore" und "Let It Go" mindestens vier musikalische Perlen enthielt, die Pat Gallagher's Fähigkeiten eindrücklich bestätigten. Insgesamt fünf Singles, das Album in den Top Ten, gefeierte Konzerte in Irland, England, Schottland und den USA folgten und als Headliner standen sie beispielsweise auch beim berühmten Glastonbury Festival auf der Akustik-Bühne. Die Bühne teilten sie sich zur der Zeit beispielsweise auch mit Van Morrison am Fleadh Festival in Finsbury Park und mit den Hothouse Flowers am Cambridge Folk Festival. Ausserdem wurden sie vom Time Out Magazin zur besten Band des Jahres 1993 gewählt. Nach sieben Jahren intensiven Tourens nahm sich die Band eine Auszeit. Pat Gallagher kehrte in seine Heimatstadt Donegal zurück und gab ab und zu akustische Solokonzerte im kleineren Rahmen, bevor er 1998 sein nächstes Album mit seinen musikalischen Freunden von Goats Don't Shave in Angriff nahm.

Das Album "Tor", benannt nach der Gegend, in welcher das Album eingespielt wurde, bietet 12 absolut perfekte Folkrock-Songs mit klar erkennbaren irischen Wurzeln. Es ist sicherlich das heimatbezogenste Album des Musikers, der hier beispielsweise Songtexte schrieb, die allesamt einen gesellschaftlichen und sozialkritischen Hintergrund aufweisen. Lieder, in denen Gallagher eindrücklich und ohne Scheuklappen von menschlichen Tragödien singt wie etwa im "Song For Pat", in welchem der Sänger das Schicksal seines Freundes Pat Tierney's beschreibt, der freiwillig aus dem Leben schied, als er die Diagnose AIDS erhalten hatte. In "These Walls" wiederum beschreibt er die Wände, die sich zwei Menschen zwischen sich aufbauen und nicht mehr niederreissen können, weil sie es nicht schaffen, miteinander zu kommunizieren. "Ode To A Bitch" oder "Some Mother's Son" sind weitere sowohl textliche wie musikalische Highlights verlorener Seelen und verzweifelt gesuchtem Glück. Von eben diesem Glück, der Liebe und der immensen Schönheit der Landschaft Irlands singt Gallagher aber auch, wie in "Gola", wo Gallagher beispielsweise vom rückseitigen Fenster seines Hauses aus den Blick auf die Gweedore Bay und die kleine Insel Gola Island beschreibt, einem Ort von enormer Schönheit. Oder er besingt seine Tochter im wunderschönen Titel "Sarah". Für den Song "Love Will Find It's Way" wiederum liess sich Gallagher durch ein Buch mit alten traditionellen Liebes-Gedichten inspirieren.

Pat Gallagher spielte dieses hervorragende und äusserst stimmige Album mit etlichen irischen Musikern ein. Viele von ihnen hatte er in Pubs beim gemeinsamen, zwangslosen Musizieren kennengelernt. Auch die Stammformation Goats Don't Shave war mit dabei, sowie zahlreiche Gastmusiker, die er sorgfältig ausgelesen hatte. Eingespielt wurde das Album in Screag an Lolair Tor, Crolly Donegal, aufgenommen von Martin O'Hara, der auch Keyboards, Dobro und elektrische Gitarre beisteuerte. Produziert und abgemischt hat es Pat Gallagher zusammen mit O'Hara und Rory Donaghy im Foyle Arts Centre in Derry.

Ein Zückerchen der ganz besonderen Art präsentierte Pat Gallagher am Schuss dieses herrlichen Albums in "A Returning Islander" mit einer gesprochenen Textzeile aus dem Buch "Islanders" von Kaplan Father Diarmuid Peicin O Peicin, die von der Heimkehr nach einer langen Reise erzählt, die Pat Gallagher hier als Metapher versteht für sein eigenes nach hause kommen an den Ort, an dem er zuhause ist und sich geborgen fühlt. Er sagt dazu: "It is an atmospheric piece, aiming for the listeners to exit the album in the same mood they entered it. In between you get a chance to walk around in my head. Tread carefully".





LIAR - Set The World On Fire (Bearsville Records BRK 6982, 1978)

Als die britische Rock Band LIAR zwei Jahre nach ihrem ersten Album "Straight From The Hip" mit diesem Longplayer zurückkehrte, hatte sich ihr Musikstil hörbar verändert. Mit dem Wechsel von Decca zu Bearsville Records klang die Band nun wesentlich amerikanischer. Der Blues- und Rock'n'Roll-Anteil in ihrem Sound war fast vollständig verschwunden, stattdessen standen nun Bands wie Styx oder vor allem Wishbone Ash Pate für ihre auf sehr hohem künstlerischen Niveau präsentierte Platte. Schon mit ihrem ersten Werk konnte sich die Band profilieren und es folgten viele Konzerte, zumeist im Schlepptau berühmter Bands, worauf schliesslich auch der Produzent John Alcock auf die Gruppe aufmerksam wurde und als Producer für das nächste Album bestimmt wurde. John Alcock arbeitete zuvor schon als Produzent für Thin Lizzy, Bandit und der Earl Slick Band, bevor er mit Liar dieses Werk im Hausstudio von THE WHO, dem Ramport Studio in Battersea, London, einspielte. Auch das Bandmanagement hatte gewechselt. Für die Belange der Band war neu das Delta Artist Management zuständig, das auch für Alexis Korner arbeitete. Ihr neuer Manager Del Taylor befand auch, dass die Band sich mit ihrer neuen musikalischen Ausrichtung eher einem progressiver ausgerichteten Plattenlabel anbieten sollten, weswegen er einen Auftritt für die Band an der Hatfield University organisierte und dazu Manager und Talentscouts verschiedener Plattenfirmen einlud.

Dies führte schliesslich dazu, dass die Gruppe bei Bearsville Records unterschrieb, 
dem Label von Albert Grossman, bei welchem beispielsweise auch die Boogie Rocker FOGHAT unter Vertrag waren, aber auch die Acts Todd Rundgren, dessen Band Utopia, Jesse Winchester und Paul Butterfield beheimatete. Stilistisch erinnerte das mit einer gleichnamigen Single lancierte Album "Set The World On Fire" an einen Mix aus dem Art Rock von Styx mit dem zumeist auf doppelstimmige Gitarrensolos ausgelegten Poprock von Wishbone Ash und schlug in Amerika hohe Wellen. Das Album war zeitweise das zusammen mit Bob Dylan's "Street Legal" und The Who's "Who Are You" am meisten gespielte Album im Billboard Rock Radio. Es dauerte nicht lange, und die LP erreichte auch die Charts, weswegen auch eine Tour zusammen mit der Gruppe Styx organisiert wurde, die sich als sehr erfolgreich herausstellte. Der nachhaltige Erfolg für die LP setzte allerdings nicht ein, sie verschwand relativ schnell wieder aus den Charts, was natürlich die Qualität der Platte in keinster Weise schmälert. 

Das Titelstück zeigte ein typisch amerikanisches Rock Riff aus jenen Tagen. Der song glänzte durch ein kompaktes Arrangement und einen trockenen Mixdown. Das nachfolgende "Town Of Evil People" erwies sich als erstes Highlight auf dem Album. Die Rock Ballade gehört für mich zum besten, was diese Band überhaupt veröffentlicht hat. Ein durch ein opulentes Streicher-Arrangement angereichertes Stück, das hochmelodiös und fast ein wenig mystisch wirkte. Dieses Stück erinnerte am ehesten an den Melodic Rock von Styx, hätte aber aufgrund der gefühlvollen mehrstimmigen Gesangsarrangements durchaus auch von den Eagles stammen können. Mit "I'm Calling" präsentierte die Band eine Nummer, von der man glatt hätte meinen können, sie müsse von irgendeinem verschollenen Wishbone Ash Album stammen. Hier präsentierten sich die beiden Gitarristen Paul Travis und Steve Mann von ihrer besten Seite. Auch hier rückte besonders auch der mehrstimmige Gesang in die Nähe von Wishbone Ash. Das die erste Seite der LP beschliessende "Midnight Promises" war dann wieder eine eher ruhigere Nummer, die am ehesten das Etikett Westcoast Music hätte verpasst erhalten können.

Die B-Seite der Platte begann rockig mit "Five Knuckle Shuffle", einem Rocktitel, der entgegen dem Titel des Stücks kein Shuffle war, sondern ein trockener vorwärtstreibender Rocksong. Ein kerniges Rockstück mit einer prägnanten Hookline dann das Stück "High Life", das in seiner eher rockigen Art noch am ehesten an Songs von LIAR's erstem Album "Straight From The Hip" erinnerte. Ein typischer Mid 70's Rocksong zum mitsingen. "Frustration" dann erneut wieder ein eher ruhigerer Track, der wieder die Nähe zu Wishbone Ash offenbarte, mit seiner hoffnungsfrohen Melodieführung angenehm einlullen konnte, und dies trotz des eher melancholischen Songtextes. Den absoluten Ueberflieger des Albums sparte sich die Band indes für den Schluss auf: Das auf 7 1/2 Minuten ausgebreitete "Who Cares", das man durchaus als progressiven Art Rock Titel bezeichnen kann. Hier präsentierte die Gruppe einen Song, der aus mehreren einzelnen Parts bestand, die zusammengenommen in etwa so klangen, als hätte eine bodenständige Rockgruppe einen mit üppigen Streichern ausgestatteten Rocksong im Stile des Electric Light Orchestra aufgenommen und diesen Song von Brian Wilson arrangieren lassen. In der Tat klingen einzelne Parts dieses hervorragenden Songs stellenweise frappant an die Titel, die Jeff Lynne mit seinem Electric Light Orchestra schon seit vielen Jahren erfolgreich in Szene setzte. Das Gesangsarrangement wiederum erinnerte an die spannenden experimentellen Jahre der Beach Boys der frühen 70er Jahre und man könnte sicherlich auch orakeln, ob für dieses Stück nicht auch die Gruppe Queen als Inspirationsquelle hätte gedient haben können.

Trotz eher überschaubaren Verkaufszahlen der Platte entschloss sich das Plattenlabel Bearsville Records, mit der Gruppe eine weitere Platte zu produzieren. Dieses dritte Album wurde im Herbst 1978 in Stevie Wonder's Crystal Studio in Los Angeles in Angriff genommen, wiederum produziert von John Alcock. Da sich die Gruppe jedoch nicht um eine zugkräftige Single, die im Vorfeld der nächsten LP hätte lanciert werden können, bemühte, kippte Bearsville Records die Veröffentlichung der LP, die bereits komplett eingespielt und abgemischt war. Es bestanden Pläne von A&M Records, die Platte zu veröffentlichen, was jedoch letztlich scheiterte. Es gibt von dieser dritten LP der Band LIAR lediglich heute sehr gesuchte Musterpressungen, welche im Juni 1979 von Bearsville Records in Deutschland kurzzeitig in Umlauf gebracht worden waren. Diese Testpressungen sind heute extrem rar und werden entsprechend teuer gehandelt, da es davon nur ein paar wenige Exemplare gibt.

Noch während der Streitigkeiten rund um die Veröffentlichung des dritten Albums, das den Titel "Blame It On The Kids" hätte tragen sollen, kehrten LIAR zurück nach England und absolvierten einige sehr erfolgreiche Konzerte, so zum Beispiel eine ausverkaufte Tournee zusammen mit der Rock Band UFO, die ihren Abschluss in zwei gefeierten Auftritten im Londoner Hammersmith Odeon fand. Dies bedeutete gleichzeitg jedoch auch der letzte Auftritt der Gruppe LIAR, die sich nur wenige Wochen später auflöste. Zusammen mit dem auf Decca Records veröffentlichten Erstling "Straight From The Hip" hinterlassen LIAR zwei absolut brilliante Alben, die sich noch heute lohnen, entdeckt zu werden.






Jul 9, 2020


THE DUKES OF STRATOSPHEAR - 25 O'Clock (Virgin Records WOW1, 1985)

Als ich dieses Mini Album Mitte der Achtziger Jahre zum erstenmal hörte, war dies, nachdem ich mir die Platte alleine ihres phantastischen, herrlich psychedelischen Plattencovers wegen gekauft hatte. Ich erinnerte mich beim anhören gleich an einen CD-Sampler aus England mit dem Titel "The Great British Psychedelic Trip", einer Zusammenstellung relativ unbekannt gebliebener britischer Psychedelik-Bands aus den 60er Jahren. Eigentlich klang diese "neue" Platte einerseits sehr modern, was ihre Produktion betraf, andererseits aber auch völlig aus der Zeit und sehr authentisch nach End 60er Jahre Bands wie beispielsweise Syd Barrett's Pink Floyd, den "Sergeant Pepper"-Beatles oder wie The Zombies. Die Namen der Musiker fand ich - weil stilecht in die damalige Zeit transformiert - total klasse: Sir John Johns (Singing, Guitar, Brain Buds), The Red Curtain (Electric Bass, Song Stuff), Lord Cornelius Plum (Mellotron, Piano, Organ, Fuzz-Tone Guitar) und E.I.E.I. Owen (Drum Set). Produziert von John Leckie, Swami Anand Nagara and The Dukes. Für das Cover Artwork und die speziellen verwendeten Schriftarten zeigten sich Sir John Johns, The Technicolor Prophet Of Mars, The Serif Of Knotting 'Em und The Fontfinder General verantwortlich. Hier waren augenscheinlich Musiker mit viel Humor am Werk, die nebst spielerischem Können auch sehr viel dadaistisches Verständnis aufbrachten. Ich wusste lange Zeit gar nicht, wer sich hinter diesen Pseudonymen versteckt. Die Musikzeitschriften lieferten dann die für mich nicht mal allzugross überraschende Erklärung: Bei der Band handelte es sich um Musiker der Band britischen Band XTC. Da fühlte ich mich dann endlich bestätigt, weil ich schon seit einigen Jahren das Gefühl hatte, dass deren Platten manchmal klangen, als wären das die Beatles, würde es sie denn noch geben. Vor allem ihre Werke "English Settlement" und "Skylarking" bieten unzählige, deutlich hörbare Reminiszenzen an die Fab Four und ich malte mir immer aus, wie viele Hits die Pilzköpfe womöglich noch hätten landen können, wären sie nicht schon 1970 getrennte Wege gegangen und hätten sie in späteren Jahren einen Mix aus allen musikalischen Schattierungen ihrer ergo langen Karriere zusammengemixt.

So dürfte der einzige Makel, den dieses Album hat, derjenige sein, dass es nur ein Mini Album geworden war, mit lediglich 6 Songs - allerdings jeder davon eine absolute Perle. Die im richtigen Leben Andy Partridge, Colin Moulding, Dave Gregory und Ian Gregory heissenden Musiker veröffentlichten die Platte "25 O'Clock" am 1. April 1985 als Verneigung vor den grossen britischen Psychedelik-Bands der 60er Jahre und sie taten dies mit viel Verve: Alles klang locker-flockig und total unangestrengt, trotz all der psychedelischen Spielereien und schrägen Akkorden. "Bike Ride To The Moon" beispielsweise war ganz klar eine Hommage an Syd Barrett, während etwa "The Mole From The Ministry" den schrägen Humor von John Lennon in sich trug und glatt dem Beatles-Projekt "Magical Mystery Tour" hätte entsprungen sein können. Andy Partridge und Colin Moulding waren immer grosse Fans der Beatles und der psychedelischen Sounds der 60er Jahre, und auch wenn sie mit ihrer Band XTC ursprünglich dem Zeitgeist entsprechend recht punkige Musik gemacht haben, entwickelten sie sich zu einer der herausragenden britischen Alternative, resp. New Wave Bands mit grossem Hang zu den typischen Sounds und Melodiebögen der 60er Jahre.

Die Idee zu diesem Mini Album entstand kurz nach Beendigung der Aufnahmen zum XTC Album "Go 2". Bassist Dave Gregory meinte zu den anderen Bandmitgliedern, als sie sich das fertige Produkt zusammen anhörten, ob es vielleicht nicht mal interessant wäre, "to make an album of songs that sound like they might come from 1967". Doch der Zeitpunkt war schlecht. Die Band hatte keine Zeit für ein psychedelisches Album. Eine neue Platte, emsiges Touren, da blieb kaum eine Möglichkeit, sich ernsthaft mit dem Gedanken zu so einem Projekt auseinanderzusetzen. Doch einige Zeit später reifte auch in Andy Partridge die Idee, so ein Projekt an die Hand zu nehmen. Er griff die Idee von Dave Gregory wieder auf und fragte die anderen Musiker: "Why don't we pretend to be a band from 1967 and knock out some songs ? We can just improvise them." Nachdem Andy Partridge das Vorhaben sowohl mit Produzent John Leckie, als auch mit der Plattenfirma Virgin Records besprochen hatte, offerierte das Plattenlabel einen Vorschuss von 5'000 Pfund, um die Aufnahmen zu dem geplanten Projekt zu ermöglichen. Die Band mietete in der Folge das Chapel Lane Studio in Hereford (England) für einige Wochen und in Ermangelung einer Road Crew und grossen Transportern trafen sich die Musiker dort zu den Aufnahmen, kamen lediglich mit ihren Privatautos und hatten lediglich das wenige Equipment dabei, das halt eben in ihren Autos Platz fand. Speziell das Mellotron war eine Mager-Variante, die lediglich die Wahl zwischen "Augmented Brass", "Augmented Strings" und "Male Voice Choir" bot. In den Ford Capri des Schlagzeugers passten lediglich das kleine Drum-Set und er selber und auch sonst konnte die Band nicht viel mehr als ein reduziertes Live Set mit ins Studio nehmen. Vor Ort war immerhin ein Grand Piano, sodass auch Klaviersounds zum Einsatz kommen würden.

Eines der schönsten Zugeständnisse an den Sound der 60er Jahre war die Abmachung der Musiker untereinander, dass keinerlei Instrumente oder Verstärker zum Einsatz kommen sollten, die später als 1969 gebaut wurden. Der Sound sollte ausschliesslich mit Instrumenten und Verstärkern eingespielt werden, die man 1967 überall käuflich erwerben konnte. Lediglich das im Studio verwendete Mellotron stammte von 1970. Gitarren und Bässe wurden ältere verwendet, sofern die Band überhaupt solche alten Instrumente besass. Dabei waren zwei Rose-Morris Rickenbacker Gitarren von 1964, wie sie auch beispielsweise John Lennon gespielt hatte, eine Fender Stratocaster von 1966, eine Schecter Tele-Style Electric, die jener Fender Esquire vom Sound her am nächsten kam, mit welcher Syd Barrett in den 60er Jahren gespielt hatte und eine Kinkade Gitarre, ebenfalls aus den 60er Jahren. Verstärkt wurdeen die Insstrumente vorwiegend über einen 1963er Fender Super Combo Amplifier und allerlei Vintage Effektgeräte. Ein stilechter 1965er Fender Precision Bass, sowie eine alte Hasmmond B3 Orgel rundeten das old fashioned Equipment zusammen mit einem Schlagzeug des Typs Ludwig Super Classic Kit von Anfang der 60er Jahre ab.

Ein spezieller Hingucker war auch das Plattencover, desgined von Sir John Johns, alias Anmdy Partridge, der dabei vor allem dem Coverdesigner Martin Sharp huldigte, der die weltberühmten Plattencovers der LPs "Disraeli Gears" und "Wheels Of Fire" von Cream, Rolling Stones' "Their Satanic Majesties Request" oder auch das Artwork von "The 5000 Spirits Or The Layers Of The Onion" der Incredible String Band schuf. Mighty Baby's Erstling und das Debutalbum von Ginger Baker's Airforce gehörten ebenfalls zu seinen Arbeiten.

Die Songs des Mini Albums klingen allesamt hervorragend, sind auch zeittypisch abgemischt und versprühen daher enormes 60s Feeling. Trotzdem sind die Musiker von XTC für ihren Perfektionismus bekannt, weshalb sie auch hier bei diesem "Dukes" Projekt bis ins kleinste Detail mit kleinsten Arrangement-Spielereien experimentierten und lange an den Songs herumtüftelten, bevor sie die Arbeiten daran beendeten. Am Ende standen sechs hervorragende Kompositionen, die allesamt authentisches Hippie-Psychedelik Feeling verströmten. Das Titelstück "25 O'Clock" erinnerte dabei an schräge Bands wie The Electric Prunes oder The Mode, welche damals mit klassischen Elementen und/oder indischer Musik experimentierten. "Bike Ride To The Moon" ist ganz klar eine Hommage an Syd Barrett. Das Stück könnte passgenau von ihm selber geschrieben worden sein. Die Yardbirds standen Pate beim Song "My Love Explodes", die Troggs bei "Your Gold Dress", Zager & Evans bei "What In The World ??". Das meiner Meinung nach grandioseste Stück ist aber der das Mini Album abschliessende Titel "The Mole From The Ministry", das sich in seiner Komplexität wie ein Medley des gesamten vorangegangenen Programms anhört. Kompositorisch und inhaltlich eine Verbeugung vor der relativ unbekannten britischen 60s Band The Moles, die mit ihrer Single "We Are The Moles" einen der besten psychedelischen Songs überhaupt schrieben. Und bei allem Faible für diese Art von Musik, die sich die XTC-Truppe bei diesem Projekt zu eigen machte, darf man nicht vergessen, dass sie selbst auch bereits in den 60er Jahren mit einer psychedelischen Popband reüssierten: XTC waren zuvor unter dem Namen Simon Dupree & The Big Sound unterwegs und schufen mit ihrem Single-Hit "Kites" ebenfalls eine Psychedelik-Nummer für die Ewigkeit.

Und mit "Kites" schliesst sich der Kreis für mich dann wieder, denn eben dieses Stück findert sich auch auf dem Sampler "The Great British Psychedelic Trip", den ich eingangs erwähnt hatte. 

Zwie Jahre später entschlossen sich die Musiker dazu, auch noch ein Full Time Album aufzunehmen, denn überraschenderweise verkaufte sich diese Mini LP erstaunlich gut. Das wiederum vom anpsychedelisierten Sound der 60er Jahre geprägte Album war allerdings dann stärker auf die "Sergeant Pepper"-Phase der Beatles fixiert, bot aber eine genauso tolle Hommage an die flippigen Zeiten damals. Mit dem Song "Vanishing Girl" findet sich auf dem Album (der Song wurde später auch die B-Seite der Single-Adaption "You're A Good Man Albert Brown") auch ein Titel, der exakt die Zutaten eines Beatles Hit in sich vereinte: Brilliante Gitarrenarbeit, eine Melodie, die man nicht mehr aus dem Kopf kriegt und der typische mehrstimmige Gesang, für den die Beatles noch heute so geliebt werden.