Apr 26, 2018


DAVE MASON - Mariposa De Oro (Columbia Records JC 35285, 1978)

Der am 10. Mai 1946 in Worcester, England geborene Musiker Dave Mason begann im Jahre 1960 als Gitarrist bei den Lokalbands Jaguars und Opus To Spring. 1962 und 1963 spielte er bei den Hellions, 1964 und 1965 folgten die Revolutions. 1966 wurde er dann Roadie für die Spencer Davis Group. Dabei lernte er Chris Blackwell von Island Records kennen, durch den er 1967 einen Platz bei Traffic bekam. Für Traffic steuerte er verschiedene Eigenkompositionen bei, unter anderem deren Hit-Single "Hole In My Shoe". Ende 1967 kam es jedoch zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Mason und Steve Winwood über die musikalische Ausrichtung von Traffic, weshalb er die Band verliess. 1968 produzierte Mason das Debütalbum "Music In A Doll's House" von Roger Chapman's Band Family. Im März desselben Jahres schloss er sich erneut Traffic an. In diese Zeit fiel seine bekannteste für Traffic geschriebene Komposition "Feelin' Allright", die jedoch erst in der durch den Rock-Pianisten Chris Stainton arrangierten Coverversion von Joe Cocker zu einem Top-Hit wurde. Im Herbst trennte sich Mason erneut von Traffic. Er veröffentlichte seine erste Solo-Single "Just for You" mit der B-Seite "Little Woman" und fungierte als Gastmusiker bei der Produktion des legendären Albums "Electric Ladyland" von Jimi Hendrix.

Nach dem kurzlebigen Projekt "Mason, Capaldi, Wood And Frog" übersiedelte Mason 1969 in die USA, wo er unter anderem mit der von Eric Clapton und Duane Allman ins Leben gerufenen Supergroup Derek And The Dominos spielte. Ausserdem stand er in Diensten von Cass Elliot (The Mamas And The Papas), Joe Cocker, David Crosby, Graham Nash und Leon Russell. In dieser Zeit lernte er Delaney & Bonnie kennen, zu deren Begleitband Friends er eine zeitlang gehörte und für die er das Stück "Only You Know And I Know" schrieb. 1970 unterschrieb Mason einen Plattenvertrag mit Blue Thumb Records, wo er noch im gleichen Jahr sein Solodebüt "Alone Together" veröffentlichte. Mit Cass Elliot nahm er 1971 die Platte "Dave Mason & Cass Elliot" auf, die aber floppte. Ausserdem beteiligte er sich an dem Werk "Welcome To The Canteen" von Traffic und dem berühmten Dreifach-Studioalbum "All Things Must Pass" von George Harrison.

1972 stellte sich Dave Mason eine Begleitband aus Lonnie Turner (Bass), Mark Jordan (Keyboard), Felix Falcon (Perkussion) und Rick Jaeger (Schlagzeug) zusammen, mit der er das Album "Headkeeper" aufnahm. Auf der Platte verband Mason Elemente aus Gospel, Folk, Country und Rhythm'n'Blues. Nach "Dave Mason Is Alive" (1973) kam es zu Meinungsverschiedenheiten mit seiner Plattenfirma Blue Thumb Records. Mit Hilfe von Clive Davis kam er sowohl von dem Label als auch von den damit verbundenen juristischen Schwierigkeiten los. Im selben Jahr unterschrieb er bei Columbia Records einen neuen Vertrag und veröffentlichte im Dezember sein nächstes Studioalbum, betitelt "It's Like You Never Left" mit Gaststars wie Graham Nash und Stevie Wonder, das sehr gute Kritiken bekam. Es folgten die weiteren Alben "Dave Mason" (1974), "Split Coconut" (1975), "Certified Live" (1976), "Let It Flow" (1977) und schliesslich "Mariposa de Oro" (1978), auf welchem er sich als bis dato ausgereiftester Songschreiber mit klar Westcoast-inspiriertem Poprock präsentierte. Das Album war jedoch nur mässig erfolgreich, trotzdem hielt Columbia Records den Vertrag mit ihm aufrecht, da die Plattenfirma davon ausging, dass Dave Mason noch zu grossen Hits fähig war.

Das Problem war allerdings, dass sich Dave Mason zu sehr von vorwiegend kommerziellen Gesichtspunkten leiten liess, manchmal deshalb arg in den belanglosen Pop abdriftete, und spätestens bei seinen nachfolgenden Werken wie dem Nachfolger Album "Old Crest On A New Wave" (1980), sowie den Singles "We Just Disagree", "Let It Go" und einem Re-Make des Erfolgstitels "Will You Love Me Tomorrow" von Carole King fast beim amerikanischen Schlager angekommen zu sein schien. Ab dem Album "Let It Flow", auf dem auch Stephen Stills als Gaststar spielte, begann Dave Mason auch vermehrt damit, bei seinen Song-Arrangements Streicher einzusetzen, die teilweise negative Kritiken nach sich zogen. Mason arbeitete nebenbei allerdings auch als äusserst angesehener und entsprechend begehrter Studiomusiker, zum Beispiel für Paul McCartney, Phoebe Snow, Graham Nash, Bobby Keys und David Blue. Ausserdem war er in einer Werbung für Miller-Bier zu hören.

Das Album "Two Hearts", das im Jahre 1987 veröffentlicht wurde, und auf dem er von Phoebe Snow und Steve Winwood unterstützt wurde, gelangte überhaupt nicht mehr in die Charts und war bis dato sein grösster Flop. Dave Mason konzentrierte sich in der Folge auf ein Engagement als Musiker in einer der grössten Poprock-Bands überhaupt: Im Herbst 1993 schloss er sich Fleetwood Mac an, auf deren Produktion "Time" von 1995 er mitspielte. Später gründete er aber wieder eine eigene Band mit Rich Campbell (Bass) von Three Dog Night, Bobby Scumaci (Keyboard) und Frank Reina (Schlagzeug). Er spielte als Gast bei Buddy Guy, den Gruppen Blood, Sweat & Tears und Poco und tourte 1998 zusammen mit seinem alten Kumpel aus Traffic-Zeiten, dem Schlagzeuger Jim Capaldi.







Apr 25, 2018


GARY MOORE - Corridors Of Power (Virgin Records V 2245, 1982)

Gary Moore wuchs als Sohn eines Veranstalters mit vier Geschwistern in Ost-Belfast auf. In seiner Familie gab es viele Schwierigkeiten. Er verliess mit 16 Jahren sein Elternhaus und ging nach Dublin. Ein Jahr darauf trennten sich seine Eltern. In Dublin verdiente sich Moore ab 1969 sein erstes Geld als Musiker, zusammen mit Phil Lynott. Die gemeinsame Band Skid Row, nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen US-amerikanischen Rockband, veröffentlichte zwei Alben. Starken Einfluss auf Moore übte in dieser Zeit der Gitarrist Peter Green mit seiner Band Fleetwood Mac aus, den er in Dublin und London persönlich kennen lernte. Ende 1971 verliess Moore die Band Skid Row und unterstützte die Folkrock Band Dr. Strangely Strange als Gastmusiker, um dann 1973 die erste Gary Moore Band zu gründen, bei der er auch den Gesang übernahm. Das einzige Album "Grinding Stone" (1973) blieb erfolglos und die Band löste sich wieder auf. 1974 schloss sich Moore Thin Lizzy an und war wieder mit Phil Lynott in einer Band. Dort blieb er jedoch nur kurze Zeit. Danach arbeitete er als Studiomusiker, unter anderem für Jonathan Kelly und Eddie Howell.

1975 gründete Moore zusammen mit dem Schlagzeuger Jon Hiseman, dem Keyboarder Don Airey, dem Bassisten Neil Murray und dem Sänger Mike Starrs die Jazzrock-orientierte Formation Colosseum II. 1978 löste sich die Band nach drei Studioalben und vielen Konzerten auf. Moore arbeitete danach weiter als Studiomusiker und beteiligte sich an Alben von Andrew Lloyd Webber, Gary Boyle und Rod Argent. 1978 startete Moore erneut einen Soloversuch mit dem Album "Back On The Streets", das die erfolgreiche Single "Parisienne Walkways" enthielt, die in Zusammenarbeit mit Phil Lynott entstand und bis zuletzt Teil von Gary Moores Live-Repertoire war. 1978 schloss er sich wieder der Band Thin Lizzy als Ersatz für Brian Robertson an und spielte mit Thin Lizzy das Album "Black Rose" ein. Überraschend verliess Moore Thin Lizzy 1979 wieder während einer US-Tournee. Danach gründete er mit Mark Nauseef, mit dem er bei Thin Lizzy zusammen gespielt hatte, das kurzlebige Projekt G-Force und wurde Gitarrist in der Band von Greg Lake.

In den nachfolgenden Jahren setzte sich Moore allmählich als Gitarrenvirtuose in der Hardrock- und Heavy Metal-Szene durch. Das ehemalige UFO-Mitglied Neil Carter wurde 1983 zu einem wichtigen Co-Musiker für Gary Moore. "Corridors Of Power" war das vierte Soloalbum. Es erschien im September 1982 und markierte den Durchbruch Moores in der internationalen Hardrock Szene. "Corridors Of Power" galt als das erste echte Heavy Metal-Album des Gitarristen. Nach den unvollendeten Aufnahmen seines Albums "Dirty Fingers" schloss sich Gary Moore im August 1981 der Band von Greg Lake an. Mit Lake spielte er ein Album ein und ging für mehrere Monate auf Tournee. Anfang 1982 wandte sich Moore aber wieder mehr seiner Solokarriere zu und nahm mit einer eigenen Band mehrere Demos auf. Zwar war er in der Folge noch an einem zweiten Album mit Lake beteiligt, doch bis zum Herbst des Jahres fand die Zusammenarbeit schliesslich ihr Ende.

In der Zwischenzeit hatte Moore einen Vertrag bei Plattenfirma Virgin Records unterzeichnet. Schon im Frühjahr 1982 stellte er sich eine neue Band zusammen, die mit Ian Paice am Schlagzeug (Deep Purple), Neil Murray am Bass (Whitesnake) und Tommy Eyre am Keyboard (Greg Lake) aus einer Reihe namhafter Musiker bestand. In dieser Besetzung ging man schliesslich ins Studio und spielte das Album "Corridors Of Power" ein. Den Gesang übernahm Moore erstmals weitgehend selbst, lediglich bei dem Stück "End Of The World" stand mit Jack Bruce (Cream) ein anderer Leadsänger am Mikrophon. Das in den Londoner Townhouse Studios aufgenommene Album war eine Mischung aus harten Rocksongs und eingängigen Balladen. Textlich überwogen einfache Liebeslieder; mit dem epischen "End Of The World" griff Moore aber auch wieder das Thema des Atomkriegs auf, das er schon auf seinem Album "Dirty Fingers" behandelt hatte. "Wishing Well" war die Coverversion eines Stücks der Band Free. Der Name "Corridors Of Power" stammte aus einem Roman des Autors C. P. Snow und bezog sich auf den Sitz der britischen Regierung in Whitehall.

Mit seiner Studioband spielte Moore im Sommer 1982 erste Konzerte in England. Als Sänger engagierte er dafür den Amerikaner Charlie Huhn (Ted Nugent), mit dem er eineinhalb Jahre zuvor schon das Album "Dirty Fingers" eingespielt hatte. Huhn schien die Erwartungen aber nicht erfüllt zu haben und ging schon Ende August wieder zurück nach Detroit. Nach Abschluss der kleinen Vorab-Tournee wurde das Album im September 1982 schliesslich veröffentlicht. Mit "Corridors Of Power" erlebte Moore seinen kommerziellen Durchbruch. Virgin Records unterstützte ihn deutlich mehr als seine alte Plattenfirma und brachte Singles, EPs und Bonusmaterial zu dem Album heraus. Im Oktober 1982 stieg "Corridors Of Power" für mehrere Wochen in die britischen Albumcharts ein. Grosse Erfolge feierte Moore auch in Japan und in den USA hielt sich das Album im nächsten Jahr insgesamt dreizehn Wochen in den Charts.

Nachdem das Album veröffentlicht war, ging Moore im Herbst 1982 auf eine ausgedehnte Welttournee. Für Charlie Huhn kam der Sänger John Sloman (Lone Star, Uriah Heep) in die Band und Tommy Eyre wurde als Keyboarder durch Don Airey (Rainbow) ersetzt, der wie Huhn schon an "Dirty Fingers" mitgewirkt hatte. Die Band kam 1983 auch nach Japan, wo im Januar das Livealbum "Rockin' Every Night" aufgenommen wurde. Danach verliess Sloman die Band wieder und Moore übernahm den Gesang von nun an endgültig selbst. Das Live-Glanzstück "Wishing Well", welches gegenüber der Originalversion von Free durch ausdrucksvolle und auch heulende Riffs auffiel, das allein schon durch den Titel provozierende "Don’t Take Me For A Loser" und das als Single veröffentlichte balladeske "Falling In Love With You" galten rasch als die besten Songs dieses Albums In der 1998 erschienenen Rock Hard-Enzyklopädie wurde allerdings nur erwähnt, dass Gary Moore seine Soloexzesse auf melodische Gitarrenläufe reduzierte und sich durch Übernahme des Lead Gesangs von unzuverlässigen Sängern unabhängig gemacht hatte. Anlässlich von Wiederveröffentlichungen schrieb der Kritiker Götz Kühnemund 2001 im Rock Hard, Moore habe frühzeitig einen völlig eigenen, unverwechselbaren Gitarrenstil besessen. Als Hymnen bezeichnete er die Songs "End Of The World", "Don’t Take Me For A Loser", "I Can’t Wait Until Tomorrow" und "Cold Hearted". Das ganze Album sei ein Meilenstein und klinge 19 Jahre nach der Erstveröffentlichung kein bisschen veraltet. Und Alan Tepper stellte 2003 in der Zeitschrift Eclipsed fest, die Stücke seien hart und schnell, wofür insbesondere der Konzertklassiker "Rockin' Every Night" stehe. "End Of The World" habe jeden Gitarristen erblassen lassen. Für Abkühlung im Härtemaximum des Ausnahmegitarristen sorge das Cover "Wishing Well".

Mit "Corridors Of Power" (1982) und "Victims Of The Future" (1983) etablierte sich Moore im Hardrock-Genre. Das nachfolgende Album "Victims Of The Future" enthielt mit der Ballade "Empty Rooms" eines seiner bekanntesten Stücke. Spätestens mit dem Album "Run For Cover" (1985) war Gary Moore eine feste Grösse als Rockgitarrist. Das Album enthielt unter anderem die Single "Out In The Fields", an der auch Phil Lynott beteiligt war. Bekannte Mitmusiker waren in dieser Zeit Ian Paice, Glenn Hughes und Tommy Aldridge. Seine Position als stilistisch vielseitiger Hardrock-Gitarrist und versierter Sänger festigte Moore mit dem Album "Wild Frontier" (1987), das durch Irish Folk Einflüsse geprägt war. "Wild Frontier" war dem 1986 verstorbenen Phil Lynott gewidmet, worauf die Plattenhülle mit dem Aufdruck 'For Philip' hinwies. Der auf dem Album enthaltene Song "Johnny Boy" war ebenfalls ein Tribut an Phil Lynott. "Wild Frontier" blieb Gary Moore's einziges Celtic Rock Album, auch wenn der Nachfolger "After The War" (1989) weitere irische Einflüsse (zum Beispiel im Song "Blood Of Emeralds") widerspiegelte. "Wild Frontier" enthielt mit der Single "Over The Hills And Far Away" einen bekannten Song des Celtic Rock.

"After The War beschäftigte sich thematisch unter anderem mit dem Nordirland Konflikt ("Blood Of Emeralds") und dem Vietnamkrieg ("After The War"). Des Weiteren äusserte sich Moore in "Led Clones" (mit Ozzy Osbourne) kritisch über Rockbands, die sich zu sehr an Idolen wie Led Zeppelin orientierten, ohne eigene musikalische Identität zu entwickeln. Auch auf diesem Album erinnerte Moore an seinen verstorbenen Freund Lynott: "the darkest son of Ireland, he was standin’ by my side" (im Song "Blood Of Emeralds"). Nach der Veröffentlichung dieses Werks orientierte sich Gary Moore zunehmends am Blues und konnte in den folgenden Jahren mit Alben, die klar vom Blues dominiert waren, seine grössten kommerziellen Erfolge feiern.







Apr 24, 2018


FUNKADELIC - Maggot Brain (Westbound Records WB 2007, 1971)
FUNKADELIC - One Nation Under A Groove (Warner Brothers Records BSK 3209, 1978)
PARLIAMENT - Chocolate City (Casablanca Records NBLP 7014, 1975)
PARLIAMENT - Live P.Funk Earth Tour (Casablanca Records NBLP 7053, 1977)

Funkadelic waren eine afroamerikanische Funkband, die in den 70er und 80er Jahren erfolgreich war. Zu ihren Mitgliedern gehörte unter anderem der Funk Bassist Bootsy Collins und der Gitarrist DeWayne McKnight, der auch musikalischer Direktor war. Ursprünglich waren Funkadelic die Begleitband für The Parliaments, einer Gesangsgruppe um den Begründer George Clinton, die sich später in Parliament umbenannte. Im Rahmen der Namensschwierigkeiten um die Gruppe benannte sie sich im Zuge der psychedelischen Mode Ende der 60er Jahre stilgerecht um und praktizierte einen anderen Musikstil, bis der Name Parliament wieder benutzt werden durfte. Ab diesem Zeitpunkt existierten beide Gruppen, Parliament und Funkadelic, gleichzeitig und brachten bei verschiedenen Labels Veröffentlichungen heraus, was in den 70er Jahren absolut unüblich war. Ende der 70er Jahre führte diese Veröffentlichungspolitik zu zahlreichen, miteinander verbundenen Gerichtsprozessen, die schliesslich die inoffizielle Auflösung dieser Band zur Folge hatten (Teile davon wurden unter anderem als P-Funk All Stars wiederbelebt). Die letzte Langspielplatte "By Way Of The Drum" wurde um 1988 aufgenommen, aber erst 2007 herausgebracht, da die Plattenfirma sich keinen kommerziellen Erfolg davon versprach.

Bei allen Veröffentlichungen danach handelte es sich um Best Of's, Greatest Hits und dergleichen in immer wieder neuen Kombinationen. Ansonsten ist die Unterscheidung schwierig, da bei Veröffentlichungen und Live-Auftritten Funkadelic praktisch aus derselben Besetzung wie Parliament bestanden. Allerdings war ihr Musikstil mehr am Rock orientiert als bei Parliament. Sie galten somit als Vorläufer des Funk Rock, respektive des Crossovers. Die Gruppe Parliament, eine der Ikonen des P-Funk, wurde 1968 von George Clinton gegründet. Die Band war neben der Band Funkadelic Clintons zweites grosses Projekt und Clinton setzte zum Grossteil auf dieselben Musiker - die doppelte Namensführung beruhte vor allem auf vertragsrechtlichen Gründen im Zusammenhang mit seiner Plattenfirma.

Nach der Aufnahme ihrer ersten Single "Testify", die in begrenztem Umfang erfolgreich war, bekam die Gruppe Probleme mit ihrem Bandnamen, sodass George Clinton sich gezwungen sah, vorerst unter dem Namen Funkadelic weiterzumachen. Dies war sicherlich auch der Grund, warum das Album "Funkadelic" schon 1969 erschien, ein Jahr vor dem ersten Parliament-Album von 1970 mit dem Titel "Osmium". Clinton und seine Mitstreiter, darunter bereits in den Anfangsjahren so berühmte Namen wie Bootsy Collins und Bernie Worrell, arbeiteten in den folgenden Jahren vor allem unter dem Namen Funkadelic weiter. Im Jahre 1974 erschien mit "Up For The Down Stroke" Parliaments zweites Album, das als erstes P-Funk-Album gelten kann und das Platz 10 der amerikanischen Rhythm'n'Blues-Charts erreichte. 1975 erschien mit "Chocolate City" das dritte Album.

Clinton konnte in der Zwischenzeit die Band um Maceo Parker und Fred Wesley verstärken. Im selben Jahr, 1975, erschien mit "Mothership Connection" das erste der drei aufeinanderfolgenden, legendären Alben von Parliament. Es erreichte Platz 13 der Popcharts sowie Platinstatus. Nur ein halbes Jahr später erschien, 1976, "The Clones Of Dr. Funkenstein", ein ebenso energiegeladenes Meisterstück der P-Funk Epoche, wenn auch kommerziell nicht ganz so erfolgreich wie sein Vorgänger. Obwohl sich 1977 bereits interne Querelen abzeichneten, wurde in diesem Jahr mit "Funkentelechy vs. The Placebo Syndrome" das erfolgreichste Parliament-Album veröffentlicht. Der Titel "Flash Light" war drei Wochen Nummer eins der amerikanischen Rhythm'n'Blues-Charts. Im selben Jahr erschien auch das Album "Live: P. Funk Earth Tour".

1978 folgten "Motor Booty Affair" und 1979 "Gloryhallastoopid (Or Pin The Tale On The Funky)". Das offiziell letzte Album von Parliament war "Trombipulation" und erschien 1980. In der folgenden Zeit gaben wiederum vertragliche Schwierigkeiten und auch eine gewisse kreative Erschöpfung den Ausschlag für Clinton, unter anderem Namen weiter zu arbeiten. So erschien 1982 "Computer Games" als Soloalbum. George Clinton's Band wurde Mitte der 80er Jahre in P-Funk Allstars umbenannt. Zu den besten Aufnahmen dieser Band gehörte das Album "Live At The Beverly Theatre In Hollywood" von 1990 mit dem Schlagzeuger Dennis Chambers. Der Rolling Stone listete Parliament und Funkadelic auf Rang 58 der 100 grössten Musiker aller Zeiten.






Apr 22, 2018


GREAT WHITE - Shot In The Dark (Capitol Records CDP 7 48466 2, 1986)

Great White und Jack Russell’s Great White sind zwei US-amerikanische Hard Rock Bands aus Südkalifornien. Great White hatten ihre erfolgreichste Phase Mitte bis Ende der 80er Jahre; seit 2011 besteht um den ehemaligen Sänger und Great White Bandgründer Jack Russell daneben eine neue Band mit dem Namen Jack Russell’s Great White. Great White geriet im Jahre 2003 in die Schlagzeilen, als aufgrund einer Feuertragödie bei einem ihrer Konzerte in Rhode Island hundert Menschen starben. Great White entstanden im Jahre 1982 in Huntington Beach aus den Überresten der L.A. Club Band Dante Fox in der Besetzung Jack Russell (Gesang), Mark Kendall (Gitarre), Lorne Black (Bass) und Gary Holland (Schlagzeug). Sie unterschrieben bei EMI Records ihren ersten Plattenvertrag. Das von Michael Wagener produzierte Debütalbum erschien 1984. Die Verkäufe waren relativ schwach, weswegen EMI das Interesse an der Band verlor.

Richtig in Schwung kam die Karriere der Band erst 1986 mit dem selbstfinanzierten Album "Shot In The Dark", worauf Great White von Capitol Records, einer Tochterfirma der EMI, unter Vertrag genommen wurde. Zur Band gehörten zu diesem Zeitpunkt der Sänger Jack Russell, der Gitarrist Mark Kendall, der Schlagzeuger Audie Desbrow und der Bassist Lorne Black. Die Platte kam bis in Top 100 der US-Albumcharts. Das darauffolgende Album "Once Bitten" erschien 1987 in zwei verschiedenen Auflagen in den USA und Europa. In Europa enthielt das Album auch Songs des damals hier nicht erhältlichen Platte "Shot In The Dark". Support Tourneen für Night Ranger und Twisted Sister steigerten den Bekanntheitsgrad der Band. Die beiden Singles "Rock Me" und "Save Your Love" trugen ebenfalls dazu bei, dass das nächste Album "Twice Shy" der Band 1989 zum Durchbruch verhalf. Die Platte erreichte Doppelplatinstatus in den USA. Für den Song "Once Bitten Twice Shy" wurde die Band für einen Grammy nominiert.

Das Nachfolgealbum "Hooked", veröffentlicht im Jahre 1991, verkaufte sich ebenfalls gut, bevor es, nicht zuletzt auch aufgrund der einsetzenden Grunge-Bewegung, mit der Popularität der Band abwärts ging. Bereits ab 1992 sank der Stern der Band. Das Album "Psycho City" konnte den Erfolg der Vorgänger nicht erreichen und die Band verlor daraufhin ihren Plattenvertrag bei Capitol Records. Die nächste Platte "Sail Away" erschien 1994 bei Zoo Entertainment und floppte ebenso wie die beiden nächsten Studioalben "Let It Rock" aus dem Jahre 1996 und "You Can’t Get There From Here" von 1999. Zwischenzeitlich traten Great White immer öfter auch als Coverband in Aktion. 1998 veröffentlichten sie mit "Great Zeppelin" ein Led Zeppelin Tribute Album und 2002 ein weiteres Coveralbum namens "The Final Cuts". Darüber hinaus kam im Jahr 2000 mit "Latest And Greatest" auch noch eine Platte auf den Markt, auf der sich die Band selbst coverte und einige ihrer alten Songs neu einspielte.

Auflösungsgerüchte und Besetzungswechsel taten ihr Übriges, um am Image der Band zu kratzen. Trotzdem tourte die Band in regelmässigen Abständen durch die Lande. 2000 feuerte man Sean Mc Nabb und Audie Desbrow. Desbrow beschwerte sich, dass er nicht bezahlt wurde. Der Tiefpunkt ihrer Karriere war zweifellos der 20. Februar 2003, als bei einem Konzert im Club The Station in West Warwick, Rhode Island, ein Feuer ausbrach. Die eingesetzte Pyrotechnik setzte die mit Styropor verkleidete Decke des Clubs in Flammen und löste einen Brand aus, der sich rasend schnell ausbreitete. Durch das Feuer, Rauchvergiftungen und eine Massenpanik starben 100 Menschen, darunter der Bandgitarrist Ty Longley. Bei der darauffolgenden Gerichtsverhandlung war die Band ebenfalls angeklagt, wurde aber in allen Punkten freigesprochen. Der Manager der Band, dem man die Verantwortung für die Lichtshow anlastete, wurde zu fünfzehn Jahren Haft verurteilt, aber nach vier Jahren entlassen. Great White rief nach dem Unglück den The Station Family Fund ins Leben und sammelte durch Veröffentlichungen und Konzerte Geld für die Hinterbliebenen der Opfer.

Im Dezember 2006 gab die Band in der Besetzung Jack Russel (Gesang), Mark Kendall (Gitarre), Michael Lardie (Gitarre, Keyboards), Sean McNabb (Bass) und Audie Desbrow (Schlagzeug) das Comeback bekannt. Zum 25-jährigen Bandjubiläum tourte man im Folgejahr zunächst durch Nordamerika. Das neue Studioalbum "Back To The Rhythm" wurde in den USA am 17. Juli und in Europa am 31. August 2007 veröffentlicht. 2009 erschien dann das Album "Rising". 2010 wurde Terry Ilous der neue Sänger der Band. 2012 erschien mit dem neuen Sänger das Album "Elation". Nachdem sich Jack Russell von einigen gesundheitlichen Problemen wieder erholt hatte, gründete er im Dezember 2011 eine komplett neu zusammengestellte Band mit dem Namen Jack Russell’s Great White.







Apr 17, 2018


THRICE MICE - Thrice Mice! (Philips 6305 104, 1971)

Infiziert vom Fieber der Beatles-Mania beschlossen die Brüder Rainer und Werner von Gosen im Frühsommer 1966, eine Beat-Band zu gründen. In Flensburg geboren und in Hamburg aufgewachsen, besuchten sie dort das Alexander von Humboldt-Gymnasium im Ortsteil Harburg. Rainer und Werner, beide musikalisch durch Klavierunterricht vorgebildet, übernahmen Bass und Gitarre, ihr Mitschüler und Freund Arno Bredehöft spielte das Schlagzeug. Der Name Thrice Mice (dreimal Mäuse) liess auf ein gewisses Understatement schliessen, wollten die Jungs doch in die erste Liga der damaligen Bandszene aufsteigen. Möglichkeiten dazu boten die zu diesem Zeitpunkt überall stattfindenden Beat-Wettstreite, an denen die Band mit grossem Erfolg teilnahm.

Im August 1966 gewann sie den ersten Preis der Beat Band Battle der Hamburger Gymnasien. Veranstaltet vom Gymnasium Hamburg-Alsterdorf setzten sie sich gegen sechs weitere Konkurrenz-Bands durch. Das Hamburger Abendblatt fand für diese Veranstaltung folgende Schlagzeilen: "Dem Musiklehrer war die Beat-Schlacht zu laut" und "Schiedsrichter sass vor der Tür!". Im Verlauf des Artikels vom 24.August 1966 hiess es weiter: "Ohrenbetäubende Beat-Musik, ohrenbetäubender Beifall, 7 Beat-Bands aus Hamburger Gymnasien kämpften im Schweisse ihres Angesichtes um den ersten Preis der Beat Band Battle. Die Aula kochte. Nur einer schlich sich während der Schlacht aus der Tür. Dem Musiklehrer war es zu laut geworden. Dabei sollte er als sachverständiges Jurymitglied Preisrichter spielen. Das tat er auch, aber mit Distanz. Er setzte sich im Flur vor der Aula auf eine Bank und liess die Musik dort auf sich wirken. Als dann nach zwei Stunden der Lärm im Saal verebbt war, fällte er in aller Ruhe seinen Spruch. Sieger der Schlacht in der Aula: The Thrice Mice vom Humboldt-Gymnasium in Harburg".

Bemerkenswert war, dass Thrice Mice, obwohl nicht Schüler des veranstaltenden Gymnasiums, trotzdem siegten und die Bands des heimischen Gymnasiums auf die Plätze verwiesen. Dies war ein erster Hinweis auf den Ehrgeiz und das Können der drei Jungs. Der Sieg bei der Beat Battle brachte ihnen Ansehen in der auch zu diesem Zeitpunkt schon vielfältigen und bandreichen Hamburger Szene. Die Anerkennung erfuhr einen weiteren Höhepunkt, als Thrice Mice auch als Sieger im Beat-Wettstreit der Harburger Anzeigen und Nachrichten, einer grossen Hamburger Lokalzeitung, hervorgingen. Die Veranstaltung fand im Februar 1967 in der Harburger Friedrich Ebert-Halle vor ungefähr 1200 Zuschauern statt. 24 Bands waren angetreten. Thrice Mice siegten mit fast der Hälfte der Stimmen des Publikums und ein Jurymitglied, delegiert vom Hamburger Starclub, erklärte: "Für mich haben Thrice Mice am besten gespielt".

Die Veranstaltung fand ihr kongeniales Presseecho und der Musikkritiker Willi Hofmann versuchte sich an einer soziologischen und kulturhistorischen Erklärung: "Man muss betonen, dass der Gedanke, von solch offizieller Warte, wie es die Presse heute ist, zu der Volksbewegung des Beat Stellung zu nehmen, ausserordentlich zu begrüssen ist. Wie alle Volksbewegungen kommt der Strom von unten, von den undifferenzierten und schlichten Bewusstseinslagen. Das Naturereignis Beat ist ein riesiger Protest gegen die Zerfaserung der modernen Jazz-Musik, gegen alles Alte und Morsche und gegen Zwang und jegliches Korsett. Es funktioniert wie die Posaunen von Jericho, und es ist ein Wunder, dass die Ebert-Halle bei dem Lärm keinen Schaden nahm. Es ist auch ein Sieg des elektrischen Stromes, den man bekanntlich mühelos verstärken kann und in dem die Singstimmen untergehen, es ist uralte Magie und moderne Technik, Ekstase und Monotonie zugleich. In der stilistischen Enge der wenigen Akkorde und Rhythmen unterscheiden sich die Bands durch die persönliche Leistung. Das pausenlos Hämmernde und das Grelle entspricht der Pop-Art in der Malerei, ein Protest gegen alle pintige Leisetreterei. Keine Rede von Schwüle, es ist der Ausdruck des ganz Direkten ohne jede Umschweife, echtes Zeichen der Zeit doch im Wesen uralt. Die Jugend im Saal konsumierte den Lärm meist mit tiefernsten Gesichtern".

Ob die anwesenden Fans dies genauso empfanden darf bezweifelt werden. Jedenfalls fanden Rainer und Werner von Gosen nach der Veranstaltung vor ihrer Haustür Tulpen, die ihnen junge Anhängerinnen als Zeichen ihrer Verehrung gestreut hatten. Dies war jedoch nicht der einzige Lohn der schweisstreibenden Arbeit. Als Preis hatte der Veranstalter für die vier erstplatzierten Bands die Möglichkeit einer Schallplattenaufnahme ausgelobt, einer EP, auf der sie sich jeweils mit einem Titel präsentieren durften. Trice Mice entschieden sich für die Eigenkomposition "An Invitation". Dieser Titel, der in seiner Art etwas an The Who erinnerte, gab der Band die Möglichkeit, sich professionell durch Vorlage eines Tonträgers weiter nach oben zu arbeiten. Die EP wurde soäter zu einer sehr gesuchten Rarität. Die lokalen Erfolge der Band hielten an und Thrice Mice mussten eine Menge von Auftritten absolvieren, betreut vom dritten von Gosen-Bruder, Jürgen, der als Roadmanager der Band half. Ein Bruch in der Bandgeschichte erfolgte, als Werner von Gosen 1968 zur Bundeswehr eingezogen wurde. Arno Bredehöft erhielt zu diesem Zeitpunkt ein Angebot der Beathovens und verliess die Band für ungefähr ein Jahr. Als Ersatz kamen Gerhard Adlung als neuer Schlagzeuger und Hans-Hermann Jäger an der Orgel in die Band. Nach Beendigung des Wehrdienstes stieg Werner von Gosen wieder in die Band ein; Arno Bredehöft kehrte ebenfalls wieder zurück. Die Urbesetzung spielte wieder zusammen.

Die Band war sich zu diesem Zeitpunkt allerdings bewusst, dass die Dreierbesetzung ihrer Musik bestimmte Grenzen setzte, die nur durch weitere Bandmitglieder überwunden werden konnten. Mit Karl-Heinz Blumenberg (Gesang, Altsaxophon, Perkussion, Querflöte, Gitarre), Wolfgang Buhre (Tenor-, Alt- und Sopransaxophon, Klarinette und Perkussion) und Wolfram Minnemann (Orgel, Klavier, Gitarre) fanden sich drei kongeniale Mitstreiter. Alle Drei verfügten bereits über erhebliche musikalische Erfahrungen. Karl-Heinz Blumenberg hatte zuvor Jazz, Skiffle und Folklore gespielt; Wolfgang Buhre kam vom Jazz und hatte schon mit Chris Barber und Monty Sunshine sowie Albert Nicholas, einem berühmten Klarinettisten, Musik gemacht; Wolfram Minnemann, ebenfalls vom Jazz kommend, hatte zuvor mit einigen Mitgliedern der legendären City Preachers Folklore gespielt. Damit hatte sich die Besetzung gefunden, die Anfang 1971 das gleichnamige Album auf Philips Records veröffentlichte. 

Die musikalischen Lebensläufe der einzelnen Gruppenmitglieder veranschaulichen, welche verschiedenen musikalischen Strömungen und stilistischen Auffassungen nun unter einen gemeinsamen Hut gebracht werden mussten. Die Gruppe erarbeitete sich die Titel im Kollektiv. Nachdem in der Anfangszeit die übliche Beat- und Popmusik gespielt, dann sich am Soul versucht wurde, war dies nun Makulatur. Die Band sah durch das Nachspielen internationaler Hits die konsequente Linie zur eigenen Musik beeinträchtigt. Im Promotionstext der Rolling News ihrer damaligen Plattenfirma wurde der aktuelle Zustand zutreffend wiedergegeben. Dort hiess: "Heute stützt sich die Thrice Mice' Musik auf eine mittelschwere Rock-Basis, die allerdings sehr variabel ausgelegt ist. Jazzeinflüsse sind unverkennbar, ein klassisches Motiv lieferte ihnen ihren grossen Reisser "Vivaldi's Revival", mal eine Progressivfärbung, mal eine Blueswendung. Wir wollen uns keinen Stempel aufdrücken lassen, sagen Thrice Mice. Es gibt Gruppen, die erkennt man beispielsweise immer an ihrer Art Rhythmus. Das mag seine Vorteile haben, aber uns würde es einengen. Zumal jeder von uns mindestens zwei Instrumente spielt. Wir sind offen nach allen Seiten, und wir finden, dass wir dadurch eine Menge mehr ausdrücken können".

Wie sich das äussert, zeigte die Thrice Mice LP. Sie enthielt vier Stücke. Zunächst das erfolgreiche "Vivaldi". Dann "Jo Joe", die eigenwillige Lebensphilosophie eines Mannes, gegenwartsbezogen, aber ebenso sprunghaft wie diese Gegenwart. Für das dritte Opus stand eine Idee von Joachim Ringelnatz Pate: "Fancy Desire", die Geschichte vom Reh im Park, dass sich als Gipsfigur entpuppt. Und dann "Torekov", ein Stück mit einer ganz eigenartigen Story. Einige Mitglieder von Thrice Mice campierten in Schweden und freundeten sich dort mit einer hübschen Finnin an, die immer, wenn sie zärtlich wurde, in englischer Sprache die unwahrscheinlichsten Dinge erzählte. Die Erzählungen dieser Finnin verarbeite die Gruppe zum Textgerüst des Titels "Torekov", benannt nach dem Ort, wo damals die Zelte standen. Die Aufnahmen zum Album fanden im November und Dezember 1970 in den renommierten Windrose Dumont Studios in Hamburg statt. Zuvor hatte sich die Band auch überregional einen Namen gemacht. So trat sie als eine der wenigen deutschen Bands Ostern 1970 beim Pop- und Bluesfestival in der Hamburger Ernst Merck Halle auf, wo ihnen über 10000 Fans zujubelten.

Noch gigantischer war ihr Auftritt beim legendären Fehmarn-Festival vom 4. bis 6. September 1970, wo auch der letzte Live-Auftritt von Jimi Hendrix vor dessen Tod stattfand, als sie vor 25000 begeisterten Fans spielten. Der berühmte Alexis Korner hatte sie angekündigt und wenige Minuten später vor Begeisterung bei ihnen mitgespielt. Von diesem Auftritt wurden später zwei Titel für eine Wiederveröffentlichung des Albums auf CD verwendet, das beim Label Long Hair Music erschien. Thrice Mice hofften ihren Status als semi-professionelle Band mit dem ersten Album zu verbessern. Anfang 1972 läutete sich jedoch das Ende der Band ein, als Rainer von Gosen aus beruflichen Gründen nach Frankfurt verzog. Die verbliebenen Gruppenmitglieder versuchten mit wechselnden Besetzungen Thrice Mice am Leben zu erhalten, letztlich wurde aber die Auflösung der Band beschlossen. Werner von Gosen und Karl-Heinz Blumenberg spielten mit Altona zwei Alben ein. Nach Beendigung seines Engagements bei der Gruppe Altona kehrte auch Werner von Gosen dem Musikbusiness den Rücken. Karl-Heinz Blumenberg war später mit der Band Leinemann erfolgreich; Wolfgang Buhre blieb als Musiker aktiv; Wolfgang Minnemann verschlug es nach Portugal und Arno Bredehöft verstarb.





Apr 16, 2018


ET CETERA - Et Cetera (Global Records 6306 901, 1971)

Der Musiker Wolfgang Dauner aus Stuttgart gilt als einer der wenigen weltweit anerkannten deutschen Jazzmusiker. Bereits als Kind früh auf dem Klavier geschult, machte er interessanterweise seinen Abschluss an der Musikhochschule Stuttgart im Fach Trompete. Seine grosse Liebe blieb aber das Klavier. Die Präferenz für zeitgenössischen Jazz führte 1963 zur Gründung der ersten eigenen Gruppe: Das Wolfgang Dauner Trio mit Eberhard Weber am Bass und Fred Braceful am Schlagzeug. Musikern, mit denen er noch bis weit in die 70er Jahre zusammenarbeitete. Die Bedeutung Dauners für den modernen Jazz und Jazzrock in Deutschland kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Sie ist vergleichbar mit der Pionierarbeit, die Miles Davis in den USA für den Jazz und Jazzrock geleistet hat. Aufgrund seiner Mitwirkung in verschiedenen Jazzbands während der frühen 60er Jahre war Dauner schon Veteran der Jazzszene, bevor er seine eigene Band gründete. Die ersten von ihm veröffentlichten Alben waren dem experimentellen modernen Jazz zuzuordnen, beeinflusst von Bill Evans, Steve Lacy, Sun Ra und anderen. Seine bis 1969 erschienenen Alben sprachen in erster Linie reine Jazzfans an. 

Die Blüte der psychedelischen Musik um 1968/69 schuf neue Möglichkeiten. Dauner, mit einigen der besten jungen Jazzmusiker an seiner Seite, hatte genug vom ins klischeehafte abdriftende Spiel des Jazz, was zum damaligen Zeitpunkt überwiegend stattfand und nahm sich vor, sämtliche vorhandenen Regeln zu brechen. Was die Gruppe Faust wenige Jahre später für die Rockmusik bedeutete, liessen Dauner und seine Musiker dem Jazz widerfahren. Erstes Ergebnis war das aussergewöhnliche Album "Für", erschienen im Sommer 1969, das nicht mehr dem Jazz zuzuordnen war, sondern ein Experiment vorantrieb mit dem einzigen Ziel, Grenzen zu überschreiten: Die musikalische Revolution ihrer selbst Willen. Noch radikaler war die Veränderung, im Vergleich zu den vorherigen Produktionen, welche die Musik, nun dem Wolfgang Dauner Quintett geschuldet, auf dem Werk "The Oimels", Anfang 1970 den Fans bescherte. Wolfgang Dauner und seine Mitstreiter präsentierten sich hier als Psychedelic-Jazz-Pop-Band. Neben der von den Psychedelic-Fans so geliebten verzerrten Gitarre, Sitar-Klängen und anderen Freak-Outs zogen die fünf Musiker alle Register, ihre Vorstellungen von Psychedelic-Pop zu Gehör zu bringen.

Die Jahre 1969 und 1970 waren für Wolfgang Dauner und seine wechselnden Mitstreiter ein musikalischer Jungbrunnen, der im Ergebnis acht Alben hervorbrachte, welche unter wechselnden Bandnamen (Wolfgang Dauner Quintett, Wolfgang Dauner Group oder Et Cetera) auf verschiedenen Labels veröffentlicht wurden. Für Freunde der progressiven Rockmusik allemal hörenswert waren insbesondere die Alben "Rischka's Soul" (eingespielt 1969, veröffentlicht 1972) und "Et Cetera" (1971). Die Besetzung, die "The Oimels" einspielte, hatte sich für "Et Cetera" nur geringfügig geändert. Statt des zweiten Gitarristen Pierre Cavalli spielte diesmal Dauners langjähriger Weggefährte, Fred Braceful als weiterer Schlagzeuger neben Roland Wittich mit. Auch die 1972 erschienene LP "Knirsch" (mit Jon Hisemann und Larry Coryell) und das 1973 erschienene Live-Doppelalbum, ebenfalls unter dem Bandnamen Et Cetera, waren für die Freunde der progressiven Rockmusik absolut hörenswert. Die Leser der Zeitschrift Sounds wählten Wolfgang Dauner 1972 zum Musiker des Jahres. 

Der Musiker Siegfried 'Sigi' Schwab aus Ludwigshafen am Rhein, entwickelte bereits in der Kindheit einen starken Drang zum Musizieren. Seine Instrumente waren der Kontrabass und die Gitarre. Mit 16 Jahren nahm er an der Musikhochschule in Mannheim für beide Instrumente ein Studium auf. Sein musikalisches Interesse galt sowohl der klassischen Musik als auch dem Jazz. Schon sehr früh war der brasilianische Gitarrist Laurindo Almeida sein musikalisches Vorbild. Schwab spielte zunächst in lokalen Bands, betätigte sich schon früh als Studiomusiker (etwa für Wolfgang Laudt und Erwin Lehn) und wurde nach seinem Wechsel nach Berlin festes Mitglied der Rias-Berlin Big-Band. 1967 erschien in den USA und in Europa seine erste Soloplatte, für Schwab eine sehr interessante Erfahrung neben seiner Tätigkeit als Studiospezialist noch in einer völlig anderen Musikszene Erfahrungen zu sammeln. Der Zusammenarbeit bei The Oimels und Et Cetera ging ein Zusammenspiel auf dem Gulda Festival in Ossiach, Kärnten, Österreich voraus. Die damalige Band bestand aus Jean Luc Ponty, Sigi Schwab, Wolfgang Dauner, Eberhard Weber und Fred Braceful. Et Cetera war, wenn man so will, die Nachfolgeband des Wolfgang Dauner Quintetts. Aus heutiger Sicht empfindet Schwab The Oimels als einen ganz wichtigen Zwischenschritt auf dem Weg zu Et Cetera, der ersten Jazz Freerock Band der 68er-Nachfolge, dem damaligen modernsten und provozierendsten Ensemble. 

Neben seinen eigenen Projekten oder als festes Bandmitglied verschiedenster Formationen wie Embryo auf den Alben "Father, Son And Holy Ghost" von 1972 und "Rocksession" von 1973 hatte Sigi Schwab in unzähligen Produktionen unterschiedlichster Art (vom Schlager bis zum experimentellen Jazz) als Studiomusiker mitgewirkt. Daneben komponierte er Fernseh-, Film- und Bühnenmusik. Seine Filmmusik zu 'Vampyros Lesbos - Erbin des Dracula' (1971) wurde in den späten 90er Jahren mit dem Untertitel 'Sexadalic Danceparty' erfolgreich neu als CD aufgelegt und der Titel "The Lion & The Cucumber" wurde unter anderem in Quentin Tarantino's Film 'Jacky Brown' verwendet. Auch die Aufnahmen zu 'The Vampires of Dartmoor' sind in Fan-Kreisen heiss begehrt. Sigi Schwab blieb später in verschiedenen musikalischen Projekten äusserst aktiv. Der Spagat zwischen Klassikszene und moderner improvisierender Musik war sein Lebensthema geblieben. Ebenso wie Dauner lehnte er eine Unterscheidung zwischen E- und U-Musik völlig ab: "Es gibt nur eine universelle Musiksprache, natürlich mit feinen Verästelungen und in allen denkbaren Achsen".

Eberhard Weber aus Stuttgart gilt ebenfalls als herausragende Persönlichkeit der Jazz-Szene und geniesst internationale Anerkennung. Er spielte mit Gary Burton, der Pat Metheny Group und Jan Garbarek. Weber kam ebenfalls schon als Kind zur Musik. Sein Vater lehrte ihn im Alter von 6 Jahren, Cello zu spielen. Als Mitglied des Schulorchesters wurde er von seinem Musiklehrer ermutigt, auf den Kontrabass umzusteigen. Zunächst darin geübt, den Kontrabass auf klassische Weise mit einem Bogen zu spielen, trainierte er aufgrund seines steigenden Interesses an der Jazz-Musik auch immer mehr die Zupftechnik. Weber spielte in mehreren Schulbands und entschied sich schliesslich, das Cello-Spiel gänzlich zu Gunsten des Bass aufzugeben. 

1960 traf Weber mit Wolfgang Dauner zusammen, spielte mit ihm zahlreiche Alben ein, sodass es nur folgerichtig war, dass er bei den bahnbrechenden Projekten The Oimels und danach auch bei Et Cetera dabei war. Die Zusammenarbeit mit Dauner riss praktisch niemals völlig ab, jedoch beschritten beide seit 1973, dem Erscheinungsjahr von Weber's erfolgreichem Album "The Colours Of Chloe" ihre eigenen Wege und kamen nur noch gelegentlich für gemeinsame Projekte zusammen. Weber arbeitete mit dem Gitarristen Volker Kriegel und für kurze Zeit mit dem New Dave Pike Set zusammen. Anknüpfend an sein Soloalbum "The Colours Of Chloe" gründete er wenig später die Band Colours mit Rainer Brüninghaus und Charlie Mariano. Nach fast acht erfolgreichen Jahren mit Colours sah Weber keine Möglichkeiten mehr, diese durch kreativen, musikalischen Diskurs voranzutreiben. Nach eigener Aussage wollte er auf keinen Fall bereits Dagewesenes wiederholen, nur um die Band am Leben zu halten. Colours lösten sich 1981 auf. Ab 1982 wurde Weber ständiges Mitglied der Band des norwegischen Saxophonisten Jan Garbarek und arbeitete bis Ende der 90er Jahre mit ihm zusammen. Seit 1985 gab Weber ausserdem Solokonzerte, bei denen er sich elektronischer Klangvervielfältiger bediente, die sein Spiel aufnahmen und es in veränderter Geschwindigkeit und Modulation wieder ausgaben. Weber kann auf eine umfangreichen Diskografie verweisen und war als Gastmusiker bei den verschiedensten Produktionen (unter anderem mit Kate Bush) beteiligt.

Fred Braceful, ursprünglich aus Detroit, verstorben 1995 in München, studierte am Konservatorium in Chicago Klavier, spielte zu dieser Zeit aber bereits in der Band seines Vaters Schlagzeug. Als Soldat der US Armee kam er Ende der 50er Jahre nach Deutschland und liess sich nach Beendigung des Militärdienstes in Stuttgart nieder. Dort lernte er Wolfgang Dauner kennen, zu dessen Trio er seit 1963 gehörte. Unter anderem spielte er mit Dauner auf den Alben "Free Action", "Für“, "Rischka`s Soul", "Output", "Et Cetera", "Knirsch" und "Et Cetera Live" mit, war also fast bei allen Projekten Dauner's bis dahin mitbeteiligt. Wie damals üblich, war Fred Braceful nicht an eine Band gebunden, sondern spielte auch noch mit vielen anderen bekannten Jazzmusikern, wie etwa Dollar Brand, Hans Koller, Albert Mangelsdorff, Manfred Schoof und zahlreichen Weiteren. 1973 gründete Braceful mit dem Gitarristen und Bassisten Andy Goldner und dem Keyboarder Thomas Balluf die Gruppe Exmagma. Exmagma spielten drei Alben ein, stilistisch irgendwo zwischen Jazzrock und Avantgarde. 1976 war er Mitbegründer von Moira. Auf dem Album der Band hatte er allerdings nicht mitgewirkt. Anfang der 80er Jahre zog er nach München und gründete dort sein eigenes Trio, wobei er zusätzlich noch mit anderen Musikern zusammen spielte. Soweit bekannt, war seine letzte Aufnahme die Einspielung der CD "Langsames Blau" mit dem Trio des Saxophonisten Michael Hornstein. 

Die Freeman-Brüder schrieben in ihrer sehr empfehlenswerten Enzyklopädie 'The Crack In The Cosmic Egg' über Wolfgang Dauner und Et Cetera: Als ständiger Auslöser musikalischer Revolutionen heckte Wolfgang Dauner äusserst sorgfältig eine der raffiniertesten Schwindeleien in der Geschichte des Krautrocks aus. Er schaffte es, seine bereits seit längerer Zeit bestehende Band unter dem Namen Et Cetera als neue Band zu vermarkten mit einem psychedelischen Cover als Blickfang der gleichzeitig veröffentlichten LP auf dem absichtlich Hinweise auf die Musiker fehlten. So kam es, dass das Album, obwohl auf Global Records, ein auf die Veröffentlichung von Jazz spezialisiertes Label erschienen, dem Rockmusik-Markt mit einem entsprechend grösseren Käuferkreis zugeordnet wurde und überraschend zum Verkaufsschlager avancierte. Trotz seiner radikalen Mischung aus Rock, Jazz, Weltmusik und Avantgarde zog das Album erstaunlicherweise grosse Aufmerksamkeit auf sich. Die Leser der Zeitschrift Sounds wählten 1971 Et Cetera auf Platz 1 der Rubrik Newcomer des Jahres, obwohl die Band schon seit 1968 unter verschiedenen Namen existierte und bereits mehrere Alben eingespielt hatte. Ein Auftritt der Band im Beatclub am 24.Juli 1971 brachte dann alles ans Licht.

Das Album "Et Cetera" enthält eine aussergewöhnliche Mischung verschiedener musikalischer Einflüsse irgendwo zwischen instrumentalen Amon Düül II, Embryo und Dauner's eigenem Klassiker "Output", arabischer und indischer Musik, für die in erster Linie Sigi Schwab mit seinem grossen Instrumentarium verantwortlich zeichnet, und ungewöhnliche Avantgarde Elemente, insbesondere von Dauner's ringmodulierten Keyboards. All dies summiert sich zu einem Potpourri mit vielen Überraschungen, nicht zuletzt auch durch Fred Braceful's ungewöhnlicher Rezitation in "Lady Blue", die zu Vergleichen mit Malcolm Mooney's (Gruppe Can) Sprechgesang veranlasste. Die Freeman-Brüder zählen das Werk "Et Cetera" zu ihrer 'The Krautrock Top 100' Liste.


Apr 12, 2018


ROD STEWART - Smiler (Mercury Records 9104 001, 1974)

Der inzwischen zum 'Sir' geadelte Rod Stewart, am 10. Januar 1945 in Highgate London, England als Roderick David Stewart geboren, gehört mit mehr als 150 Millionen verkauften Tonträgern zu den erfolgreichsten britischen Sängern. Im Magazin Rolling Stone wurde er auf Rang 59 der 100 besten Sänger aller Zeiten gewählt. In den USA rangiert er in der Rangliste der männlichen Interpreten mit den meisten Albumverkäufen auf Platz 14. Er gehört damit zu den grössten Rockstars überhaupt. Ursprünglich wollte Rod Stewart eigentlich Profifussballer werden. Er ist leidenschaftlicher Anhänger der schottischen Nationalmannschaft und von Celtic Glasgow. Die Leidenschaft für Schottland hat Stewart von seinem Vater, der Schotte war. Er sang während der 60er Jahre bei Jimmy Powell And The Five Dimensions, Long John Baldry's Hoochie Coochie Men, den Soul Agents, dem Shotgun Express, bei Steampacket und der Jeff Beck Group. 1967 sang er eine Demoversion des Songs "In A Broken Dream" von Python Lee Jackson. Nach Stewart's ersten Solo-Erfolgen veröffentlichte die australische Gruppe das Stück im Jahre 1972 mit Stewart's Gesangsparts, ohne ihn als Sänger zu nennen. 1969 wurde er Leadsänger der mit ihm zu den Faces umformierten Small Faces. Diese frühen Aufnahmen Stewart's waren vom Blues geprägt. Der Blueseinfluss trat im Laufe seiner Karriere mehr und mehr zugunsten eines weicheren und gefälligeren Gesangs in den Hintergrund. Das Markenzeichen Rod Stewart's blieb jedoch seine Stimme.

1969 nahm Stewart das Werk "An Old Raincoat Won’t Ever Let You Down", sein erstes Soloalbum, auf. In Nordamerika wurde es als "The Rod Stewart Album" veröffentlicht. 1970 erschien das Album "Gasoline Alley". Beiden Alben waren keine nennenswerten Erfolge beschert. Erst mit seinem dritten Album "Every Picture Tells A Story" etablierte er sich 1971 als Solokünstler. Das Album wurde in der Umfrage der Musikzeitschrift Rolling Stone auf Platz 171 der 500 besten Alben aller Zeiten gewählt. Sowohl die Singleauskopplung "Maggie May" als auch das Album wurden gleichzeitig Nummer eins in Grossbritannien und den USA. Der Gitarrist Ron Wood unterstützte Stewart bei der Komposition der Songs für die ersten Soloalben. Bei manchen Stücken übernahmen die Faces auch die musikalische Begleitung. Mit seinem von Gavin Sutherland (von der Band Sutherland Brothers & Quiver) übernommenen Titel "Sailing", der sich 1975 während 17 Wochen in den deutschen Charts halten konnte, schaffte Stewart auch hierzulande und in der Schweiz den grossen Durchbruch.

Als Rod Stewart im Jahre 1974 sein Album "Smiler" veröffentlichte, kam dies gleichzeitig auch einem Abschied von England gleich, kurze Zeit später siedelte er in die USA über und wurde dort zum Superstar. "Smiler" war in seiner Heimat der dritte Nummre eins Album-Erfolg in Serie, während es die Platte in den USA nur auf Platz 13 schaffte. Die beiden aus dem Album ausgekoppelten Singles "Farewell" und "Mine For Me", letzteres eine Komposition von Paul McCartney, waren indes nur mässig erfolgreich, obwohl insbesondere die Nummer "Farewell" dem bis dato angewendeten typischen Folkrock-Muster seiner Hits "Maggie May" und "You Wear It Well" folgte. Mit seinem Uebersiedeln in die USA kamen jedoch all seine späteren grossen Hits, angefangen mit "Sailing", "Hot Legs", über "Do Ya Think I'm Sexy" bis hin zu "Baby Jane" un "Infatuation". Mit der LP "Smiler" hatte Rod Stewart seinem im rockig ausgerichteten, noch stark am Sound der Faces orientierten Folkrock die Krone aufgesetzt. Er hatte wohl auch selbst danach festgestellt, dass die Zeiten sich inzwischen geändert hatten und setzte auf den amerikanischen Markt, der deutlich Pop-orientierter war und passte seine Musik entsprechend an. "Smiler" glänzte mit hochkarätigen Songs und einer beindruckenden Gästeliste. Eines der zahlreichen Highlights der Platte war sicherlich das Duett mit Elton John im Rock-Kracher "Let Me Be Your Car", aber auch die eher ruhigeren und folkrockigeren Songs waren teils betörend schön, wie etwa das besinnliche "Mine For Me" mit romantischem Sttel Drum-Flair oder die aus der Feder von Sam Cooke stammende Doppelnummer "Bring It On Home / You Send Me".

Auf "Smiler präsentierte Roddy auch noch einmal schöne Rock-Kracher im Stil der Faces, wie etwa den von Chuck Berry geschriebenen Klassiker "Sweet Little Rock'n'Roller" oder das mit üppigen Bläsersätzen ausgestattete "Dixie Toot", nebst einer originalen Easybeats-Komposition von George Vanda und Harry Young mit dem Titel "Hard Road". Alles in allem war "Smiler" vielleicht so etwas wie der perfekte Link zwischen dem herzhaften Rock der Faces und dem warmen und herzlichen Folkrock von Rod Stewart. Was danach mit dem Wechsel zum Giganten Warner Brothers kam, war letztlich dann eher hochglanzpolierter Poprock von deutlich amerikanischer Ausprägung. 1983 wurde der Titel "Baby Jane" Nummer eins in Deutschland und erhielt eine Goldene Schallplatte. Die von Trevor Horn produzierte Version Stewart's von "Downtown Train" bescherte dem Verfasser des Stücks, Tom Waits, 1990 Tantiemen-Einnahmen, die dieser mit dem Original nicht annähernd erzielte. Ebenso verwendete Stewart von Tom Waits den Song "Tom Traubert’s Blues (Waltzing Matilda)" und machte daraus einen Welthit. Erst 1991 konnte er sich mit dem Album "Vagabond Heart" wieder auf seine alten Qualitäten besinnen. 1993 erschien eine MTV-Unplugged-Aufzeichnung von Stewart. 1994 wurde er in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen.

2002 veröffentlichte Stewart eine Sammlung mit Jazz-Standards unter dem Titel "It Had to Be You - The Great American Songbook". Nach dem riesigen Erfolg des Albums und mehrfacher Platinauszeichnung veröffentlichte er vier Nachfolgealben mit diesem Material; insgesamt wurden die "Great American Songbook"-Alben weltweit mehr als 17 Millionen Mal verkauft. 2007 wurde er wegen seiner Verdienste um die Musik zum Commander of the Order of the British Empire ernannt. An seinen Namen kann er den Namenszusatz CBE anfügen. Im Jahre 2010 beteiligte sich Rod Stewart an dem Benefiz-Projekt 'Helping Haiti' von Simon Cowell. Im Juni 2016 wurde er für seine langjährigen Erfolge in der Musikbranche, sowie seinen Einsatz für verschiedene wohltätige Zwecke von Elisabeth II. in den Ritterstand erhoben und darf den Zusatz Sir vor seinen Namen stellen. Den Ritterschlag erhielt er am 11. Oktober 2016 von Prinz William.





Apr 10, 2018


MI-SEX - Graffiti Crimes (CBS Records 83954, 1979)

Stilistisch irgendwo zwischen Ultravox und Icehouse angesiedelt versuchten die ursprünglich aus Neuseeland stammenden, später aber nach Australien übergesiedelten Mi-Sex gegen Ende der 70er Jahre, damals zeittypische New Wave mit klassischem Poprock zu mischen, was angesichts der Tatsache, dass die Band anfänglich nur dezent synthetische Hilfsmittel einsetzte, auch vorzüglich klappte. Auf ihrem ersten Album "Graffiti Crimes" waren praktisch ausschliesslich organische Klänge von echten Instrumenten zu hören, und auch die Songs waren allesamt klasse. Später versuchte sich die Band dann leider an allerlei synthetischem Instrumentarium, was ihre Songs wesentlich dünnbrüstiger und auch oberflächlicher machte, weshalb auch nach nur drei Alben schon wieder Schluss war. Aber wie das oft der Fall ist bei Bands, denen ein klares Konzept fehlt, sprudelten bis zum Debutalbum die Ideen, versiegten aber schon kurz darauf wieder.

Als eine der vielversprechendsten Entdeckungen stürmisch begrüsst, konnte das ursprünglich aus Neuseeland stammende Quintett um Keyboarder Murray Burns, Sänger Steve Gilpin, Gitarrist Kevin Stanton, Bassist Don Martin und Schlagzeuger Richard Hodgkinson nie ein eindeutiges musikalisches Konzept vorlegen. Ihre Ambitionen waren einfach letztlich zu gross. Da war so viel musikalisches Terrain, das die Band leider oft nur halbherzig beackerte, dass letztlich meist nur die Songs, welche eine klare Struktur aufwiesen und einem Genre eindeutig zugewiesen werden konnten, auch zu gefallen wussten. Das ist deswegen schade, weil ihr musikalischer Gemischtwarenladen im Grunde sehr gut war, aber komprimiert auf einer einzigen LP einfach zu orientierungslos und hoffnungslos überfrachtet wirkte.

Das war beim Debutalbum aber noch nicht so. Die Platte, die 1979 erschien, bot von der aufkeimenden New Wave nur leicht beeinflusste Poprock-Stücke, die im Ganzen recht traditionell arrangiert waren und vor allem auf äusserst angenehme Weise das Flair der kunterbunten 70er Jahre verströmten. Eine Single bot die Gruppe mit "But You Don't Care" an und mit diesem Stück enterte sie die Top 20 - ein vielversprechender Anfang für eine Karriere, zumal auch der Rest dieser LP sowohl kompositorisch wie spielerisch wirklich hervorragend ist. Es gibt etliche Parallelen zu den britischen Ultravox, mit dem Unterschied, dass Mi-Sex keinen Punk-Hintergrund hatten, sondern unter dem Bandnamen Fragments Of Time mehrheitlich David Bowie Songs und artverwandten Glam Rock spielten. Mit dem Umzug von Neuseeland nach Australien geriet die Band zwar in die Club Szene eines punkigen Umfelds, allerdings waren sie dort sehr schnell auch als extrem vielseitige Truppe bekannt, was letztlich auch zur Entdeckung durch die Plattenfirma CBS führte und ihr den ersehnten Plattenvertrag beschied. Das Debut "Graffiti Crimes" bot noch etliche weitere Glanzpunkte, so zum Beispiel das leicht morbid-geheimnisvolle Titelstück, dann auch das stark an der New Wave angesiedelte "Stills" und einen zweiten Single-Erfolg mit dem Stück "Computer Games", welches allerdings erst auf der Wiederveröffentlichung der Platte zu hören war, auf dem Originalalbum jedoch fehlte und zuerst nur als Single veröffentlicht wurde.



Die Single "Computer Games" schaffte es an die Spitze der australischen Charts und eine Tournee als Supporting Act für die Talking Heads erwies sich als ebenso erfolgreich. Auch das Debutalbum "Graffiti Crimes" erreichte durch kontinuierlich gute Verkäufe schliesslich Platin-Status in Australien. Beste Voraussetzungen für eine solide Karriere, sollte man meinen. Als die Platte nach dem überwältigenden Erfolg in Australien weltweit veröffentlicht wurde, war sie vor allem in Kanada ein Treffer, was dazu führte, dass die Band erstmals ausserhalb von Australien eine Tournee bestritt. Dabei ist zum Beispiel bemerkenswert, dass sie als Vorgruppe für Iggy Pop und die Ramones spielte und in dieser Eigenschaft alleine bei einem Auftritt in Toronto 5000 Fans mobilisieren konnte, die ausschliesslich wegen Mi-Sex das Konzert besuchten. Noch bevor die Band zu Konzerten ausserhalb der Heimat aufbrach, veröffentlichte sie dort ihr zweites Album "Space Race" im Sommer 1980, für das die Musiker vom australischen Fernmsehen den Award "Best New Talent" verliehen bekamen, sowie einen Preis für Peter Dawkins als besten australischen Produzenten abwarf, welcher dieses Nachfolger-Album produziert hatte.

Wieder zurück in der Heimat begann der Stern allerdings kontinuierlich zu sinken. Einen äquivalenten Nachfolger für "Computer Games" gelang der Band nicht mehr, weshalb sie bald aus den Charts verschwanden, und auch die Auftritte wurden mit der Zeit weniger gut besucht. Das dritte Album "Shanghaied" war zwar stilistisch mittlerweile ziemlich unausgegoren, bot aber trotzdem noch einmal einige wirklich herausragende Songs. Das Album wirkte aber zerrissen und in sich nicht homogen, weil die Band wohl einfach an ihren eigenen Ansprüchen zu scheitern drohte. Auch ein letztes, viertes Album, für das die Band den renommierten Produzenten Bob Clearmountain (The Church, Roxy Music, Bruce Springsteen, Rolling Stones) verpflichtete, konnte nicht an den Erfolg des Debutalbums und der weiteren Platten anknüpfen. Die Gruppe trennte sich kurze Zeit später, nachdem sich wohl der Albumtitel ihres Schwanengesangs "Where Do They Go To" bewahrheitete, sowohl in musikalischer wie in zukunftsorientierter Hinsicht.

Was bleibt, ist eines der stärksten Debutalben einer australischen Band, die letztlich mit ein bisschen mehr musikalischer Einschränkung und einem klareren Konzept durchaus länger und nachhaltiger hätte reüssieren können. Das Debutalbum "Graffiti Crimes" aber ist ein zeittypisches Tondokument von entwaffnender Schönheit, an das sich heute leider kaum mehr Jemand erinnern kann.




Apr 8, 2018


THE GRATEFUL DEAD - The Best Of The Grateful Dead Live
(Rhino Records R2 565969, 2018)

Die Band The Grateful Dead schmiedete ihre Legende letztlich auf der Strasse und reiste zwischen 1965 und 1995 unzählige Meilen, um schliesslich einen Weltrekord mit 2318 Shows für Millionen von treuen Fans gespielt zu haben. Die Verweigerung der Band, jemals einen Song auf die gleiche Weise zweimal zu spielen, hat sie bei Generationen von Fans beliebt gemacht, und es gibt unzählige Live-Versionen ihrer Songs, die einfach besser und stimmungsvoller als ihre Studiofassungen sind und den populären Ausdruck unter Dead Heads untermauern: Es gibt nichts Grossartigeres als ein Grateful Dead Konzert.

Das Set "Best Of The Grateful Dead Live" ist die ultimative Live-Sammlung, die aus zwei Live-Alben von Warner Brothers Records und Arista Records besteht, und zusammengestellt wurde mit deren allerschönsten Live-Momenten, beginnend mit "St. Stephen" vom ersten offiziellen Live-Album der Gruppe "Live / Dead" bis hin zu den ergreifenden "So Many Roads" vom letzten Konzert der Band im Soldier Field in Chicago im Juli 1995.

"Wir wollten das Studio-Set "The Best Of The Grateful Dead" 2015 mit einem Live-Pendant weiterverfolgen und haben uns auf die wichtigsten Live-Alben der Band sowie auf einige wichtige Tracks aus Archivkonzerten konzentriert", sagt Band-Archivar und Produzent David Lemieux. "So wie es kein Grateful Dead-Konzert gab, gibt es auch nichts wie eine Live-Aufnahme von Grateful Dead. Es ist kein Geheimnis, dass sie so gut waren wie die Studioaufnahmen der Dead vor Publikum, und dieses Set gibt einen Überblick, wie grossartig die Dead live im Konzert waren".

Die offiziell über die vielen Jahre ihrer Existenz erschienenen Live-Alben, welche die Band während ihrer 30-jährigen Karriere veröffentlichte, sind die Hauptquelle für die Sammlung, einschliesslich Tracks wie "Bertha" vom Album "Skull & Roses" (1971), "Fire On The Mountain" von "Dead Set" (1981) und "The Music Never Stopped" von "One Of The Vault" (1991). Als ein eindrücklicher Beweis für dessen anhaltende Popularität, wurde das hoch geschätzte Doppelalbum "Europe '72" (1972) am meisten berücksichtigt, denn von dieser berauschenden Konzert-Platte finden sich auf diesem Set nicht weniger als fünf Stücke, darunter etwa die absoluten Dead-Klassiker "Sugar Magnolia", "Jack Straw" und eine feurige Version von "Morning Dew".

Weitere Songs wurden aus der wachsenden Anzahl von Live-Veröffentlichungen ausgewählt, die seit dem Tod des Gründungsmitglieds Jerry Garcia im Jahre 1995 entstanden sind. Einige dieser Aufnahmen sind beispielsweise "Touch Of Grey" vom Album "Truckin' Up To Buffalo" (2005), eine im Jahre 1990 erstmals veröffentlichte Version von "Eyes Of The World", hier mit dem Saxophonisten Branford Marsalis aus "Wake Up To Find Out" (2014) und "Estimated Prophet", das Anfang dieses Jahres als Teil der Konzertaufnahmen in Cornell vom 5. August 1977 auftauchte, einer der Shows von Grateful Dead, die aufgrund der fast schon mythischen Stimmung als eine der allerbesten Live-Performances der Band gilt.

Diese ebenso karriereumspannende wie exquisite Zusammenstellung von Grateful Live-Momenten umfasst die folgenden Aufnahmen:

1. St. Stephen (Live at The Fillmore West, San Francisco, 27. Februar 1969)
2. Bertha (Live at The Fillmore East, New York, 27. April 1971)
3. Wharf Rat (Live at The Fillmore East, New York, 26. April 1971)
4. Sugar Magnolia (Live at The Olympia Theatre, Paris Frankreich, 4. Mai 1972)
5. Jack Straw (Live at The Olympia Theatre, Paris Frankreich, 3. Mai 1972)
6. Truckin' (Live at Lyceum Theatre, London England, 26. Mai 1972)
7. Morning Dew (Live at Lyceum Theatre, London England 26. Mai 1972)
8. Brown-Eyed Women (Live at Tivoli Concert Hall, Kopenhagen Dänemark 14. April 1972) 
9. The Music Never Stopped (Live at The Great American Music Hall, San Francisco, 13. August 1975) 
10. Estimated Prophet (Live at Barton Hall, Cornell University, Ithaca, 8. Mai 1977)
11. Friend Of The Devil (Live at The Radio City Music Hall, New York, 27. Oktober 1980)
12. Feel Like A Stranger (Live at Warfield Theater, San Francisco, 4. Oktober 1980)
13. Fire On The Mountain (Live at The Radio City Music Hall, New York, 31. Oktober 1980)
14. Bird Song (Live at The Radio City Music Hall, New York, 31. Oktober 1980)
15. Ripple (Live at Warfield Theater, San Francisco, 4. Oktober 1980)
16. Eyes Of The World (Live at Nassau Coliseum, Uniondale, 29. März 1990)
17 Touch Of Grey (Live at Rich Stadium, Orchard Park, 7. April 1989)
18. Blow Away (Live at John F. Kennedy Stadion, Philadelphia, 7. Juli 1989)
19. So Many Roads (Live at Soldier Field, Chicago, Illinois, 9. Juli 1995)

Ein traumhaft schönes Live-Vermächtnis einer Band, die stets im kommerziellen Abseits stand, jedoch noch heute über eine riesige Fangemeinde verfügt, über die so mancher Top-Star neidisch sein kann. 


Apr 4, 2018


STEVIE WONDER - Songs In The Key Of Life (Tamla Records T13-340C2, 1976)

Anfang der 70er Jahre stieg Stevie Wonder zu einem der erfolgreichsten Musiker der USA auf. Er galt als Erneuerer schwarzer Musik, deren Spielarten wie Spiritual, Blues, Rhythm'n'Blues, Soul und Funk er beherrschte und weiterentwickelte. Besonders die Jahre 1971 bis 1976 mit den Alben "Music Of My Mind", "Talking Book", "Innervisions", "Fulfillingness' First Finale" und Songs In The Key Of Life" galten als seine künstlerisch bedeutendste Phase. Gleichzeitig engagierte sich Stevie Wonder zunehmend auch politisch. Mit seiner im Jahre 1980 gestarteten Kampagne für Menschenrechte erreichte er, dass der Geburtstag von Martin Luther King seit 1986 ein Feiertag in den USA ist. Wonder wurde mehrfach mit den wichtigsten Preisen der Unterhaltungsindustrie wie dem Grammy, Oscar oder Golden Globe ausgezeichnet. 1989 wurde er für seine Verdienste um die Soulmusik in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen. Ausserdem amtet er seit 2009 als UN-Botschafter des Friedens.

Stevie Wonder kam als drittes von sechs Kindern von Lula Mae Hardaway und dem Vater Calvin Judkins zur Welt. Wonder war eine Frühgeburt und wurde im Inkubator mit hohen Sauerstoffkonzentrationen beatmet. Dies führte zur Frühgeborenen-Retinopathie und letztlich zur Blindheit. Als Wonder vier Jahre alt war, zog die Familie nach Detroit, wo er im Kirchenchor sang. Bereits im Alter von neun Jahren beherrschte er Klavier, Mundharmonika und Schlagzeug. 1961 entdeckte ihn Ronnie White von The Miracles. Dieser verhalf ihm zu einem Vorsingtermin bei dem Motown-Chef Berry Gordy, der ihn daraufhin unter Vertrag nahm. Little Stevie Wonder nahm 1962 seine ersten Platten auf: "A Tribute To Uncle Ray" (mit Covertiteln von Ray Charles) und "The Jazz Soul Of Little Stevie". Ein erster Erfolg stellte sich 1963 mit dem Titel "Fingertips Part 2" ein, bei dem Stevie Wonder Mundharmonika spielte und sang. Der Song wurde bei einer 'Motor Town Revue' live aufgenommen, mit dem jungen Marvin Gaye am Schlagzeug. Das dazugehörige Album "The 12 Year Old Genius" wurde zu Motowns erster Nummer Eins LP. Mit 14 Jahren kam er in den Stimmbruch. Wonder studierte zu dieser Zeit klassisches Klavier an der Michigan School for the Blind.

Mit 18 Jahren begann Wonder erstmals, in grösserem Stil Einfluss auf die Kompositionen und das Arrangement seiner Musik zu nehmen: "For Once In My Life2 (1968) und "My Cherie Amour2 (1969) landeten als Alben und als Single-Hits weit oben in den Charts. Anfang der 70er Jahre gehörte er zu den erfolgreichsten Musikern beim Plattenlabel Motown Records. Er nutzte die Chance, um ein eigenes Tonstudio zu errichten, seine Tantiemen bedeutend aufzustocken und grössere Kontrolle über seine Musik zu erlangen. Er gründete sein eigenes Label, Black Bull Music. Mit den Jahren entwickelte er einen eigenen Stil und beeinflusste die Soulmusik damit nachhaltig. Von 1970 bis 1972 war Stevie Wonder mit der Sängerin und Songwriterin Syreeta Wright verheiratet. Er produzierte auch ihre ersten beiden Alben und schrieb zahlreiche Songs mit ihr ("Signed, Sealed, Delivered I’m Yours", 1970; "Never Dreamed You’d Leave in Summer", 1971; "Come Back As A Flower", 1979). Auch Syreetas erster Top 20 Hit in Grossbritannien, "Your Kiss Is Sweet" (1975), wurde von beiden geschrieben. "Never Dreamed You’d Leave In Summer" wurde von Joan Baez und Phil Collins gecovert. Syreeta wirkte zudem als Backgroundsängerin bei Songs von Stevie Wonder mit.

1972 brachte der hochbegabte Künstler das Album "Talking Book" heraus, das mit den Songs "You Are The Sunshine Of My Life" und "Superstition" herausragende Soul- und Funknummern enthielt. "Superstition" wurde von vielen Keyboardern als Lehrstück für funkiges Clavinetspiel angesehen. Bei dem Song "Lookin’ For Another Pure Love" dieses Albums wurde er vom Gitarristen Jeff Beck unterstützt. Im selben Jahr erschien auch das Album "Music Of My Mind", das er weitgehend im Alleingang einspielte, bis auf die Gitarre im Stück "Superwoman", gespielt von Buzz Feiten, und die Posaune im ersten Stück sowie den Backgroundgesang. 1973 folgte das Album "Innervisions" mit dem Hit "Living For The City". 1974 erschien das Album "Fulfillingness’ First Finale", 1976 "Songs In The Key Of Life", das mit den Stücken "Sir Duke", "I Wish", "As" und "Another Star" gleich mehrere Hits enthielt. Ausserdem erschien auf diesem Album der Song "Pastime Paradise", der dem Rapper Coolio 1995 als Inspiration und Samplequelle für seinen Titel "Gangsta’s Paradise" diente. Unterstützt wurde Wonder bei diesem Album unter anderem von dem 19-jährigen Gregory Phillinganes und von Herbie Hancock an den Keyboards sowie George Benson an der Gitarre. 1979 kaufte er den Radiosender KJLH in Los Angeles für 2 Millionen Dollar und gründete eigens dafür die Betreiberfirma 'Taxi Productions'. Zunehmend engagierte sich der Künstler auch in der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung für die Gleichberechtigung der Afroamerikaner.

1982 wurde die Single "Ebony And Ivory" veröffentlicht, ein Lied von Paul McCartney, das in zahlreichen Ländern die Charts eroberte. Der Titel bedeutete eigentlich 'Schwarz und Weiss', was wiederum das friedliche Zusammenleben aller Menschen symbolisieren sollte. Zur Verdeutlichung des Themas sang McCartney das Lied als Duett mit Stevie Wonder. Letztlich rief sich Wonder durch seine Beteiligung wieder in die Erinnerung der Popwelt und hatte eine Gelegenheit für sein bürgerrechtliches Engagement. Den Oscar, den er 1984 für den Song "I Just Called To Say I Love You" aus dem Film 'Die Frau in Rot' erhielt, widmete er dem Apartheids-Opfer Nelson Mandela. 1987 sang er zusammen mit Michael Jackson auf dessen Album "Bad" das Duett "Just Good Friends". Seine in immer grösseren Abständen erscheinenden Plattenproduktionen wurden von der Kritik als unter den Möglichkeiten des Künstlers bemängelt. Für sein 1995 erschienenes Soloalbum "Conversation Peace" nahm er sich acht Jahre Zeit. Dazwischen arbeitete er am Soundtrack zu Spike Lee's 'Jungle Fever', mit dem er befreundet ist und auf dessen Hochzeit er auch 1992 spielte.

2005 erlangte er nach längerer Pause mit der Funk-Single "So What The Fuss" mit Prince an der Gitarre und der Gruppe En Vogue als Nebenstimme wieder grössere Beachtung. Das von den Kritikern gelobte neue Album "A Time 2 Love" erschien im Oktober 2005. 2007 gewann Wonder zusammen mit Tony Bennett den Grammy Award für die beste Zusammenarbeit mit Gesang für den gemeinsamen Song "For Once In My Life". In den Jahren 2007 und 2008 ging Wonder nach zehnjähriger Pause wieder auf eine Welttournee, die ihn im Herbst 2008 auch nach Deutschland führte. Die Konzerte wurden vom Publikum und von der Kritik begeistert aufgenommen. Zur Amtseinführung des neuen US-Präsidenten Barack Obama im Januar 2009 veröffentlichte Wonder seinen Song "All About The Love Again". Zuvor hatte der Soulsänger Obama massiv im Wahlkampf unterstützt. Im September 2014 kündigte Stevie Wonder an, im November und Dezember 2014 auf eine mehrwöchige US-Tournee zu gehen, deren Programm ausschliesslich aus Liedern seines 1976er Albums "Songs In The Key Of Life" bestehen würde. Schon im Dezember 2013, anlässlich seines jährlichen Benefizkonzertes 'House full of Toys', hatte er mit einigen Gastmusikern das komplette Album aufgeführt. Diese Tour wurde 2015 sowohl im März und April als auch im Zeitraum von September bis November innerhalb der USA und Kanadas fortgesetzt. Ein einziges Europakonzert mit diesem Programm fand im Juli 2016 in London im Hyde Park statt. Zur Weihnachtszeit 2015 sang Stevie Wonder das Lied "Someday At Christmas" zusammen mit der Soulsängerin Andra Day für einen Werbespot des US-amerikanischen Unternehmens Apple.

An der Trauerfeier am 7. Juli 2009 anlässlich des Todes von Michael Jackson trat Stevie Wonder mit einer Ansprache auf und sang seine beiden Lieder "Never Dreamed You'd Leave In Summer" und "They Won't Go When I Go". Ebenso sprach Stevie Wonder auf der Trauerfeier für Whitney Houston am 19. Februar 2012 und sang dann "Ribbon In The Sky"; er hatte einige Textzeilen seines Liedes zu Ehren der Verstorbenen extra abgeändert. Im Juni 2012 trat er anlässlich des diamantenen Regierungsjubiläums von Queen Elizabeth II. von England im Buckingham Palace auf. Anlässlich des Todes von Prince am 21. April 2016 fand am 13. Oktober 2016 in Saint Paul (US-Bundesstaat Minnesota) im Xcel Energy Center ein Tribute-Abend zu Ehren des Musikers statt, an dem unter anderem auch Wonder auftrat.