Dec 31, 2015


JACKIE LYNTON - Jackie Lynton's Pinboard Wizards
(A New Day Records AND CD 14, 1998)

Jackie, der letzte echte Rock'n'Roll-Haudegen und der vielleicht humorvollste Musiker auf dem Planeten rief, und alle kamen sie: Rick Parfitt, der Status Quo Gitarrist, Ian Anderson, Clive Bunker und Martin Barre von Jethro Tull, Big Al Hodge, Dick Taylor von den Pretty Things, Mick Moody von Whitesnake, Big Jim Sullivan sowie Mick Abrahams und Mike Summerland (Blodwyn Pig).

Rock'n'Roll, Boogie, Blues, etwas bierseligen Pubrock und jede Menge Spass nahm der Musiker mit seiner Begleitband und den illustren Gästen auf und man hört die pure Freude am gemeinsamen Abrocken aus jeder gespielten Note. Ob Eigenkompositionen, oder Nummern etwa von Chuck Berry ("Let It Rock") oder Delbert McClinton ("Blues As Blues Can Get"): Jackie's Musik sprüht vor guter Laune und mit seiner tollen, rauchigen Stimme rumpelt er sich kernig und in allerbester Holzfäller-Manier durch sein Repertoire, nicht ohne immer wieder seinen typischen halb derben, halb ironischen Humor durchschimmern zu lassen. Etwa im Stück "Shut Up, I'm Playing Me Guitar!", einer genialen Rock'n'Roll Instrumentalnummer, die fünf absolut knallige Gitarrensoli aneinander reiht, und bei der Jackie am Ende dieser Tour de Guitar Force vom Aufnahmeraum aus den Tontechniker anpöbelt, wo denn verdammt nochmal sein Gesang wäre, er hätte ihn überhaupt nicht hören können, worauf ihm der Tontechniker entgegnet, dass das doch eine Instrumentalnummer wäre! Ach so... Herrlich!

Für mich ist der Name Jackie Lynton untrennbar mit der britischen Blues Band Savoy Brown verbunden, deren Leadsänger der Brite für eine kurze Zeit von 1972 bis 1974 war, und mit welcher er die Platte "Jack The Toad" aufgenommen hat, ein Album, das zum Besten aus dem reichhaltigen musikalischen Oeuvre von Savoy Brown gezählt wird. Auch Savoy Brown drückte Jackie seinen ureigenen Stempel auf, was sich vor allem in den teils sehr humorvollen Texten manifestierte. Alleine das Blues Stück, dem Jackie den Titel gab "Just 'Cos You Got The Blues, Don't Mean You Gotta Sing" sagt da eigentlich schon alles. Nach seinem Weggang bei Savoy Brown veröffentlichte er noch im Jahre 1974 sein vermeintlich erstes Soloalbum, das "Jackie Lynton Album", ein launiges, gut produziertes Bluesrock Album, das seine verschiedenen musikalischen Facetten erneut fabelhaft in Szene setzte, was nicht zuletzt an den ausserordentlich tollen Songs lag, die er dafür geschrieben hatte, aber auch das Verdienst der beteiligten Musiker war, die allesamt klasse spielten, so unter anderem Bob Young, der Mundharmonika Spieler und Texter von Status Quo, Paul Raymond, der Keyboarder von Savoy Brown und später UFO, sowie Chas Hodges, der seinerzeit gerade mit Albert Lee in der Band Heads Hands & Feet spielte.

Jackie Lynton war aber davor bereits praktisch die gesamten 60er Jahre hindurch aktiv und spielte schon früh mit späteren Top-Stars wie Jimmy Page, Ritchie Blackmore oder Albert Lee zusammen, und zwar sowohl an Konzerten wie auch als beteiligte Musiker seiner Singles, die er in den Sechzigern veröffentlichte, und die aufgrund dieser mitspielenden Topstars heute sehr gesucht sind. Das erste Vollzeit-Album aber war in der Tat erst 1974 das "Jackie Lynton Album", dem 1979 ein weiteres Highlight in Sachen kernigem Rock'n'Roll folgte: Das nur in Deutschland, der Schweiz und in Portugal (!) erschienene Album "No Axe To Grind", für welches Jackie wiederum eine Armada an brillianten Musikern rekrutieren konnte, wie zum Beispiel erneut den Status Quo-Gitarristen Rock Parfitt, Clem Clempson von Humble Pie, Paul King von Mungo Jerry, Colin Pattenden von Manfred Mann's Earth Band und Chris Slade von AC/DC.

Eine weniger interessante Platte gibt es von Jackie Lynton nicht, sie sind alle richtig gut und sehr empfehlenswert. Etwas schwierig ist es indes, das eine oder andere Album heute noch zu finden, da sie zum Teil auf doch sehr kleinen Plattenlabels erschienen sind und wohl auch nur in relativ geringer Stückzahl hergestellt wurden. Es empfiehlt sich wenn immer möglich, nach einer seiner Live-Platten umzusehen, denn ein Konzert von Jackie Lynton ist einfach trockenen Auges nicht zu erleben. Kein Anderer verbindet knallgeilen Rock'n'Roll so cool mit urtypischem britischen Humor wie er. "A Bit Near The Mark", "Live In London 1987", "Alive At The Bleak House" oder "Till We're Blue In The Face" sind Live-Granaten, bei denen jedes profane Wohnzimmer zum ausgeflippten Partykeller mutiert. Von seinen Studiowerken sind neben dem hier vorgestellten "Jackie Lynton's Pinboard Wizards" und seinen beiden ersten Solowerken "Jackie Lynton Album" (1973) und "No Axe To Grind" (1979) auch die tollen und abwechslungsreichen "White Line" von 1983 und "Quick As A Roof" von 1995 sehr empfehlenswert. Jackie Lynton kann am besten über seine Facebook-Seite "The Jackie Lynton Band" erreicht werden, auf welcher sich seine Frau Vanessa seit Jahren schon liebevoll um sämtliche musikalischen Belange ihres alten Haudegens kümmert.



Dec 30, 2015


KRACKER - Kracker Brand (ABC Dunhill Records DSX-50154, 1973)

Die Rockband Kracker entstand im Jahre 1970 im Süden Floridas, verlagerte ihren Wirkungskreis schon im April 1971 nach Chicago, weil ihnen dort ein lukratives Angebot des renommierten Produzenten Jimmy Miller unterbreitet wurde. Jimmy Miller hatte bis dahin mit äusserst erfolgreichen Bands und Musikern zusammengearbeitet, hatte unter anderem Platten von Traffic, Blind Faith und den Rolling Stones produziert und hatte eben die Arbeiten an dem Millionen-Seller "Sticky Fingers" der Rolling Stones beendet. 

Wie ein solch schwergewichtiger Top-Produzent an eine praktisch unbekannte Band aus Florida gelangte, ist nicht mehr eruierbar, allerdings bewies er mit seiner Verpflichtung, das Album "La Familia" für die Gruppe zu produzieren, dass er über einen guten Riecher verfügte, was die Qualität der Musik und das solide Handwerk der Musiker anbetrifft. Die Platte erschien 1972 in den USA beim Label ABC Dunhill und verkaufte sich relativ gut. 

Das nachfolgende Album "Kracker Brand" produzierte wiederum Jimmy Miller, und durch seine langjährige Zusammenarbeit mit den Rolling Stones eröffnete sich für die Band nun die Möglichkeit, die zweite Platte nicht nur europaweit auf dem Rolling Stones eigenen Plattenlabel Rolling Stones Records zu veröffentlichen, sondern mit den Glimmer Twins auch als Support Act in Europa auf Tournee zu gehen. In Amerika erschien auch diese zweite LP wie der Erstling bei ABC Dunhill Records. Es waren Mick Jagger und Keith Richards selbst, welche die Band Kracker als Vorgruppe für ihre Europa Konzerte auswählten.

Durch diese Auftritte sowie dem Umstand, dass die Platte massiv beworben wurde, da sie auf dem Stones-eigenen Label erschienen war, erhofften sich sowohl die Musiker von Kracker, als auch das Management der Stones, dass hier hübsch Geld verdient werden könnte - doch nichts geschah. Die Platte wurde praktisch nicht verkauft, und auch weitere Konzerte, wiederum mit den Rolling Stones, aber auch Auftritte, resp. Tourneen mit Chuck Berry, der J. Geils Band, Lou Reed, Styx, Cheap Trick oder REO Speedwagon erbrachten nicht die erhoffte Popularität.

Bis auf Sänger Carl Driggs hatten alle weiteren Bandmitglieder kubanische Wurzeln, weshalb der Eindruck entstand, die Band käme aus Kuba, was nicht richtig ist. Driggs, Chuck Francour, Victor Angulo, Carlos Garcia und Arthur Casado waren ursprünglich in Florida beheimatet. Die Aufnahmen zur zweiten LP "Kracker Brand" entstanden in den renommierten Record Plant Studios in Los Angeles und Sausalito, abgemischt wurden die Songs in England in den beiden Studios, in welchen auch die Rolling Stones Aufnahmen gemacht hatten, nämlich in den Island Studios und im Olympic Sound Studio in London. Den finalen Klang-Mix erhielten die Stücke von Andy Johns, einem der damals berühmtesten Tontechniker der Welt, der Alben von Humble Pie, Free, Led Zeppelin und den Rolling Stones mischte, resp. produzierte.

Trotz der hochkarätigen Musiker und kompetenter Hilfe von allen Seiten verkaufte sich das Album kaum. Dabei bot es 10 hervorragende Kompositionen aus dem Bereich Rock mit Latino Einschlag, souligen und funkigen Elementen und das alles in einem exzellenten Sound und top produziert.

Im Jahre 1976 dislozierte die Band schliesslich wieder nach Florida, weil sie dort einen weiteren Plattenvertrag mit Dash Records unterzeichnen konnte, ermöglicht durch den Produzenten Henry Stone aus Miami, dem Gründer und Besitzer des renommierten Labels TK Records, das auch erfolgreiche Acts wie zum Beispiel KC & The Sunshine Band unter Vertrag hatte. Da die musikalische Ausrichtung des Unternehmens auf Dance Music fokussiert war, die Band Kracker auf ihrem dritten und letzten Album "Hot" jedoch einen eher recht enttäuschend klingenden Mix aus Rock und Funk präsentierten, bedeutete dies dann das Ende dieser Band, aus der - mit etwas mehr Glück - durchaus etwas ganz Grosses hätte entstehen können.

So bleibt nur dieses eine hervorragende Album aus dem Jahre 1973, das so gut wie komplett unterging und an das sich heute leider kaum mehr Jemand erinnert. Schade.





Dec 28, 2015


LITTLE NEMO - The World Is Flat (Single KO Records 30938, 1992)

"The World Is Flat" war das dritte reguläre Album der französischen Band Little Nemo um den charismatischen Gitarristen Vincent Le Gallo, lässt man mal zwei ganz zu Anfang veröffentlichte Mini Alben ausser acht. Man hörte auf diesem meiner Meinung nach besten Album der Band nicht an, dass sie aus Frankreich stammte. Vielmehr bot sie hier eine ausgereifte Platte, die sich stilistisch irgendwo zwischen den australischen The Church und den englischen The Cure bewegte. Einzig die beiden Titel "Au Milieu du Ciel" und "Bain du Minuit" (nach meiner Einschätzung das Paradestück der ganzen Platte) verrieten einen frankophilen Hintergrund.

Der Leadsänger Olivier Champeau erinnert von der Stimmlage und der Phrasierung ein bisschen an Ian Broudie (The Lightning Seeds), die Musik klingt jedoch wesentlich rockiger und auch viel distingierter und eleganter als diejenige von Broudie, auch weil sie sich nicht nur auf popmusikalischen Schönklang beschränkt, sondern durchaus den Anspruch erhebt, im gehobenen Segment des Art Rock mitzumischen, was sowohl dem Sänger, als auch der Band insgesamt vortrefflich und scheinbar mühelos gelingt. Wenn Olivier Champeau schliesslich ins schwärmerisch Erzählerische fällt, erreicht er schon fast die Klasse von Kinks-Mastermind Ray Davies, denn auch bei Olivier Champeau überwiegen in den Songtexten die kleinen Alltagserlebnisse, denen man in der Regel viel Beachtung schenkt, jedoch selten darüber schreiben oder singen mag. Letztlich findet sich alles, was man erlebt, in der Empfindung, in der Liebe, im Herzen wieder.

Das gesamte Werk klingt wie aus einem Guss, es gibt keinerlei Schwachstellen, und das musikalische Programm ist vielfältig und gut in Szene gesetzt: Leichte balladeske oft akustisch gehaltene Kleinode wechseln sich ab mit wuchtig eruptierenden rockigen Ausbrüchen und spielen gekonnt mit den Gefühlen von innerer Ruhe einerseits und geballter Kraft auf der anderen Seite. "Late World Shift" ist so ein Brocken von ungeheurer Wucht, ein Untergang und gleichzeitig Neuanfang, man gerät in einen Strudel der Gefühle und wird nicht erlöst - der Song endet im Chaos. Ganz anders "Pray For A Great Day": Hier stimmt der Beat. Es rockt und man will schon seine grossen Zehen zum wippen bringen, doch eine sogleich einsetzende Flöte, gespielt von Gastmusiker Stéphane Marchi, hält den Kraftausbruch gekonnt zurück, leitet den Song auf eine positive, fast liebliche Spur, steigert sich, überlässt der Band den Groove und entwickelt sich zu einem überaus stolzen Rocksong, bei welchem bald der ganze Fuss wippt. Auch hier klingt der schliesslich als Höhepunkt einsetzende Refrain hörbar nach den Australiern von The Church.

Und dann ist da auch noch "Rumours" aus der Feder von Keyboarder Ronan Lesergent, das mit diesem leichten und einnehmenden, an Sprechgesang erinnernden Singsang-Monolog und dem etwas Musical-artigen, wie aus einer billigen Burleske stammenden Piano-Spiel frappant an Bill Nelson und dessen Songs, die er mit seinen Be-Bop Deluxe gespielt hat, erinnert. 

Alles in allem ist "The World Is Flat" ein ausgezeichnetes Art Rock Album geworden, das keinesfalls einen rein künstlerischen Approach erhebt, aber dennoch alles andere als ein ganz gewöhnliches Rockalbum ist. Aufgenommen im Oktober bis Dezember 1991 im Val d'Orge Studio und veröffentlicht auf dem kleinen Independent Label Single KO, das in Frankreich von Virgin Records vertrieben wurde. Eine herrlich melodiöse Rockplatte.






VINYL KINGS - A Little Trip (Vinyl Kings Records VK 6401-2, 2002)

"I Am The Walrus" heisst neu "Mind Over Matter", aus "Maxwell's Silver Hammer" wird schlicht "Bang Bang", Sergeant Pepper hört auf den Namen "Losin' My Mind" und aus der "Lucy In The Sky" wird "What If It Were You": Willkommen an Bord der MS Beatles, dem Partyschiff auf seiner endlosen Reise quer durch das grosse Beatles Meer. Es gibt ja auch so viele Beatles Cover Bands, und eigentlich sind sie sich alle in einem Punkt ähnlich: Sie sind nicht die Originale. Leider.

Es gibt aber Ausnahmen, die dann interessant werden für den Hörer, wenn es sich nicht um die 368. Coverversion von "Get Back" handelt, sondern etwas Eigentümliches darstellen, um der grössten aller Popbands zu huldigen. Die Schweizer Band The Saltbee etwa (quasi die Beatles buchstabenmässig etwas durcheinander geschüttelt), die Platten aufgenommen hat, auf welchen sich ausschliesslich Stücke aus der Feder von Lennon/McCartney oder George Harrison befinden, welche die Beatles selbst zwar komponiert, aber nie veröffentlicht haben.

Oder man zeichnet ganz einfach die Musik der Fab Four nach, ohne sie zu kopieren, bleibt bei dem Vorhaben aber doch soweit beim Original, dass man erkennen kann, welcher originale Song der Beatles sich hinter den neuen Stücken versteckt, respektive, welcher Song für die neue Komposition Pate stand. So eine als Huldigung an die Meister verstandene Platte haben die Vinyl Kings 2002 aufgenommen und im Eigenvertrieb veröffentlicht.

Die Vinyl Kings sind gestandene amerikanische Profimusiker, die sich mit diesem quasi Tribut-Album bei ihren grossen Vorbildern einfach bedanken wollten. Das schreiben sie dann in der Plattenbeilage so:

To Paul, Ringo, John and George (wherever you are) and George Martin

The intent of this project was to have fun, born of love and respect. It is important, that you know that. The Beatles and the time in which the band existed were, for all of us, the gift of inspiration that drove us to a life of music. In its own way this album is our reconnection to this gift, that spark, that desire and love. And most of all, our way of saying, in a musical kind of way, Thank You!

Die Vinyl Kings setzen sich zusammen aus Larry Byrom (Steppenwolf, Dr. Hook, Chi Coltrane), Larry Lee (The Ozark Mountain Daredevils, Jimmy Buffett, Asleep At The Wheel), Josh Leo (Bad Company, Lynyrd Skynyrd, Nitty Gritty Dirt Band), Jim Photoglo (Everly Brothers, Dan Fogelberg, Nitty Gritty Dirt Band), Michael Rhodes (J.J. Cale, Green On Red) und Harry Stinson (Al Stewart, The Mavericks, Lyle Lovett).

Alle Beteiligten haben selbst komponierte Stücke beigetragen, entweder einzeln oder im Team gschrieben und sich dabei zu jedem Song von einer Beatles-Nummer inspirieren lassen. Die Idee dabei war neben der Verneigung vor den Meistern auch die Ueberlegung, wie die Beatles heute vielleicht komponieren würden, welche Elemente aus den 60er Jahren noch vorhanden wären und welche neuen Einflüsse die Fab Four vielleicht berücksichtigt und für ihre Kompositionen genutzt hätten. Wenn man ausserdem weiss, dass die Beatles extreme Tüftler im Tonstudio gewesen sind, und mit den heutigen technischen Möglichkeiten konfrontiert worden wären, dann kann man sich anhand dieser hervorragenden und höchst amüsanten Platte vielleicht ein Bild davon machen.

Jedes der 13 Stücke dieser Platte kann begeistern, wenn man Lieder der Beatles noch irgendwo im Hinterkopf abgespeichert hat. Man ertappt sich beim anhören dabei, wie man versucht, sich an die Melodie der offensichtlichen Vorlage zu erinnern. Auch wenn man schliesslich drauf kommt: Die Songs der Vinyl Kings sind trotzdem Eigenkompositionen und können aufgrund der hohen Qualität absolut für sich selbst stehen. Für einen Beatles-Fan sind sie ein willkommenes Wiederhören mit "ihrer" Musik, die trotzdem anders ist, aber in jeder noch so klitzekleinen Note den Geist der 60er Jahre inne hat. Es dürfte aber trotzdem Puristen geben, die schreien: Ketzerei!

Die Vinyl Kings wiederholten das Projekt übrigens drei Jahre später mit dem Album "Time Machine". Auf dem 2005 erschienenen Album widmeten sich die Musiker dann vor allem der uramerikanischen Beatmusik, allen voran dem Surf Sound der Beach Boys. Auch dieses Folgewerk kann ich jedem 60er Jahre Musik-Fan uneingeschränkt empfehlen.




KIRBY - Composition (Hot Wax Records HW2, 1978)

Als der ehemalige Curved Air Gitarrist Gregory Kirby 1978 dieses einzige Soloalbum einspielte, war seine zuletzt mit dem hervorragenden Sänger Elmer Gantry geführte Band Stretch eben Geschichte geworden, nachdem dieser bereits vor dem letzten Album der Formation Stretch aus der Band ausgeschieden war. Musikalisch trat danach eine Wende innerhalb der Band ein und sie nahm ein letztes Album unter dem Namen Stretch auf. Weil Elmer Gantry da nicht mehr mit von der Partie war, verschwand auch der Blues aus der Musik von Stretch. Dafür liess Kirby lockeres Latino Rock Feeling neu in die Band einfliessen, sodass die Platte "Forget The Past" streckenweise wie ein Santana Album klang, was mir persönlich wesentlich besser gefiel als die frühere bluesgetränkte Musik noch mit Elmer Gantry, dem ehemaligen Velvet Opera Sänger. Ich sehe diese letzte Platte von Stretch aber auch eher als das Produkt einer veränderten Band, die einfach versuchte, sich aufgrund des Ausscheidens des Leadsängers musikalisch neu auszurichten, was ihr zwar hundertprozentig gelang, leider jedoch ohne jeglichen Erfolg. Die wundervolle Platte ging sang- und klanglos unter.

Ganz genauso erging es dem Soloalbum von Kirby, das er im wesentlichen mit denselben Musikern und in etwa derselben Zeit wie die letzte Stretch LP eingespielt hatte und das ebenfalls nicht zur Kenntnis genommen wurde, weshalb er sich kurze Zeit später auch von der Idee einer Solokarriere verabschiedete. Man muss leider sagen, dass es auch diese Platte mit dem schlichten Titel "Composition" sehr verdient gehabt hätte, breiter wahrgenommen zu werden, denn das Album hält einige ganz vortreffliche Höhepunkte bereit. 

Neben den beiden ehemaligen Bandkumpels von Stretch, nämlich John Cook und Steve Emery spielten auf diesem Album auch der Deep Purple Schlagzeuger Ian Paice und der ehemalige Rolling Stones Musiker Mick Taylor mit. Ausserdem Gitarrist Nigel Watson aus der Band von Ex-Fleetwood Mac Gitarrist Peter Green, de Perkussionist Chris Fletcher (Ian Carr's Nucleus), Fran Byrne (von Ace) und Perkussionist Robin James aus der Band von Arthur Brown. Aufgrund der Mitwirkung von Ian Paice und Mick Taylor geriet die Platte bestenfalls in den Fokus von Deep Purple und Rolling Stones Sammlern, ansonsten blieb die Platte praktisch unbeachtet und war auch nur für kurze Zeit im Handel regulär erhältlich.

Musikalisch bietet "Composition" im wesentlichen die Musik, die Kirby schon auf dem letzten Stretch-Album "Forget The Past" präsentiert hatte: ein bisschen Latin Flair, gut durchkomponierte Stücke mit viel Poprock-Anteil und vielen prägnanten und vorzüglichen Hooklines, die teils raffiniert arrangiert wurden und das Können des Musikers nachhaltig unter Beweis stellten. Vor allem die Titel "Bottom Line", "Don't Let Me Down" oder das herzhaft rockige und an frühe Stretch-Stücke erinnernde "Darkness And Light" zeigen dies sehr eindrücklich. Bei dieser kernigen Nummer mit klar bluesrockigem Einschlag hätte ich mir Elmer Gantry am Mikrophon gewünscht.

Nach dieser Veröffentlichung ging Kirby zum Ex-Fleetwood Mac Musiker Danny Kirwan und begleitete ihn auf dessen finalem Album "Hello There Big Boy". Er drückte auch jener LP teilweise seinen ganz eigenen Stempel auf, nachzuhören etwa im Stück "Only You", das in der Tat auch von einem Stretch-Album stammen könnte. Ausserdem war er eine zeitlang mit Phil Lynott, dem ehemaligen Thin Lizzy Sänger zusammen und im Jahre 1982 spielte er im Tonstudio neue Songs ein mit dem ehemaligen Re-Flex Bassisten Nigel Ross-Scott und dem Schlagzeuger Mick Tucker der Glam Rock Band The Sweet, welche jedoch nie offiziell veröffentlicht wurden.

Gregory Kirby ist einer der vielen heute leider vergessenen, aber hervorragenden Musiker aus den 70er Jahren, der einige ganz vorzügliche Platten eingespielt hat, unter anderem wie erwähnt mit Curved Air und Stretch, zweier Bands, über die man heute noch spricht. Kirby hatte dann auch folgerichtig die Band Stretch mit dem ehemaligen Sänger Elmer Gantry im Jahre 2011 noch einmal reaktiviert und mit dem Drummer Jeff Rich (unter anderem lange bei Status Quo) auch ein weiteres Album mit dem Titel "Unfinished Business" mit zwei Neueinspielungen der Stretch-Klassiker "Why Did You Do It" und "Showbiz Blues" veröffentlicht. Nachdem auch zu diesem Album keine nennenswerte 
Publikums-Resonanz folgte, schloss er sich 2013 den ebenfalls wieder aktiven Curved Air an, womit sich der musikalische Kreis des Gitarristen Gregory Kirby wieder geschlossen hat.



Dec 27, 2015


STABAT AKISH - Nebulos (AltRock Records ALT026, 2012)

Von Clavinet und Vibraphon getragene Jazz-Avantgarde aus Toulouse (Frankreich), das bietet dieses exzellente und ziemlich verschroben wirkende Sextett, welches auf einen Gitarristen gänzlich verzichtet. Ausserdem bedient sich die Gruppe sehr vieler verschiedener musikalischer Einflüsse, die sie vom losgelösten Free Jazz über leicht bizarr klingende Dada-Einlagen bis zu Canterbury Avantgarde alles über Kreuz schüttelt und zu einer recht eigenartigen, auf jeden Fall aber eigenständigen Mélange vermischt.

"Nebulos" ist das zweite Album der Truppe und es gibt Stücke darauf, die dem Zuhörer einiges abverlangen, was Bereitschaft zu Ungewöhnlichem anbetrifft. So etwa beim Stück "Dynamique Cassoulet", das nach einer leichtfüssigen Einleitung in hektischer Folge 60er Jahre Beatmusik, gefolgt von Hardcore Jazz über südamerikanische Sambamusik bis in einen traditionellen Walzer hinein mündet. Allerdings ist das nur eine Seite dieser Platte, denn in anderen, weitaus ruhiger gehaltenen Stücken beschränkt sich die Band manchmal darauf, jeweils mit nur einem Tasteninstrument und einem Blasinstrument interessante Stimmungsbögen aufzubauen, die nicht selten an die etwas schrägen Momente eines Frank Zappa erinnern.

Interessant sind vor allem die manchmal sehr mysteriösen jazzigen Passagen, bei denen man sich gut auch eine Untermalung eines Films vorstellen kann. So erinnern einige Stellen, beispielsweise in Stücken wie "Troide" oder "La Serrure" durchaus an die Zeichentrick-Szenen im Film "La Planète Sauvage" von René Laloux.

Der Titel der Platte ist mit "Nebulos" absolut treffend gewählt, denn die Musik lässt den Zuhörer in der Tat mehrheitlich im Ungewissen, quasi im Nebel stehen. Das musikalische Konzept der Band kann ergo allenfalls lauten, keines zu haben, oder aber - und das vermute ich eher - sich alle möglichen Seiten offen zu behalten für weitere musikalische Projekte.

Wer auf fluffigen und verspielten, von Vibraphon und Clavinet getragenen leichtfüssigen und bisweilen ziemlich freien Jazz steht, der über die genau richtige Portion Experimentierfreudigkeit bis zur Bereitschaft völlig brachialer Eruption verfügt, der kann hier ein sehr unterhaltsames, absolut wundervoll produziertes Schätzchen entdecken, das auch von den Akteuren selber erst einmal übertroffen werden muss. Der Anteil an leicht angeschrägtem zappaesken Dada-Jazz verleiht der Musik das gewisse Etwas und ist für mich das Pünktchen auf dem i.

Top-Stück ist das mehrteilige "Sprouts", das in vier einzelnen Parts alle Stimmungsbögen der Band abbildet, vom leisen mysteriösen Spiel bis zur freien Explosion, wie man hier in diesem Video-Clip nachhören kann, als die Band im Jahre 2014 am "Rock In Opposition" Festival unter anderem zusammen mit Christian Vander's Gruppe Magma spielte.





MR. SIRIUS - Dirge (King Records KICS 2826, 1990)

Das japanische Quintett Mr. Sirius veröffentlichte 1990 in Japan dieses komplexe Werk, das auf eigentümliche Weise Versatzstücke der modernen klassischen Musik mit avantgardistischen Elementen des Canterbury Stils vermischte und zusätzlich noch mit teils abstrakten und dem freien Jazz entlehnten Fragmenten anreicherte. Das Ergebnis war ein nicht gerade leicht verdauliches Gebräu von immenser Intensität, das faszinierend und verstörend zugleich auf den Hörer wirkt.

Lange, exzessive und oftmals leicht kakophonische Instrumentalpassagen, die vom Zuhörer viel Bereitschaft zu Ungewöhnlichem abverlangen wechseln sich ab mit bisweilen betörend schönen Gesangsteilen, die von der exzellenten Sängerin Lisa Ohki dargeboten werden. Dadurch fällt die bisweilen empfundene hohe Kopflastigkeit der Kompositionen immer wieder wohltuend zusammen und die Musiker erzeugen damit Stimmungsbögen von ungewöhnlicher und nicht selten atemberaubender Intensität. Von den üblichen Hörgewohnheiten und dem Denken in festen Schemata muss man allerdings gehörigen Abstand nehmen, will man sich auf diese intensive musikalische Erfahrung einlassen.

Manchmal in gewisser Weise opernhaft wirken die der Klassik entlehnten Soundmuster, wenn Sängerin Lisa Ohki mit ihrer hervorragend ausgebildeten Alt-Stimme die Musikvorlagen trägt und ihnen mondänen Glanz verleiht. Etwas kritisch betrachte ich die vom Synthesizer präsentierten Streicher- und Bläsersätze. Hier wären entsprechende echte Sounds noch eleganer gewesen, auch wenn die synthetischen Klänge bestimmt nicht schlecht klingen. Einen warmen Glanz erhalten die Stücke auch immer dann, wenn Kazuhiro Miyatake mit der Flöte angenehme Eckpunkte setzt und dabei gleichzeitig auch die teils recht flächig ausgerichteten Keyboards etwas zurücknimmt.

Ebenfalls sehr wohltuend wirkt Bassist Hidehiko Muraokas mit seinen leichtfüssigen und trotzdem beeindruckend präzise akzentuierten Bassläufen, welche den teils extrem anstrengenden Instrumentalpassagen stets das nötige Fundament verpassen. In der Gesamtheit der Musik ist dies ein ganz wichtiger Punkt, denn damit bietet die Band über das gesamte akustische Spektrum eine in seiner Gesamtheit sehr ausdrucksstarke Klangfülle.

Paradestück der Platte ist das überlange "The Nile For A While", das dank seiner enormen musikalischen Vielfalt in über 21 Minuten Laufzeit dissonante avantgardistische Musik gekonnt mit schwelgerischem, symphonischem Schönklang verbindet. Die Komplexität der Musik ist hier nicht gleichlautend mit Dissonanz, vertrackter Rhythmik oder hektischen Tempiwechseln. Das besorgt im Gegenteil alleine schon der Anteil an klassischer Moderne, die hier auf beeindruckende Weise mit vertrauten progressiven Mustern, wie man sie etwa von Genesis oder Pendragon kennt, eine anspruchsvolle Verbindung eingeht, wie man sie nur selten auf anderen Platten aus diesem musikalischen Bereich spüren und erleben kann.

Der Begriff "exzessiv" lässt sich auf die Musik, die man auf dem Album "Dirge" zu hören kriegt, auf jeden Fall anwenden, und vielleicht mag sich der Eine oder Andere beim anhören auch fragen, wieviel Virtuosität ein musikalisches Werk eigentlich verträgt. Letztlich hat es aber immer auch mit der Bereitschaft des Musikers und natürlich auch des Musikhörers zu tun, Möglichkeiten ausloten zu wollen, Grenzen zu überschreiten, vermeintlich Unmögliches miteinander zu verbinden suchen und damit etwas Neues zu erschaffen, das den Zuhörer in eine ihm noch unbekannte Welt der Klänge führt, ja vielleicht sogar verführt.




JANISON EDGE - The Services Of Mary Goode (Gargoyle Records GRG001, 1998)

Janison Edge war eine leider nur kurzlebige Progressive Rock Supergroup, die 1997 zusammenkam und ein Jahr später ihr einziges Album "The Services Of Mary Goode" veröffentlichte. Ihre Mitglieder stammten von einigen der damals hochkarätigsten Bands aus dem Neo Prog Bereich und sie überraschten mit einem wundervollen in sich geschlossenen Werk, das eine Art vertonte Märchenwelt darstellte. Einzig Sängerin Sue Element hatte keinen nennenswerten musikalischen Background, sang aber alle Songs, zu denen sie auch die Songtexte verfasste, mit einer warmen und einnehmenden Stimme, die perfekt zu dieser Musik passte, welche stilistisch da und dort an den klassischen Progressive Rock Bands wie Marillion, Genesis oder Renaissance angelehnt war.

Die weiteren Bandmitglieder stammten allerdings von in der Szene recht erfolgreichen und bekannten Bands. So war zum Beispiel der Gitarrist Ian Salmon längst mit Arena und Shadowland erfolgreich unterwegs, Keyboarder Mike Varty mit Credo, Landmarq und Citizen Caine, Bassist Paul Brown war mit Medicine Man unterwegs und der Schlagzeuger Dave Wagstaffe spielte ausser bei Quasar ebenfalls bei Landmarq mit.

Die Zusammenarbeit des Keyboarders Mike Varty mit der Sängerin Sue Element ging zurück auf ihre Freundschaft, die seit der gemeinsamen Zeit an der Uni bestand. Varty und die Sängerin schrieben denn auch alle Songs dieses ergreifend schönen Albums, das zu keiner Zeit beliebig oder gar langweilig klingt, obschon einzelne Titel relativ lange sind. Es gibt hier keine Längen, und dies vermutlich auch deswegen nicht, weil alle Songs Geschichten erzählen, denen man gerne lauscht und die von Sue Element in angenehmer, völlig unhektischer Weise vorgetragen werden.

"A Twist In The Tale Of Earth History" ist ein symphonischer Einstieg in das Album, das vor allem von den warmen und variantenreichen Keyboards getragen wird. Ein schöner Einstieg mit einer tollen Geschichte, die über eine Länge von fast 10 Minuten überraschend unterhaltsam wirkt und keineswegs irgendwelche Längen aufweist. "Oldman", die zweite Nummer dieses eindrucksvollen Konzeptalbums, ist das pure Gegenteil dazu: Eine kurze, sanfte Klavierballade, welche die Stimme von Sue Element perfekt unterstreicht. "Beneath The Boy" dann wiederum von grossem Klang: Hier zeigt der Gitarrist Ian Salmon erstmals sein Können und erinnert mit seiner virtuosen Spielweise sehr an die Sachen, die er mit seiner eigenen Band Arena auch macht. Er hat ein einmaliges Gespür für grosse Melodiebögen, die er hier mit seinem Instrument über die Komposition legt, gerade so, als wäre es eine Gesangspassage. Die nächsten drei Stücke bilden als Titelstück eine in sich geschlossene Einheit, sind inenander übefliessend und zeigen wundervolle und sehr abwechslungsreiche Motive, die abwechselnd energetischer oder leiser vorgetragen sind: Eindeutig das Paradestück dieses Werkes. Mit den nachfolgenden Stücken "Joker" und "Julie Lies" bremsen sich die Musiker selber wieder und gewähren der Sängerin bei "Julie Lies" erneut viel Freiraum für ihre schönen Gesangslinien, die, wenn sie wir hier auch wieder, fast nur vom Klavier getragen sind, am einnehmendsten wirken. Beim abschliessenden "The Day That I Fall", dem mit über 11 Minuten Lauflänge opulentesten Stück der Platte, zeigen die Musiker, allen voran Ian Salmon und Mike Varty noch einmal, warum sie in der Neo Symphonic Prog-Szene nicht zu Unrecht einen guten Ruf geniessen. Hier zündet das instrumentale Feuerwerk, das Bombast-Elemente und Rock-Motive perfekt zu einer homogenen musikalischen Einheit zusammenführt. Ein Feuerwerk, das sowohl von der grossen Virtuosität der Musiker zeugt, aber auch die Qualität der grossartigen Kompositionen noch einmal eindrücklich unterstreicht. Es müsste mehr solcher hervorragenden Werke geben.

Leider blieb es bei diesem einen Album, das eine wertvolle Bereicherung für jede Progressive Rock Sammlung darstellt.






Dec 26, 2015


STATE OF MIND - Sanctuary Much (Cerebral Records CER 003 3, 1997)

Ueber diese Band aus Kalifornien habe ich jahrelang Informationen gesucht, und bis zum heutigen Tag praktisch keine gefunden. Es handelt sich wohl um eine lokale Band aus dem Grossraum San Diego, wo ihre einzige Platte auch aufgenommen worden ist. Die CD brachte damals ein Freund von mir aus San Diego mit und er meinte, er hätte die Band wohl live gesehen und sie wäre erstklassig gewesen.

Diese Einschätzung teile ich seither hundertprozentig, seit ich zum erstenmal diese Platte gehört habe. Es ist kaum zu glauben, was eine Lokalband, die offenbar aus Freizeit-, resp. Hobbymusikern bestand, hier zustande gebracht hat. "Sanctuary Much" begeistert mich vom Anfang bis zum Schluss, bietet Songs von enormer Qualität und ist perfekt gespielt und ohne irgendwelche Durchhänger.

"The Bomb", mit dem das Album eröffnet wird, hat einen unwiderstehlichen Westcoast-Groove, der mich an ähnliche sonnige Lieder aus Kalifornien, beispielsweise der Cayucas oder der Allah-Lah's, erinnert. Auch die weiteren Stücke wie "Smoke By The Fire", "Feed Me" oder "Live Before You Die" sind auf demselben hochklassigen Niveau. Auch leichte Jam-Einflüsse, beispielsweise wie von den Genre-Spezialisten MOE. oder Phish gespielt, kann man in vereinzelten Stücken ausmachen, so etwa im Song "The Play".

Hier waren auf jeden Fall echte Könner am Werk, die sich liebevoll um jeden Song bemühten, aus ihm das Optimalste herauszuholen. Dabei achtete die Band sehr darauf, keine überfrachtende oder allzu opulente Arrangement-Risiken einzugehen. Jeder Song ist punktgenau in Szene gesetzt, der Gesang ist jederzeit auf hohem Niveau und die Musik beseelt und positive Vibes verbreitend. Ein Feuerwerk der guten Laune.

Es hätte mehr drin sein müssen für eine solch hervorragende Band als nur ein mehr oder weniger lokaler Platten-Deal. Die Gruppe bestand aus dem Bandleader, Sänger, Keyboarder und Gitarrist Lincoln Kroll, der für diese Studioproduktion sowohl mit seinen Band-Mitgliedern, als auch mit Gastmusikern arbeitete und zwar mit den beiden Gitarristen Mike Sherman und Mark Bonney, den Keyboardern Ben Moore und Dave Chesavage, dem Perkussionisten Frank Lazzaro, dem Bassisten Bob Rosencrans, dem Schlagzeuger Bill Ray und dem Cellisten Calvin Fan. Zusätzlich war eine weibliche Chorgruppe, bestehend aus Stellita Harris, Andie Mahn, Lisa Sanders und Kate Cowden für die Backing Vocals zuständig.

Aus einer der äusserst spärlichen Informationsquellen im Internet geht hervor, dass die Platte damals im Golden Track Studio in San Diego mit einer 2" Spulen-Maschine aufgenommen wurde. Dies erklärt das warme und an analoge Aufnahmen der 70er Jahre erinnernde Gesamt-Klangbild der Platte, die lediglich als CD erschienen ist und im Internet noch immer relativ günstig zu finden ist.

Für mich ist dieses musikalische Kleinod im Laufe der Zeit zu einem unverzichtbaren Gute Laune-Juwel geworden, die ich mir immer wieder gerne auflege und das mich in Gedanken immer gleich an einen sonnigen Strand irgendwo an der kalifornischen Küste katapultiert.

STEVE WINWOOD - Steve Winwood (Island Records ILPS 9494, 1977)

Steve Winwood's erstes Soloalbum ist vielleicht das verlorenste Traffic-Album, jedenfalls ist es noch ganz in der Tradition der Musik von Winwood's toller Jazz Rock Band ausgefallen, nur Meilen laidbacker, stimmiger und extrem gemütlich. 

Winwood wirkte seit 1965 an zahlreichen Meilensteinen der Populärmusik mit, war mit all den Gruppen, in denen er mitspielte, äusserst erfolgreich, wie zum Beispiel mit der Spencer Davis Group, der Supergruppe Blind Faith (mit Eric Clapton) und den Jazz Rockern von Traffic.

Es dauert jedoch bis ins Jahr 1977, bis sein allererstes Soloalbum erscheint, das keinen Titel trägt ausser seinem Namen. Eingespielt hatte er es mit viel Gespür für Stimmungen, zauberte zahlreiche melodische Finessen in seine Kompositionen und bot ein Rhythmus-Feuerwerk erster Güte. Dabei war er allerdings schon hier wesentlich näher am Mainstream als am Jazz Rock der zurückliegenden Jahre. Es würde noch zwei Jahre dauern, bis er dann auch kommerziell die Früchte seiner langen und zuverlässigen Arbeit würde ernten können. Ab 1979 nämlich gelangen ihm zahlreiche Hits und er wurde zum regelmässigen Gast der internationalen Hitparaden.

Sechs Stücke bietet diese LP, die Winwood fast ausschliesslich mit dem ehemaligen Schlagzeuger der Band Traffic und seit jeher guten Freund Jim Capaldi zusammen geschrieben hat. Sie entfalten eine wunderbar gelöste, lockere Stimmung, was nicht zuletzt auf die beteiligten Mitmusiker zurückzuführen ist, welche als versierte und vielseitige Studiomusiker der renommierten Muscle Shoals Studios bei Topstars aus allen möglichen musikalischen Bereichen sehr begehrt sind. So klingt denn Winwood's Soloalbum auch recht amerikanisch, atmet viel sonniges Westcoast-Feeling und klingt enorm harmonisch, selbst wenn die Msuiker in leicht jazzigen Phasen beim einen oder anderen Longtrack in die Jams geht, wie beispielsweise im herrlich relaxed groovenden Stück "Time Is Running Out".

Willie Weeks am Bass und Andy Newmark am Schlagzeug geben dem gesamten Album einen wundervollen warmen Grund-Groove, über den Steve Winwood seine Keyboard- und Gitarrenläufe schmeichelnd, aber trotzdem auch spannend und vielschichtig legt. Produziert hat dieses Album Chris Blackwell, der Gründer und Besitzer der Plattenfirma Island Records, der auch als Produzent zahlreiche Werke geschaffen hat, auch jene er Band Traffic.

Nach diesem Start als Solomusiker gelangen Steve Winwood ab 1980 zahlreiche Hits wie "While You See A Chance" und "Valerie", sowie die beiden Nummer 1 Hits "Higher Love" und "Roll With It".








THUNDER - Thunder (Atco Records SD 38-129, 1980)

Gemessen am Umstand, dass diese hervorragende Platte 1980 auch in Deutschland veröffentlicht wurde, ist sie hierzulande weitestgehend unbekannt geblieben. Ich muss gestehen: Auch ich wurde auf die Band erst aufmerksam, als ihre Platte in den Grabbelboxen für halb geschenkt verscheuert wurde.

Der vermeintliche Fehlkauf entpuppte sich allerdings als wahrer Glücksgriff: THUNDER spielten auf ihrem Debutalbum einen exzellenten Mix aus Southern Rock, gepaart mit typischen AOR-Essenzen, der einmal in Richtung CHICAGO, dann aber auch sehr - vor allem rhythmisch - in Richtung LITTLE FEAT tendierte.

Gegründet wurde die Band von Sänger und Gitarrist John Porter McMeans, der in den 90er Jahren auch mit Dan Seals und der Band Shiloh zusammen spielte. Als zweiter Gitarrist und Keyboarder war Mo West mit dabei, Chopper Anderson am Bass (heute in der Band von Mark Selby unterwegs) und Tris Imboden, ein versierter Drummer, der mit etlichen Grössen der Rockmusik schon zusammengespielt hatte und später als Schlagzeuger in Diensten der weltweit erfolgreichen Band TOTO stand.

Die Geschichte der Band THUNDER indes verlief leider weniger erfolgreich. Auch wenn das von Kyle Lehning brilliant produzierte Album Highlight an Highlight reiht, war die Publikumsreaktion auf die Platte eher bescheiden. Kyle Lehning ist ein renommierter Produzent, der unter anderem auch mit Randy Travis, Waylon Jennings, der Charlie Daniels Band, der Nitty Gritty Dirt Band und etlichen anderen Grössen des Country und Country Rock gearbeitet hat und es erfolgreich versteht, jeder seiner Produktionen einen recht trockenen, glasklaren Sound zu verpassen. 

Highlights auf diesem Album sind auf jeden Fall das Stück "Easy Street", ein herzhafter Rocker in der Rhythmik der Band Little Feat mit mächtig rockigem Gitarren-Sound und einer wundervollen Melodie im Refrain, dann sicherlich auch das Rhythmik-Feuerwerk "Late Last Night", das bei allem Funky Groove auch noch ein herrliches Schiffer-Piano zulässt, oder etwa die lüpfige Poprock-Ballade "Santiago Midnight Moonlight", die fast lupenrein das typische sonnige Westcoast Flair der Poprock-Band CHICAGO kolportiert.

Ein insgesamt etwas weniger vielseitiges, nichts desto trotz aber fast ebenso tolles Zweitwerk unter dem Titel "Headphones For Cows", das eher die Klientel des AOR Sounds bediente, veröffentlichte die Band ein Jahr später, das leider, wie sein Vorgänger, ebenfalls nicht genügend Resonanz beim Publikum fand, weshalb die Gruppe sich kurze Zeit darauf trennte. John Porter McMeans veröffentlichte in der Folge ein Solo-Album, das von der Lauflänge her eher einer EP gleich kommt: 6 Titel, von denen gerade mal zwei Kompositionen neu waren, die anderen vier Stücke Neueinspielungen von Titeln, die schon auf den zwei Thunder Alben vertreten waren.

Das erste THUNDER Album ist eines jener Meisterwerke, das keines wurde, weil es kaum Jemand entdeckt hat und weil es wohl auch seitens der Plattenfirma nicht stark genug promotet wurde. Musikalisch vielseitig, hervorragend produziert und die Songs von einer solchen Ausgereiftheit und mit soviel Finesse ausgestattet, dass die Platte eigentlich ein Erfolg hätte sein müssen.




Dec 25, 2015

ROCK - Das Gesamtwerk der grössten Rock-Acts im Check: alle Alben, alle Songs / Teil 1 & 2

Herausgegeben vom Sysyphus-Verlag erhält man mit den zwei schweren und reich bebilderten Büchern eine hervorragende Umschau über das musikalische Schaffen von 40 der wichtigsten Protagonisten der Rockmusik.

Hinter der Veröffentlichung der bislang erschienenen zwei Bände stehen Journalisten und Redaktoren der Musik-Zeitschrift Eclipsed, einem Magazin, das seit dem Start im Jahre 2000 den Fokus auf anspruchsvolle Rockmusik in all ihren Schattierungen legt und dabei als Schwerpunkt die späten 60er und die 70er Jahre berücksichtigt, also die eigentliche Blütezeit der klassischen Rockmusik.

Teil 1 bietet einen äusserst umfassenden Einblick in das Schaffen folgender Künstler und Bands: David Bowie, Kate Bush, Can, Alice Cooper, Deep Purple, The Doors, Genesis, Jimi Hendrix, Jethro Tull, King Crimson, Kraftwerk, Led Zeppelin, Manfred Mann's Earth Band, Marillion, Punk Floyd, Queen, The Rolling Stones, Rush, Yes und Neil Young.

Teil 2 berücksichtigt diese Künstler und Bands: AC/DC, Alan Parsons Project, The Beatles, Black Sabbath, Eric Clapton, Dream Theater, Bob Dylan, Eloy, Emerson, Kale & Palmer, Peter Gabriel, Grateful Dead, Iron Maiden, Mike Oldfield, Rainbow, Patti Smith, Bruce Springsteen, Supertramp, Toto, Van Der Graaf Generator und The Who.

Den Aufbau der einzelnen Kapitel, die den jeweiligen Künstlern gewidmet sind, kann man als sehr anspruchsvoll und akribisch dokumentiert bezeichnen. Nach einer kurzen Erklärung folgt eine Zeittafel, welche in chronologischer Abfolge die Reihe der offiziellen Studio-Veröffentlichungen abbildet, wobei die Veröffentlichungen anhand der jeweiligen Plattencovers visuell dargestellt werden. Dabei sind die jeweiligen Werke auch nach ihrer qualitativen Relevanz geordnet und entsprechend kategorisiert. Es gibt Kommentare von Presse und beteiligten Musikern zu lesen, ausserdem zu jedem Album eine Bewertung der Songs. Zusätzlich erhält der Leser interessante Informationen zu Side Projects, Filmen, Konzerten sowie im Anhang auch weitergehende bibliographische Empfehlungen zu Biographien und Nachschlagewerken.

Ein dritter Band ist bereits für 2016 in Planung.

Beide Bände sind derzeit als gebundene Ausgaben mit Schutzumschlag in sehr hochwertiger Ausführung im Buchhandel, über Onlinehändler wie Amazon oder direkt über die Webseite der Zeitschrift Eclipsed zum Preis von 29,95 Euro pro Band erhältlich.



SPIRIT OF JOHN MORGAN - Spirit Of John Morgan 
(Carnaby Records CNLS 6002, 1969)

Als der Boogie Woogie Piano-Virtuose John Morgan seine Band 1968 formierte, war er bereits mehrere Jahre in den verschiedensten Formationen unterwegs gewesen. Geboren in Bideford, Devon (England) am 11. Januar 1944 war der junge John schon früh inspiriert von klassischen Jazz-Pianisten wie Albert Ammons, Pete Johnson oder Meade Lux Lewis. Noch während seiner Studienzeit eröffnete er in Manchester einen Musikclub, den der spätere Gründer der Plattenfirma Chrysalis, Chris Wright, übernahm, als John Morgan sich dazu entschied, mit seiner ersten eigenen Band professionell Musik zu machen. 

Das Erstlingswerk wurde in den Olympic Studios in Barnes aufgenommen und weil John Morgan ein grosser Fan von Graham Bond war, spielte er auch als erstes dessen Stück "I Want You" ein. Wenn man Stücke des Albums wie "She's Gone" oder vor allem "Orpheus And None For Ye" betrachtet, dann stellt man sehr schnell fest, dass hier nicht einfach nur eine weitere Bluesband zugange war, sondern dass die Musiker auch einen nicht unbeträchtlichen Anteil progressiver Rock-Elemente beisteuerten, wie man das damals auch bei anderen Vertretern des sogenannten "British Blues Boom" mit so prominenten Vertretern wie etwa bei Fleetwood Mac, den Black Cat Bones, Savoy Brown oder Chicken Shack beobachten konnte. 

Das Paradestück der ganzen LP war aber der "Yorkshire Blues", eine über 10 Minuten laufende sehr humorvolle Nummer, die von einem witzigen Dialog des Sängers John Morgan mit den Mitmusikern, die sich zum Zeitpunkt der Aufnahme im Regieraum des Studios befanden, getragen wurde und die bei Live-Auftritten der Band zum Publikumsliebling avancierte.

John Morgan war schon in den ausgehenden 60er Jahren immer wieder in Südfrankreich unterwegs, als er sich 1980 endgültig in St. Tropez niederliess und auch nach seiner Zeit mit der Band Spirit Of John Morgan weiterhin aktiv Musik machte, Tourneen duch ganz Europa absolvierte und auch weiterhin regelmässig Platten veröffentlichte, von denen wohl sein 1993 veröffentlichtes Werk "Dark Rider" das qualitativ Beste nach dem 1969er Debutalbum sein dürfte.

Ich hatte das grosse Glück, John Morgan persönlich kennenzulernen und gemeinsam mit ihm in den Jahren 1992 und 1993 zwei Auftritte in Zürich bestreiten zu dürfen. Er war ein äusserst liebenswürdiger, unkomplizierter und sehr talentierter Musiker und ich bedauerte es sehr, dass er 2007 nach längerer Krankheit starb.

Der originale Spirit Of John Morgan Schlagzeuger Mick Walker spielt heute bei der reformierten 70er Jahre Band TITANIC. Bassist Phil Shutt wechselte zu Arthur Brown's Kingdom Come.









STREETWALKERS - Downtown Flyers (Vertigo Records 6360 123, 1975)

Knorriger, bellender und exaltierter wirkte Roger Chapman weder vorher, noch nachher. Hier auf dem zweiten Longplayer seiner Streetwalkers, zog er 1975 alle Register seines extrem wiedererkennbaren Gesangs, der immer wieder mal an eine bedrohliche Meckerziege erinnert. Nach dem Aus seiner ersten Band FAMILY im Jahre 1973 machte Chapman mit seinem Gitarristen John "Charlie" Whitney weiter, und es entstand schon wenig später ein erstes Album, das den Titel "Streetwalkers" trug und unter dem Namen Chapman/Whitney erschien. Diese Platte war eine Art Uebergangsprodukt, denn eine eigentliche feste Band kam erst Mitte 1974 zustande. Das erste gemeinsame Album hatten die beiden mit gemieteten Studiomusikern eingespielt.

Die Band-Besetzung war komplett, als im Herbst 1974 der Keyboarder Bob Tench gekommen war, der zuvor in der Band von Jeff Beck gespielt hatte, Jonathan Plotel aus der Band Casablanca und schliesslich der Schlagzeuger Nicko McBrain, der spätere Iron Maiden Drummer. In dieser Besetzung spielte die Truppe das Album "Downtown Flyers" ein, das eine rohe und bisweilen wüste Bluesrock-Angelegenheit wurde mit bleischwerem Sound, etwa nachzuhören im Stück "Walking On Waters". Die Aufnahmen des Toningenieurs von Denis Weinreich erhielten einen mächtig voluminösen "Bauch", sodass selbst den nebst schmierigen Bluesrock-Stücken auch den eher balladesk ausgerichteten Songs etwas Bedrohliches anheim fielen. Hier gefällt vor allem das Stück "Gypsy Moon", aber auch "Miller", das etwas leicht Mystisches in der Melodieführung aufweist, das sich wie ein nebliger Schleier über den Gesang von Roger Chapman legt.

Das Album war die Initialzündung zu einer zwar relativ kurzen, jedoch recht erfolgreichen Karriere der Band Streetwalkers, die während der nächsten drei Jahre und mit drei hochkarätigen Studioproduktionen und einem Live-Doppelalbum besonders in Deutschland gern gesehene Gäste auf Bühnen und Open Airs waren, bevor Roger Chapman und Charlie Whitney die Band auflösten und Chappo zu seiner Solokarriere startete, die bis heute andauert.

Obwohl auf dem 1976er Werk "Red Card" mit dem Stück "Run For Cover" das wohl bekannteste und als Single erfolgreichste Stück der Band zu finden ist, kann man dem Debutalbum aufgrund der offenen und vielseitigen musikalischen Grundausrichtung den Vorzug geben. Hier wirkte nichts glattgebügelt, die Musik war roh, von fast livemässigem Charakter und mit enorm viel Druck seitens der Musiker und auch was Chappo's einmaliges Röhren anbetrifft.





Dec 24, 2015


FISCHER-Z - Destination Paradise (Harvest Records 7-80501-2, 1992)

Und wenn einmal Deine ganze Welt auseinandergebrochen ist, dann kommt John Watts und klebt sie wieder zusammen. Das daraus neu entstandene Flickwerk wird nie mehr so sein, wie es vorher mal war, aber es wird Dich nochmals antreiben, wird Dir Hoffnung geben, Dir viele schöne Orte zeigen, die Du noch einmal zum erstenmal erleben darfst. Dann bist Du bei "Destination Paradise" angekommen.

John Watts und sein Konstrukt Fischer-Z - ein klasse Bandname, fand ich schon immer - kam in den späten 70er Jahren auf, als er klasse Popsongs, die meist etwas punkige Attitüde besassen, oder ansatzweise auch schon mal in Richtung Power Pop tendierten, einen leichten Reggae-Touch verlieh und auch gleich mal die Charts in Beschlag nahm, mit rhythmischen Perlen wie zum Beispiel "Room Service", "The Worker" oder "Pretty Paracetamol" oder schlicht mit einem vorwärts treibenden Powerpop-Song wie "So Long".

Gingen mit dem Aufkommen der New Wave in England etliche Musiker langsam mangels Anpassung an den Zeitgeist in Richtung Bedeutungslosigkeit, so wuchs John Watts' musikalisches Spektrum eher noch. Er blieb zwar ziemlich unproduktiv in den 80er Jahren, veröffentlichte nach den ersten drei recht erfolgreichen Alben zwischen 1981 und 1992 grade mal zwei weitere Alben, die allerdings schon relativ grossen musikalischen Abstand zum ursprünglichen typischen Fischer-Z Sound zeigten. Erst im Jahre 1992 kam er mit "Destination Paradise" zurück. Und wiederum hatte er einen Quantensprung in seiner Kreativität und musikalischen Offenheit gemacht. 

Das Album, von dem etliche Kritiker schrieben, so würde ein Beatles-Album klingen, so es die Fab Four denn noch immer gäbe, darf man getrost als popmusikalischen Meisterstreich bezeichnen. John Watts präsentiert auf dieser Platte 14 kleine Kunstwerke, die so unverschämt prägnant sind, dass sie geradezu zum mitsingen einladen. Niemals banal, aber immer einfach - genau wie damals bei den Beatles, erschliessen sich einem die kleinen feinen kompositorischen Eigenheiten der Songs erst nach mehrmaligem Hören, will heissen: Die Lieder wachsen mit jedem Hördurchgang durch viele kleine, unscheinbare Arrangement-Spielereien und wundervolle Details, die aus den meist einfach strukturierten Grund-Songs wundervolle kleine Preziosien werden lassen.

Es hat in der Tat was, wenn der unter Gitarristen weitverbreitete Schmunzler "drei Akkorde sind einer zuviel" so interpretiert wird, dass man zwei Akkorde so detailfreudig ausarbeiten kann, dass gar kein dritter mehr nötig ist, um den Hörer mitten im Herzen zu erreichen.

Das Album ist hervorragend produziert und von kompetenten Musikern eingespielt. Watts hatte für dieses Album seine Band komplett neu formiert. 

Etwas schade ist lediglich, dass diese Platte bezüglich der Songtexte von durchwegs guter Laune dominiert wird und Watts' sein früheres politisches und gesellschaftskritisches Engagement hier weitgehend ausgeblendet hat. Aber wer gerne gute Laune Musik haben will, der sucht ja auch nicht unbedingt politisch motivierte Songtexte. Trotzdem finden sich auch auf diesem Album einige politisch motivierte Zeilen, so etwa in "Tightrope", "Caruso" oder vor allem in "Further From Love".

Immerhin schaffte es John Watts mit diesem Album einzig in die deutschen Charts, und auch die aus dem Album ausgekoppelte Single "Will You Be There ?" schaffte es bis auf Rang 95. In seinem Heimatland England hingegen wurde diese wundervolle CD leider kaum zur Kenntnis genommen.







RARE EARTH - Get Ready 
(Culture Factory Records CFU0341, 2012, Erstveröffentlichung 1969)

Unverfälschter Vinyl Sound auf CD - geht das ?

Die Ueberraschung war ziemlich gross: Eine Platte, die ich seit meiner Kindheit auswendig kenne, jede Passage längst vertraut ist, Instrumentalpassagen, ja ganze Jam-Teile (im Titelstück), die ich nachpfeifen kann...und dann das: Neuer Analog-Remaster Sound. Sowas gibt's tatsächlich ? Ein amerikanischs Kleinstlabel namens Culture Factory USA hat sich echt genau das auf die Fahne geschrieben. Ihr Credo lautet: Eine CD muss wie das Original Vinyl klingen. Im Zeitalter der Bits und Bytes eine etwas schräge Herausforderung, so im ersten Moment, denke ich. Und der Witz daran: Ich kaufe diese Scheibe ja dann auch nicht als Vinyl, sondern als CD. Kann das gut gehen oder ist hier einfach eine clevere Geschäftsidee dahinter, den Käufer und Fan hinters Licht zu führen, etwas Pseudogscheites von analogem Technik-Krimskrams zu schwätzen und das eigentlich auch nur, um ihn vielleicht ein ganz klein wenig zu verscheissern ?

Die Antwort lautet klar: Nein! Man muss zwar schon feine Ohren haben und sicherlich auch über die sprichwörtlich etwas "bessere" Hifi-Anlage verfügen - aber: Man hört es nicht, oder besser: Man kann es nicht spüren, dieses entmuffte Feeling, dieses Neumodische, diesen ganzen hochgeziegelten Bums. Da sind wie beim damaligen LP-Original keine wummernden Bässe, kein aufgeblasenes Klang-Gesamtbild, da ist nix, was früher nicht auch schon genauso geklungen hat auf der originalen LP dieser ersten weissen Musikgruppe, die auf dem legendären Motown Label Platten veröffentlicht hat.

Von alt auf neu geboostet wurde bei diesem CD-Projekt also gar nix. Es klingt wirklich so, als würde sich hier eine LP auf dem Teller drehen, mit dem einzigen Unterschied, dass nix knistert und knackt. Sogar das damals nicht filterbare Grundrauschen ist zu vernehmen, zumindest beim teils kurzen, teils etwas längeren Ein- und Auslaufen der Stücke.

Das Zauberwort heisst bei Culture Factory also bestenfalls: Hände weg vom digitalen Klangverändern, und insofern muss man sagen: "Ja, that's it" So kann man's machen, damit der Hörer das hört, was er weiland schon bei der LP gehört hat. Nicht mehr, aber eben auch nicht weniger, vor allem aber: Nichts Verändertes. Also haben die Tonmeister da einfach die Mastertapes verwendet (was ja löblich ist) und quasi die 1:1-Studio-Tonband Vorlage auf CD gepresst ? Kann nicht sein. Der Lautstärkepegel wurde auf jeden Fall mal angehoben auf heutiges Niveau, ein neues Mastering hat also durchaus stattgefunden. Was bedeutet: Egal, was für eine CD ich in meinen Player einlege und höre: Diese Rare Earth CD klingt erstmal genauso laut. Okay, das alleine macht noch keinen Minuspunkt aus. Also vergleiche ich als Nächstes den Sound, und zwar mit allem, was ich in der Sammlung habe:

- Original US LP auf Rare Earth Records (RS-507) von 1969
- unremasterte CD auf Motown Records (WD-72153) von 1990
- remasterte Version vom "Fill Your Head" Box Set mit allen Studio-Platten von 1969-1973 auf Hip-O-Select, 2008
- diese sogenannte Vinyl-Remaster CD auf Culture Factory USA Records von 2012

Der Hörvergleich bringt einen knappen Sieger hervor: die Version von 2012 auf Culture Factory. Aber vermutlich nur deshalb, weil mein Plattenspieler kein 5000 Euro teures High Fidelity Teil mit Abnehmer und Nadel aus dem Rolls Royce-Laden ist. Ansonsten höre ich gerade beim Vergleichen zwischen originaler LP und dieser Culture Factory Version die wenigsten Unterschiede. Also kann man davon ausgehen, dass Culture Factory CDs am ehesten nach den damaligen originalen Vinylplatten klingen. Das macht letztlich umso mehr Sinn, als dass das Label etliche Out Of Print CDs neu auflegt, für die man keine Alternative findet, wenn man sie haben will. Wenn dann diese Alternative auch noch klingt wie die LP und nicht kaputt remastered wurde, dann kann man beide Klientel bedienen: Die Vinylfans, die die Musik einfach mal wieder möglichst originalgetreu hören wollen, ohne das alte zerkratzte Vinyl ausgraben zu müssen - und die CD-Hörer, die Wert auf möglichst authentischen Sound aus der Aera der damaligen Veröffentlichung legen. Beiden ist mit diesem für mich absolut tollen Kompromiss gedient.

Dieses Label habe ich daher echt für mich entdeckt. Es bietet eine recht originalgetreue Nachahmung der guten alten Vinylplatte als CD-Alternative. Schön dabei ist zusätzlich auch, dass alle CDs dieses Labels in Mini LP Replikas verpackt sind. Das verstärkt die Nähe zum Vinyl noch zusätzlich, auch wenn die Haptik und die Karton-Qualität nicht mit jener beispielsweise der japanischen Mini LP CDs zu vergleichen ist. Auch nicht die Druckqualität. Aber das ist pillepalle. Wichtig ist der Sound, und der ist schon sehr nahe am Original Vinyl.



Dec 22, 2015


JOHN CALE - Paris 1919 (Reprise Records MS-2131, 1973)

Ueber dieses, 1973 erschienene Album hat John Cale selbst einmal gesagt: "This record is an example of the nicest ways of saying something ugly". Vielleicht nahm er dabei Bezug auf die Versailler Verträge von 1919, auf die Musik bezogen will diese Aussage für mich aber einfach nicht so ganz stimmen. Denn in der Tat fehlen auf diesem Album punkige, sperrige und teils avantgardistische Elemente fast vollständig - Attribute, die anderen Alben von John Cale immer zugeschrieben werden. Mit was man es bei "Paris 1919" hingegen mit Sicherheit zu tun hat, ist ein Album von mondäner Eleganz und lähmendem Charme. Es gehört schon viel Mut dazu, das Titelstück gleich für eine Handvoll Cellis zu schreiben, aber dank kompositorischem Geschick und einem ausgeprägten Gespür für Melodie gelingt Cale schon mit dieser Titelnummer ein Ohrwurm, der kaum aus dem Kopf zu kriegen ist. Aehnliches passiert mir auch beim anhören der anderen, leider lediglich neun Songs der Originalplatte, die auf mich seit Erscheinen nachwievor ungebrochene Faszination ausüben. 

Der Opener "Child's Christmas in Wales" ist eine schöne, von Lowell George's Slide Guitar herrlich punktuierte und von einer wuchtigen Orgel dominierte Rockballade. Schon wenn man sich diesen Songtext durchliest spürt man, dass John Cale auch bei diesem eher kommerziellen Ausflug auf Anspruch und Grazie setzt. Der Text behandelt Feldherren, müde Krieger, gefallene Nationen und beschreibt, wie aus Schönheiten Ruinen entstehen: "Sebastopol Adrianapolis, the prayers of all combined, take down the flags of ownership, the walls are falling down".

Textlich sinniert Cale über die verschiedensten Themen, und ob das nun eine Hommage an das schöne Andalusien ist ("Andalucia"), oder ob er grad Tee trinkt und smalltalkt mit der Queen ("Grahame Greene"): Man spürt immer wieder eine gewisse Erhabenheit sowohl in den gewählten Worten, als auch innerhalb der Musik, auch wenn diese manchmal doch ungewöhnlich simpel ausfällt, gemessen an anderen, teils doch viel anspruchsvolleren Cale-Platten. Vielleicht ist es hier John Cale gelungen, Musik zu machen, bei welcher er seinen Intellekt nicht verrät, aber trotzdem ein viel breiteres Publikum erreicht. 

Sicherlich war auch seine Begleitband für diese Platte ebenso ungewöhnlich wie überraschend. Die beiden Little Feat-Musiker Lowell George und Richie Hayward schafften es mühelos, von ihrem bekannten Feat-Groove wegzukommen und ganz in die musikalische Welt von John Cale einzutauchen. Selten hat man diese beiden Musiker bei eigenen Projekten dermassen zurückhaltend und intim musizieren gehört. Ich kenne von Little Feat eigentlich nur wenige Songs, die ein bisschen diesen Geist widerspiegeln: "Willin'" etwa, oder generell Songs der vielleicht ersten drei Alben. Zu den beiden Musikern gesellt sich das UCLA Symphony Orchestra, das bei den einfach strukturierten Songs diese Opulenz, diese Grandezza ausmacht. Gerade bei ruhigeren Titeln wie "The Endless Plain Of Fortune", wo John Cale vor allem zu einer in mol vorgetragenen, von seinem Klavier dominierten Melodie sinniert, sorgt das Orchester dafür, dass aus der Zurückhaltung der anderen Musiker schiere Wucht in den Refrain Einzug hält. Da kann man schon Gänsehaut kriegen. Wenn er dann auch noch Shakespeare's "Macbeth" zitiert, und dem Text einen leicht punkigen Rock'n'Roll verpasst, bleibt kein Auge mehr trocken.

Alles in allem ist "Paris 1919" das sicherlich zugänglichste Werk seiner Karriere. Nie zuvor und danach war er so leicht und bekömmlich. Und trotz der Schlichtheit der Songs ist die Platte von einzigartiger Schönheit. Vielleicht auch deshalb, weil die Platte nicht fordert, nicht zwingt, Hörgewohnheiten zu ändern. Man muss sich nicht umstellen, resp. auf John Cale einstellen, wenn man sich "Paris 1919" auflegt. Diese Platte passt immer. Am besten vorher Cat Stevens und danach John Martyn hören.

Lowell George - Guitar
Wilton Felder - Bass
Richie Hayward - Drums
John Cale - Vocals, Guitar, Keyboards

with The UCLA Symphony Orchestra