Jun 30, 2017


IAN CARR WITH NUCLEUS - Labyrinth (Vertigo Records 6360 091, 1973)

Ian Henry Randell Carr war ein britischer Jazztrompeter und Flügelhornist. Seit 1982 war er ausserordentlicher Professor für Jazz an der Guildhall School of Music and Drama. Carr erhielt als Kind Klavier- und Trompetenunterricht, bevor er von 1952 bis 1956 Literatur in Newcastle upon Tyne studierte; 1954 gewann er mit der Collegeband einen Preis beim jährlichen Jazzwettbewerb in Liverpool. Nach seinem Militärdienst trampte er zwei Jahre durch Europa, jobbte als Sprachlehrer und versuchte sich als Romanautor. Ab Ende 1959 gehörte Carr zunächst wie auch der Jazzgitarrist John McLaughlin zur EmCee 5, der Band seines Bruders, des Vibraphonisten und Pianisten Mike Carr. 1962 zog Ian Carr nach London, wo er zunächst bei Harold McNair spielte, von 1963 bis 1969 im Ian Carr-Don Rendell Quintett und mit dem New Jazz Orchestra unterwegs war. Anschliessend arbeitete er kurz mit John Stevens, Keith Tippett, Trevor Watts, aber auch mit Mike Westbrook und mit Eric Burdon zusammen.

In Mitteleuropa bekannt wurde er zunächst durch seine 1969 gegründete Band Nucleus, die als ein Pionier des Jazzrocks gilt, 1970 den ersten Preis auf dem Jazz Festival Montreux gewann, bis Mitte der 1980er Jahre bestand und weltweit tourte. Dort spielte er teilweise auch Keyboards. Seit 1975 war Carr auch festes Mitglied im United Jazz and Rock Ensemble. Er war 1987 auch als Solist der NDR Bigband tätig und zwischen 1989 und 1993 mehrfach auf Tourneen mit dem Ensemble von George Russell. Als Studiomusiker arbeitete er mit Nico, No-Man und Faultline. Mit John Taylor an der Kirchenorgel nahm er in der Southwark Cathedral 1993 eine Duoplatte auf. Carr war ausserdem Jazzkritiker für das BBC Music Magazine und Autor von Büchern über Keith Jarrett und Miles Davis, die zu den Klassikern der Jazzbiographien zählen, und Mitverfasser des Rough Guide Jazz. Mit Regisseur Mike Dibb schuf er die Fernsehfilme The Miles Davis Story (Emmy Award) und Keith Jarrett: The Art of Improvisation. Er gilt als eine der wesentlichen Triebkräfte der britischen Jazzszene. Auf der Trompete war Carr stark durch den mittleren (modalen) Miles Davis beeinflusst. Er war Mitglied der Royal Society of Music und wurde 1982 mit dem italienischen Calabria Award ausgezeichnet. Für sein Lebenswerk wurde er 2006 vom britischen Parlament (Parliamentary Jazz Awards“) ebenso wie von der BBC (BBC Jazz Awards) geehrt.

Die Band Nucleus war eine der ersten und erfolgreichsten Rockjazz-Gruppen Grossbritanniens. Sie spielte zunächst in einer Combo-Besetzung, wurde aber seit der dritten Platte im Studio gelegentlich bis zum Big Band-Format ausgedehnt. Mit einer erweiterten Besetzung präsentierte Carr 1973 in der Queen Elizabeth Hall die Uraufführung seiner zyklischen Komposition "Labyrinth". Auf der letzten regulären Platte der Gruppe war die Besetzung um ein Streichorchester erweitert worden. Nucleus führte vornehmlich Kompositionen von Carr auf; auf den ersten Platten fanden sich aber vor allem Kompositionen weiterer Gründungsmitglieder, beispielsweise von Karl Jenkins, Jeff Clyne oder Chris Spedding, die sich durch einen sehr dichten Sound auszeichnen. Nach eigenen Angaben hatte Carr mit Nucleus ein umfassendes pluralistisches Konzept verfolgt, in dem neben improvisierten Passagen auskomponierte, neben tonalen freie Teile standen, die in einem ausgewogenen Verhältnis von Spannung und Entspannung angeordnet waren.

Die Band Nucleus war regelmässig in Europa auf Tournee, wo sie auf Festivals wie dem Montreux Jazz Festival, aber auch in Jazzclubs und anderen Spielstätten auftrat; sie spielte aber auch auf dem Newport Jazz Festival. Nachdem Ian Carr im Jahre 1970, also bereits nach der Gründung seiner Band Nucleus, auch auf dem Album "Septober Energy" der über 50-köpfigen Gruppe Centipede, einem Projekt seines musikalischen Freundes Keith Tippett mitgewirkt hatte, erhielt er einen Plattenvertrag bei Vertigo Records. Noch 1970 erschien dort sein Nucleus-Debutalbum "Elastic Rock", für das der Musiker auch Kollegen aus dem Centipede Projekt in seine Band holte, allen voran den brillianten Gitarristen Chris Spedding, der später auch solo erfolgreich als Rockmusiker unterwegs war ("Motorbikin'", "Jump In My Car"). Ebenfalls noch im selben Jahr wirkte Ian Carr bei Neil Ardley's Projekt "Greek Variations & Other Aegean Exercises", zusammen mit Don Rendell mit. Die Plattenfirma Vertigo Records liess dem Musiker Ian Carr weitgehend Freiraum beim Gestalten seiner musikalischen Elaborate, weshalb sich seine frühen Nucleus-Veröffentlichungen teilweise stark unterscheiden. Der gewichtigste Teil seiner Arbeiten war den Improvisationsflächen vorbehalten, zumeist auch noch in einem anfänglich relativ unausgegorenen Verhältnis zwischen freier Jazz-Interpretation und klaren Rock-Strukturen. Mit der Zeit wurden die Songs jedoch konkreter, und im Jahre 1973 präsentierte er mit der LP "Labyrinth" seine bis dahin homogenste und quasi 'assimilierteste' Platte.

Zu den Sessions im März 1973 holte sich Ian Carr weitgehend neue Musiker, ausserdem war Chris Spedding aus der Band Nucleus ausgestiegen, um als Solokünstler weiterzuarbeiten. Das dadurch entstandene Fehlen eines Gitarristen kompensierte Carr indes nicht durch einen anderen Gitarristen, sondern arbeitete im Gegenteil mit nicht weniger als drei Keyboardern, und zwar einerseits mit zwei elektro Pianos, gespielt von Dave McRae (Fender Rhodes) und Gordon Beck (Hohner Electric Piano), ausserdem holte er sich mit dem noch jungen Paddy Kingsland einen Synthesizer-Spieler in die Gruppe, was zur Folge hatte, dass der Horn- und Keyboard-dominierte Sound auch erste Züge des später allgemein unter der Bezeichnung "Fusion" bekannten Mixes aus Jazz und Rock aufwies. "Labyrinth" bestand aus der Rhythmusgruppe Roy Babbington (Bass) und Clive Thacker (Schlagzeug), als zweiter Schlagzeuger wurde als Gastmusiker auch Tony Levin verpflichtet, der schon zuvor als Bandleader in Erscheinung getreten war und ausserdem in den Jazzformationen The Tubby Hayes Quartet und The Alan Skidmore Quartet mitgewirkt hatte. Die Horn-Sektion umfasste neben Ian Carr auch erneut den Flügelhornisten Kenny Wheeler, ausserdem den Saxophonisten und Flötisten Brian Smith, welcher ebenfalls bei Centipede und auch in der Band Ark von Keith Tippett mitgewirkt hatte, sowie den Saxophonisten und Klarinettisten Tony Coe, der bereits in den ausgehenden 50er Jahren aktiv war.

Mit Nucleus war Ian Carr noch viele Jahre aktiv, veröffentlichte weiterhin immer wieder stilistisch variierende Alben, so unter anderem "Roots" (1973), "Under The Sun" (1974), "Alleycat" (1975) und "Snakehips" Etcetera (1975) - alle für Vertigo Records, sowie die weiteren Werke "In Flagranti Delicto" (1977), "Out Of The Long Dark" (1978), "Awakening" (1980), "Live At The Theaterhaus" (1985) und "Old Heartland" (1988), alle auf unterschiedlichen Plattenlabels erschienen. Daneben veröffentlichte er auch weitere Soloalben, unter ihnen das 1974 erschienene "Will Power" mit Neil Ardley, Michael Gibbs und Stan Tracey. 1980 folgte "Collana Jazz 80" mit dem Algemona Quartetto, 1989 das Werk "Old Heartland", gefolgt von "Virtual Realities" (Zyklus, mit Warren Greveson, Neil Ardley und John L. Walters) im Jahre 1991 und 1993 das mit "Sounds And Sweet Airs (That Give Delight And Hurt Not)" zusammen mit John Taylor letzte Werk. Im August 2005 fand ein Teil früherer Mitglieder unter der Leitung von Geoff Castle noch einmal für ein Konzert zusammen. Während seiner letzten Lebensjahre litt Ian Carr an Alzheimer und lebte meist in Pflegeheimen. Er starb im Beisein seiner Tochter Selina und seines Freundes und Trompeterkollegen Kenny Wheeler am 25. Februar 2009 in London.





Jun 29, 2017


RAINBOW - Down To Earth (Polydor Records 2490 151, 1979)

Der vormalige Deep Purple Gitarrist Ritchie Blackmore gründete seine Band Rainbow im Jahre 1975. Er engagierte den Sänger Ronnie James Dio und drei weitere Musiker der kurz zuvor aufgelösten Rockband Elf aus New York City, die er durch einige gemeinsame Touren kannte. Blackmore nannte seine neue Hauptband zuerst Ritchie Blackmore’s Rainbow, später Blackmore’s Rainbow und seit dem Jahre 1977 nur noch schlicht Rainbow. Musikalisch setzte Blackmore den Hard Rock Deep Purples fort, mischte ihn aber mit Elementen aus der mittelalterlichen Musik und war insbesondere in den 70er Jahren stilbildend für den einige Jahre später aufkommenden Speed- und Power Metal. In den 80er Jahren spielten Rainbow vermehrt kommerzielleren Mainstream Hard Rock und Stadionrock. Die Band wurde 1984 von Ritchie Blackmore aufgrund der bevorstehenden Reunion von Deep Purple aufgelöst, 1994 von ihm erneut lanciert und 1997 zugunsten von Blackmore’s Night erneut aufgelöst. Im Jahre 2016 spielte die Band auch wieder ein paar Konzerte. Rainbow verkauften weltweit fast dreissig Millionen Alben und gehört damit zu den erfolgreichsten Rockbands der 70er und 80er Jahre.

Ende 1974 schlug Ritchie Blackmore seiner Band Deep Purple vor, den Song "Black Sheep Of The Family" (Im Original von Quatermass, 1970) zu covern. Da dies von seinen Bandkollegen abgelehnt wurde, beschloss er, den Song als Soloprojekt aufzunehmen. Für die Aufnahme rekrutierte er die New Yorker Band Elf um Sänger Ronnie James Dio, die bereits mehrfach als Vorgruppe für Deep Purple aufgetreten war. Als B-Seite für diese Single schrieben Dio und Blackmore den Song "Sixteenth Century Greensleeves" (in Anlehnung an das bekannte "Greensleeves"), der ihnen nach eigener Aussage noch besser gefiel, und es entstand die Idee, ein ganzes Album in dieser Besetzung aufzunehmen. Dieser Plan wurde im März 1975 im Keller des Münchner Arabella-Hauses auch umgesetzt, wo sich die Musicland Studios befanden. Während oben im Hotel Blackmore's Kollegen versammelt waren und sich auf die Tour vorbereiteten, nahm Blackmore im Keller des Hotels sein Soloalbum auf. Im April 1975 schliesslich entluden sich die Spannungen zwischen Blackmore und seinen Kollegen von Deep Purple dahingehend, dass Blackmore die Band verliess. Ohnehin mit der Entwicklung von Deep Purple nach dem Einstieg von Glenn Hughes und David Coverdale unzufrieden, hatte er nun Gelegenheit, sich mit seinem Soloalbum endgültig von der Band zu emanzipieren. Unter dem Titel "Ritchie Blackmore’s Rainbow" wurde im August 1975 das erste Rainbow-Album veröffentlicht.

Aus dem Soloprojekt Ritchie Blackmore’s Rainbow entstand schliesslich die Band Rainbow, wobei Blackmore noch vor Veröffentlichung des Debütalbums mit Ausnahme von Ronnie James Dio alle Bandmitglieder auswechselte. Diese Praktik behielt er während der gesamten Existenz von Rainbow bei, sodass kaum eine Besetzung länger als ein Album und eine Tour lang existierte. Die zweite Besetzung von Rainbow bestand neben Dio und Blackmore aus Cozy Powell (Schlagzeug), Jimmy Bain (Bass) sowie Tony Carey (Keyboards) und wird von vielen Fans als das klassische Line-Up bezeichnet. Diese Besetzung nahm im Februar und März 1976 das zweite Album "Rising" auf, das, wie zuvor schon das erste, im Münchner Musicland Studio eingespielt wurde. An den Aufnahmen nahmen auch die Münchner Philharmoniker teil. Die Songs dieses Albums setzten Masstäbe im Genre: "Stargazer", "Tarot Woman" und A Light In The Black" fielen durch die Gesangsleistungen von Ronnie Dio, aussergewöhnliche Songlängen von 6 bis 8 Minuten, die Hinzuziehung eines Orchesters, und durch konzertierende Soloeinlagen von Keyboard und Gitarre auf.

Nach der Veröffentlichung des zweiten Albums ging die Band in den Jahren 1976 und 1977 auf ihre erste ausgedehnte Tournee, auf der das später erschienene Livealbum "On Stage" mitgeschnitten wurde. Vorband auf dieser Tour waren die damals noch recht unbekannten AC/DC. Die ursprünglich für dieses Album in Deutschland mitgeschnittenen Aufnahmen erwiesen sich als ungeeignet für das LP-Format, da die Songs zu lang waren, daher spielten Rainbow auf der Japan-Tournee einige Lieder speziell für das Album etwas kürzer. Die Aufnahmen der Deutschland-Tournee wurden erst 1990 auf Doppel-CD mit dem Namen "Live In Germany" veröffentlicht. 1977 wurde, nunmehr mit Bob Daisley am Bass und David Stone an den Keyboards, auch das dritte Studioalbum "Long Live Rock’n’Roll" aufgenommen, das 1978 erschien. Durch die gewachsene Popularität der Band konnten sich von diesem Album auch erstmals Singles auf höheren Positionen in den Charts platzieren. Anders als bei "Rising" hatten die Stücke mehrheitlich typische Single-Längen, jedoch waren mit dem orientalisch anmutenden, im Soloteil ausufernden "Gates Of Babylon" und der Ballade "Rainbow Eyes" auch zwei überlange Stücke dabei, mit welchem die Vinylseiten je abschlossen. Letztlich kam es auch in dieser Besetzung wieder zu bandinternen Spannungen. Blackmore betrachtete Rainbow als sein eigenes Projekt. Ronnie Dio kam jedoch nicht mit Blackmore's Temperament und Egozentrismus klar und verliess daher 1978 die Band.

Zunächst stieg 1979 der Sänger Graham Bonnet in die Band ein. Bonnet war ein entfernter Cousin der Bee Gees und war bereits einige Jahre zuvor im Duo The Marbles mit dem Hit "Only One Woman" erfolgreich. Mit ihm kam auch Roger Glover in die Band, der zuvor schon mit Blackmore bei Deep Purple gespielt hatte. Glover übernahm zusätzlich die Rolle des Produzenten. Mit von der Partie war in dieser Besetzung auch der Keyboarder Don Airey, der zuvor schon bei Colosseum II von sich reden gemacht hatte und nach seiner Rainbow-Zeit noch quer durch die Crème der Hardrock-Welt reisen sollte (Michael Schenker Group, Gary Moore, Ozzy Osbourne und später auch Deep Purple). In dieser Besetzung wurde 1979 das Album "Down To Earth" veröffentlicht, das - anders als seine Vorgänger – mit "Since You Been Gone", geschrieben von Russ Ballard, und "All Night Long" auch zwei Hitsingles enthielt. Daneben gab es im abermals orientalisch beeinflussten "Eyes Of The World" und dem harten "Lost In Hollywood" die gewohnten langen Solodialoge zwischen Gitarre und Keyboards. Alles in allem war, auch durch Bonnets Gesang, die Platte durchaus noch gewohnt hart, oder besser gesagt definitiv härter als Rainbow's Erstling, andererseits wirkte die Produktion insgesamt glatter als die Vorgängeralben, woran auch der Bass von Roger Glover seinen Anteil hatte. Dieser fiel gerade im Vergleich zum zuvor rhythmisch stark variierenden, die anderen Instrumente zuweilen antizipierenden Daisley als doch sehr beat- und grundtonlastig auf. Letztlich waren bereits hier erste Annäherungen an den in den folgenden Alben doch recht deutlich eingeschlagenen Mainstream-Sound erkennbar.

Von April bis Juli 1979 versammelten sich nun die drei neuen Kollegen mit den beiden alten und bastelten an den Songs für's nächste Album. Es sollte ein Neustart der Band werden. Ritchie Blackmore strebte einen insgesamt mehr kommerziellen Rocksound an, um so mehr Singles verkaufen zu können. Sein Ziel war es, endlich ganz oben in den Charts zu erscheinen. Mit progressivem Rock sollte nun Schluss sein. Produziert wurde das Album von Roger Glover. Das mit den Charterfolgen funktionierte letztlich. Die beiden Singles-Auskopplungen "Since You Been Gone" und "All Night Long" gefielen gut und erreichten erste aussichtsreiche Platzierungen innerhalb der britischen Top Ten (Rang 5 und 6). Aber immer noch nicht war der Supererfolg in den USA in Sicht. Was der Fan auf "Down To Earth" letztlich zu hören bekam, war eine Mischung aus dem Rock-Album davor und ein Vorgeschmack auf das nachfolgende Album. Die Musik auf "Down To Earth" war teilweise massenverträglicher Poprock (wie zum Beispiel die beiden erwähnten Singles) und durchaus immer noch progressivem Rock. Hier sei vor allem das Stück "Eyes Of The World" erwähnt. Das Stück wäre auch mit Ronnie Dio gut vorstellbar gewesen. Auch "No Time To Lose" war eines der eindeutigen Highlights des Albums. Wie gut sich hier Graham Bonnet in die Band einfügte, war bemerkenswert. Auch die beiden Verschnaufpausen in Form der Titel "Makin’ Love" und "Love's No Friend" waren durchaus zwei Stücke der eher progressiveren Seite. Zum Abschluss schliesslich preschte die Band mit dem Stück "Lost In Hollywood" in ihre neue musikalische Zukunft, welche einerseits Härte, aber auch viel Melodiosität versprach.

Diese Zukunft ging dann allerdings ohne den Ausnahmesänger Graham Bonnet weiter. Der startetet später mit der Band Alcatrazz (Yngwie Malmsteen) neu durch. Er passte, wohl nicht nur wegen seines Kurzhaarschnittes, letztlich doch zu wenig gut in das Blackmore-Leitbild der Band. Hörte man Graham Bonnet live singen, so war er schon ein würdiger Nachfolger für Ronnie Dio. Er klang zwar nicht so wie er, konnte aber die Titel des Abschnittes davor relativ gut wiedergeben. Sein Nachfolger hatte da leider grössere Probleme. Der Schlagzeuger Cozy Powell stieg dann nach Graham Bonnet ebenfalls aus der Band aus. Bis zu seinem Tod am 5. April 1998 spielte er noch bei verschiedensten Bands wie der Michael Schenker Group, Whitesnake, Gary Moore und weiteren mit. "Down To Earth" war letztlich in der Historie von Rainbow ein Album wie kein anderes, konnte der Hörer hier doch sehr gut eine musikalische Übergangsphase erleben. Mit ein wenig Kenntnissen über die Band und auch über die Bestrebungen von Ritchie Blackmore, hörte man hier schon Trends, welche die Band dann in den späteren Jahren hörbar veränderte. Bei Whitesnake wurde deren Werk "Slide It In" zum selben Zweck gleich zweimal eingespielt und abgemischt. Wieder einmal zeigte sich hier die Überlegenheit von Ritchie Blackmore, der immer genau wusste, wie er klingen wollte.

Während der Aufnahmen zum kommenden Album wurde Graham Bonnet durch den Amerikaner Joe Lynn Turner ersetzt. Blackmore hoffte, mit einem amerikanischen Sänger auch auf dem US-Markt Erfolg zu haben. Mit Turner wurden, wieder mit ansonsten wechselnden Besetzungen, die drei Alben "Difficult To Cure" (1981), "Straight Between The Eyes" (1982) und "Bent Out Of Shape" (1983) eingespielt. Die Musik dieser Alben entwickelte sich teilweise in Richtung radiotauglichem Mainstream-Rock, für deren Komposition Blackmore häufiger auf die Hilfe bekannter Auftragssongwriter wie Russ Ballard zurückgriff. Aus dieser Zeit stammte mit "I Surrender" (vom Album "Difficult To Cure") auch der erfolgreichste Song der Band, der in Grossbritannien Platz 3 in den Single-Charts erreichte und von Russ Ballard komponiert worden war. Eine weitere Besonderheit dieser Phase stellte jedoch auch der Titelsong von "Difficult To Cure" dar, der eine instrumentale Bearbeitung des Schlusssatzes 'Ode an die Freude' aus Beethovens 9. Sinfonie darstellte. Obwohl die Band nun in den USA etwas höhere Chartplatzierungen erreichte, blieb der erhoffte grosse Durchbruch in Amerika dennoch aus. Blackmore war wieder einmal mit der Gesamtsituation unzufrieden und versuchte erfolglos, Ian Paice und Ian Gillan von Deep Purple zu einem Einstieg zu bewegen. Nach dem letzten Konzert der 'Bent Out Of Shape'-Tour im März 1984 in Tokio löste Blackmore die Band vorerst auf und reformierte zusammen mit Roger Glover die erfolgreiche Mk II-Besetzung von Deep Purple.




Jun 28, 2017


ALEXIS KORNER'S ALL-STARS - Blues Incorporated 
(Transatlantic Records TRA SAM 7, 1969)

Alexis Korner, am 19. April 1928 in Paris als Alexis Andrew Nicholas Koerner geboren, war ein englischer Bluesmusiker, der heute als Schlüsselfigur der britischen Bluesrockszene der 60er Jahre gilt. In seiner Band Blues Incorporated spielten viele spätere britische Berühmtheiten, wie zum Beispiel Mick Jagger, Ginger Baker, Dick Heckstall-Smith, Charlie Watts, Cyril Davis, Jack Bruce, Brian Jones, Duffy Power und viele weitere. In den 70er Jahren war er mit einer Big Band unterwegs und beschäftigte sich immer auch mit anderen Dingen, blieb aber dem Blues ein Leben lang treu. Auch die deutsche Bluesszene hatte er erheblich mitgeprägt, so arbeitete er zum Beispiel mit Klaus Doldinger und der Frankfurt City Blues Band zusammen. Aber auch andere europäische Länder, wie etwa Dänemark, wo er mit Peter Thorup, den Young Flowers und anderen arbeitete, erfuhren durch Alexis Korner einen Bluesboom. Korner wuchs multikulturell auf: Sein Vater war ein jüdischer österreichischer Kavallerieoffizier, seine Mutter eine Griechin. Die Familie lebte in der Schweiz, in Frankreich und Nordafrika und floh zu Beginn des Zweiten Weltkrieges mit einem der letzten Schiffe nach England, wo Korner ab Mitte der 40er Jahre als Amateur bei Chris Barbers Band das Banjo spielte. Er sprach unter anderem Deutsch. Alexis Korner gilt als einer der wichtigsten Vertreter des Blues-Revivals Anfang der 60er Jahre. Der Melody Maker bezeichnete ihn auch als Vater des britischen Blues. Zudem wurde er, wie auch John Mayall, Vater des weissen Blues genannt. 1947 und 1948 war er als Soldat Alec Korner in Hamburg stationiert. Dort betreute er das Schallplattenarchiv des BFN und moderierte Musiksendungen für den BFN; auch spielte er in Jazzlokalen in Hamburg. Ausserdem moderierte er von Mitte bis Ende 1948 die Sendung Jazz Studio beim NWDR, die aber wegen Zuschauerprotesten eingestellt wurde (der Einbezug des Bebop missfiel einigen Hörern). Ende der 40er Jahre spielte Alexis Korner als halbprofessioneller Musiker in der Jazzband von Chris Barber. Anfang der 50er Jahre spielte er in diversen Londoner Skiffle-Bands. 1954 entstanden erste Aufnahmen mit ihm bei Ken Colyer, 1958 entstanden Aufnahmen mit seiner Skiffle-Band für Tempo Records ("Blues From The Roadhouse"). Bei Chris Barber lernte er den Mundharmonikaspieler und Bluesfan Cyril Davies kennen.

Mit Cyril Davies zusammen gründete er die von 1961 bis 1967 bestehende Gruppe Blues Incorporated. In ihr spielten und sangen Persönlichkeiten wie Brian Jones, Mick Jagger, Charlie Watts, Danny Thompson, Jack Bruce, Ginger Baker, Eric Burdon, Graham Bond und Dick Heckstall-Smith, die zu Keimzellen von Gruppen wie den Rolling Stones, Cream, den Animals, Manfred Mann's Earth Band oder Colosseum wurden. Blues Inc. traten oft in der BBC auf und waren mit Cyril Davies’ All Stars zusammen die erste europäische Bluesband, die elektrisch verstärkt spielte. 1963 verliess Davies die Band, um sich mehr dem Blues zu widmen, da Korner einen Bläsersatz in die Band geholt hatte und die Musik für Davies zu jazzig geworden war. Anschliessend rief Korner mit Cliff Barton, Victor Brox, Gerry Conway, Marsha Hunt, Hughie Flint und Binky McKenzie die Gruppe Free At Last ins Leben, die nur wenige Monate lang existierte. Danach trat er mit Brox im Duett auf - und mit Robert Plant und Pianist Steve Miller im Trio. 1968 folgte mit dem dänischen Sänger Peter Thorup und dessen Band The Beefeaters eine Skandinavien-Tour. Nach der Rückkehr nach England realisierte Korner mit seiner Tochter Sappho, mit Thorup, Nick South, Ray Warleigh, Annette Brox, Per Frost und Colin Hodgkinson die New Church, die 1969 das legendäre Konzert der Rolling Stones (zu Ehren des verstorbenen Brian Jones) im Londoner Hyde Park eröffnete.

Der Einfluss von Blues Incorporated wurde oft unterschätzt, prägte sie doch die Musik der 60er Jahre wesentlich mit und war Brutstätte für Bands wie die Rolling Stones, die Animals, John Mayall's Bluesbreakers oder Free. Die Bluesfans Korner und Davies hatten bereits früher zusammengearbeitet und ein eigenes Musiklokal aufgemacht, den London Blues und Barrelhouse Club. Zunächst spielte die Gruppe im Ealing Rhythm & Blues Club, der im Untergeschoss eines Teeladens lag, direkt an der Londoner U Bahn-Station Ealing Broadway. Ab Mai 1962 trat die Band regelmässig im Marquee Club auf, das erste Mal vor 127 Gästen. Aber schon vier Monate später wurden dort an jedem Blues-Donnerstag mehr als 1000 Besucher gezählt. Das im Juni 1962 eingespielte und im November darauf veröffentlichte Debütalbum von Blues Incorporated trug zwar den Titel "R&B From The Marquee", wurde aber in den Decca Studios im Londoner Stadtteil West Hampstead aufgenommen. Als Korner den Hammondspieler und Saxofonisten Graham Bond dazu holte, verliess Davies die Band. Blues Incorporated hatte zunächst neben Eigenkompositionen klassische Bluesnummern von Muddy Waters, Jimmy Witherspoon, Leroy Carr, Ma Rainey oder Willie Dixon im Repertoire, nahm aber später auch Stücke von Ray Charles, W. C. Handy, Charles Mingus und Herbie Hancock auf. Stilistisch zwischen Jazz, Rockmusik und Rhythm'n'Blues angesiedelt, wurde Blues Incorporated zu einer Brutstätte für Musikerkarrieren im Bereich der Rock- und Jazzmusik. Insbesondere in den Anfangsjahren wechselte die Besetzung häufig; dies wurde dadurch begünstigt, dass sich die Band auf Live-Auftritte konzentrierte und einen Kranz von Musikern rund um die Band zu Sessions einlud. Die letzten Besetzungen mit der später zur Folkjazz-Gruppe Pentangle wechselnden Rhythmusgruppe Danny Thompson und Terry Cox waren hingegen recht beständig. 1967 löste Korner die Band auf, trat aber im August 1968 noch einmal unter diesem Namen für die BBC auf. Zu den Bands, die aus Blues Incorporated hervorgingen, zählten die Animals, die Graham Bond Organisation, die Gruppe von Manfred Mann und vor allem die Rolling Stones. Korner's Band trug sowohl zu einem Blues-Revival in Europa bei als auch zur Ausbildung einer auf dem Blues basierenden britischen Variante der Rockmusik.

1969 veröffentlichte Alexis Korner unter dem Namen "Alexis Korner's All Stars" ein Album für das Plattenlabel Transatlantic Records, das eher für Folkveröffentlichungen bekannt war. Korner versammelte hier eine Armada von hervorragenden und bekannten Musikern aus allerlei musikalischen Welten zu einem von Nathan Joseph produzierten Werk, das aufgrund der Bläsereinsätze eher einen jazzrockigen Anspruch hegte, insgesamt aber auch dem Blues zugeschrieben wurde. 1969 war die Blütezeit des britischen Blues Booms bereits am abebben, jedoch wurden hier durchaus auch Parallelen erkennbar zu John Mayall's Bluesbreakers, der sich zu jener Zeit ebenfalls verstärkt dem Jazzrock zuwandte, auch konnte man diese Musik etwa mit dem Musiker-Duo Jon Mark und Johnny Almond vergleichen, welche beide zuvor auch bei den Bluesbreakers gespielt hatten. Das Album bot vorwiegend Adaptionen bekannterer und unbekannterer Blues-Standards, die durch Alexis Korner's Adaptionen einen jazzigeren Anstrich verpasst erhielten. Eine äusserst interessante Mischung, wie etwa B.B. King's "Woke Up This Morning", T-Bone Walker's "Stormy Monday" oder Graham Bond's "It's Happening" zeigten. Am jazzigsten gerieten nicht überraschend die bereits von Jazzmusikern im Original geschriebenen Stücke "Haitian Fight Song" von Charles Mingus und "Jones" von Duke Ellington.

Zu den Mitwirkenden bei den Aufnahmen zum Album gehörten unter anderem Dave Castle, Danny Thompson, Barry Hoxten, Ron Edgeworth, Art Theman und Herbie Goins. Als Gastmusiker wirkte Dick Heckstall-Smith mit, der sein Saxophon bei "Chicken Shack", "Skippin'" und "Herbie's Tune" spielte. 1970 gründeten Alexis Korner, der dänische Musiker Peter Thorup, der Produzent Mickie Most und der Songschreiber John Cameron die Gruppe C.C.S.: Vom Blues inspirierter Big Band-Sound traf auf Rockmusik. Mit C.C.S. erhielt Korner zumindest für kurze Zeit sogar bei einem breiteren und eher Rock-orientierten Publikum Anerkennung. Eine Cover-Version von "Whole Lotta Love" von Led Zeppelin war der erste Erfolg. 1973 löste sich die Band auf und Korner und Thorup gründeten mit Boz Burrell, Mel Collins und Ian Wallace (alle von King Crimson) die Band Snape, von der später die Platte "Live On Tour In Germany" mit Aufnahmen aus dem Jahre 1973 erschien. Im September 1970 war Alexis Korner ausserdem der Moderator beim 'Love and Peace' Festival auf der Insel Fehmarn.

Anschliessend arbeitete Korner, abgesehen von einer intensiven und langjährigen Zusammenarbeit mit Colin Hodgkinson als Alexis & Colin nur noch in kurzfristigen Projekten. Auf seinen nachfolgenden Soloalben erhielt er Unterstützung von zahlreichen Musikern aus dem Rock- und dem Jazzlager. Am Album "Get Off Of My Cloud", das 1975 erschien, waren unter anderem Peter Frampton, Nicky Hopkins und Steve Marriott beteiligt. Auf dem "Party Album" zu seinem 50. Geburtstag versammelte er 1978 noch einmal die Bläser aus der Blues Incorporated, etwa John Surman, Alan Skidmore, Art Themen oder Chris Pyne. 1981 formierte Korner die Gruppe Rocket 88, von der auch das gleichnamige Album stammte, das live in Deutschland mit dem mobilen Aufnahmestudio der Rolling Stones aufgezeichnet wurde. Seinen letzten öffentlichen Auftritt hatte Alexis Korner am 20. August 1983 in Eindhoven. Im Dezember 1983 entstanden seine letzten Aufnahmen bei der BBC, die auf der Anthology "Kornerstoned" enthalten sind. Da Korner gegen Ende des Jahres 1983 über starke Kopfschmerzen klagte, wurde er ins Krankenhaus eingeliefert, wo jedoch nichts festgestellt werden konnte. Im Krankenhaus machte er nur wenige Tage vor seinem Tod letzte Aufnahmen auf einem Tonbandgerät, die aber bis heute auf Wunsch der Familie unveröffentlicht blieben. Am 1. Januar 1984 verstarb Alexis Korner, der starker Raucher gewesen war, in London an Tumoren in Lunge und Gehirn. Als Reaktion organisierten einige seiner Schützlinge ein Memorial-Konzert mit vielen namhaften Musikern aus Korners Umfeld, das auch auf LP erschien.





Jun 27, 2017


STATUS QUO - Piledriver (Vertigo Records 6360 082, 1972)

Status Quo wurden bereits in den frühen 60er Jahren gegründet und zählen zu den erfolgreichsten und langlebigsten Rockgruppen. Insgesamt hat die Band mehr als 30 Studioalben, mehrere Livealben und fast 100 Singles veröffentlicht. Zu den bekanntesten Stücken zählen "What You're Proposing", "Down Down" und "Whatever You Want". Auch mit Coverversionen anderer Künstler waren Status Quo äusserst erfolgreich. Ihre Versionen von "Rockin’ All Over The World" und "In the Army Now" sind vermutlich bekannter als die Originalfassungen. Der erste Hitparadenerfolg gelang der Gruppe im Jahre 1968 mit der Single "Pictures Of Matchstick Men". Über die Jahre hat die Band nach eigenen Angaben fast 120 Millionen Platten verkauft. Status Quo ging aus einer Londoner Schülerband um Francis Rossi und Alan Lancaster hervor, die zu Beginn des Jahres 1962 als The Scorpions gegründet wurde. In den ersten Monaten mussten häufige Besetzungswechsel hingenommen werden. Auch der Bandname wurde in The Spectres geändert. Das Jahr 1962 wurde in verschiedenen Quellen und auch von der Band selbst lange Zeit als das Gründungsjahr genannt. Schliesslich feierte man offiziell 1982 mit dem Album "1+9+8+2" (die Quersumme ergibt 20) den zwanzigsten Geburtstag. Bis 1964 bildete sich eine feste Besetzung heraus, zu der neben Rossi und Lancaster auch der Schlagzeuger John Coghlan und etwas später der Keyboarder Roy Lynes zählten. Manager der Band war Pat Barlow, ein Londoner Gas-Installateur. Dieser stellte den Musikern auch einen Proberaum zur Verfügung.

1965 trafen sich die Band und Rick Parfitt in Butlins Minehead, einem Ferienclub, in dem die Spectres und die Highlights auftraten. Parfitt war damals mit den Zwillingsschwestern Jean und Gloria Harrison auf Tournee. Das Trio hiess The Highlights und trat mit einer Mischung aus Musik und Kabarett auf. Die Band und Parfitt freundeten sich an und blieben nach Ende des Engagements in Kontakt. Dies war der eigentliche Anfang von Status Quo. The Spectres nahmen jede Gelegenheit wahr, um aufzutreten, ob in kleineren Clubs, als Vorgruppe von bekannten Gruppen wie beispielsweise den Hollies oder bei einem der vielen Pop- und Beatabende. Ansonsten gingen die Bandmitglieder Teilzeit-Jobs nach (Rossi beispielsweise mähte Rasen). Unzufrieden mit der Situation arbeiteten The Spectres weiter an ihrem grossen Ziel, einen Plattenvertrag zu erhalten. Im Juli 1966 schliesslich ermöglichten die Kontakte von Barlow einen Teilerfolg: The Spectres erhielten einen Plattenvertrag für fünf Jahre bei Piccadilly Records (einem Tochterlabel von Pye Records). 1966 wurden zwei erfolglose Singles veröffentlicht, "I (Who Have Nothing)" und "Hurdy Gurdy Man" (die als einzige davon in Deutschland erschien). Auch die dritte Single "(We Ain’t Got) Nothing Yet" im Februar 1967 floppte. Nach diesen Tiefschlägen stand die Gruppe an einem Scheidepunkt. Manager Pat Barlow beschloss, es unter einem neuen Namen zu versuchen. Die Band entschied, sich in Traffic umzubenennen. Da zu dieser Zeit Steve Winwood eine Formation gleichen Namens gründete, wurde der Bandname kurze Zeit später in Traffic Jam geändert. Unter diesem Namen wurde im Juni 1967 eine weitere Single "Almost But Not Quite There" veröffentlicht, die zwar nicht in den Hitparaden, aber doch bei der BBC für Aufmerksamkeit sorgte. Aufgrund des möglicherweise anstössigen Textes (er enthielt sexuelle Wünsche einer Frau) verbot der Sender die Radioausstrahlung der Single.

Rick Parfitt, der 1967 nach dem Ende seines Engagements mit The Highlights nach London zurückgekehrt war, blieb in ständigem Kontakt zur Band, vor allem über seinen Freund Francis Rossi. Er arbeitete zeitweise als Angestellter, ohne genau zu wissen, was er nun mit seinem Leben machen sollte. Da der erhoffte Erfolg trotz Plattenvertrags ausblieb, schlug Pat Barlow der Band vor, einen zweiten Gitarristen in die Band aufzunehmen. Die Wahl fiel auf Rick Parfitt, der das Angebot sofort annahm. Nach dem Radioboykott der neuen Single durch die BBC und auch wegen der Reibereien mit Steve Winwood wurden Überlegungen angestellt, den Bandnamen abermals zu ändern. Nachdem The Muhammed Alis in die engere Auswahl gezogen wurde, brachte Barlow den Namen Quo Vadis ein, den er im Innenteil eines Schuhs zufällig entdeckt hatte. Die Band gab sich schliesslich den Namen The Status Quo, der kurz darauf via Presseerklärung publik gemacht wurde.

Die nächste Single im November 1967 fiel unter der Entscheidung: Jetzt oder nie. Francis Rossi war von Jimi Hendrix' "Hey Joe" sehr inspiriert, und das neue Werk sollte etwas in dieser Richtung sein. So wurde der Song "Gentlemen Joe’s Sidewalk Cafe" (das Original stammte von Kenny Young) im Studio aufgenommen. Die B-Seite dieser Single war der von Rossi geschriebene Titel "Pictures Of Matchstick Men", eine pseudo-psychedelische Nummer aus der beginnenden Flowerpower Pop Ära. Schon bald stellte sich heraus, dass dieses Lied sich viel besser als die A-Seite darstellte und zudem glänzend in den Psychedelic-Musiktrend passte. Es stieg in den Top-Ten in Grossbritannien auf Platz 7 und verschaffte der Gruppe den bis heute einzigen Hit in den USA. Als Lizenznehmer von Pye wurde die Single in den USA auf Cadet Records, einem Label von Chess Records, veröffentlicht. Die folgenden Titel erreichten nicht annähernd diesen Erfolg. Auch in Deutschland war es der erste Titel, der The Status Quo bekannt machte und in der Hitparade auf Platz 7 kletterte. Als Co-Manager und vor allem Geldgeber fungierte seit Mitte/Ende 1967 Joe Bunce, ein Tapeziermeister und Freund von Pat Barlow.

Das Jahr 1968 brachte für Status Quo einige kleinere Erfolge: Eine weitere in den Hitparade platzierte Single ("Ice In The Sun"), Konzerte und Auftritte bei verschiedenen Fernsehsendern, darunter auch im Beat Club des deutschen Fernsehens mit "Ice In The Sun". Ihr erstes Album "Picturesque Matchstickable Messages Of The Status Quo" erschien ebenfalls 1968. Bei der Jahresumfrage des Record Mirror wurden The Status Quo auf Platz 12 der vielversprechendsten Bands des Jahres gewählt. Ab März 1969 wurde der Name auf Status Quo verkürzt. Verschiedene musikalische Aha-Erlebnisse (unter anderem der "Roadhouse Blues" von den Doors) sowie die grossartigen Publikumsreaktionen, wenn die Band in Konzerten improvisierte, führten zu einer mehr Blues- und boogieorientierten Spielart. Die Carnaby Street-Verkleidungen der psychedelischen Ära wurden eingemottet. Die Band trat in den Clubs und Hallen nur noch in normaler Strassenkleidung mit Jeans und T-Shirt auf. Grund für diese Entwicklung war allerdings auch, dass den beiden Hitsingles keine weiteren folgten. Für Konzertveranstalter der Hit-Tourneen wurden Status Quo damit zunehmend uninteressanter. In der Folge wurde auch die Zusammenarbeit mit Pat Barlow beendet. Neu zur Band stiess hingegen Bob Young. Ursprünglich als Roadie vorgesehen, wurde er schnell zum inoffiziellen Bandmitglied, da er als Co-Autor an diversen Stücken mitschrieb und auch als Musiker (Mundharmonika) mitwirkte.

Ende 1970 verliess der Keyboarder Roy Lynes die Band, die fortan als Quartett einen reinen, gitarrenbetonten Bluesrock entwickelte, der einen sehr treibenden Boogie Woogie-Rhythmus zur Grundlage hatte. Mit dem 1971er Album "Dog Of Two Head" fand die Band schliesslich die musikalische Formel, die sie in den Folgejahren nur noch behutsam veränderte. Trotz der wieder stark ansteigenden Zahl der Fans blieben die Plattenverkäufe zunächst unbefriedigend. Die Band wurde vom Pye-Label zum Psychedelic Rock gezwungen, weil das Label in dieser Musik die einzige Chance sah, Geld zu machen. Status Quo war jedoch eine Rock-Band und entschied sich daher selbst, das Label zu verlassen. Sie nahmen damit ein grosses Risiko auf sich, wie Rick Parfitt immer wieder betonte, und verdienten anfangs kaum etwas. Mit dem Wechsel zum progressiven Vertigo-Label kam aber bald der kommerzielle Erfolg. Mit Hits wie "Caroline", "Down Down", "Roll Over Lay Down" oder "Wild Side Of Life" etablierte sich die Band Mitte der 70er-Jahre, unterstützt durch unablässige Tourneen. Als Band ohne Skandale mit einfachem Sound wurden sie weltbekannt. Während in den Single-Hitparaden "Down Down" die einzige britische Nummer 1 der Bandgeschichte war, gelang diese Platzierung in den Album-Charts mehrfach. Ebenfalls sehr erfolgreich verliefen die Tourneen in Grossbritannien, Kontinentaleuropa, Japan und Australien. Trotz mehrerer Anläufe schaffte es Status Quo nicht, in Nordamerika erfolgreich zu sein. Wiederholte Wechsel der US-Plattenfirma und zahlreiche Tourneen blieben weitgehend wirkungslos.

Aus heutiger Sicht gelten die Jahre 1972 bis 1976 als die stärkste Phase der Band. Mit dem Album "Piledriver" gelang der Übergang vom Psychedelic-Rock zum Hard Rock, der 1974 im Album "Quo" gipfelte. "Piledriver" war das fünfte Studioalbum der Band und es klang wesentlich tighter und roher als ihre bisherigen Alben. Insbesondere gegenüber des Vorgängers "Dog Of Two Head" war "Piledriver" eine Steigerung um 100 Prozent. Der druckvolle und kräftige Hard Rock Sound, den die Gruppe hier präsentierte, war aufgrund des im Tonstudio verwendeten Equipments entstanden: Anstelle von teuren Studioverstärkern und Gerätschaften, schleiften die Musiker ihr brachiales Live-Equipment ins Studio und drehten die Regler bis zum Anschlag auf. Die Folge war ein vor Kraft strotzendes Hard Rock Album von ungewöhnlicher Dynamik, das der Gruppe einen ausgesprochenen Achtungserfolg bescherte. Die vorab veröffentlichte Single, der Rock'n'Roll-Song "Paper Plane" landete zwar noch nicht in den vordersten Rängen der Charts, galt aber für viele Fans bereits als die Initialzündung zu einer grossen Karriere, die nun einen mächtigen Schub erhalten hatte. Trotz aller Härte, beispielsweise der Tracks "Big Fat Mama", "Don't Waste My Time" oder der hervorragenden Doors-Adaption "Roadhouse Blues" präsentierte die Band hier auch ruhigere Titel wie das bluesige "Unspoken Words", das melancholische "A Year" oder das leicht poppige "All The Reasons". Es ist durchaus so, dass man, wenn man sich das spätere Oeuvre der Band angehört hatte, oft wieder zurück zur "Piledriver" griff, um den typischen, Boogie-infizierten Hard Rock anzuhören, als er noch nicht "amtlich" klang, sondern roh und ungehobelt mitten in den Bauch drückte. Denn bereits auf dem Folgealbum "Hello!" zeigte sich die Gruppe bei allem Boogie Rock doch schon sehr kommerziell und etwas glattgestrichen im Sound. Am härtesten fiel danach das Album "Quo" aus, aber da waren Status Quo bereits einer der Top Acts im Rockbereich geworden.


In den Folgejahren dominierte dann dieser typische Boogie-Rock, für den die Band bis heute bekannt ist. Der Musik-Stil wurde insgesamt kommerzieller. Nach dem Album "On The Level" von 1975 kam es zu personellen Veränderungen: 1976 stiess der Keyboarder Andy Bown zu Status Quo. Bown war gemeinsam mit Peter Frampton in den 60er-Jahren bei The Herd aktiv und ein gefragter Studiomusiker, unter anderem für Pink Floyd, Tim Hardin und 1973 auch für das Status Quo-Album "Hello!". Andy Bown unterstützte die Band auf dem 1976 erschienenen Album "Blue For You" zwar lediglich bei drei Stücken, ging aber anschliessend mit der Band auf den europäischen Teil der Tour, die auf dem 1977 veröffentlichen Album "Status Quo Live" dokumentiert war. Aufgezeichnet wurden für dieses Album drei Konzerte im Apollo-Theater in Glasgow. Die lediglich in Japan erschienene LP "Tokyo Quo", eine in Tokio mitgeschnittene Aufnahme der gleichen Tournee, wurde bis zu seiner Wiederveröffentlichung erst viele Jahre später zu einem raren Sammlerstück. Es war zugleich die letzte Tournee der Band als Quartett.

Ab dem folgenden Album "Rockin’ All Over The World" war Bown an allen Aufnahmen beteiligt. Erst gegen Ende der Sessions nahmen sie auf Vorschlag von Rick Parfitt den Titelsong des Albums, "Rockin’ All Over The World", eine Coverversion eines Stücks von John Fogerty aus dem Jahr 1975, auf, das zu einem der bekanntesten Hits der Band wurde. Mit "Whatever You Want" aus dem 1979 erschienenen gleichnamigen Album schrieb Bown gemeinsam mit Rick Parfitt einen der grössten Hits von Status Quo. Etwa zur selben Zeit entschieden sich Status Quo, erstmals seit 1970 wieder mit einem Produzenten zusammenzuarbeiten. Roger Glover von Deep Purple produzierte 1976 die Single "Wild Side Of Life", während in den folgenden Jahren Pip Williams mehrfach am Mischpult Platz nahm. Inoffizielles Bandmitglied von 1970 bis 1980 war der Tourmanager Bob Young, der gemeinsam mit Francis Rossi und Rick Parfitt als Co-Autor sowie als Musiker an vielen Stücken beteiligt war. Er verliess die Band zwar im Jahre 1980, kehrte jedoch mit dem "Heavy Traffic" Album im Jahr 2002 als Co-Komponist zurück. Statt Bob Young trat zunehmend Bernie Frost als Songwriting-Partner von Francis Rossi in Erscheinung. Frost wirkte insbesondere in den 80er-Jahren auch bei den Plattenaufnahmen als Sänger im Hintergrund mit. Im Gegensatz zu Young stand er live jedoch nicht mit auf der Bühne.

Der langanhaltende Erfolg brachte auch Probleme. Aus steuerlichen Gründen verliessen die Musiker Grossbritannien und siedelten um auf unterschiedliche Steueroasen, unter anderem die britischen Kanalinseln und die Isle of Man, wie im Stück "Living On An Island" beschrieben. Dies und zunehmende Drogenprobleme führten zu einer Entfremdung der Musiker. Ende 1981 verliess Gründungsmitglied John Coghlan die Band. Pete Kircher ersetzte ihn am Schlagzeug. John Coghlan konzentrierte sich fortan auf sein Band-Projekt Diesel. Heute trommelt er gelegentlich mit seiner neuen Band John Coghlan’s Quo oder für die King Earl Boogie Band. Gleichzeitig mit dem Einstieg von Pete Kircher wurde auch der langjährige Keyboarder Andy Bown als offizielles Bandmitglied vorgestellt. Einen grossen Auftritt hatte die neu formierte Band im Mai 1982, als sie in Birmingham ein Konzert in Anwesenheit von Prinz Charles gab, das live von der BBC im Fernsehen und im Radio übertragen wurde. Die Aufnahme des Auftritts wurden später als "Live At The N.E.C." als Album veröffentlicht. 1984 verabschiedeten sich Status Quo mit der erfolgreichen Europatournee 'End of the Road' von ihrem Publikum. Offiziell wurde als Grund bekanntgegeben, sich fortan um Soloprojekte kümmern zu wollen. Ein wichtiger Grund für den Rückzug waren jedoch Unstimmigkeiten zwischen Francis Rossi und Alan Lancaster, der sich vom musikalischen Konzept der Gruppe zunehmend distanzierte. Auch war Lancaster mittlerweile nach Australien umgesiedelt, was eine enge Zusammenarbeit praktisch ausschloss. Eine offizielle Trennung war damit aber nicht verbunden, da ausdrücklich weitere Plattenveröffentlichungen angekündigt wurden.


1985 spielte die Formation mit Lancaster und Kircher noch einmal zur Eröffnung des Live-Aid-Konzerts in London. Eine Fortsetzung der Arbeit wurde geplant, kam aber nicht zustande. Alan Lancaster und Rossi und Parfitt stritten sich um die Namensrechte der Gruppe, da Lancaster zusammen mit australischen Kollegen eine neue Formation unter altem Namen bilden wollte. Rossi und Parfitt wollten ebenfalls weiter als Status Quo veröffentlichen und auftreten. Der Oberste Gerichtshof des Vereinigten Königreichs vergab die Rechte schliesslich an Rossi und Parfitt, da diese in der Öffentlichkeit mehr mit dem Namen Status Quo identifiziert wurden als Alan Lancaster. Nach dem endgültigen Ausstieg von Lancaster wurde der Geburtstag der Gruppe, der sich bisher auf die Gründung von The Spectres im Jahre 1962 bezog, auf das Jahr 1965 umdatiert. Dies bezog sich auf das erste Kennenlernen von Francis Rossi und Rick Parfitt als jugendliche Profi-Musiker in Butlins Holiday-Camp. Alan Lancaster schloss sich der australischen Band The Party Boys an, während Pete Kircher sich aus dem Musikgeschäft zurückzog. The Party Boys waren in Australien recht erfolgreich, allerdings wurde die Band in Europa kaum wahrgenommen.

1986 präsentierte die Gruppe sich nach dem Weggang von Alan Lancaster und Pete Kircher in einer neuen, verjüngten Besetzung. Rossi, Parfitt und Bown erhielten Unterstützung von John Edwards am Bass und Jeff Rich am Schlagzeug. Edwards und Rich waren zuvor gemeinsam mit Rick Parfitt im Studio gewesen, um dessen unveröffentlichtes Soloalbum "Recorded Delivery" aufzunehmen. Das Album "In The Army Now" wurde ein grosser Erfolg, die gleichnamige Single (eine Coverversion der Aufnahme von Bolland & Bolland) die erfolgreichste der Band. Zwei Lieder wurden von Dave Edmunds, die übrigen Aufnahmen von Pip Williams produziert. In den Folgejahren wurde es ruhiger um Status Quo, wenngleich mit "Burning Bridges" und "The Anniversary Waltz" zwei weitere Top Ten Hits in England geschaffen wurden. Die Inspiration zu "Burning Bridges", das an irische Jigs und Reels erinnerte, holte sich die Band der Legende nach beim Blockflötenspielen von Andy Bown's Tochter.

Status Quo veröffentlichen zum 30-jährigen Bandjubiläum 1996 mit "Don’t Stop" ein vielbeachtetes und in England sehr erfolgreiches Album mit Coverversionen alter Rockhits, bei denen unter anderen The Beach Boys ("Fun, Fun, Fun"), Brian May und Maddy Prior von Steeleye Span ("All Around My Hat") mitwirkten. Das Konzept der im Quo-Stil aufgefrischten Rockklassiker wurde, mit mässigem Erfolg, mit den Alben "Famous In The Last Century" und "Riffs" wiederholt. Kurz nach der Veröffentlichung von "Don’t Stop" wurde die Zukunft von Status Quo erneut ernsthaft gefährdet, als Rick Parfitt nach einem Herzinfarkt in ein Krankenhaus eingeliefert wurde, wo ihm mehrere Bypässe eingesetzt wurden. Er erholte sich glücklicherweise, so dass nach kurzer Unterbrechung wieder Konzerte gespielt wurden. In der Öffentlichkeit wurden Status Quo in den 90er-Jahren zunehmend über zweifelhafte Aktionen des Managers David Walker wahrgenommen. Neben erfolgreichen Kurz-Tourneen, die zu Einträgen in das Guinness-Buch der Rekorde führten, bestimmten inszenierte Band-Jubiläen und eine gescheiterte Klage gegen die BBC, die Status-Quo-Singles nicht mehr im Jugendprogramm spielte, die Medienarbeit.

Musikalischer Höhepunkt der Jahre 1986 bis 2000 war aus Fansicht das Album "Rock ’Til You Drop", das sich im Gegensatz zu vielen anderen Aufnahmen der Periode sehr stark am musikalischen Stil der erfolgreichsten Jahre orientierte. Mit dem Live-Klassiker "4500 Times" und dem Stück "Can’t Give You More" (im Original aus den Jahren 1973 beziehungsweise 1977) wurden auch zwei Songs der damaligen Zeit als Bonustracks für die CD neu aufgenommen. Im Jahr 2000 gab es einen weiteren Wechsel am Schlagzeug. Jeff Rich kündigte seinen Abschied an, um mehr Zeit für seine Familie zu haben. Er eröffnete anschliessend eine Schlagzeug-Schule. Neuer Schlagzeuger wurde Matt Letley. Vorübergehend zog sich auch Andy Bown aus der Öffentlichkeit zurück, um seiner schwer erkrankten Frau beistehen zu können. Er wurde bei Live-Auftritten durch Paul Hirsh vertreten. Nach dem Krebstod seiner Frau kehrte Bown Ende 2001 zu Status Quo zurück. Die Zusammenarbeit mit dem Manager Walker endete nach dessen tödlichem Herzinfarkt ebenfalls unter tragischen Umständen. Ohne dessen Einflussnahme kehrten Status Quo abermals zu ihren Wurzeln zurück. Das Album "Heavy Traffic" von 2002 orientierte sich wieder an den klassischen Stärken von Status Quo: 'Heads Down No-Nonsense Boogie'. Erstmals seit vielen Jahren war auch Bob Young wieder an einer Neuveröffentlichung beteiligt. Auf "Riffs" (2003) war er zudem auf einem Stück auch an der Mundharmonika zu hören. Als Produzent fungierte Mike Paxman, der in der Band von Judie Tzuke bereits mit John 'Rhino' Edwards (und auch Jeff Rich) zusammen gespielt hatte. Im September 2005 erschien das Studioalbum "The Party Ain’t Over Yet", das den 40. Jahrestag des ersten Treffens von Francis Rossi und Rick Parfitt zelebrierte. Das Album und die gleichnamige Single erreichten in England die Top 20. Insgesamt konnten Status Quo in Grossbritannien mehr als 60 Top 40-Hits erzielen, davon 22 Top Ten-Erfolge. Der weltweite Umsatz an Tonträgern wird offiziell mit mehr als 120 Millionen angegeben. Im Herbst 2005 schwor Rick Parfitt auf der 'The Party Ain’t Over Yet'-DVD allen Fans, dass nie mehr ein Cover-Album erscheinen werde.

Im vierzigsten Jahr nach ihrem ersten Schallplattenvertrag trennten sich Status Quo 2005 auch von ihrer langjährigen Plattenfirma Universal, der sie seit 1972 treu waren. (Lediglich das 99er-Album "Under The Influence" war nicht bei einem Label der Universal-Gruppe erschienen. Aus diesem Grund war dieses Album auch nicht in der umfassenden Reihe von Wiederveröffentlichungen enthalten, die Universal 2005 und 2006 auf den Markt brachte und die alle Alben von 1972 bis 2000 umfasste.) Damit sind derzeit weitestgehend alle Aufnahmen der Gruppe auf CD erhältlich, während die Soloaufnahmen der 80er-Jahre zum Teil noch auf ihre CD-Erstveröffentlichung warten. Anfang Dezember 2005 wurde bei Rick Parfitt, einem Kettenraucher, eine Wucherung im Hals festgestellt, weshalb alle ausstehende Konzerte der laufenden Tournee abgesagt wurden. Kurz vor Weihnachten 2005 bekam Parfitt von seinen Ärzten den Befund, dass die Wucherungen gutartig waren und vollständig entfernt werden konnten. Der Verdacht auf Kehlkopfkrebs wurde somit nicht bestätigt. Im Jahr 2006 traten Status Quo daher weiter auf. Ein Höhepunkt war eine gemeinsame Tournee mit Deep Purple durch Australien ('Double Trouble Tour'). Das Konzert im National Exhibition Centre in Birmingham am 21. Mai 2006 wurde für die Veröffentlichung auf DVD aufgezeichnet und erschien im Herbst 2006 unter dem Titel "Just Doin’ It". Einer weltweiten Öffentlichkeit konnten sich Status Quo präsentieren, als sie am 1. Juli 2007 im Rahmen des 'Concert for Diana' zu Ehren der zehn Jahre zuvor verstorbenen Prinzessin Diana den Titel "Rockin’ All Over The World" im Londoner Wembley-Stadion spielten.

Im September 2007 erschien ein neues Studioalbum mit dem Titel "In Search Of The Fourth Chord" (zu deutsch: Auf der Suche nach dem vierten Akkord). Mit diesem Titel griff die Band in ironischer Weise das gängige Vorurteil auf, dass Status Quo lediglich drei Akkorde beherrschen würden. Zu diesem Zweck wurde ein eigenes Plattenlabel mit dem Namen Fourth Chord Records gegründet. In Kontinentaleuropa (ohne Frankreich) erschien das Album hingegen bei Edel Records, während die Veröffentlichung in Frankreich (bereits Ende August) auf XIII Bis Records erfolgte. Für die Aufnahmen, die im April 2007 begannen, wurde erneut Produzent Pip Williams verpflichtet, der mit "Rockin' All Over The World", "Whatever You Want", "In The Army Now" und "Don’t Stop" einige der grössten Erfolge der Band betreute. Im Herbst 2007 wurde das Album mit einer weiteren Tournee auch live vorgestellt. Im Oktober 2008 erschien eine Neuaufnahme ihres Hits "Whatever You Want", die von der Techno-Band Scooter gemeinsam mit Status Quo eingespielt wurde. Die Bereitschaft von Status Quo, die bisherigen Rock-Pfade zugunsten von Techno-Musik zu verlassen, wurde von vielen Fans kritisch betrachtet. Die gemeinsame Single erreichte allerdings bereits in der ersten Woche Platz 11 der deutschen Charts und verschaffte Status Quo somit den ersten echten Single-Hit in Deutschland seit Langem.

Im Spätherbst 2008 erschien mit "Pictures - 40 Years of Hits" eine neue Kompilation, die neben den diversen Klassikern von Status Quo auch "Jump That Rock" und eine Weihnachtssingle mit dem Titel "It’s Christmas Time" enthielt. Die Veröffentlichung erfolgte in verschiedenen Fassungen, darunter ein 4 CD-Earbook, das alle bis dato im Vereinigten Königreich erschienenen Singles enthielt. Am 16. Juli 2009 trat die Band nach 2004 das zweite Mal am Montreux Jazz Festival am Genfersee in der Schweiz auf. Das ausverkaufte Konzert im Auditorium Stravinski wurde auf Video aufgezeichnet und im Oktober 2009 in mehreren Formaten (DVD, BluRay, Deluxe Edition) unter dem Titel "Pictures - Live at Montreux 2009" veröffentlicht. Die langjährigen Erfolge und Verdienste von Rick Parfitt und Francis Rossi wurden am 31. Dezember 2009 mit dem Orden Order of the British Empire gewürdigt. Im Mai 2010 erschien mit "One Step At A Time" das zweite Solo-Album von Francis Rossi, welches er mit einer kleinen Tour vorstellte. An den Aufnahmen waren mit Rhino Edwards und Andrew Bown auch Musiker von Status Quo beteiligt. Ende September 2010 wurde eine neu eingespielte Version des Songs "In The Army Now" veröffentlicht. Die Gewinne aus dieser Veröffentlichung wurden zugunsten der British Forces Foundation und Help For Heroes gespendet. Mit der Veröffentlichung von "Quid Pro Quo" im Mai 2011 schafften es Status Quo, in sechs aufeinander folgenden Jahrzehnten einen Top Ten-Hit in Grossbritannien zu landen. Das Album enthielt auch eine Neuaufnahme des 86er-Hits "In The Army Now", der bereits im September 2010 als Benefiz-CD zugunsten der Angehörigen der britischen Armee veröffentlicht wurde.

Im Oktober 2012 erschien die von Alan Parker produzierte Dokumentation 'Hello Quo', die unter anderem eine Jamsession der Urbesetzung mit Rossi, Parfitt, Lancaster und Coghlan enthielt. Die vier Gründungsmitglieder spielten für die Filmaufnahmen erstmals seit über 30 Jahren wieder gemeinsam, was Gerüchte um eine mögliche Wiedervereinigung der 'Frantic Four' anheizte. Am 3. November 2012 gab die Band über ihre Homepage bekannt, dass im März 2013 fünf Konzerte mit den ehemaligen Mitgliedern stattfinden würden. Die Wiedervereinigung sollte eine einmalige Aktion sein. Aufgrund des grossen Erfolges fanden im Frühjahr 2014 weitere Konzerte, auch in Deutschland, statt. Aufnahmen aus dem März 2013 wurden unter dem Titel "Back2SQ.1 - The Frantic Four Reunion 2013" Ende September 2013 veröffentlicht, Aufnahmen von April 2014 im Herbst 2014 unter dem Titel "The Franctic Fours Final Fling".

In der bisherigen Bandbesetzung mit Rossi, Parfitt, Bown, Edwards und Letley spielten Status Quo nach Bekanntgabe der Wiedervereinigung weitere Konzerte. Am 17. Dezember 2012 gab der Schlagzeuger Matt Letley jedoch bekannt, dass er die Band nach 12 Jahren verlassen werde. Zwei Tage später spielte er sein vermeintlich letztes Konzert. Am 13. Februar 2013 verkündete Letley, dass er im Jahr 2013 auch im Rahmen der geplanten Australien-Tour das Schlagzeug spielen werde. Am 24. Mai 2013 wurde Leon Cave, der zuvor bereits in Francis Rossis Tour-Band mitgewirkt hatte, als neuer Schlagzeuger bestätigt. 2013 erschien ein Kinofilm unter dem Titel 'Bula Quo!', der ab April 2012 gedreht wurde. Regie bei 'Bula Quo!' führte Stuart St. Paul. Mit dem Album "Aquostic (Stripped Bare)" erschien im Oktober 2014 eine Veröffentlichung mit Neuaufnahmen bekannter Stücke der Band, die weitgehend unter Verzicht auf elektronische respektive elektrisch verstärkte Instrumente aufgenommen wurden. Damit stant das Album in der Tradition von MTV unplugged, wenngleich kein formeller Zusammenhang zur Fernsehserie bestand. Im Anschluss an die Veröffentlichung folgten mehrere Konzerte, die durch diverse Begleitmusiker unterstützt wurden. Die Aufzeichnung des Konzerts im Londoner Roundhouse wurde als Live-Album veröffentlicht.

Am 1. Februar 2016 gaben Status Quo bekannt, dass die Europatour Herbst/Winter 2016 die letzte dieser Art sein werde. Dies bedeute nicht das Ende von Status Quo, aber das Ende grosser Shows mit elektrischen Gitarren. Die Tour lief unter dem Titel 'The Last Night of the Electrics'. Inwieweit die Band nach 2016 noch im Rahmen von Festivals auftreten würde oder ob sich auf Konzerte mit akustischen Gitarren (analog der Aquostic-Tour 2015) beschränken würde, wurde in der Pressemitteilung nicht konkretisiert. In den frühen Morgenstunden des 15. Juni 2016 brach Rick Parfitt nach einem Konzert in Antalya in seinem Hotel nach einem erneuten Herzinfarkt zusammen und wurde nach erfolgreicher Reanimation in ein türkisches Krankenhaus gebracht. Im September 2016 gab das Management von Status Quo bekannt, dass Parfitt mindestens bis zum Jahresende 2016 keine Auftritte absolvieren könne. Eine mögliche Rückkehr auf die Bühne wurde bewusst offen gelassen: "Rick may well have performed his last show with Quo", deutsch: "Könnte gut sein, dass Rick das letzte Mal mit Quo aufgetreten ist". Die im Oktober 2016 beginnende Abschlusstournee fand auf Parfitt's Wunsch dennoch statt. Er wurde durch den irischen Gitarristen Richie Malone ersetzt. Bei einigen Konzerten während des Sommers war Freddie Edwards, der Sohn des Bassisten John 'Rhino' Edwards, für Parfitt eingesprungen. Für den 21. Oktober 2016 wurde ein weiteres Akustik-Album mit dem Titel "Aquostic II - That’s A Fact!" angekündigt. Es folgte dem Konzept des Albums "Aquostic (Stripped Bare)". Am 24. Dezember 2016 starb Rick Parfitt an einer Infektion nach einer Operation.


Mit dem bis heute als einem der spektakulärsten Werke bezeichneten Album "Piledriver" begann der grosse und lange Siegeszug einer der bekanntesten britischen Rockbands, die bis heute unzählige Fans auf der ganzen Welt hat und damit ohne Uebertreibung als unsterblich bezeichnet werden darf.













Jun 26, 2017


CAN - Monster Movie (United Artists Records UAS 29094, 1970)

Can waren eine 1968 als Inner Space in Köln gegründete avantgardistische Band, die keinem homogenen Musikstil zuzuordnen war und es ablehnte, als Rockband bezeichnet zu werden. Vielmehr bewegte sie sich zwischen Free Jazz, Avantgarde-Jazz und innovativen Krautrock- und Psychedelic Rock-Elementen. Gründer und künstlerischer Kern der Band waren der Keyboarder Irmin Schmidt und der Bassist Holger Czukay. Beide hatten bei Karlheinz Stockhausen an der Musikhochschule Köln Komposition studiert. Sie versammelten Anfang 1968 Musiker mit kontrastierenden musikalischen Hintergründen um sich und bildeten mit ihnen ein experimentelles Kollektiv. David C. Johnson war zu diesem Zeitpunkt Dozent für elektronische Musik. Vom Free-Jazz kam der Schlagzeuger Jaki Liebezeit, der zuvor mit Manfred Schoof zusammengearbeitet hatte. Gitarrist Michael Karoli suchte noch nach musikalischer Identität. Zunächst nannte sich die Band Inner Space. Aus einem Konzert vom Juni 1968 wurden zunächst die Singles "Agilok & Blubbo" im Juli 1968 und "Kamasutra" im November desselben Jahres veröffentlicht. Das Management übernahm Hildegard Schmidt, Irmin Schmidts Frau. Ab 1968 probte die Band zunächst in Schloss Nörvenich, wo sie sich im Juni 1968 zu einer Jam Session in der Besetzung Karoli, Czukay, Schmidt, Liebezeit und Johnson traf. Hierbei wurden sie kurzfristig ergänzt von Manfred 'Manni' Löhne (Gesang, Perkussion, Flöte). Diese Jam Session wurde 1984 als Bootleg mit dem Titel "Prehistoric Future" veröffentlicht, das in limitierter Auflage von 2000 Exemplaren erschien und Samples der Studentenunruhen an der Pariser Sorbonne beinhaltete. Im August 1968 lernte Hildegard Schmidt in Paris den Bildhauer Malcolm Mooney kennen, der in der Folge als neuer Sänger zur Band stiess. Die übrigen Bandmitglieder akzeptierten seinen Vorschlag, die Band The Can zu nennen, was im New Yorker Dialekt auch 'Arsch' bedeutet. Johnson verliess die Gruppe wenig später, da er die immer rockigere Ausrichtung der Musik nicht mittragen wollte.

Im November 1968 nahmen Can den Soundtrack zum Kinofilm 'Kama Sutra - Vollendung der Liebe' auf, der am 5. Juni 1969 in die Kinos kam. Die erste LP "Monster Movie" entstand am 25. Juli 1969 in Schloss Nörvenich und beinhaltete Spontankompositionen. Deren lediglich auf 500 Exemplare veranschlagte erste Auflage wurde innert zwei Wochen verkauft. Ab Ende des Jahres verzichtete die Band auf das 'The' im Namen und nannte sich fortan schlicht Can. Auf Konzerten fiel Malcolm Mooney zu dieser Zeit auch durch seine verwirrt wirkenden Darbietungen auf. Auf Anraten seines Psychiaters kehrte er wenig später in die Vereinigten Staaten zurück. Das Werk "Monster Movie" entstand aus einer Serie von Jam Sessions. Stilistisch vereinigte es Elemente des Free- und Avantgarde-Jazz mit innovativ-experimentellen Kraut- und Psychedelic Rock-Komponenten. Die Protagonisten des Werks waren Organist Irmin Schmidt, der unter anderem acht Jahre bei Karlheinz Stockhausen studiert und als Theaterkapellmeister Erfahrungen mit Symphonieorchestern gesammelt hatte, Gitarrist Michael Karoli, der als Jurastudent in Schweizer Jazz- und Pop-Combos gearbeitet hatte, Bassgitarrist Holger Czukay, der unmittelbar vor seiner Can-Karriere in den Elektronikstudios von Pousseur und Stockhausen verbracht hatte und Schlagzeuger Jaki Liebezeit, der bei prominenten Jazz Musikern wie Chet Baker und Manfred Schoof engagiert war. Als Sänger stiess der Amerikaner Malcolm Mooney zur Band. Auffallend waren die durchweg repetitiven Klangmuster der vier auf dem Album enthaltenen Stücke, die in der Radikalität ihrer Ausführung an die Frühwerke von The Velvet Underground und Frank Zappa erinnerten. Mittels ausgefeilter Improvisations- und Experimentiertechnik sowie filigranen elektronisch geschichteten Arrangements schufen Can mit diesem Album bereits einen Standard für ihre in den frühen 70er Jahren nachfolgenden Alben, der wegweisend war für jenen unbekümmerten Avantgardecharakter, den die britische Musikpresse alsbald als Krautrock bezeichnete.

Das Album eröffnete mit "Father Cannot Yell", einem Stück, das an die Zeit des Post-Punks erinnert, lange noch bevor es Punkmusik überhaupt gab. Betont spröde und dissonant schlug Irmin Schmidt darin die Keyboardtasten an. Sodann folgte "Mary, Mary So Contrary". Der Text dieses Songs basierte auf einem bekannten englischen Kinderreim ('Mary, Mary, Quite Contrary'). Stampfend und überhitzt folgte "Outside My Door". Holger Czukay's nachdenkliche Basslinien waren hier bereits eine unverwechselbare Visitenkarte der Band. Das entfesselte "Yoo Doo Right" schliesslich wurde einem etwa 20-minütigen Beitrag entnommen, der zu einer mehrstündigen improvisierten Session gehörte. Auf einem hämmernden Grundrhythmus basierend, brach das Stück zweimal förmlich aus. Michael Karoli's Gitarre steigerte sich zwischenzeitlich zu einer gleissenden Vorführung, während Mooney's mantraartiger Gesang wahnhafte Züge annahm, beide begleitet vom einstweilen dynamisch-aufgewühlten Spiel des Schlagzeugers Jaki Liebezeit. Vorangegangen war diesem offiziellen Debutalbum das Werk "Prepared To Meet Thy Pnoom," das zunächst unveröffentlicht blieb, da der Musikstil der Band in kein Vermarktungsschema der Plattenindustrie passte. Erst im Jahre 1981 wurden Stücke daraus als Kollektion von Raritäten und Outtakes veröffentlicht.

Einige Veröffentlichungs-Versionen des Albums "Monster Magnet" trugen den Untertitel 'Made in a castle with better equipment', in Anspielung auf das im 14. Jahrhundert errichtete Schloss Nörvenich, wo die Aufnahmen stattfanden und wo Eierboxen sowie ausgediente Militärmatratzen als Klangbildner dienten. Der Drehbuchautor Karlheinz Freynik erläuterte auf dem Plattencover: "Eine neue Richtung ist geboren. Modern Art & Jazz & Beat & Stockhausen Komplex - The Can, Neue Musik, voller Vorurteile, keine 'crazy Swinging effects'. Talente, die sich einordnen wollen, aber nicht können. Konservatorium ohne Notenpult (der Dirigent sitzt an der Orgel). The Can bleiben immer 5 Solisten, (eine Super-Group ? Wozu arbeiten sie denn zusammen ?) "...weil es die beste Gruppe ist, die wir je vom Kontinent gehört haben!" meinen englische Experten". Im Mai 1970 wurde der Strassenmusiker Kenji 'Damo' Suzuki (Gesang) direkt für ein Konzert in München engagiert. Es folgten die ebenfalls in Nörvenich aufgenommenen LPs "Can Soundtracks" (aufgenommen November 1969 bis August 1970) und "Tago Mago" (November 1970 bis Februar 1971). "Soundtracks" enthielt eine Zusammenstellung von Filmmusiken der letzten fünf Filme, für die Can als Komponisten verantwortlich zeichneten. Im Dezember 1971 bezogen Can ein eigenes Tonstudio in einem ehemaligen Kinosaal in Weilerswist bei Köln. Hier sorgten 1500 ausgediente Bundeswehr-Matratzen für einen trockenen Sound. Als Toningenieur fungierte Holger Czukay. Erst 1974 wurde 16-Spurtechnik eingesetzt. 1971 bis 1978 entstanden hier acht reguläre Studioalben der Gruppe. Die erste LP aus dem neuen Tonstudio war "Ege Bamyasi" (Dezember 1971 bis Juni 1972), es folgte "Future Days" (veröffentlicht im August 1973). Auf Vorschlag von Conny Plank übernahm ab 1973 René Tinner die Rolle als Toningenieur und führte 1978 das Studio als Can-Studio weiter. Im September 1973 verliess Damo Suzuki Can. Die LP "Limited Edition", 1974 veröffentlicht, war zunächst nur mit einer Auflage von 15000 Exemplaren geplant, wurde 1976 jedoch zur Unlimited Edition erweitert und enthielt bislang seit 1968 unveröffentlichte Titel. Es folgten die LPs "Soon Over Babaluma" (ebenfalls noch im Jahre 1974) und "Landed" 1975. Die Doppel-LP "Unlimited Edition", im März 1976 erschienen, war eine erweiterte Version der LP "Limited Edition" und enthielt zwischen September 1968 und September 1974 entstandene Aufnahmen, "Flow Motion" (Juni 1976) und "Saw Delight" (Januar 1977).

Im Mai 1977 verliess Holger Czukay die Band, Rosko Gee von der britischen Rockband Traffic hatte bereits auf "Saw Delight" dessen Bass-Part übernommen. "Out Of Reach" war im Oktober 1977 das zehnte Studioalbum, gefolgt von "Can" im Februar 1978 mit der im Dezember 1977 entstandenen Single-Auskopplung "Can Can" / "Can Be" basierend auf Jacques Offenbach's Grundthema des Cancan-Tanzes. Nach den Sessions zur LP "Can" im Februar 1978 löste sich die Gruppe schliesslich auf. Im selben Jahr verliess Karoli die Band, 1980 zog Schmidt mit Familie in die Provence. Spätere Auftritte erfolgten unter der Bezeichnung 'Can Solo-Projects' mit einzelnen ehemaligen Bandmitgliedern 1986 oder 1987 fanden sich Can in der Besetzung von "Monster Movie" erneut zusammen, nachdem Malcolm Mooney hinter seinem Sofa ein Flugticket gefunden hatte, das ihm die anderen Mitglieder ein Jahrzehnt zuvor gesendet hatten. Als letztes reguläres Album folgte in dieser Besetzung "Rite Time", dessen Aufnahmen und Produktion bis Anfang 1989 dauerten. 1999 fand für die TV-Serie 'Pop 2000' die bislang letzte Zusammenarbeit unter dem Namen Can statt. Michael Karoli starb am 17. November 2001 infolge einer Krebserkrankung. Am 18. Juni 2012 erschien die CD "Can - The Lost Tapes" mit verschollenen Aufnahmen von etwa 30 Stunden Spieldauer. Sie wurden aufgefunden, als das Can-Studio Inner Space im November 2007 aufgelöst und in Gronau durch das Rock’n’Popmuseum originalgetreu wiederaufgebaut worden war. Jaki Liebezeit starb am 22. Januar 2017 im Alter von 78 Jahren an einer doppelseitigen Lungenentzündung.

Einem grösseren Publikum bekannt wurde die Band durch Filmmusik, so etwa zu Tom Toelle's Fernsehfilm 'Das Millionenspiel', ausgestrahlt am 18. Oktober 1970. Auf der LP "Can Soundtracks" waren Titel aus den Filmen 'Mädchen mit Gewalt' (Deutschlandpremiere am 19. Februar 1970), 'Deadlock' (15. Oktober 1970) und 'Cream – Schwabing Report' (27. August 1971) enthalten. Bekanntester Soundtrack war der Titel "Spoon", der im Dezember 1971 veröffentlicht wurde, der als Erkennungsmelodie der dreiteiligen Durbridge-Krimiserie 'Das Messer' ab 30. November 1971 ausgestrahlt wurde. In der deutschen Hitparade gelangte die Single im Dezember 1971 bis auf Rang 8. Von diesem Song wurden nachfolgend über 200000 Exemplare verkauft. 1973 lieferten Can (als The Can) die Musik zur 25. Tatort-Folge 'Tote Taube in der Beethovenstrasse' von Samuel Fuller, die am 7. Januar 1973 ausgestrahlt wurde. Der Titel "Vitamin C" erschien, wie auch "Spoon" später auf der LP "Ege Bamyasi". Ab 24. September 1975 lief die Krimiserie 'Eurogang' mit der Can-Single "Hunters And Collectors" (aus der LP "Landed"). Die Single "I Want More" von der LP "Flow Motion" gelangte im August 1976 in die britischen Charts bis auf Rang 26, die einzige britische Charts-Notierung der Gruppe. Der Titel "Aspectacle" aus der LP "Can" wiederum wurde im Februar 1978 zur Erkennungsmelodie des ZDF-Kulturmagazins 'Aspekte'. Can steuerte zu insgesamt 21 Filmen die Musik bei. Dies ermöglichte der Band die finanzielle Unabhängigkeit bei ihren übrigen Projekten.

Can setzten in ihrer Spielweise, der Art des Zusammenspiels und in der Produktionsmethode experimentelle Akzente, die von der konventionellen Rockmusik deutlich abwichen. Repetitive Passagen, starke improvisatorische, in den Jazz-Rock und Free-Jazz hineinreichende Passagen wurden zu ihrem Markenzeichen. Can war weder eine kommerzielle Rockband noch eine dem Mainstream der Rockmusik zuzuordnende Formation. Der Musikstil der Band passte nicht in das Vermarktungsschema der meisten Plattenfirmen, so dass es der Gruppe anfangs schwerfiel, eine Plattenfirma zu finden. Das war der Grund, warum die Band so häufig das Plattenlabel wechseln musste. Erst im Mai 1975 erhielten sie einen Plattenvertrag bei EMI Records. Can's Aufnahmegewohnheiten führten zur Ansammlung unveröffentlichter Aufnahmen, die erst Jahre später auf den Markt kamen. 2003 bekamen Can den deutschen Musikpreis 'Echo' für ihr Lebenswerk. Von Anfang an standen Can abseits der Tradition des Rock'n'Roll, was darauf zurückzuführen war, dass zwei ihrer Musiker (Czukay und Schmidt) aus der klassischen Musikszene um Karlheinz Stockhausen kamen. Der Einzige, der zur Gründungszeit Erfahrung im Bereich Rockmusik aufweisen konnte, war der junge Gitarrist Michael Karoli, der bereits in verschiedenen Beatgruppen gespielt hatte. Zudem brachte der Schlagzeuger Jaki Liebezeit, der sich zuvor mit Jazz und eine zeitlang mit Free Jazz (beispielsweise im Quintett von Manfred Schoof) beschäftigt hatte, einen weiteren Kontrast in die musikalische Kommune, die vor allem in den Anfangstagen einen Schwerpunkt auf improvisierte Musik legte, mit ein. Ein anderer Einfluss, der alle Mitglieder der Formation prägte, war Weltmusik und Folklore aus allen Teilen der Erde. Im Laufe ihres Schaffens kamen ständig neue Einflüsse wie Disco, aber auch technische Neuerungen hinzu, wodurch sich ihr Klangbild nach und nach veränderte. Diese ständigen Veränderungen und die eigentümlichen Ansichten zur Zusammenarbeit im Kollektiv führten immer wieder zu Besetzungswechseln, obwohl der Kern stets erhalten blieb.

Can's entscheidender Beitrag zur Musikgeschichte lag darin, dass sie wie keine andere Band eine von der klassischen Liedstruktur unabhängige Ästhetik repetitiver Klangkompositionen entwickelte. Damit waren Can richtungsweisend für die Musik der 70er, 80er und 90er Jahre. So beriefen sich beispielsweise Punkbands wie zum Beispiel die Buzzcocks auf Can. Weitreichende Akzeptanz gab es im Bereich des Post-Punk (zum Beispiel Siouxsie And The Banshees, Public Image Ltd. und The Fall) und der Independent Szene (Sonic Youth, The Jesus And Mary Chain, Radiohead und The Mars Volta). Durch den minimalistischen Einsatz elektronischer Instrumente, klassisch minimalistische Schlagzeug Sets und die typischen repetitiven Songstrukturen wurden Can zu einer der Vorreiter der elektronischen Tanz- und Unterhaltungsmusik. Neben den Einstürzenden Neubauten, Kraftwerk und den Scorpions zählten Can zu den weltweit erfolgreichsten und bekanntesten deutschen Bands. Die US-amerikanische Rockband The Mooney Suzuki benannte sich nach den Nachnamen der beiden Can-Sänger, darüber hinaus waren musikalische Einflüsse jedoch nicht festzustellen. Auf seinem Album "Graduation" von 2007, erschienen auf Roc-A-Fella Records, benutzte Kanye West ein Sample aus "Sing Swan Song" für seinen Track "Drunk And Hot Girls". Der Experimentalkomponist Karlheinz Essl schuf mit "Father Earth", das 2007 auf seiner Veröffentlichung "Sndtox" erschien, eine Hommage an Can, die sich auf "Mother Sky" von der LP "Soundtracks" bezog. In einem Interview mit The Quietus von 2011 beschrieb Geoff Barrow von Portishead den enormen Einfluss von Can auf sein kreatives Schaffen: "Can are my favourite and most inspirational band ever, I think. I heard this in the early nineties on the radio, thinking they were the best new band ever – and then I found out it was released in the early 70s. Melodically, sonically and rythmically this is experimentation with songs". Stephen Malkmus, der ehemalige Sänger und Gitarrist von Pavement, der mit dieser Band wie auch mit den Jicks eine intensive Can-Rezeption verarbeitete, coverte zusammen mit Mitgliedern der Band Von Spar 2012 das gesamte Can-Album "Ege Bamyasi" auf dem Kölner Weekend-Festival und veröffentlichte die Aufnahme 2013 unter dem Titel "Can's Ege Bamyasi".




Jun 25, 2017


MOLLY HATCHET - Molly Hatchet (Epic Records JE 35347, 1978)

Die amerikanische Southern-Rock-Band aus Jacksonville, Florida wurde 1975 gegründet. Der Name der Band ging zurück auf eine Prostituierte namens Molly Hatchet, die im 17. Jahrhundert in den Südstaaten lebte und ihre Freier angeblich köpfte und verstümmelte. Molly Hatchet bestanden in ihrer Gründungsphase aus dem Sänger Danny Joe Brown, dem Bassisten Banner Thomas, dem Schlagzeuger Bruce Crump und den drei Gitarristen Dave Hlubek, Steve Holland und Duane Roland. Molly Hatchet waren von Anfang an bekannt für ihren harten, lauten Südstaaten-Sound. Ihr Debütalbum von 1978, schlicht mit "Molly Hatchet" betitelt, erntete innert kürzester Zeit eine Platin-Auszeichnung. Die darauffolgende Platte "Flirtin' With Disaster" wurde noch erfolgreicher und verkaufte sich über zwei Millionen Mal.

Das von Frank Frazetta gemalte Frontcover liess nicht unbedingt auf die Musik schliessen, welch die Band zum besten gab. Durchaus hätte man aufgrund ihrer Covers (Frank Frazetta designete auch weitere Albencover für die Band) auf einen Hardrock- oder Metal-Hintergrund schliessen können. Die solide, vom Blues, Country und Bluegrass beeinflusste Gitarrenarbeit von Duane Roland, Dave Hlubek und Steve Holland bescherte dem Zuhörer allerdings eine überzeugende Mixtur aus bleischwerem Southern Blues Rock und simplem, aber durchaus treffsicherem Rock'n'Roll. Die Darbietungen des Allman Brothers Klassikers "Dreams" oder Eigenkreationen wie "Gator Country" und "Bounty Hunter" stachen besonders heraus aus diesem Erstlingsklassiker. Es waren zwar nur acht Songs auf dem Album, aber mit diesen bekam man die volle Südstaatenpackung. Leider konnten Molly Hatchet nach dem ebenfalls hervorragenden zweiten Album "Flirtin''With Disaster" die Qualität später nur noch bedingt halten. Der Abgang von Danny Joe Brown am Gesang schwächte die Gruppe nachhaltig. 

Gegenüber anderen Südstaaten-Rockbands, wie beispielsweise den Outlaws, deren Sound stark von der Countrymusic beeinflusst war, lieferten Molly Hatchet eine explosive Mixtur aus Boogie, Blues, Hardrock und Jazz. Ihre Musik beschrieb neben den typischen Werten und Hoffnungen auch die Exzesse der Jugend in einer Südstaatenmetropole wie Jacksonville. Ein berittener Krieger zierte das erste einer Reihe martialischer Plattencover, die in der Folge zu einem der Markenzeichen der Gruppe werden sollten. Bis auf das original von Gregg Allman geschriebene "Dreams I'll Never See", das bei den Allman Brothers auch schlicht als "Dreams" bekannt ist, stammten alle anderen Songs des Debutalbums aus der Feder der Bandmitglieder. Das sich über mehrere Minuten erstreckende Sologitarren-Teil in "Dreams I'll Never See" gehört zu den Sternstunden des Southern Rock. Es war flüssig gespielt, toll arrangiert und wurde zum Molly Hatchet-Klassiker, der mindestens ebenso bekannt wurde wie die Originalversion der Allman Brothers, wenn nicht eher sogar noch bekannter. Auch das zweite Stück "Gator Country" erinnerte sehr an die Allman Brothers Band. Zur Beschleunigung der Gitarrensoli hatten sich die Musiker beim Titel "Bounty Hunter" etwas besonders ausgedacht: Ein einschneidender Pfiff, der später insbesondere auf der Bühne viele Stücke der Gruppe begleiten würde. Auch beim leicht jazzigen Groove von "Big Apple" kamen Gitarrenfans voll auf ihre Kosten. Die weiteren Songs "The Creeper" und "The Price You Pay" konnten dem Bluesrock zugeordnet werden, wobei der Song "The Price You Pay" dies noch zusätzlich durch eine Mundharmonika-Passage unterstrich. Während "I'll Be Running" und das härtere "Cheatin' Woman" typische Beispiele für die rockige Gangart der Gruppe darstellten, wies "Trust Your Old Friend" klassische Rock'n'Roll Elemente auf.

Danny Joe Brown verliess die Gruppe 1980, da er unter Diabetes litt und von dem permanenten Touren ausgelaugt war. Er wurde ersetzt durch Jimmy Farrar für das Album "Beatin' The Odds", aber die neue Stimme passte nicht zum bereits bekannten Sound der Gruppe. Die Folge war ein Rückgang des kommerziellen Erfolges. Auf dem Album "Take No Prisoners" experimentierten Molly Hatchet schliesslich auch verstärkt mit Blasinstrumenten, aber Farrar verliess die Band, um eine Solokarriere zu starten. Während der Take No Prisoners-Tour wurde Banner Thomas von Riff West ersetzt. Danny Joe Brown kam 1982 zurück zur Gruppe, aber das darauffolgende Album "No Guts No Glory" geriet zu einem kommerziellen Misserfolg. Der Gitarrist Dave Hlubek bestand darauf, den Sound der Band aufzufrischen. Bruce Crump wurde 1983 bis 1985 von Barry 'B.B. Queen' Borden (ehemals Mothers Finest) am Schlagzeug ersetzt.

Nach den Aufnahmen zum nächten Werk "The Deed Is Done", vor denen Gitarrist Steve Holland durch den Keyboarder John Galvin ersetzt worden war, gönnte sich die Band 1985 eine Pause, die für die Fans mit dem "Double Trouble" Live-Album gefüllt wurde. Diese Platte enthielt eine Sammlung der bekanntesten Songs der Band. Molly Hatchet wurden 1989 erneut aktiv, allerdings ohne den Gitarristen Dave Hlubek, dafür aber wieder mit Bruce Crump am Schlagzeug. Sie veröffentlichten das Album "Lightning Strikes Twice". Das Werk wurde kein grosser Erfolg, sodass sich die Band wieder zurückzog. 1991 erschien ein Greatest Hits-Album. Es folgte eine Zeit der ständigen Umbesetzungen und eines Rechtsstreites um die Namensrechte an der Band zwischen Sänger Danny Joe Brown und dem Gitarristen Bobby Ingram, der später zur Band gekommen war und unter dem Namen weitermachen wollte. Molly Hatchet veröffentlichten erst 1996 wieder neues Material auf der Platte "Devil’s Canyon". Danny Joe Brown musste aus gesundheitlichen Gründen die Band verlassen und starb am 10. März 2005 an einer Lungenentzündung. Zu dieser Zeit war kein einziges Gründungsmitglied mehr dabei, nachdem Danny Joe Brown durch den Sänger Phil McCormick ersetzt worden war.

Mitte 1998 erschien die Platte "Silent Reign Of Heroes", mit der Molly Hatchet trotz neuem Sänger an die bestehenden Traditionen der Band anknüpfen konnte. Die Platte überzeugte wieder durch den vollen Gitarrensound und die typischen Southern Rock-Songtexte. Wie bei dem Vorgängeralbum war hier auch wieder mit einer Neuauflage des Klassikers "Fall Of The Peacemakers" ein Re-Make in einer kongenialen Akustikversion zu finden. Dem Album folgte 2001 "Kingdom Of XII" und 2003 eine Neuaufnahme der Molly Hatchet-Klassiker, neu eingespielt mit Phil McCormick unter der Ägide des neuen Bandbosses Bobby Ingram. 2005 erschien das Album "Warriors Of The Rainbow Bridge", das Bobby Ingram's verstorbener Frau gewidmet war. Ferner kehrte das Gründungsmitglied Dave Hlubek zurück, nachdem der Gitarrist lange Zeit gebraucht hatte, um seine Drogenprobleme in den Griff zu bekommen. Von den Kritikern wurde das Werk ob seiner Qualität in einem Atemzug mit dem Klassiker "Flirtin’ With Disaster" genannt. Der zweite ehemalige Leadgitarrist und Gründungsmitglied Duane Roland starb 2006, Schlagzeuger Bruce Crump starb im März 2015.











Jun 24, 2017


LOU REED - Legendary Hearts (RCA Victor Records AFL1-4568, 1983)

Lou Reed wurde in Brooklyn geboren und entstammte einer konservativ-jüdischen Familie, die ursprünglich Rabinowitz hiess. Er wuchs in Freeport auf Long Island auf. Früh entdeckte er sein Interesse für die Musik und war während seiner Schulzeit vor allem an Rock'n'Roll und Blues interessiert. Seine erste Plattenaufnahme machte er für Bob Shad's Label Time als Teenager und Mitglied einer Doo Wop-Band, die sich The Jades nannte. Weil Reed als Jugendlicher mutmasslich homoerotische Phantasien hatte, rebellierte und aufsässig war, wurde er von seinen Eltern in psychiatrische Behandlung geschickt, bei der er unter anderem auch Elektroschocks erhielt. Diese Jugenderlebnisse verarbeitete er in späteren Liedern, unter anderem in "Kill Your Sons". Reed beschrieb diese Phase seines Lebens folgendermassen: "Sie steckten dir was in den Mund und brachten Elektroden an den Kopf und jagten Strom durch deinen Kopf, und anschliessend fühltest du dich wie weichgekochtes Gemüse". Lou Reed distanzierte sich von seinem Elternhaus und begann ein Studium an der Syracuse University, wo er Anfang der 60er Jahre Englisch studierte und seinen Abschluss machte. Sein Lehrer und intellektueller Mentor an der Universität war Delmore Schwartz, mit dem er auch privat befreundet war. Einst sagte Reed, sein Ziel sei es, die Empfindsamkeit und Intelligenz des Romans auf die Rockmusik zu übertragen oder den Grossen Amerikanischen Roman als Musikalbenfolge zu realisieren. Später schrieb Reed die Stücke "My House" und "European Son" als Reminiszenz an Schwartz, der starken Einfluss auf seine spätere Songwriter-Karriere hatte. Während seiner Studienzeit in Syracuse entwickelte Reed auch ein Interesse für Free Jazz und experimentelle Musik wie die von La Monte Young, mit dem John Cale zusammenarbeitete.

Reed zog 1963 nach New York City, wo er als Songschreiber für das Plattenlabel Pickwick Records arbeitete, das Tanzmusik am Fliessband produzierte. 1964 hatte er einen kleinen Hit mit "The Ostrich", einer Parodie auf einen gerade populären Tanz. Viele unterschiedliche Plattenproduzenten wurden bald auf das Nachwuchstalent aufmerksam. Noch im selben Jahr gründete Lou Reed zusammen mit John Cale spontan die Gruppe The Primitives. Er hatte John Cale, der Musik studierte, zufällig in New York kennengelernt. John Cale war überrascht von der neuen Art, wie Reed Gitarre spielte. Er hatte sich angewöhnt, alle Saiten seiner Gitarre gleich zu stimmen, um einen sogenannten Drone zu erzeugen, was mit Cale's experimenteller Musik harmonierte. Als Cale das Repertoire von Reed's Kompositionen gehört hatte, unter anderem auch eine frühe Version des Titels "Heroin", beschlossen die beiden zusammenzuarbeiten und ein Bandprojekt zu realisieren.


Reed und Cale traten 1965, ergänzt um Sterling Morrison und Maureen Tucker, zum ersten Mal unter dem Namen The Velvet Underground auf. Diese stilprägende Band war trotz Reed's späterer erfolgreicher Solokarriere für immer untrennbar mit seinem Namen verbunden. Reed war neben John Cale Mitbegründer und Mastermind der von Andy Warhol geförderten Band und spielte Gitarre, sang und schrieb die meisten Songs. Obwohl die Band während ihres Bestehens kommerziell nicht erfolgreich war, gilt The Velvet Underground als eine der einflussreichsten Untergrund-Bands aller Zeiten und als Wegbereiterin der späteren Independent- und Punk-Musik. Ein Achtungserfolg war das Debütalbum "The Velvet Underground & Nico" (das Album mit dem bekannten Bananen-Cover) mit der deutschstämmigen Sängerin Nico, mit der Lou Reed kurze Zeit liiert war. Einen Vorgeschmack auf Reed's späteres Werk in den 70er Jahren gab dann die folgende LP "White Light/White Heat", auf der mit atonalen Rückkopplungen gearbeitet wurde.

Nach der Trennung von Velvet Underground startete Reed 1972 seine Solokarriere mit einem selbstbetitelten Debütalbum. Es enthielt vor allem Stücke, die in der Spätphase von The Velvet Underground entstanden waren. Trotz guter Kritiken blieb der kommerzielle Erfolg aus. Das Album erreichte lediglich Rang 189 der US-amerikanischen Billboard-Charts, während es in Grossbritannien nicht einmal eine Platzierung erzielen konnte. Aus dem Album wurden zwei Singles ausgekoppelt ("Going Down" und "Wild Child"). Noch im gleichen Jahr veröffentlichte Reed das Glam Rock-Album "Transformer", das von David Bowie und Mick Ronson produziert worden war. Es brachte ihm zum ersten Mal eine gewisse Massenpopularität ein, insbesondere der Titel "Walk On The Wild Side", mit dem Baritonsaxofon-Solo von Ronnie Ross). Der Song gilt heute als Klassiker. 1973 folgte das Album "Berlin", das von einer gescheiterten Liebesgeschichte zweier Junkies in dieser Stadt handelte. Das Album zeichnete sich durch seine bedrückende Stimmung aus und enthielt Stücke wie "Caroline Says II" (Gewalt), "The Kids" (Prostitution und Drogenkonsum), "The Bed" (Suizid) und, nicht überraschend, "Sad Song". Berlin wird heute oft als sein Meisterwerk betrachtet, stiess aber zur Zeit seiner Veröffentlichung bei Presse und Publikum auf fast völliges Unverständnis und Entsetzen. Lou Reed war über dieses Scheitern so enttäuscht, dass er nach eigener Aussage die Schotten dichtmachte. In seinem Fall bedeutete es schroffe Konfrontation oder verächtliche Indifferenz gegenüber der Rockmusikpresse, seinem damaligen Publikum und seiner eigenen kommerziellen Karriere für den Rest des Jahrzehnts. Das und nicht zuletzt die Strapazen der schier endlosen Tourneen hatten das Ihre getan, um ihn bis an den Rand des Abgrundes zu führen. In späteren Interviews hatte er dennoch viele seiner damaligen Exzesse auch als Ausdruck einer etwas infantilen Trotzhaltung selbstkritisch reflektiert.

Im Jahre 1975 produzierte er dann das Doppelalbum "Metal Machine Music", das vor allem aus Gitarrenfeedbacks bestand, Melodien oder Strukturen waren nicht erkennbar. Das Album war umstritten und polarisierte wie kaum ein anderes in der Rockmusik: Während die Chicago Tribune es als billige Geste gegen die Plattenindustrie oder als schlechten Witz verstand, bezeichnete es der Rockjournalist Lester Bangs als genial. Obwohl die Angaben zur Besetzung fiktiv waren, legte Lou Reed Wert auf die Feststellung, dass es sich durchaus um eine ernsthafte Arbeit handelte. Auf jeden Fall war es eine bis dahin unerhörte Provokation gegenüber einem Major Label von Seiten eines damals durchaus kommerziell erfolgreichen Plattenkünstlers. Später wurde das Werk von dem Berliner Ensemble für zeitgenössische Musik 'Zeitkratzer' für klassisch-akustische Instrumente transkribiert und 2002 in Berlin uraufgeführt.

Auf das wütende Doppelalbum folgte das melodisch sanfte Album "Coney Island Baby", das ihn wieder in die Charts zurückbrachte. Reed's Platten der späten 70er Jahre wurden von Kritikern als weniger erfolgreich und eher unausgewogen gewertet. Das wurde auf seine zunehmenden Drogenprobleme zurückgeführt und auf die Tatsache, dass die Plattenfirmen Reed in musikalischer Hinsicht nur wenig Spielraum liessen. In den frühen 80er Jahren gab Reed das selbstzerstörerische Leben und die Endlostourneen auf, um sich für ihn wichtigeren Dingen zuzuwenden, zum Beispiel seinem gefeierten Comeback-Album "The Blue Mask". Er heiratete Sylvia Morales; diese wurde dann zu seiner langjährigen Managerin. Diese Kehrtwendung zu einer reiferen, nüchterneren und daher sensationsärmeren Lebenshaltung und Arbeitsdisziplin spiegelte sich in seinen eher ruhigen und abgeklärten Platten dieser Dekade wider. Das stiess wieder einmal auf harsche Kritik in der Rockmusikpresse, für die er oft als Inbegriff des gnadenlosen Rebellen galt. Reed hatte aber schon früh verlauten lassen, dass er eher auf Langfristigkeit und Selbstkontrolle setzte und der eher zwiespältigen Rolle des Rock'n'Roll Opfers sehr kritisch gegenüberstand.


"Legendary Hearts" war Reed's zwölftes Studioalbum, und er machte damit nicht nur das Dutzend voll, sondern war damit auch in den 80er Jahren angekommen, ohne jedoch dem Wahn der synthetischen Hilfsmittel zu erliegen. Die Platte klang zwar recht unterkühlt, aber beileibe nicht steril und schon gar nicht irgendwie zeittypisch synthetisch oder sein Sound mit zuviel Elektronik erkaltet. Das stimmige und manchmal auch recht melancholische, bisweilen auch etwas exaltiertes Album widmete er seiner damaligen Frau Sylvia, die auch für das Design des Frontcovers zuständig war. Reed zeigte sich auf dem Werk erstaunlich relaxed, ging mit negativen Geschichten nicht brachial ins Gericht, sondern hielt sich erstaunlich zurück. Gelegentliche Rock-Ausbrüche hielten sich in strengen Grenzen zugunsten einer konsensfähigeren Grundstimmung. Das gleich als Opener präsentierte Titelstück zeigte einen relaxten Lou Reed wie lange nicht mehr. Er wirkte bei dem Stück schon fast gemütlich. Besonders die Songs "The Last Shot", "Turn Out The Light", das balladeske schleichende "Betrayed" oder das einzige lange Stück der Platte "Home Of The Brave" zeigten einen irgendwie abgeklärten Musiker, dem hier schon fast eine gewisse Altersmilde attestiert werden konnte. Dies ist absolut nicht negativ gemeint. Das Album beschliessende "The Rooftop Garden" liess den Meister gar als Hobbygärtner auf dem Dach eines Wohnhauses vermuten.

Mit seinem sehr erfolgreichen Album "New York" von 1989 feuerte Lou Reed dann aber eine wütende Salve auf die politischen Probleme seiner Heimatstadt, beispielsweise zu Themen wie Umweltverschmutzung, sozialer Ungerechtigkeit und Rassismus. Er machte auch nicht davor Halt, in seinen Liedern Namen zu nennen, so zum Beispiel jene von Jesse Jackson, Papst Johannes Paul II., Kurt Waldheim und Stevie Wonder. Die ehemalige Velvet Underground Schlagzeugerin Moe Tucker spielte bei zwei Stücken Schlagzeug. Als Andy Warhol, der einstige Förderer und Produzent von Velvet Underground, starb, kam es nach 15 Jahren Pause wieder zu einer Zusammenarbeit mit dem zweiten klangprägenden Kopf der Velvet Underground, John Cale. Heraus kam dabei das Album "Songs For Drella", eine Warhol-Biografie und ein Selbstporträt in minimalistischer Rockmusik. Hier transportierten die Liedtexte eine berührende Zuneigung und schmerzliche Geständnisse, ohne den Humor zu verlieren. Nicht ausgespart wurden dabei das Attentat auf Warhol durch Valerie Solanas im Jahre 1968, sein strenges Arbeitsethos, seine ungeahnte Einsamkeit inmitten von Erfolg und Glamour, seine kleinen Schwächen und mögliche ärztliche Kunstfehler. 1993 kam es zu einer überraschenden Wiedervereinigung von The Velvet Underground. Sie war beim Publikum recht erfolgreich, aber nur von kurzer Dauer, da die alten Spannungen und Differenzen innerhalb der Gruppe schnell wieder aufbrachen.

Lou Reed führte seine dunklen Notizen mit "Magic And Loss" weiter, einem Album über den Tod und den Verlust einiger Freunde infolge von Krebs. 1997 coverten über dreissig Künstler den Song "Perfect Day" für die BBC-Stiftung Children in Need. Im Jahre 2001 wurde Lou Reed das Opfer einer Falschmeldung, die seinen Tod infolge einer Heroinüberdosis verkündete. Basierend auf dem Werk Edgar Allan Poes veröffentlichte er 2003 die Doppel-CD "The Raven", an der Künstler wie Laurie Anderson, Ornette Coleman, David Bowie, Julian Schnabel, Willem Dafoe und Antony mitwirkten. Ein Remix seines Lieds "Satellite Of Love" (genannt "Satellite Of Love ’04") von Groovefinder wurde 2004 veröffentlicht und erreichte Platz 10 der englischen Single-Charts. 2007 nahm er mit der Band The Killers den Titel "Tranquilize" auf. Die für den Oktober 2009 mit seiner neu gegründeten Band Metal Machine Trio geplante Europatournee (Krems, Wroclaw, Bern, Leipzig, Hamburg, Berlin) wurde gemäss Angaben seiner Londoner Agentur Primary Talent International aus schwerwiegenden persönlichen Gründen ('extreme personal issues') abgesagt. Nach einem Auftritt mit Metallica anlässlich der Aufnahme in die Rock and Roll Hall of Fame im Jahre 2009 nahm Lou Reed mit dieser Band gemeinsam das Album "Lulu" auf, das am 31. Oktober 2011 weltweit veröffentlicht wurde.


Lou Reeds Themen waren der Rockmusik ihrer Zeit weit voraus. Die populäre Musik erreichte Reed erst mit der Entstehung des Punk Mitte und Ende der 70er Jahre, aber selbst dann waren seine Lieder einzigartig: entweder vom Feedback der Gitarre überlagert oder zart melodisch; Reed sang üblicherweise über das Beunruhigende bis Schäbige, nicht nur innerhalb der etablierten Gesellschaft, sondern auch innerhalb der damaligen Gegenkultur oder des Underground. "Walk On The Wild Side" war ein ironischer Gruss an die Aussenseiter, Stricher und Transvestiten in Andy Warhol's 'The Factory'. "Perfect Day" wurde später in den Soundtrack des Films 'Trainspotting - Neue Helden' aufgenommen. Themen, die Allen Ginsberg, William S. Burroughs und Jean Genet behandelten, nahm Lou Reed auf und entwickelte sie weiter. Er war immer eine starke Künstlerpersönlichkeit, die sich selten dem herrschenden Zeitgeist angepasst hat. So bevorzugte er schwarzes Leder und sadomasochistische Outfits während der optimistisch bunten Hippiezeit der 60er Jahre. Dieses Outfit stellte vielleicht eine optische Entsprechung seiner bewusst skeptisch distanzierten Haltung des urbanen Realisten dar. Bezeichnend für ihn war auch ein schneidend trockener, durch Selbstironie getönter Humor, der seine Texte und seine sonstigen Äusserungen durchzog. Das Hauptthema seiner lakonisch vorgetragenen Songs war immer wieder das „eschädigte Leben im Grosstadtdschungel, aber auch in der scheinbar intakten Vorstadtidylle. Seine Figuren waren meist in ihren unlösbaren Widersprüchen oder seelischen Abgründen verstrickt.

Der Tenor seiner Texte war illusionslos pessimistisch, aber mehr mitfühlend als zynisch. Sein Mitfühlen bezog sich jedoch nicht auf Journalisten, die er bis zu seinem Tode immer wieder als eine höchst ignorante, unaufrichtige und aufdringliche Gattung abkanzelte und die oft zum bevorzugten Ziel seiner gefürchteten Schlagfertigkeit und Direktheit wurden. Wie Warhol oder ein Fluxuskünstler liess er die ihm lästigen Interviews zu kleinen künstlerischen Performances geraten, indem er die Erwartungen des Fragestellenden völlig unterlief. Lou Reed galt als streitbarer und unvorhersehbarer Künstler. In den letzten Jahrzehnten empfand er, dass der Rockmusik zunehmend engere inhaltliche und musikalische Grenzen auferlegt wurden, und suchte die Zusammenarbeit mit Kollegen oder Freunden aus anderen Bereichen wie zum Beispiel Paul Auster, Julian Schnabel, Philip Glass, Jim Jarmusch, Robert Wilson oder Wim Wenders, um für sich neue Möglichkeiten auszuloten.

Reeds erste Ehe mit Bettye Kronstadt hielt nur für kurze Zeit und löste sich während der Aufnahmen zu "Berlin" im Jahre 1973 auf. Von 1976 bis 1978 war Reed mit einem Transvestiten namens Rachel liiert. Reed scheint die Beziehung sehr ernst genommen zu haben und sprach in dieser Zeit offen über seine Homosexualität. Am Valentinstag 1980 heiratete er Sylvia Morales, die er in einem S/M-Club in Greenwich Village getroffen hatte. Er verliess Sylvia, nachdem er 1992 in München die US-amerikanische Performance-Künstlerin Laurie Anderson kennengelernt hatte. Er und Anderson wurden 1995 ein Paar und wohnten seitdem gemeinsam im West Village. Sie heirateten schliesslich am 12. April 2008 in Boulder, Colorado. Reed, der an chronischem Leberversagen litt, was auf seinen jahrzehntelangen Alkohol- und Drogenkonsum zurückgeführt wurde, hatte sich im Frühjahr 2013 einer Lebertransplantation unterzogen. Am 27. Oktober 2013 erlag er in seinem Sommerhaus in den Hamptons den Folgen seiner Erkrankung. Als Mitglied von The Velvet Underground wurde Reed 1996 in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen. Bei der Ehrung hielt Patti Smith die Laudatio. 2015 wurde Reed ferner auch als Solo-Künstler in diese Hall of Fame aufgenommen.