Dec 28, 2022


YELLOW DOG - Beware Of The Dog (Virgin Records V 2104, 1978)

Für manchen Zeitgenossen stellt sich manchmal die existenzielle Frage nach dem Sinn eines Begriffs, nach dem Zweck einer Wortschöpfung oder schlichtweg nach dem Inhalt einer Redewendung. So auch mir, als ich die orthographische Konstruktion " Eintagsfliege " in meine Überlegungen mit einbezog, die ich anstellen musste, um eine lesbare Rezension zu einem Album von der Gruppe mit einem nicht so ungewöhnlichen Namen wie Yellow Dog fertigen zu können. Nun, die Eintagsfliege (Ephemereptera) ist im biologischen Sinne, jene geflügelte Spezies, die nur wenige Stunden oder ein bis maximal vier Tage auf diesem Planeten lebt, sich vermehrt und dann sterben muss. Wie traurig! Manchmal werden unerwartete Erfolge als " Eintagsfliege " tituliert; so auch im Musik-Genre. Die - als Abbild der gesellschaftlichen Entwicklung - exorbitant gestiegene Zahl an musikalischen "Eintagsfliegen" werden wir kaum noch benennen können. Es sind vor allem jene künstlich und medial propagandistisch aufgebauschten Interpreten, deren Outfit und deren gymnastische Tanzbeilagen oft viel wichtiger sind, als der gesangliche oder instrumentale Vortrag.

Von dieser Kategorie im Show-Biz scheinen die Musiker um Yellow Dog personell betrachtet zwar weit entfernt, dennoch muss die im Jahre 1978 veröffentlichte LP "Beware Of The Dog", eben doch als klassische Eintagsfliege katalogisiert werden. Wer aber verbirgt sich nun hinter diesem Bandnamen ? Es scheinen - nimmt der Rezensent das Plattencover zuhilfe - vier Musiker zu sein, deren Zahl sich jedoch, geht der Wissbegierige nach den Angaben auf dem "Yellow Doggie Bag", sich auf drei Protagonisten reduziert, die dann allerdings um zwei weitere Musikernamen ergänzt werden. Ja, was denn nun ? Fakt ist, dass sich ein gewisser Kenny Young und ein Herbie Armstrong hinter diesem Projekt verbergen. Auch diese Namen sind nur Insidern ein Begriff. So bleibt allenfalls ein kleiner "Aha"-Effekt zurück, wenn das Plattenlabel erscheint. Es ist die Firma des Multimillionärs und Chaoten Mike Branson, nämlich Virgin Records.

Bei einer intensiveren Recherche stellt sich jedoch heraus, dass Yellow Dog so unbekannt wiederum nicht sind, hat es die Formation innerhalb von knapp vier Jahren immerhin auf drei LP's und auch Singles-Veröffentlichungen gebracht. Hinzu kommt, dass Herbie Armstrong bereits eine durchaus lebendige Musiker-Karriere aufweisen kann, eher er bei Yellow Dog sein Stelldichein gibt. Dennoch stellt sich für den Rock-Historiker die grundsätzliche Frage, ob diese Band nun einst aus zwei, drei oder mehr Musikern bestanden hat. Anhand der Discographie kann diese leider nicht exakt beantwortet werden. Sei´s drum. Denn: Auch die zweite LP der Gruppe ist dem Rockfan weitestgehend im Verborgenen geblieben, gibt sie inhaltlich eben nicht unbedingt eine besonders erwähnenswerte musikalische Leistung her.

Auf der ersten Seite des Albums "Beware Of The Dog" findet sich mit "Gee Officer Krupke" der Opener, in welchem jene, bereits damals grassierende, Perspektivlosigkeit der britischen Vorstadt-Jugend thematisiert wird, die sich zwischen dem Dienst in der brtischen Armee, dem Leben als Punk oder einer Knast-Karriere entscheiden muss. Während der Text in weiten Passagen - dank seines sarkastischen Abgesangs auf die englische Zivilgesellschaft - noch einen gewissen Anspruch erhebt, kommt die instrumental-vokale Umsetzung nicht über das Niveau eines Pub-Kampftrink-Liedes hinaus. Hier wird wohl auch ganz bewusst eine Allerweltsmelodie gewählt, um den Nonsens der Endsiebziger mit dem bereits aufleuchtenden, gefühlskalten Neonlicht Bar- Ambiente und einem bewusst provozierenden Schwenk der Folgegeneration hin zu mehr Spass und ungezügeltem Konsum, zu persiflieren. Der zweite Titel nennt sich "Up In The Balcony". Er zeigt sich ein wenig arg gesangslastig und wird von einem satten Bass geführt, der den Refrain nicht ausufern lässt. Hierzu tragen auch die sich gut ergänzenden Gitarreneinlagen von Young/Armstrong bei. Das songschreibende Duo nimmt dabei den Massentourismus kritisch unter die Lupe und verleiht somit dem Text eine originelle Würze.

Das dritte Stück "So This Is Love" ist von einem etwas pathetischen Gesang über die persönlichkeitverändernde Kraft des Verliebtseins geprägt, begleitet von einem blubbernden Bass und einem locker-leichten Gitarrenspiel. Mit "Flying Saucers" gibt sich die Truppe einem Thema hin, das sich insbesondere dem immer währenden Alptraum von der Existenz ausserirdischen Lebens widmet. Nur beiläufig wird deutlich, dass dem musikalisch spöttischen Lobgesang über jenen (un)wissenschaftlichen Richtungsstreit einige exzellente Keyboardeinlagen, aus den Fingern von Peter Bardens (einst Mitglied der Gruppe CAMEL) sowie Pete Solley (SNAFU) zu Grunde liegen, die dem Stück eine zarte futuristische Note verleihen. Die Seite 1 der LP schliesst mit dem Titelsong "Beware Of The Dog", einem nur knapp über eine Minute laufenden Stück, das in seiner Grundrhythmik sehr an die CAMEL-Kreationen aus jener Zeit erinnert und sich durch einen ebenso knappen Text auszeichnet, in dem vor dem bösen (?) Hund gewarnt wird.

Die zweite LP-Seite vermittelt durch den Song "Wait Until Midnight", der durch einen gewöhnungsbedürftigen Gesang sowie von einem stampfenden Rhytmus getragen wird, eher einen Vorgeschmack auf das Folgestück "Just One Night ", in dem der verzweifelte Versuch einer längst verarmten Witwe, sich quasi durch einen One Night Stand dauerhaft an ihren Beglücker binden zu wollen, eine gelungene Einleitung in diesem immer junge Thema. Jenes real-satirische Szenario wird von Yellow Dog nicht nur musikalisch verulkt, sondern erfährt noch eine Pointe, weil zum Schluss des Titels jene welkende, sub-alternde Witwe, ihre vielfältigen Dienste mittels des bereits gehörten Refrains nun am Telefon wiederholt und das dafür ruppige "No" des Angebeteten, eigentlich das phonetische Zerrbild jeder mit Vorurteilen behafteten Industriegesellschaft widerspiegelt. In dem Titel "I Got Carried Away" werden die gesanglichen Qualitäten des Duos Young / Armstrong erneut unter Beweis gestellt. Ein melodiöser Refrain über das Vergessen an eine Verflossene, untermalt vo einem eher banalen Gitarrenintermezzo, beendet damit auch die Herzschmerz-Thematik. Der absolut beste Titel des Albums folgt mit "Master Of The Night (The Laughing Song)" und stellt mit seinen über 6 Minuten das Kernstück der LP dar. Neben der textlichen Ode an die Schönheit einer durchzechten Nacht zeigt die Band hier am eindrücklichsten, was sie musikalisch zu leisten vermag. Ein einsetzendes Gitarrensolo in der Mitte des Titels, ein knurrender Bass und ein schwingendes Schlagzeug, unterstützt von den Keyboards von Peter Bardens sowie den elektronischen Einlagen von Pete Solley lassen selbst die kritischen Hörer ehrfurchtvoll verstummen.

"Beware Of The Dog" von ist nicht eines der Highlights aus den Spätsiebzigern, in der der "Punk"-Sturm auf die heilige Bastille vieler Plattenkonzerne losbricht, sondern eher ein gelungener Querschnitt aus dem Bereich der musikalischen Interpretationskünste jenseits des - auch längst überholten - Bombast- Rocks, wie ihn Yes, Emerson, Lake & Palmer, Rick Wakeman oder die frühen Genesis zelebrierten. Das Album stellt mithin schon deswegen ein absolutes Muss in der Sammlung eines Rockfans dar, weil es sich nicht an den vorherrschenden Klischees jener industriellen Vermarktungsstrategien orientierte, die schon längst auch hier Platz gegriffen haben und an deren negativen Auswirkungen eine Vielzahl von Rock-Heroen gescheitert waren. Das Duo Young / Armstrong hat es denn wohl auch nicht so sehr mit den Verkaufszahlen und einer mithaltenden Mainstream Platte gehabt, es wollte eigentlich nur den niedergehenden Musikindividualismus hervorheben und mittels ironisch-sarkastischer Titel zu dem Realzustand der einstigen Gesellschaft dem Zuhörer einen Spiegel vor das eigene Gesicht halten. Das dürfte, wenn auch leider kommerziell letztlich ziemlich erfolglos, in jedem Fall mehr als nur gelungen sein.

Mit dem Erstalbum "Yellow Dog" versuchte die Gruppe unter der Führung des Duos Kenny Young und Herbie Armstrong, jene stilistischen Segmente weiter zu verarbeiten, die die Beiden zuvor in den von ihnen durchlaufenden Stationen, bei Formationen wie "The Manhattan Showband", "Brian Rossi & The Golden Eagles", "Wheels", "Screaming Lord Sutch", "Demmick & Armstrong" oder "Fox" (Hit: "Only You Can") aufgenommen hatten, um aber auch ein eigenes Fundament zu bilden. Hieraus entstand eine Mischung aus kuriosen bis zeitkritischen Texten und überwiegend gesangs- sowie gitarrenlastigen Titeln, die nicht so recht in die üblichen Schemata passen wollten. Nach "Beware Of The Dog" blieb es über drei Jahre still um die Gruppe, ehe sie ihr letztes Album 1981 mit dem ebenso vielsagenden wie originellen Titel "Strangers In Paradox" veröffentlichten. Inzwischen waren dabei nicht nur die meisten Namen, der sie unterstützenden Musiker völlig andere, auch das Plattenlabel hatte die Gruppe gewechselt. In der Folgezeit stiegen Herbie Armstrong, Peter Bardens, Micky Feat und Peter van Hooke bei der Begleitband von Superstar Van Morrison ein. Es wurden mehrere Alben aufgenommen und mit ihm eine Reihe von längeren Tourneen absolviert, während es um Kenny Young eher still wurde. Erst Ende der 90er Jahre tauchte sein Name im Zusammenhang mit einem Chor-Projekt in Frankfurt am Main wieder auf, ehe er sich ab den ersten Nach-Milleniumsjahren als Initiator und Produzent rund um das "A.P.E." - Projekt und dem "Buena Vista Social Club" verdient machte. Da dem Duo nicht zuletzt auch mit dem Album "Beware Of The Dog" die musikalischen Grenzen deutlich aufgezeigt worden waren, dürfte eine Reunion dieser Formation eher im Bereich des Unwahrscheinlichen liegen. Yellow Dog blieben somit nur ein Wimpernschlag auf dem Zeitstrang der Rockgeschichte - eine klassische Eintagsfliege. Aber was für eine!





WHISKEY HOWL - Whiskey Howl (Warner Brothers Records WSC 9012, 1972)

Der Bluesrock hatte in Kanada eine lange Tradition, und dies schon ab Mitte der 60er Jahren. In den frühen 70er Jahren waren überall regionale und überregionale Bands sehr aktiv und auch recht erfolgreich unterwegs. Vancouver hatte die Lokalmatadoren Powder Blues,  Halifax feierte die Band Dutch Mason, in Montreal waren Offenbach die grossen Stars und Winnipeg hatte Big Dave McLean, der das Publikum mit dem 12-Bar Blues begeisterte. Ganz besonders beliebt und als eigentliches kanadisches Bluesmekka bekannt war Toronto, dem seine geographische Nähe zu den amerikanischen Blues-Stätten Chicago und Detroit zugute kam. In Toronto traten schon früh jene bekannten amerikanischen Blues- und Bluesrock-Bands auf, die in den USA populär waren. Sie alle kamen meistens auf einen Abstecher nach Toronto, wenn sie im Verlaufe ihrer Tourneen auch Kanada auf dem Spielplan hatten. Es entstanden nach und nach auch sehr gute musikalische Beziehungen zwischen den beiden Staaten, insbesondere aber zwischen Musikern aus Chicago und Detroit und dem kanadischen Toronto. Drei der frühesten und populärsten Bluesbands aus Kanada kamen aus Toronto und der benachbarten Stadt Hamilton: die Downchild Blues Band, McKenna Mendelson Mainline und Crowbar mit King Biscuit Boy wurden bis nach Deutschland bekannt, wo man ihre Platten ebenfalls sehr schätzte.

In dieses sehr aktive kanadische Blues-Milieu kamen auch die Musiker der Band Whiskey Howl. Gegründet im Jahre 1969, also schon relativ spät, stammten die Mitglieder der Band Whiskey Howl aus den umliegenden Dörfern um Toronto, schufen sich aber nach und nach einen richtig guten Ruf in der regionalen Blues- und Bluesrock-Szene. Angeführt vom tollen Bluesharp spielenden John Bjarnason, konnten Whiskey Howl unter anderem für Led Zeppelin und zahlreiche amerikanische Blues-Veteranen Opening Gigs bestreiten, von welchen jener mit John Lennon's Plastic Ono Band der vielleicht Spektakulärste war, denn dort standen Whiskey Howl einerseits vor, andererseits aber auch mit John Lennon's damaliger Ferak-Band auf einer Bühne bei der historischen Toronto Rock & Roll Revival Show.

John Bjarnason war einer der frühesten Vertreter der Bluesenthusiasten Toronto’s, er studierte den typischen Mundharmonika-Style etwa eines Muddy Waters oder Howlin’ Wolf und präsentierte sein Talent in der Colonial Tavern an der Yonge Street in Toronto. Zwei lokale Musiker boten ihm dabei professionellen Unterricht an, als sie sein Talent erlebten. Bjarnason erinnerte sich: "I got my background in the blues from Chris Whiteley, who I went to school with at Don Mills Collegiate. The first band I play in was actually called the Don Mils Blues Band, which was just a neighborhood group". Zuvor genoss Bjarnason in Yorkville's Hippie Haven ausserdem Gitarrenlektionen von Joe Mendelson (McKenna Mendelson Mainline). Bjarnason’s nächste Band, genannt The Back Door, konnte durch die erlangten Fähigkeiten schon sehr bald auch in grösseren Locations auftreten, wie beispielsweise dem Broom & Stone, zusammen mit lokalen Grössen wie Shawne oder Jay Jackson & The Majestics. Whiskey Howl entstanden letztlich aus Bjarnason's damals populärer Yorkville Band Sherman & Peabody. Neben Bjarnason und dem Gitarristen Peter Boyko war auch ein solider Sänger namens John Witmer dabei, welcher den Basisten Gary Penner und den Schlagzeuger Ron Sullivan aus seiner ehemaligen Gruppe aus Downsview mit dem Namen Harry’s Blues Band mitbrachte.


Mit diesem aktuellen Line Up debutierten Whiskey Howl in Yorkville im Night Owl Coffeehouse am 28. Juli 1969. Noch bevor die Band einen Monat zusammen war, konnte sie als Opening Act für Led Zeppelin spielen, als diese im Rock Pile in Toronto vor ausverkaufem Haus mit 1200 (!) begeisterten Fans aufspielten. Wieder einen knappen Monat später traten Whiskey Howl in John Lennon’s Revival Show im Varsity Stadium auf, als dort auch Alice Cooper seine Aufwartung machte und an jenem Abend einem Huhn den Kopf abhackte. Denkwürdig aus Sicht der Band war auch der Umstand, dass sie an diesem Abend gleich zweimal auftrat, nämlich einerseits als Whiskey Howl und zusätzlich auch noch als Backing Band für den eingeflogenen Rock-Exzentriker Screaming Lord Sutch.

Im Frühjahr 1970 gingen Whiskey Howl ins Tonstudio, um vier Songs aufzunehmen. Zwei davon waren wenig spektakuläre Blues-Standards, zwei davon eigene Kompositionen, die allerdings auch nicht sonderlich attraktiv waren. Von der Gruppe selber finanziert, verblieben diese vier Aufnahmen in den Händen der Band, es wurden ab und zu Demo-Cassetten davon vervielfältigt für Promoter und Konzertveranstalter, aber in den offiziellen Verkauf kamen sie nicht. Durch die Unterstützung des Rockkritikers Ritchie Yorke, der von der musikalischen Qualität von Whiskey Howl überzeugt war und wohlwollende Konzertkritiken in den lokalen und landesweiten Medien schrieb, versuchte die Band im Sommer jenes Jahres zu einem Plattenvertrag zu kommen, was jedoch - noch - nicht gelang. Leider verabschiedete sich in dieser hoffnungsfrohen Zeit des engagierten Aufbruchs ausgerechnet der Harp-Spieler John Bjarnason von der Band. Er wollte keine Musik mehr machen, sondern sich seinem angestammten Beruf als Chiropraktiker zuwenden. Michael Pickett, ein ebenfalls sehr talentierter Blues-Harp Spieler, der in Harry’s Blues Band gespielt hatte, besetzte die vakante Stelle. Es sollten in der Folge aber auch noch weitere personelle Veränderungen folgen, was zu einem schicksalsgleichen Merkmal der Band wurde. Ein Merkmal, an welchem die Gruppe letztlich dann auch auseinanderbrechen sollte.

Den Anfang machte das Gespann Peter Boyko und Gary Penner, sie wurden durch den Gitarristen Dave Morrison und den Bassisten Rick Fruchtman ersetzt. Der nun wieder umgekrempelte Fünfer ging anschliessend ins Eastern Sound Studio, zusammen mit Johnny Sandlin, dem später äusserst erfolgreichen Produzenten etwa der Allman Brothers, plus einer Handvoll eigener Songs und einiger Coverversionen. Die Plattenfirma Warner Brothers gewährte der Gruppe einen relativ grosszügigen kreativen Freiraum, stellte nur sehr wage Bedingungen an das Endprodukt. Schliesslich standen Whiskey Howl zu jenem Zeitpunkt schon ziemlich weit oben in der Hierarchie der kanadischen Bluesszene. Der Verantwortliche des Labels äusserte sich dazu wie folgt: "We don't want to get in your way and stifle your creativity. As long as you're not stark raving maniacs in the studio, we're happy to let you do your thing". Produzent Johnny Sandlin, der da schon in den renommierten Muscle Shoals Studios in Alabama tätig gewesen war, konnte der Produktion daher seinen ganz eigenen Stempel aufdrücken. Und der war einzig und alleine darauf ausgelegt, kein Hochglanz-Produkt einspielen zu wollen. Sandlin sagte: "Don't push it, don't rush the groove". Und so spielten Whiskey Howl ihr Album mit der grösstmöglichen künstlerischen Freiheit und dem damit verbundenen weitgehenden Verzicht auf grössere Studio-Gimmicks oder langwierigen Overdubbing-Geschichten grösstenteil in wenigen Takes ein.


Johnny Sandlin organisierte auch eine Bläsergruppe, bestehend aus den lokalen Grössen Keith Jollymore, Dave Woodward und Phil Alperson, um den Sound von Whiskey Howl auf ein hörbar höheres qualitatives Level zu hieven. Standards wie die Titel "Caldonia", "Early In The Morning" und "Let The Good Times Roll" und eine Downtempo Bluesnummer von Memphis Slim mit dem Titel "Mother Earth" gewannen dadurch an Fülle und Ausdruck. Daneben standen originale Kompositionen der Band wie "Down The Line" und "Jessie’s Song", die durch ein rootsiges Gitarrenpicking schon sehr ähnlich wie spätere Allman Brothers Stücke klang, was auch die Mundharmonika und der Gesang von "One Hot Lady" verriet. Die beiden absoluten musikalischen Höhepunkte auf dem Album waren sicherlich das von der Band komponierte "Pullin' The Midnight" mit exzellenten Soli von Michael Pickett und Johnny Sandlin, sowie die Coverversion von Leadbelly's "Rock Island Line". Das war schon eine sehr ungewöhnliche Idee, einen ausgewiesenermassen elektrischen Blues-Standard als vierstimmige Acapella-Nummer aufzunehmen. Das Endergebnis war aber einfach faszinierend. Pickett meinte dazu später erklärend: "We didn’t think of ourselves strictly as a blues band. None of us were purists. We loved all kinds of music, from Folk and Blues to Jazz and Rhythm'n'Blues. We were very roots-oriented and that always showed in our sound".

Als Whiskey Howl’s selbstbetiteltes Album im Sommer 1972 erschienen war, mit einem Frontcover, das die Band in Blautöne gefärbt auf der Spadina Avenue ausserhalb von Grossman zeigte, wurde die Platte sehr oft in den Radiostationen im ganzen Land vorgestellt und gespielt, auch die Kritiken waren ausgezeichnet. Es folgten Tourneen durch ganz Kanada, zumeist mit Vorgruppen, aber auch als Doppelpack mit anderen populären Acts jener Zeit, wie etwa Dr. Music, der Band Pine oder auch mit der aus Edmonton stammenden recht bekannten Gruppe Pioneer Days. Die Gruppe existierte jedoch trotzdem nur bis 1974, auch, weil sich keine langfristige Vertragsmöglichkeit mit einem Plattenlabel ergab. Warner Brothers verlängerte nicht nach dem Erscheinen des Debutalbums, weshalb es bei diesem einzigen Werk von Whiskey Howl blieb. Reformiert wurde die Gruppe später zweimal, 1976 und 1981, jedoch ohne eine weitere Plattenveröffentlichung.

 
MURDER IN THE CATHEDRAL - Afraid Of
(Soleil De Gaia Records, Soleil De Gaia 02, 1999)

Stéphane und Pascal Moru, die künftigen Gründer der Psychedelic Rockband Murder In The Cathedral teilten sich mit einem nahen Freund ein Appartement in Caen, Frankreich. Die engen Mauern der drei Zimmer garantierten eine marihuanaschwangere Atmosphäre, getragen von einem musikalischen Eklektizismus, bedingt durch das Fieber, die Kraft, die Energie und eine gewisse Art der Vergeistigung. Auf die Hymnen der Magmaiens folgen die psychedelischen Auswirkungen der Musik der 13th Floor Elevators oder der Collectors, der jugendliche Aufstand der Liberty Bells oder der Chocolate Watch Band, die politische Ausrichtung der Deviants und der Edgar Brougthon Band, die unerbittliche Kritik der Mothers Of Invention sowie weitere musikalische Ausdrucksformen, die jegliche Zugeständnisse an stetig steigende Ansprüche formatierter Produkte ablehnten. John Coltrane, Henry Cow, Joy Division und The Residents waren weitere wesentliche Bestandteile dieser höchst explosiven musikalischen Sammlung. Die Musikbesessenheit der Jungs konnte zunächst nur durch das Sammeln der entsprechenden Vinyl-Scheiben befriedigt werden. Sie lösten innere Prozesse aus, die auch den Tag überdauerten. Auch wenn sich die Jungs dessen nicht so ganz bewusst waren, letztlich wünschten sie, die bewusstseinserweiternden Werke ihrer Helden wieder aufleben zu lassen. Alain Lebon, künftiger Gründer der Labels Soleil de Gaia und Soleil Zeuhl beteiligte sich regelmässig an diesen musikalischen Ausdrucksformen, die mehr den Beschwörungs-Delirien von Amon Düül 1 als einem Professionalismus folgten, mit allen Mitteln zum Erfolg zu gelangen. Bestimmte Themen, die keinen zeitlichen Aufschub erlaubten, wurden zu einem eigenständigen Ergebnis in den Titeln "Dogs Of The Streets" oder "Polizei" verarbeitet. Nach einem Jahr des Lebens in einem selbst geschaffenen, parallelen Universum ging jeder seinen Weg, die Brüder Moru kehrten in ihre kleine Geburtsstadt Vire zurück. 

Ihre Leidenschaft Schallplatten zu sammeln, liess sie fast schon zwanghaft in die Angebotslisten amerikanischer, englischer, holländischer und deutscher Verkäufer abtauchen. Ihre Begeisterung und Leidenschaft liess sie ihre Suche mit der Intensität ähnlich der Recherche für eine Doktorarbeit, durchführen. Ihre Suche führte sie über den Folkrock der Byrds oder The Leaves, den Psychedelic Rock von Music Emporium oder HP Lovecraft, dem Punk der Bands Wig oder Lollipop Shoppe, dem Westcoast Sound von Jefferson Airplane oder Quicksilver Messenger Service zur Acidmusik von Third Power und dem Rhythm'n'Blues der Shadows Of Knights. Die Recherchen drehten sich um obskure Labels, führten sie aber auch zu neuen geographischen Horizonten: Holland, Australien, Südamerika. Sehr schnell wurde die Idee geboren, diese Leidenschaft mit mehr als nur ein paar Freunden und Hardcore-Sammlern zu teilen. 1984 erschien das Fanzine 'Everlasting Tribute'. Es erschien zu dieser Zeit jährlich und enthielt LP-Kritiken aus der Zeit des Psychedelic Rocks, beschäftigte sich aber auch mit der aufkommenden Neo Psychedelic-Szene. In der ersten Ausgabe waren Interviews mit Mick Farren von den Deviants, Gregg Provost von den Chesterfield Kings, Gary Danner von den Vogues und mit Georges Bringman zu lesen. Das französischsprachige Fanzine wurde international für seine Detailgenauigkeit und ausführlichen Recherchen gelobt. Mangels finanzieller Mittel kam es allerdings nicht mehr zu einer weiteren Ausgabe. Eine nicht unerhebliche Anzahl von Beiträgen liegt noch heute in den Schubladen, darunter ein Interview mit Little Phil And The Nightshadows, sowie ein Interview mit Mike Korbik, anerkannter Musiksammler und darüber hinaus Manager der Beatitudes. 

Das Entstehen des Neo Psychedelic Rock mit Bands wie den Slickee Boys, Plasticland, Les Lyres und The Prisoners führte dazu, dass sich eine beträchtliche Anzahl von Fans vom Punk Rock ab- und dem Neo Psychedelic Rock zuwandten. In der Wohnung von Pascal Moru trafen sich die Liebhaber dieses neuen Musik-Genres, tauschten ihre musikalischen Vorlieben aus und schufen Freundschaften, menschlich und musikalisch. Das nach wie vor bestehende Verlangen der Brüder Moru, ihren kleinen Stein am Gebäude der Hall of Fame of Rock einzusetzen, führte schliesslich zur Gründung einer fünfköpfigen Band: Pascal Moru (Bass), Stéphane Moru (Gitarre), Gilles Lepron (Schlagzeug), Pascal Lebois (Gitarre) und Pascal Simonin (Gesang). Als erstes suchten die Musiker nach einem geeigneten Gruppennamen, der sowohl die Aufmerksamkeit wecken als auch die musikalische Orientierung der Mitglieder charakterisieren sollte. Als erstes kam dabei der Name Ultimate Orgasm ins Gespräch, was der provozierenden Haltung der Gruppe entsprach, aber wegen der Befürchtung, Ablehnung angesichts zu erwartender vereinfachender und negativer Bilder, mit der die Rockmusik belegt ist, zu wecken, verworfen wurde. Nach vielen Diskussionen einigte man sich auf den Bandnamen Heretic Dreams.

Im Folgenden probte die Band an 5 bis 6 Abenden pro Woche unermüdlich, um ihre persönliche Identität zu finden. Die Atmosphäre brodelte und im Überschwang ihrer noch jugendlichen Energie, beschloss die Band, in ein Aufnahmestudio zu gehen, um in Eigenproduktion eine Single mit den Titeln "Like Adam With Eva In Hell" und "Deathchild" aufzunehmen. Das Cover der Single sollte einem Originalcover der Jahre 1966 bis 1969 entsprechen (Foto als Negativ, Fischaugen-Perspektive und sinusförmig eingefärbt). Christian Fontaine, genannt 'Baby', ein Freund der Band, kreierte das Cover. Robert Peccoraro steuerte einen Text im reinen Geist der 60er Jahre bei: 'Es erwartet Euch ein Rocksound von verruchter Unschuld und ungezügelter Lust, der Euch nicht mehr loslässt. The Heretic Dreams haben eine Platte mit dem heute so seltenen Rocking Fucking-Sound aufgenommen. Wünscht, dass der Rubel rollt und die Band ein Rocking Tripping-Album aufnehmen kann. Die Heretic Dreams sind gekommen, um zu bleiben'. Diese letzte kleine Zeile war eine direkte Referenz an die Slickee Boys.

Trotzt aller Bemühungen erwies sich die Single als Misserfolg. Der Produzent zeigte eine starke Abneigung gegen die Band, die seine Ansprüche an einen gesättigten, dem Mainstream angepassten Gitarren- und Rocksound nicht erfüllte. Die Band liess allerdings nicht zu, dass er ihr seine Vorstellungen aufdrängen konnte, woraus sich ein äusserst gespanntes Verhältnis zwischen Produzent und Band ergab. Bezeichnend für die Auseinandersetzungen war auch, dass das Label der Single noch nicht einmal die korrekte Schreibweise des Bandnamens enthielt, sondern Eretic Dreams zu lesen war. Das traf die Band hart, für die die Aufnahme einer Single eine mystische Dimension bedeutete. Dieses Ereignis zerstörte jedoch nicht das Feuer der Band, vielmehr wurde ein weiterer Anlauf unternommen und zunächst die Anzahl der Konzerte vervielfacht. Als erstes spielte die Band im Vorprogramm der französischen Rockheroen Little Bob Story auf dem Festival Bas-Normand. Anschliessend wurden zahlreiche Auftritte in der Region Basse Normandie und Mayenne absolviert. Danach wurden ihnen Konzerte mit den Roadrunners, Innocents und Valentinos angeboten. Das Programm der Band setzte sich zu diesem Zeitpunkt zu 3/4 aus eigenen Titeln zusammen. Eigenkompositionen mit einer ungestümen aber auch verbindenden Energie, die die Band von anderen Formationen unterschied. Eine Musik, angesiedelt zwischen Punk und hartem Rock und vom Gesang englischer Mod-Bands (The Who, Action) beeinflusst, wobei Strukturen verwendet wurden, die auf den überraschenden Rhythmuswechseln des Garagen- und Psycho-Punk der 60er Jahre aufbauten. Auch bei Coverversionen, wie von den Remains "Don’t Look Back", der Moving Sidewalks ("99th Floor"), der Inmates ("Shaking"), Elmer Gantry’s Velvet Opera ("Flames"), Hangmen’s "What A Girl Can Do", Steppenwolfs "Born To Be Wild" oder Flamin Groovies' "Shake Some Action" behielt die Band ihren unverwechselbaren Sound bei. Die Gruppe gewann an Erfahrung und stand im Konkurrenzkampf auf Augenhöhe mit den angesehensten Bands der Region. 

Die Erinnerungen an die ersten Studioaufnahmen waren längst verblasst, als sich Heretic Dreams wieder mit dem Gedanken beschäftigten, erneut in ein Tonstudio zu gehen. Glücklicherweise tryafen sie auf Lucas Trouble, den Organisten der Vietnam Veterans, der sich bereit erklärte, vier Titel zu produzieren. Die Band bewies erneut ihre schöpferische Kraft, aber auch ihre ausgeprägte Fähigkeit, Melodien zu erfinden. Ihre Einflüsse reichten vom Psychedelic Rock ("Will I Ever Find My Baby" und "Deathchild") über Folk Rock ("Little Sunny Annie") bis zum Garagen-Punk ("I Got A Face"). Die zuvor vorhandene Sorge, nicht mit studiofähigen Gitarren ausgerüstet zu sein, erledigte sich, da die Band im Studio auf dort vorhandene Instrumente zurückgreifen und die Aufnahmen, wie gewünscht, einspielen konnte. Zwischenzeitlich waren Heretic Dreams vom französischen TV-Sender FR3 angesprochen worden, um an einer Fernsehsendung namens Rocking Chair teilzunehmen; einer Sendung, die von Jean Lou Janeir präsentiert wurde. Christian Fontaine, der schon für das Cover der ersten Single verantwortlich gezeichnet hatte, stellte für den Fernsehauftritt ein Bühnenbild her, auf dem die Band als Pharaonen auf einer Fläche von 4 x 2 Metern abgebildet war. Durch diese Fernsehsendung wurde der Bekanntheitsgrand der Band weiter gesteigert. Das Pariser Label Lolita Records, welches für seine Vorliebe für Neo Psychedelic Bands bekannt war, hatte von den zuletzt vier aufgenommen Titeln gehört, wünschte aber eine Ausweitung des Repertoires, ehe ein Plattenvertrag in Betracht kam. Die Band sollte wenigstens über ein Repertoire von 10 Titel verfügen.

Leider werden die günstigen Aussichten auf einen Plattenvertrag mit Lolita Records durch technische Probleme gestört. Um das geforderte Repertoire von zehn Titeln zu erreichen, standen nur vier Studiotage, unter der Leitung von Lucas Trouble, zur Verfügung. Dieser war nicht in der Lage, die technischen Voraussetzungen zu schaffen, die notwendig waren, qualitativ hochwertige Aufnahmen einzuspielen. Erste Hörproben ergaben, dass die Aufnahmen total verhallt waren. Später sollte sich zeigen, wie sie sich tatsächlich hätten anhören können. Andere Titel erfüllten jedoch die Erwartungen, wie "Secret Noise" oder "Four Sides". Nach dieser erneuten negativen Erfahrung fiel die Gruppe zunächst in ein Loch. Die Proben beschränkten sich auf das Wochenende und das Verständnis unter den Bandmitgliedern verschlechterte sich zusehens. Die Band war müde und Stéphane, einer der beiden Gitarristen und der kreative Kopf, schien die Aufmerksamkeit der anderen Bandmitglieder nicht mehr wecken zu können. Gilles, der Schlagzeuger, ging berufsbedingt ins Ausland und liess die lethargisch erscheinende Gruppe zurück. Die Brüder Moru und der Sänger hielten den Anschein, dass die Band weiter existierte, aufrecht und produzierten zwei Titel, die auf eine neue und entscheidende Wende hoffen liessen: "I`m Just Insane", welches eine neue Facette der Band zeigte, Eleganz und Spiritualität zu verbinden, sowie "Ceremon"“, in welchem die Spielweise der Sologitarre für besondere Power sorgte. Das fehlende Schlagzeug wurde durch Rhythmusmaschinen ersetzt. Der zweite Gitarrist war mit der neuen Entwicklung nicht einverstanden und hatte Zweifel, den Sound auch live bringen zu können. Die Gruppe driftete weiter auseinander, da sich jeder mit seinen persönlichen Vorlieben beschäftigte. Das Ende der Band wurde allerdings nie offiziell erklärt, so als wollte man sich die Möglichkeit offen lassen, sie eines Tages wieder aufleben zu lassen. Ironie des Schicksals war, dass die Aufnahmen, die mit Lucas Trouble einspielt wurden, nie beim Label Lolita Records ankamen. 

Robert Peccoraro, Musikfreund erster Stunde und besorgt darüber, dass die Band bald vergessen sein würde, schlug vor, die Aufnahmen auf Kassette für die Nachwelt irgendwie festzuhalten und zu veröffentlichen. Die Band war einverstanden und erlaubte ihm, die Titel für die Kassette auszuwählen. Die Kassette erschien 1995 in luxuriöser Ausführung, eine Ehrbezeugung nicht nur für die Band, sondern auch für alle Fans, die an die Band geglaubt hatten. Die Kassette mit dem Titel "The Secret Noise Of Heretic Dreams" bedeutete jedoch das offizielle Ende der Band. Die Brüder Moru verfolgten jedoch weiter ihren musikalischen Weg und sichteten in ihrem kleinen Heimstudio das von Stéphane, dem Gitarristen, angelegte Archiv. Das Zusammenspiel als Duo hatte den Vorteil, die gemeinsamen Einflüsse, sozusagen zweigeteilt, zu verarbeiten. Pascal, der Bassist kümmerte sich um die Aufnahmetechnik, wodurch Stéphane sich in erster Linie auf die Musik konzentrieren konnte. Robert Peccoraro hörte die allererste Aufnahme und schlug vor, diese als Zusatztitel einer Compilation zuzuführen, die dem amerikanischen Psychedelic Rock gewidmet war. Die Compilation-Kassette nannte sich "Psychedelic Wizzards" und das Stück hiess "Over The Bridge". Es zeigte eine musikalische Neuorientierung der Band mit bis dahin unüblichen Verzerrungen von Tönen bis hin zu einem Eastern Touch. Mehrere Gitarrenspuren wurden im Wege des Overdubbings zusammengelegt und erzeugten eine grössere Komplexität des Sounds. In dieser neuen Form hiess die Band nun Murder In The Cathedral. 

Es folgten weitere Aufnahmen im Homestudio und die Idee, erneut eine Schallplatte zu veröffentlichen, reifte. Gilles, der Schlagzeuger der Heretic Dreams, kam zurück und beteiligte sich an den Aufnahmesessions, die in wenigen Tagen erledigt waren. Das Album bestand schliesslich aus acht Titeln, wobei im Wechsel auf ein Instrumentalstück jeweils ein Titel mit Gesang folgte. Die Titel räumten dem Gitarrenspiel erste Priorität ein. Deutlich festzustellen war der pychedelische Einfluss. Die Kritiker beschrieben die Musik als eine Mischung aus Plastic Cloud, Morgen und Grateful Dead. Nach Anlaufschwierigkeiten erschien das Album bei Dig Records, einem Label, welches auf die Veröffentlichungen und den Verkauf von Garage Rock der 90er Jahre spezialisiert war, sowie auf Wiederveröffentlichungen aus den 50er und 60er Jahren. Das Album wurde in die USA, nach England, Deutschland, Belgien, Holland, Schweden, Korea, Japan und Spanien verkauft. Es wurde sehr positiv im Neo Pychedelic Underground aufgenommen. Das von Jimmy Peccoraro gestaltete Cover bezog sich auf das klassische 60s Psychedelic Artwork und enthielt ein Einlegeblatt, auf dem die historischen Verbindungen zum Bandnamen Murder In The Cathedral ausgeführt waren. 

Anschliessend nahm die Band verstärkt die Arbeit für ihr zweites Album in Angriff, welches "Afraid Of" heissen sollte. Aufgrund der schlechten Erfahrungen mit Dig Records musste die Band sich erneut auf die Suche nach einem Label begeben. Im Gespräch waren dabei die US-Labels Rockadelic und Aether Records, das Label von Stan Denski, der auch Interesse zeigte, aber die Band letztlich zu lange warten liess. Zu diesem Zeitpunkt kam wieder ein Kontakt mit Alain Lebon, einem Freund aus der Anfangszeit, zustande, der mittlerweile die Labels Soleil de Gaia und Soleil Zeuhl etabliert hatte. Lebon hatte verschiedene Bands der Musikrichtung Zeuhl sowie einige herausragende Alben des französischen Progressive Rock veröffentlicht. Alain Lebon und Murder In The Cathedral teilten gemeinsame Einflüsse, aber auch eine gemeinsame Geschichte, was dazu führte, dass man sich zum einen gegenseitig schätzte und andererseits auch die gegenseitigen Erwartungen in Einklang bringen konnte. Dies bewies sich schon beim Abhören der Bänder und die Band entschloss sich, das zweite Album in Zusammenarbeit mit Alain Lebon zu veröffentlichen. Es erschien 1999, erneut mit einem von Jimmy Peccoraro kunstvoll gestalteten, den Traditionen der psychedelischen Kunst folgenden Cover. Es stellte ein düsteres Universum dar, in dem die Laufbahn der kreisenden Monde in eine rätselhafte Verästelung geriet. Das Cover war aus verstärktem Karton. Das Label der Schallplatte entsprach den einschlägigen Vorgaben aus den 60er Jahren und das Inserat enthielt ein Foto der Band. Die Musik war wesentlich strukturierter als auf dem ersten Album und enthielt wesentlich weniger Jam-artige Passagen. Die Kritiker bezeichneten die wesentlichen Soundeinflüsse in einer Bandbreite, die von den Byrds bis zu The Bevis Frond reichte und den San Francisco Acid-Sound der 60er Jahre und orientalische Sounds verband, zudem lobten sie die Weiterentwicklung der Band bezüglich ihrer instrumentalen Ausdrucksformen. 

In der Folge wurde die Band angefragt, mögliche Songs zu zwei Samplern beizutragen. Dafür spielten sie zwei neue Titel ein. "World In Flame" für den Sampler "Floralia Vol.4" vereinte die verschiedensten Einflüsse der Band mit einer allgegenwärtigen Gitarre, die von einlullend bis verwüstend alle Soundfacetten abdeckte. Der zweite neue Titel erschien auf einer Compilation des US Labels Aether Records mit dem Titel "Pull Up The Paisley Covers - A Psychedelic Omnibus". Konzept des Samplers war es, von verschiedenen Bands ganz spezielle Versionen bekannter Titel der 60er Jahre einspielen zu lassen. Murder In The Cathedral entschieden sich für einen Titel des ersten Albums der Who: "The Good’s Gone". Die Band interpretierte den Titel aus den Anfängen des Psychedelic Pop auf minimalistische Art. Sie veränderte das Arrangement und die Struktur, einschliesslich des Instrumentalteils dergestalt, dass die Beat-Einflüsse der Originalversion nicht mehr zu hören waren. Die anderen Künstler auf dem Sampler interpretierten Titel der Master Apprentices, Carolyn Hester, Kilburn Rovers, The Pretty Things und The Churchills neu. Neben Murder In The Cathedral waren unter anderem The Bevis Frond und Mushroom auf dem Sampler zu hören. Leider erschien danach keine weitere Musik mehr von Murder In The Cathedral. Da die Band aber bis heute offiziell nicht aufgelöst wurde, könnte es durchaus sein, dass irgendwann wieder eine neue Platte erscheint, oder zumindest ein Beitrag an ein mögliches weiteres Tribute-Album. Stéphane Moru, der Gitarrist der Band, hütet mit Hingabe das musikalische Erbe der Band, denn wer weiss, ob nicht der Tag kommt, dem Drang der latent schlummernden Leidenschaft wieder nachzugeben. 




SCREAMING LORD SUTCH - Lord Sutch And Heavy Friends 
(Cotillion Records SD 9015, 1970)

Der Musiker und Exzentriker David Edward Sutch wuchs im Arbeiterklassenmilieu im Norden Londons auf. Sein Vater, ein Reservepolizist, war bei einem Bombenangriff ums Leben gekommen. Zusammen mit seiner Mutter lebte er in ärmlichen Verhältnissen in Kilburn, später in Harrow. Seine Mutter schlug sich als Verkäuferin und Putzfrau durch. Sutch verliess im Jahre 1956 die Schule und nahm eine Arbeit als Fensterputzer an. Durch Bill Haleys "Rock Around The Clock" wurde er motiviert, selbst Musiker zu werden. Seine ersten Auftritte absolvierte er im Ace Cafe, einer von Motorradfahrern besuchten Bar in der Londoner Harrow Road. Sein Gesangsstil wurde mit dem von Screamin' Jay Hawkins verglichen. Er nahm in der Folge den exzentrischen Künstlernamen und Fantasietitel Screaming Lord Sutch, Third Earl of Harrow, an. Um 1960 erregte Sutch durch seine Auftritte, so in der 2i’s Coffee Bar in London, zunehmend Aufmerksamkeit: einerseits durch seinen 'Wild Wan of Borneo look', bestehend aus einer Leopardenfelljacke seiner Tante und einem Hut mit Büffelhörnern, durch den er aus der Masse der Elvis Presley-Kopien hervorstach; vor allem aber durch seine ausgefallene Bühnenshow, die er als einer der ersten mit Schock- und Horrorelementen anreicherte. Requisiten waren Äxte, Messer, Totenschädel und ein Sarg, der zu Konzertbeginn auf die Bühne getragen wurde. Diesem entstieg er als Spukgestalt, mit weiss geschminktem Gesicht und schwarz-rot umrandeten Augen, um eine grüne Flüssigkeit ins Publikum zu spucken. Sutch fiel ausserdem als einer der ersten langhaarigen Musiker auf, sein Haar soll 18 Zoll (etwa 45 Zentimeter) lang gewesen sein.

1961 wurde der Musikproduzent Joe Meek auf ihn aufmerksam, erste Platten entstanden. Sutch legte sich eine feste Band zu, The Raving Savages ('Die tobenden Wilden'), bestehend aus Bernie Watson (Gitarre), Rick Brown (Bass), Carlo Little (Schlagzeug) und Nicky Hopkins, der später Session-Keyboarder der Rolling Stones werden sollte. Die Besetzung wechselte häufig, auch Ritchie Blackmore, Matthew Fisher, Tony Dangerfield und Andy Wren gehörten zeitweise zur Band. Das Ensemble wurde später bekannt als Screaming Lord Sutch And The Savages. Die in Meeks Heimstudio in Islington produzierten Platten wurden häufig von der BBC boykottiert, was die Öffentlichkeitswirkung der Band jedoch eher erhöhte. Lord Sutch, der von 1962 bis 1966 von Manager Reg Calvert betreut wurde, erweiterte seine Bühnenshows und bot nun auch Themenshows an, so traten er und seine Band als Steinzeitmenschen oder Römer kostümiert auf, auch die Bühnendekorationen wurden entsprechend angepasst. Eigens für die letztere Show benannte Sutch die Band in Lord Caesar Sutch & The Roman Empire um, teilweise fuhr er dabei in einem von Pferden gezogenen Streitwagen vor.

Eines seiner bekanntesten Stücke wurde "Jack The Ripper" (1963), das von dem gleichnamigen Serienmörder handelte. Auf der Aufnahme waren Schritte und Schreie eines fliehenden Ripper-Opfers zu hören. "Jack The Ripper" wurde häufig im Radio und in Diskotheken gespielt. Trotz seiner Auftritte in namhaften Clubs wie dem Star Club in Hamburg, seinen später berühmt gewordenenen Musikern wie Blackmore, Hopkins oder Fisher, und seiner relativ hohen Bekanntheit blieb der kommerzielle Erfolg aus. Sutchs Alben erreichten keine nennenswerten Umsatzzahlen. Die 1970 erschienene LP "Lord Sutch And Heavy Friends" erzielte in den USA eine Chartplatzierung, wurde aber bei einer BBC-Umfrage 1998 zur schlechtesten Platte aller Zeiten gewählt, ein Titel, den sie auch im Buch 'The Top 1000 Albums of All Time' errang. Dies, obwohl auf dieser Platte anerkannte Musiker wie Jimmy Page, John Bonham, Jeff Beck, Noel Redding und Nicky Hopkins mitwirkten. Anfang der 90er Jahre feierte Sutch ein Comeback in der Psychobillyszene, wo er auch auf einigen Festivals unter anderem mit The Meteors zu sehen war. In den letzten Jahren vor seinem Tod absolvierte er noch bis zu 250 Auftritte im Jahr europaweit.

Lord Sutch veröffentlichte vor allem in den 60er Jahren eine Vielzahl von Singles, die sowohl Eigenkompositionen als auch Coverversionen von bekannten Rockstandards enthielten. In den 70er Jahren entstanden zwei Langspielplatten. Zu Lebzeiten als auch nach seinem Tod erschienen mehrere "Best of"-Alben. Lord Sutch war eine skurrile Persönlichkeit. Genau genommen würde man ihn heute wohl als profilneurotischen Exzentriker beschreiben. Er war Musiker, weite Teile seines Lebens Künstler und mehrmaliger Bewerber um einen Sitz im englischen Oberhaus. Der Zusatz 'Heavy Friends' war bei seiner LP "The Hands Of Jack The Ripper" durchaus nicht übertrieben, denn David Sutch hatte sich wirklich einige musikalische Schwergewichte ins Studio geholt. Darunter befanden sich Noel Redding, Nicky Hopkins, Jeff Beck und die beiden Led Zeppelin Musiker John Bonham und Jimmy Page. Gleichzeitig stammte die Häfte des Songmateriales aus der Feder von Lord Sutch und Jimmy Page.

Ein Songmaterial, das zudem einen sehr hohen Wiedererkennungswert aufwies, denn es erwies sich als nicht besonders schwierig, einen Teil der verwendeteten Melodien ihren Originalen zuzuordnen. So wurde grosszügig bei den Kinks abgekupfert, die Beach Boys zitiert, ein bisschen "Roll Over Beethoven" eingestreut und sehr viel bekanntes Blues-Repertoire angezapft. Musikalisch bewegte man sich gekonnt im Spät-60er Hardrock. Dennoch zeigte das Resultat, die LP, durchaus einige Höhepunkte, wie zum Beispiel die Titel "Wailings Sounds", "Flashing Light", "Union Jack Car", "Smoke And Fire" oder "Baby Come Back". Das Endergebnis war zwar nicht unbedingt spektakulär, aber es hatte einen stark skurrilen Kult-Charakter, der letztendlich den Reiz dieses Albums ausmachte. Und mal ehrlich, eigentlich war das absolut geniale Albumcover-Artwork alleine schon den Kaufpreis wert, auf welchem sich Screaming Lord Sutch in bester englischer Dekadenz präsentierte.

Sutch wandte sich 1963 der Politik zu, als infolge der Profumo-Affäre Nachwahlen zum britischen Unterhaus in Stratford-upon-Avon notwendig geworden waren, dies zunächst wohl nur auf Initiative seines Managers Calvert, der eine Chance sah, die Popularität Sutchs zu erhöhen. Die unermüdliche Teilnahme an Wahlen, grösstenteils mit satirischen Wahlkampagnen und abstrusen Forderungen, blieb jedoch bis zu Sutchs Tod eine Konstante. Bereits 1963 hatte Sutch die National Teenage Party (NTP) gegründet, deren Programm zahlreiche absurde Forderungen enthielt, daneben aber auch die Herabsetzung des Wahlalters auf 18 Jahre, die Zulassung gewerblicher Rundfunksender und die Liberalisierung der Pub Öffnungszeiten, Forderungen, die Realität geworden sind.

In den 70er Jahren lebte Sutch teilweise in den USA, verliess aber, von der Politik Ronald Reagans desillusioniert, das Land in den frühen 80er Jahren. Wieder in England angekommen, gründete er, an seine NTP anknüpfend, 1983 die Official Monster Raving Loony Party. Die Partei forderte in Anspielung auf die Agrarüberschüsse in der EG, die teilweise aufwendig vernichtet wurden, den Bau einer Skipiste aus dem Butterberg und die Züchtung von Speisefischen in Weinseen, damit diese beim Fang gleich eingelegt seien. Er selbst trat als Kandidat in rund 40 Wahlen an. Er hatte nie eine Chance, einen Sitz zu gewinnen, erreichte aber oft erstaunlich hohe Stimmanteile. Nachdem er Margaret Thatcher in ihrem Wahlkreis 1983 mehrere hundert Stimmen gekostet hatte, erhöhte die konservative Regierung den Geldbetrag, den ein Kandidat als Pfand hinterlegen musste, von 150 auf 500 britische Pfund. Sutch liess sich aber dadurch nicht von seinen Kandidaturen abbringen. Da die Kautionen nach den verlorenen Wahlen verfielen, hatte Sutch ständig einen hohen Kapitalbedarf. 1995 stand er vor dem Bankrott, als seine Bank auf der Rückzahlung eines Darlehens von 194'000 Pfund bestand. Erst nach der Intervention eines Geldgebers war die Bank bereit, das Darlehen weiterhin zu stunden, sodass Sutch seine politischen Aktivitäten fortsetzen konnte. In den 90er Jahren stellte die Heineken Brauerei in ihrer Werbung Sutch als britischen Premierminister in der Downing Street Nr. 10 dar. Der Werbeslogan lautete: 'Das schafft nur Heineken' ('Only Heineken can do this'). 

David Edward Sutch beging 1999 Suizid durch Erhängen, zwei Jahre nachdem für ihn überraschend seine Mutter gestorben war. Seine Lebensgefährtin gab an, er habe bereits seit vielen Jahren an Depressionen gelitten. Sein letzter Tagebucheintrag soll gelautet haben: 'Depression, Depression, Depression ist einfach zuviel'. Ein Nachruf lautete: 'Ein Komödiant mit Tragik in seinem Herzen. Die Öffentlichkeit sah das öffentliche Gesicht, einen fröhlichen, offenen Charakter, aber in der Zurückgezogenheit seiner Kammer kam seine wahre Traurigkeit zum Vorschein'. Ein britischer Regierungssprecher erklärte, Sutch habe über viele Jahre hinweg einzigartige Beiträge zur britischen Politik geleistet. Ohne ihn würden die Wahlen nie wieder so sein, wie sie waren. David Edward Sutch wurde auf dem Pinner Cemetery, London, an der Seite seiner Mutter bestattet.





Dec 3, 2022


POTLIQUOR - Louisiana Rock & Roll (Janus Records JLS 3036, 1972)

Gegründet im Jahre 1969 in Baton Rouge, Louisiana, bestand die Swamp Rock Band Potliquor ursprünglich aus George Ratzlaff (Keyboards, Rhythmusgitarre, Gesang), Guy Schaeffer (Bass, Gesang), Jerry Amoroso (Schlagzeug, Perkussion, Gesang) und Les Wallace (Gitarre, Gesang). Jedes der Mitglieder war ein Veteran der Baton Rouge Musikszene. Ratzlaff und Schaeffer waren zuvor Mitglieder der Gruppe Basement Wall, der höchstbezahlten Coverband im Süden der späten 60er Jahre, wie die Louisiana Entertainment Association später konstatierte. Jim Brown, ein lokaler Promoter und Besitzer eines Baton Rouge Clubs, des Speakeasy, war federführend bei der Gründung der Band und arrangierte einen sogenannten 'Name-the-Band' Contest, der zu Potliquors Namensgebung führte. Als das New Orleans Pop Festival geplant wurde, bot Jim Brown an, Acts und Zeiten auf der Bühne zu koordinieren. Dies ermöglichte es ihm, seine Schützlinge Potliquor am Samstagabend des Festivals zur Hauptzeit zu platzieren. Das New Orleans Pop Festival fand vom 30. August bis 1. September 1969 statt, nur zwei Wochen nach dem Woodstock Music Festival, auf dem Louisiana International Speedway in Prairieville, Los Angeles, etwa 65 Meilen von New Orleans entfernt. Die Berichte über die Anzahl der Festivalbesucher waren sehr unterschiedlich. Einige schrieben, 25000 bis 30000 wären zugegen gewesen und andere glaubten, dass es weit über 100000 Menschen gewesen seien, die an dem Festival eine beeindruckende Menge an nationalen Musikgrössen, darunter fünf Veteranen von Woodstock, nämlich Janis Joplin, The Grateful Dead, Santana, Jefferson Airplane, Country Joe And The Fish, zusammen mit Canned Heat, den Byrds, den Youngbloods, Iron Butterfly, Oliver und weiteren erleben konnten.

Potliquor machten insbesondere live weiter Schlagzeilen, als sie am wesentlich kleineren 'Men And Earth'-Festival im Mai 1970 in der Gegend von Baton Rouge zusammen mit Ginger Valley, Bloodrock, The Ides Of March und weiteren Bands auftraten und dort als beste der Gruppen bewertet wurde. Anfang September 1970 hatten Potliquor bei Janus Records, einer Tochtergesellschaft der GRT Corporation, einen Plattenvertrag unterschrieben. In einer kleinen, vollfarbigen Anzeige auf der Titelseite der Billboard-Ausgabe vom 26. September 1970 beschrieb das Label Janus die Gruppe Potliquor als eine 'River-Blues' Band aus Baton Rouge, die beim New Orleans Pop Festival eine Sensation darstellte und von vielen Plattenfirmen umschwärmt worden sei, die sie alle unter Vertrag nehmen wollten. Die erste nationale Tournee als Headliner schien kurz davorzustehen. Offiziell veröffentlicht von Janus Records im November desselben Jahres, wurde Potliquors Debütalbum "First Taste" in den Deep South Recording Studios in Baton Rouge aufgenommen. Produziert von Manager Jim Brown und aufgenommen von Cy Frost. Frost schrieb auch bei den Kompositionen der Band mit (als Giuseppe Efronetée) und spielte Gitarre auf dem Stück "Driftin", das später von der britischen Band Fat Chance gecovert wurde. Das Album wurde von Bob Glassenberg im Billboard Magazine sehr positiv bewertet, der die Rezension mit einer hoffnungsvollen Zukunft für Potliquor beendete. Ungefähr einen Monat später erhielt Glassenberg eine Live-Performance von Potliquor im Village Gate Club in Greenwich Village New York, und nannte die Gruppe eine Hardrock-Formation mit typischen Bayou Swamp Einflüssen bei jedem Song, den sie spiele. Er beschrieb sie als stilistisch einzigartig und schlussfolgerte, dass sie eine gute, energische neue Gruppe in der Popszene seien.

1971 begannen Potliquor in Baton Rouge im Februar mit den Aufnahmen zu ihrem zweiten Album "Levee Blues" in den Deep South Recording Studios. Obwohl offiziell Jim Brown für das Album als Produzent ausgewählt worden war, übertrug er die eigentliche Verantwortung für die Aufnahmen erneut an Cy Frost, einem echten Genie. Eine weitere Tournee führte die Gruppe zurück an die Westküste, wo sie am 3. April 1971 zusammen mit der Band Joy Of Cooking und Hugh Masekela und der Union Of South Africa in einem speziellen Programm, betitelt 'Calebration', bei einem Fernsehsender in San Francisco auftrat. Dieses Special, das in Verbindung mit der 'Bay Area Hi-Fi Show' stattfand, hatte Radiostationen in San Francisco, San José und Los Angeles, die ein quadrophonisches Stereosignal ausstrahlten. Später im selben Monat wurde die Gruppe gebucht, um im Winterland (Bill Graham's grösserem alternativen Veranstaltungsort zum Fillmore West) in San Francisco mit den bereits sehr bekannten Gruppen Ten Years After und Cactus am 30. April bis 1. Mai 1971 aufzutreten, doch diese aus Sicht von Potliquor hoffnungsvollen Konzerte sollten am Ende nicht stattfinden, weil beide Veranstaltungsorte stillgelegt wurden. Das Werbeplakat und andere Werbung waren bereits vorhanden, aber die Events wurden ersatzlos abgesagt. Obwohl geplant war, das neue Album "Levee Blues" im Mai fertigzustellen, vollendeten Potliquor erst im August die Arbeit an der Platte, die schliesslich Ende 1971 veröffentlicht wurde.

Zu diesem Zeitpunkt sah es für Potliquor vielversprechend aus. Billboard berichtete im September, dass eine England Tournee in Planung war und Chess Records sowie Janus Records Führungskräfte gaben öffentlich ihre Pläne zur Förderung von "Levee Blues" bekannt. Ein Artikel in der Billboard-Ausgabe vom 25. Dezember 1971, in der die sich entwickelnde Strategie beschrieben wurde, um eine aggressive Promotion für das Album zu lancieren, damit die Albumverkäufe entsprechend angekurbelt werden sollten, beschloss der Chess / Janus Records-Promoter Don Graham mit der Aussage, Potliquor sei sein besonderes Projekt und er wäre davon überzeugt, dass die Band sowohl national wie international Furore machen könnte. Potliquor's Album "Levee Blues" war eines von sechs Chess / Janus-Alben, die in einer ganzseitigen Anzeige promotet wurden. Die Zukunft sah für Potliquor weiterhin rosig aus, denn 1972 begann Billboard, Potliquors neue Single "Cheer" aus dem "Levee Blues" Album auszukoppeln, da sie das Potenzial habe, die Billboard Hot 100 zu knacken. Marvin Schlachter, der Präsident von Chess / Janus, lobte Potliquor's Potential öffentlich: "Wir haben gerade einen Titel von ihrer "Levee Blues" LP als Single veröffentlicht, weil wir festgestellt haben, dass der Song "Cheer" beispielhaft für die Qualität der Musik unserer Künstler besitzt. Bands wie Potliquor sind Beispiele für die neueren Künstler, die wir haben". Anfang Februar war "Cheer" denn auch in die Hot 100 Charts von Billboard eingestiegen. Eine Tournee zur Promotion des "Levee Blues" Albums fand mit der britischen Band Savoy Brown statt. Potliquor beendeten die Tournee in Los Angeles, wo sie am 24. Februar 1972 im legendären Whiskey A Go Go, wiederum mit Savoy Brown, auftraten. Nach eineinhalb Monaten erreichte die Single "Cheer" am 18. März 1972 die höchste Position auf Platz 65 der Billboard Hot 100. Sie hielt sich 11 Wochen in den Hot 100 . Anfang März starteten Potliquor eine sechswöchige Tournee mit Bloodrock und Cactus mit einer Unterbrechung des Programmes, um am Mar Y Sol Pop Festival in Puerto Rico vom 1. bis 3. April 1972 teilzunehmen. Andere bemerkenswerte Künstler traten auf dem Festival auf, unter anderem auch Alice Cooper,

Mitte des Jahres waren die Verantwortlichen der Plattenfirma sehr zuversichtlich über die Zukunft von Potliquor. Die Gruppe trat am 18. Juni 1972 mit Peter Yarrow und Billy Joel in der 'Real Don Steele TV Show' auf. Chess / Janus-Präsident Marv Schlachter gab bekannt, dass eine Fusion der Schach-Labels von Chess, Janus und GRT bevorstand, und dass das neue grosse Label die Einstellung von nationalen Promotions- und College- und Radio-Mitarbeitern zufolge hätte, sowie ein solides Talent-Föderungsprogramm für das Unternehmen eingerichtet werden soll. Er hielt dabei fest, dass Potliquor als eines der Zugpferde im neuen Stall galten. Bevor die Band ins Studio zurückkehrte, spielten Potliquor am 27. Juni 1972 mit Uriah Heep und Long John Baldry im Sunshine Inn in Asbury Park, New Jersey. Zuhause hatten Potliquor ausserdem zwei bemerkenswerte Auftritte im City Park in New Orleans Louisiana, wo sie WRNO-FM's 'Day in the Park' Konzert am 23. Juli 1972 präsentiert hatten, ein Festival, das landesweit im Radio zu empfangen war und in dessen Verlauf die Formation mehrere Songs mit Dickey Betts und Gregg Allman spielte. Am 24. August 1972 schliesslich traten Potliquor in der Independence Hall von Baton Rouge zusammen mit REO Speedwagon auf. Während die Gruppe im Dezember in der Fernsehsendung 'Salute to the Hits of 1972' der Real Don Steele Show auftrat, wurde die Arbeit an ihrem dritten Album abgeschlossen.

"Louisiana Rock & Roll" wurde im Januar 1973 veröffentlicht, wieder von Jim Brown produziert und von Cy Frost aufgenommen und abgemischt. Chess / Janus unterstützte die neue LP mit einer farbigen Anzeige am Ende der Seite 1 der Billboard-Ausgabe vom 10. Februar 1073 und einer ganzseitigen B & W-Werbung, die 11 neue Alben der Künstler, darunter Potliquor, beworben hatte. Der erste Teil des Jahres 1973 sah Potliquor als Special Act bei Auftritten von Boz Scaggs, und am 3. Mai 1973 waren Potliquor an einem sehr ungewöhnlichen Konzert beteiligt, besonders für jene Zeit. Die Gruppe spielte bei einem Jugendkonzert im Pete Maravich Assembly Center mit dem Baton Rouge Symphony Orchestra, die jeweils getrennte Sets spielten und sich dann zu Potliquor-Musik zusammenschlossen, die vom Orchester unterstützt wurde. Dies war eines der beeindruckendsten Beispiele für eine Rockgruppe, die live mit einem Symphonieorchester auftrat, doch leider wurde dieser Anlass nicht live mitgeschnitten. Mitte des Jahres traten Potliquor mit verschiedenen Bands an verschiedenen Orten auf: Mit den Eagles und der Charlie Daniels Band im Warehouse in New Orleans, mit Black Oak Arkansas im Monroe Civic Center in Monroe, Louisiana, in Rapid City, South Dakota, in der Independence Hall in Baton Rouge mit Steely Dan und Gladstone und mit Wishbone Ash in El Paso, Texas. Irgendwann im Jahre 1973 begannen die Dinge jedoch für die Gruppe bergab zu gehen.

Der langjährige Manager und Plattenproduzent der Band, Jim Brown, starb bei einem Autounfall. Anscheinend war Brown der Friedensstifter der Gruppe und mit seinem Tod geriet die Band in interne Konflikte. Der örtliche Musiker, Leon Medica, später von LeRoux, hatte von Zeit zu Zeit den Bassisten Guy Schaeffer ersetzt, weil dieser Probleme mit seiner Gesundheit hatte. Er ersetzte dabei Schaeffer auch auf zwei Tracks während der "Levee Blues" Aufnahmen und während einiger der "Louisiana Rock & Roll" Sessions und spielte zumindest mit Potliquor für das Konzert vom 3. Mai 1973 mit der Baton Rouge Symphony. Nach Browns Tod wurde Schaeffer aus der Gruppe geworfen. Mehrere Mitglieder einer lokalen Baton Rouge-Gruppe, den Warbabies, wurden hinzugefügt, und Schlagzeuger Jerry Amoroso wurde auch aus der Band geworfen. Laut Amoroso hatte er das Copyright auf den Namen "Potliquor", aber George Ratzlaff besass die Verlagsrechte und den gesamten Katalog von Original-Songs aus den ersten drei Alben. Schliesslich quittierte auch er Keyboarder und Sänger George Ratzlaff den Dienst. Amoroso rief seinen ehemaligen Bandkollegen Schaeffer und mit dem lokalen Gitarristen Mike McQuaig versuchte er, Potliquor neu aufzustellen. Doch der Verlust von Ratzlaff's markanter Stimme und dessen grossem Talent als Songschreiber (11 von 14 der Original-Songs auf den ersten drei Alben wurden von Ratzlaff mitkomponiert) erwies sich als zu gross. Bis 1977 gab es keine nationalen oder regionalen Touren und keine Werbemassnahmen im Auftrag von Chess / Janus Records. Als Anführer der Gruppe flog Amoroso nach New York, um eine Plattenfirma für einen neuen Vertrag zu finden, aber ohne Erfolg. Schliesslich unterzeichneten Potliquor Anfang 1977 einen Vertrag mit Capricorn Records und veröffentlichten im März 1977 die Single "New York City You Is Not". Diese Bemühungen führten zu keinem direkten Erfolg für die Band, aber schliesslich gingen Amoroso, Schaeffer, Mike McQuaig und der neue Gitarrist Steve Sather in ein Studio in Bogalusa, Louisiana, um ihr gleichnamiges Album "Potliquor" aufzunehmen, das 1979 von Capitol Records veröffentlicht wurde.

Leider fehlte dem neuen radiofreundlichen Stil nicht nur der alte Southern Rock Groove, er konnte auch keine Top Charts-Platzierung generieren, und die neue Band brach kurz darauf auseinander. Potliquor waren letztlich eine der frühen Gruppen eines neuen Musikgenres, das später als Southern Rock weltbekannt wurde. Mit einer Mischung aus Elementen unterschiedlicher Musikstile und der Einbeziehung von Texten und Titeln aus ihrer Heimat, dem südlichen Louisiana, waren Potliquor eine Formation von grosser Originalität und Kreativität. Sie traten zu einer entscheidenden Zeit in das Geschäft der Rockmusik ein, wo viel möglich war, und sie spielten Seite an Seite und auf Augenhöhe mit vielen Gruppen, die immens erfolgreich werden würden. Potliquor spielten beispielsweise Kopnzerte, bei welchen die Gruppe etwa Aerosmith, ZZ Top oder Billy Joel als Support Acts hatten, welche für sie den Konzertabend eröffneten. Doch Potliquor's regionaler Musikstil und das relativ kleine Plattenlabel arbeiteten dagegen. Der Zerfall der Gruppe im Jahre 1973 endete eine sehr vielversprechende Karriere, und als die Gruppe einige Jahre später noch einmal komplett umgestaltet wurde, war ihre Chance auf einen weltweiten Erfolg längst vorbei.




STRING DRIVEN THING - String Driven Thing (Charisma Records CAS 1062, 1972)

String Driven Thing waren eine schottische Folk Rock Band, die von 1969 bis 1975 bestand und seit 1991 sporadisch wieder auftrat. Sie begann als reines Folk Duo unter dem Namen String Driven Thing und waren das Ehepaar Pauline und Chris Adams, zu welchem sich einige Zeit später als dritter Musiker der Gitarrist John Mannion hinzu gesellte. Diese erste Inkarnation der Band spielte vorwiegend in und um Schottland in kleineren Folk Clubs und Bars, wobei ein Auftritt gemeinsam mit Rory Gallagher's Bluesrock Formation Taste am Inverness Rock Festival 1970 ihr grösster Moment war, der ihr auch einen ersten nachhaltigen Achtungserfolg sichern konnte. Zu diesem Zeitpunkt fiel die Gruppe vor allem durch die verzerrte elektrische Gitarre von Chris Adams auf, die so gar nicht typisch war für den akustisch gespielten Folk, den die Band präsentierte und der zudem nicht einmal ein Schlagzeuger angehörte. Chris Adams sagte dazu später, dass sie schon von Beginn weg kaum einzuordnen waren, da sie sich selbst weder als reine Folk Band, noch als Folkrock-Band oder als reine Rockband verstanden. Ein noch 1970 eingespieltes und auf dem Plattenlabel Concord Records veröffentlichtes Debutalbum war von der Band eher als eine Enttäuschung erlebt worden, weil sie sich darauf nicht wiedererkannten: Die Gruppe spielte live bedeutend dynamischer und wilder, auf dem Debutalbum jedoch wirkten sie eher zahm und viel zu brav, weshalb die Gruppe später auch nicht mehr Bezug auf dieses Debutwerk nahm. Desillusioniert von dieser ersten Plattenerfahrung und dem aufgezwungenen musikalischen Korsett wandten sich die drei Musiker von dem Plattenlabel ab.

Chris Adams betonte stets, kein reiner britischer Folkie zu sein. Er sah sich eher inspiriert von amerikanischen Hippie- und Westcoast-Gruppen der ausgehenden 60er Jahre, wie etwa The Lovin' Spoonful oder The Byrds. Noch präziser formulierte er es, als er sagte, dass eher Rockbands mit Folk-Anteilen seinem Ideal entsprachen als typische Folkbands, die sich einer etwas rockigeren Spielweise verpflichtet sahen wie beispielsweise die britischen Vertreter des Genres Fairport Convention. Vor allem sah er sich selbst nicht als jenen puristischen Musiker, der sich dem urwüchsigen und traditionellen und damit wenig innovativen Folksound verpflichtet fühlte. War er von den musikalischen 60er Jahren beeinflusst, so konnte er immer unterscheiden zwischen dem bürgerlichen und traditionsreichen Geist von 1960 und der musikalischen Rock-Explosion von 1969. Von daher war er als jüngerer Vertreter der Folkmusik dem Rock erklärterweise näher als die alten Meister, von denen er zwar beeinflusst, aber letztlich nicht hauptsächlich inspiriert war. Ausserdem konnte man als Folkmusiker zusehen, wie die Jugend einem elektrifizierteren Folk folgte und das progressive Umfeld, auch im Hinblick auf die Aussicht eines Plattenvertrags, sah für innovative und progressiv ausgerichtete Musiker einfach besser aus.

Während Chris und Pauline Adams sich noch Gedanken machten über ihre endgültige musikalische Ausrichtung, lief ihnen der Geigenspieler Graeme Smith über den Weg. Dieser spielte bis dahin im Schottischen Nationalorchester. Chris Adams erinnerte sich an die erste Begegnung mit dem Violonisten: "Someone told me about this violonist that had been playing with a band called Chaconne who'd played in a Glasgow club we used to gig at called The Maryland. I was knocked out by his playing which was like Bartok on speed, or Paganini on acid or something!". Smith fand den Weg zu einer Betätigung ausserhalb der klassischen Musik durch eine Anfrage für das Mitwirken am Soundtrack für einen Experimentalfilm. Chris Adams lud Graeme Smith zu einer gemeinsamen Hör- und Spiel-Session ein. Er hatte einen Song mit dem Titel "Easy To Be Free" geschrieben und wollte ihn mit Geigenklängen verschönern. Smith erzeugte mit seinem Instrument Klänge ähnlich der Schreie von Möwen und diese faszinierten Chris Adams derart, dass er ihn unbedingt als neues Mitglied bei String Driven Thing mit dabei haben wollte.

Es folgten einige weitere Demoaufnahmen mit dem neuen Mitglied Graeme Smith und mit diesen machte sich Chris Adams dann auf nach London, um sie einigen Plattenfirmen und Produzenten zu präsentieren. John Mannion war inzwischen aus der Band ausgeschieden und für ihn war Colin Wilson hinzugekommen. Wilson spielte sowohl Gitarre und Banjo, aber auch Bass, weshalb er die ideale zusätzliche Kraft in der Band war, denn durch den Umstand, dass er auch Bass spielte, erhielt die Musik von String Driven Thing eine neue Tiefe, die bis anhin nicht im selben Masse vorhanden gewesen war. Zudem verstand es Colin Wilson ausgezeichnet, seinem Bass auch Verzerrung beizumischen, was den Bass-Sound knorriger und letztlich rockiger klingen liess. Im Verbund mit einer elektrischen Gitarre und Pauline Adams' Perkussion erhielten die neuen Demosongs dadurch die bislang rockigste Note. Der interessanteste Kontakt für die Band ergab sich durch das Management der Folkrock Band Strawbs, und dessen Geschäftsführer Dave Cousins, der selber ja auch Musiker der Strawbs war. Er vermittelte Chris Adams an Tony Stratton-Smith, über welchen die Gruppe schliesslich bei Mooncrest Music landete. Dank des Mooncrest Verantwortlichen Mike De Havilland landeten String Driven Thing schliesslich beim Plattenlabel Charisma Records, welches der Band nach dem Anhören der aktuellen Demosongs einen Plattenvertrag anbot.

Mittlerweile als Quartett mit Graham Smith und Colin Wilson unterwegs, traten String Driven Thing beim Reading Festival auf und spielten ihr erstes Album für Charisma ein, das wie schon das Debutalbum einige Jahre zuvor ebenfalls schlicht "String Driven Thing" benannt wurde. Für die Aufnahmen arbeitete die Gruppe im August 1972 während zweier Wochen im IBC Studio in London mit dem Produzenten Shel Talmy. Talmy, der zuvor bereits zahlreiche bekannte Acts produziert und aufgenommen hatte, unter ihnen beispielsweise so illustre Rock- und Pop-Bands und Musiker wie The Kinks, The Who, Manfred Mann, The Creation, The Easybeats, insbesondere aber auch Künstler und Gruppen aus dem Folkbereich wie Pentangle, Bert Jansch, Roy Harper und Tim Rose, verstand es grossartig, die akustische Intensität von String Driven Thing beizubehalten und nicht zu arg auszuproduzieren. Dadurch behielten die Stücke auf dem zweiten Album einen rauhen und stellenweise fast schon ungehobelten Charakter, ziemlich livemässig und eigentlich exakt so, wie die Band auch an Konzerten spielte. Dies klang im Endeffekt deswegen so faszinierend, weil die Gruppe ja nach wie vor über keinen Schlagzeuger verfügte. Durch den rauhen Sound entstand trotzdem ein gewisser Rock-Charakter und somit ein Gesamtsound, der damals ziemlich eigenständig war. Chris Adams selbst war zwar mit dem Ergebnis zufrieden, hätte sich aber dennoch zusätzliche Studiozeit gewünscht, um den einen oder anderen Song noch etwas ausgefeilter arrangieren zu können.

Als Toningenieure arbeiteten ebenfalls zwei bekannte Namen: Damon Lyon-Shaw hatte bereits The Who's "Tommy" eingespielt, des weiteren nahm er auch Aufnahmen der Bands Cressida (LP "Asylum"), Cream (LP "Goodbye"), John Mayall (LP "Back To The Roots"), Jackson Heights (LP "King Progress") sowie einige Alben der Gruppe Pentangle auf. Als zweiter Toningenieur fungierte Hugh Jones, der zuvor für David Ackles gearbeitet hatte und später vor allem durch seine Arbeit am Mischpult für Status Quo bekannt wurde. Die Platte erhielt gute Kritiken. Die Band spielte Ende 1972 unter anderem auch als Vorgruppe von Genesis in New York. Mit Genesis erlebten String Driven Thing auch ein besonderes Highlight. Nachdem sie mit den Artrock-Superstars bereits in England und halb Europa getourt waren, erlebten sie bei einem gemeinsamen Auftritt an der Universität in Essex Bemerkenswertes: Nachdem String Driven Thing den Vor-Gig bestritten hatten und in die mit den Genesis Musikern gemeinsam genutzten Garderobenräume zurückgekehrt waren, kam die Aufforderung, noch einmal auf die Bühne zurückzukehren. Als auch nach einer weiteren Zugabe erneut die Band vom Publikum zurückgefordert wurde, weckte dies bei den Genesis Musikern grossen Unmut, ausser bei Peter Gabriel, der von dem Erfolg von String Driven Thing ebenso überrascht wie hocherfreut war und die Jungs noch einmal zurück auf die Bühne schickte.

Neben sehr rockigen Songs wie dem Opener "Circus" oder den Stücken "Hooked On The Road", "Let Me Down" und dem hervorragenden "Jack Diamond" präsentierten String Driven Thing hier auch wundervolle Folknummern wie das von Pauline Adams sehr schön gesungene "Fairground", der English Waltz "The Last Blue Yodel" und das melancholisch-verträumte Regent Street Incident". Besondere Aufmerksamkeit erlangte auch das tolle Plattencover aus der Artwork-Schmiede Hipgnosis. Chris Adams sagte dazu später, dass die Inszenierung des Plattencovers teurer war als die gesamte restliche Produktion des Albums. Das Nachfolgerwerk "The Machine That Cried" nahmen String Driven Thing 1973 mit einem fünften Bandmitglied auf, dem Schlagzeuger Billy 'The Kid' Fairley. Trotz guter Kritiken verkaufte sich das Album nur schleppend. Es gab einige Umbesetzungen, und 1974 verliess das Ehepaar Chris und Pauline Adams die Band. Mit Ersatzmusikern wurden noch zwei Alben aufgenommen, dann löste sich die Gruppe 1975 auf. Seit 1991 traten String Driven Thing mit Chris und Pauline Adams und verschiedenen Begleitmusikern sporadisch wieder auf. 2007 erschien mit "Moments Of Truth" gar ein neues Album, ihr erstes Studiowerk seit mehr als 30 Jahren.






SAVOY BROWN - Hellbound Train (Decca Records TXS 107, 1972)

"Hellbound Train" war das achte Studioalbum von Kim Simmonds und seiner Band Savoy Brown. Es folgte dem bereits zuvor mit dem Vorgängerwerk "Street Corner Talking" eingeschlagenen Weg und baute auf Pop- und Rock-Elemente im ursprünglichen Bluesrock und war damit überraschenderweise sehr erfolgreich, insbesondere in den Vereinigten Staaten. Anfang 1972 begab sich die Band erneut ins Tonstudio, nachdem die LP "Street Corner Talking" ebenso wie die daraus ausgekoppelte Single "Tell Mama" (mit der Rückseite "Let It Rock") unerwartet grosse Resonanz gefunden hatte und sich sowohl die Single wie auch die LP ausserordentlich gut verkaufen konnten. Mit der Single "Tell Mama" schafften Kim Simmonds und seine Mitmusiker einen veritablen Rang 83 in den amerikanischen Billboard Charts. Motiviert und mit vielen neuen Ideen und insbesondere hervorragendem Songmaterial spielten Savoy Brown insgesamt sieben neue Songs ein, von denen alle aus der eigenen Feder von Kim Simmonds, Andy Silvester und Paul Raymond stammten, nachdem die Gruppe noch für den Vorgänger immerhin zwei Fremdkompositionen aufgenommen hatte. Dies zeugte vor allem auch von einem grossen Selbstvertrauen in die eigenen Kompositions-Stärken und der nachfolgende Erfolg sollte der Band diesbezüglich auch recht geben.

"Hellbound Train" wurde zum grössten Erfolg der Gruppe in den Vereinigten Staaten, aber auch in Europa konnte die Band gute Verkaufszahlen abliefern. Der Pop-Appeal half der Band dabei auf jeden Fall, denn Songs wie "Doin' Fine" oder "Troubled By These Days And Times" waren inzwischen ziemlich weit vom traditionellen, britisch gefärbten Bluesrock früherer Tage entfernt. Das Album "Hellbound Train" wurde wieder wie sein Vorgänger von Neil Slaven produziert, aufgenommen in den Trident Studios in London und eingespielt von Roy Thomas Baker, der sich später mit seiner Studioarbeit für die Hardrock Band Queen profilieren konnte. Das Besondere an den neuen Songs war, dass sie perfekt auf die Stimme von Dave Walker ausgelegt waren. Dessen Gesangsstil umfasste nicht nur den verrauchten Blues, sondern auch den leicht theatralischen Mol-Blues und die Lässigkeit positiv wirkender Poprock-Nummern.

"Doin' Fine", von Kim Simmonds komponiert, dürfte hier das beste Beispiel dafür sein. Nicht ohne Grund wurde dieses Stück an den Anfang des Albums gestellt. Das Titelstück "Hellbound Train" indes war ein wahres Rockmonster. An sich eine relativ monotone Komposition, erfuhr das Stück in dessen Verlauf eine kontinuierliche Steigerung der Spannung, bis es in einem chaotischen Lärm einfach abgewürgt wurde. Es gibt einige Veröffentlichungsvarianten, bei denen dieses Stück ausgeblendet (faded out) wurde, im Original jedoch wurde es abrupt mitten im Spiel gekappt. Inhaltlich folgte das Stück "Hellbound Train" den Eindrücken, welche Kim Simmonds vom Vietnam-Krieg verstanden hatte und sollte eine Art akustische Gewaltspirale inszenieren, die sich immer schneller und unkontrollierter drehte und schliesslich als Detonation ohne jede Vorwarnung zur absoluten Stille führte. Etwas anderes ist ja der Tod auch nicht. Von daher war das abrupte Ende des Songs nachvollziehbar.

Betrachtet man die stilistische Bandbreite der anderen Songs auf dem Album, so kann man durchaus sagen, dass "Hellbound Train" eines der vielseitigsten Werke der Band war, und offensichtlich auch ein Album, das sträflich unterbewertet wurde, trotz des ansprechenden Erfolges. "Hellbound Train" präsentierte einige der stärksten und atmosphärischsten Songs der Gruppe überhaupt. Neben dem recht souligen und sehr lockeren Mol Blues-Titel "Lost And Lonely Child" waren das vor allem die sehr starken Nummern "Troubled By These Days And Times" mit seinem unterschwelligen Gospel-Flair, einem musikalischen Ausdruck, den die Band zuvor nie gezeigt hatte, sowie der kernige Rocker "If I Could See An End", der die Gruppe geerdet wie selten zuvor präsentierte. Einige der Titel auf dem Album waren sehr orgeldominant. Paul Raymond war als Co-Autor einiger Titel auch verantwortlich für die relativ starke Keyboard-Akzentuierung einiger Stücke. Insbesondere seine Komposition "Troubled By These Days And Times" trug diese markante Orgel-Handschrift, doch auch im Stück "It'll Make You Happy", von Kim Simmonds geschrieben, spielte er eine sehr dominante Hammond Orgel. Auch Kim Simmonds' Blues "Lost And Lonely Child" erhielt viel von seiner Atmosphärik durch Paul Raymond's Orgelsounds verpasst.

David Anstey's psychedelisches Plattencover-Design unterstrich die Kraft und Vielseitigkeit der Songs noch zusätzlich durch seine Comic Art und passte wie die Faust aufs Auge zum Titelstück. Auch im Inner Sleeve der ausklappbaren Original-LP war ein Comic von David Anstey zu sehen, quasi die Comic-Geschichte zum Song "Hellbound Train". Gargoyles, Ghouls und Dämonen umrankten einen Zug auf seiner Fahrt auf direktem Weg in die Hölle. David Anstey war nicht nur für Savoy Brown als Coverdesigner tätig, er lieferte unter anderem auch das Coverdesign zum Album "Swaddling Songs" der britischen Folkband Mellow Candle und viele weitere Plattenhüllen in jenen Tagen. Das Album "Hellbound Train" war insbesondere in Amerika ein grosser Erfolg, welcher der Band auch eine Gold-Auszeichnung bescherte. Die Platte enterte am 18. März 1972 die Billboard Charts, stieg bis auf Rang 34 und hielt sich während 21 Wochen in den Billboard Charts. Damit war "Hellbound Train" das erfolgreichste Album der Gruppe und sollte es auch bleiben, denn diesen Erfolg konnten Savoy Brown später nicht mehr wiederholen.

Das Titelstück wurde Jahre später von der Band Love & Rockets unter dem abgeänderten Titel "Bound For Hell" adaptiert. Der Sänger Dave Walker verabschiedete sich nach dem Erfolg des Albums und einer ausgedehnten US-Tour von der Band, um der Gruppe Fleetwood Mac beizutreten, wo er allerdings nicht reüssieren konnte und kurze Zeit später wieder geschasst wurde. Dass die Band Savoy Brown mit ihren Alben "Street Corner Talking" und "Hellbound Train" insbesondere in den Vereinigten Staaten so erfolgreich war, hatte sie ein gutes Stück weit auch Rod Stewart und dessen Band The Faces zu verdanken, welche Kim Simmonds und seine Band auf Konzerten mitnahm und ihre Popularität dadurch steigern konnte. Dass bei Kim Simmonds jedoch wie schon in der Vergangenheit des öfteren nichts von langer Dauer war, offenbarte sich auch nach dem Album "Hellbound Train" und dem Abgang von Dave Walker. Auf der Suche nach einem Ersatz für den hervorragenden Sänger, der sich später zeitweise ganz aus dem Musikgeschäft zurückzog, um in den späten 80er Jahren erneut für einige Jahre und einige ganz hervorragende Alben zu Savoy Brown zurückzukehren, ging Kim Simmonds zurück nach England und rekrutierte den Shouter Jackie Lynton, um ein Jahr später mit dem Werk "Jack The Toad" ein weiteres Bluesrock-Juwel einzuspielen.