Die Gruppe Simply Saucer entstand in den 70er Jahren in der kanadischen
Industriestadt Hamilton (Ontario) und schuf einen unverwechselbaren,
originellen Sound, der eindeutig nicht zum damals aktuellen Musikklima
passte. Die Band spielte kantigen Rock & Roll, eine Kombination aus
frühen Punk-Vorläufern wie The Velvet Underground, The Stooges oder den
Modern Lovers, kombiniert mit Krautrock im Stile von Can, Neu, frühe
Kraftwerk, sowie britischem Prog/Psych à la Hawkwind, Pink Fairies oder
Syd Barrett, sowohl mit als auch ohne Pink Floyd. Die Ursprünge von
Simply Saucer reichen bis ins Jahr 1972 zurück, als sich der Frontmann
der Band, der Gitarrist, Sänger und Komponist Edgar Breau, mit fünf
anderen avantgardistisch ausgerichtetenen, Schallplatten sammelnden
Musikern zusammentat und in einem Lagerhaus in Hamilton, Ontario, mit
den Proben begann. Die Originalkompositionen waren lange, improvisierte
Jams, die auf leeren Flaschen, Audiogeneratoren, Theremins, Keyboards,
Saxophon, Flöte, E-Gitarren und Schlagzeug gespielt wurden.
Neben Edgar Breau wurde der Bassist Kevin Christoff das zweite und
einzige dauerhafte Mitglied von Simply Saucer, deren Besetzung in der
Folge häufig wechselte. Bald darauf betrat die noch junge und
Jam-wütige, aber ebenso naive Band das Kellerstudio der Brüder Bob und
Daniel Lanois, um ihre ersten sechs Songs aufzunehmen. Leider steckte
die kanadische Musikindustrie damals in strikten Mainstream-Konventionen
fest, die zwar für stabile Umsätze sorgten, aber gerade deswegen nur
wenige künstlerische Visionen verfolgten. Die bittere Erkenntnis für
Simply Saucer war, dass sich keine Plattenfirma fand, die sich auf das
Abenteuer einlassen wollte, das Quartett unter Vertrag nehmen zu wollen
oder gar ihre Aufnahmen zu veröffentlichen. Die Gruppe arbeitete dennoch
unverdrossen an ihrem Sound weiter, spielten hervorragend kritisierte
Konzerte, aber in kommerzieller Hinsicht blieben Simply Saucer ein
reiner Geheimtipp unter Conoisseurs. Dies änderte sich erst, als sich im
Jahre 1976 in London eine aufkeimende Punkszene zu entwickeln begann,
deren unüberhörbares Echo bis nach New York und schliesslich auch
Toronto nachhallte und in beiden Metropolen die Musikszene entscheidend
beeinflusste.
In der Folge reaktivierte Edgar Breau seine Band ein weiteres Mal,
nachdem er zwischendurch länger pausierte. Diese wiederbelebte neue
Variante von Simply Saucer mit dem ehemaligen Teenage Head-Gitarristen
Steve Park schaffte sich wiederum schnell brettharte Fans und begann mit
Auftritten. Simply Saucer veröffentlichten dann endlich 1977 ihre erste
offizielle Single "She's A Dog" auf Pig Records und erhielten dafür
grossartige Kritiken. Der englische New Music Express zeichnete die
Single als 'Pick Hit Single of the Week' aus. 1979 begann sich die
Clubszene Torontos aufzulösen und die einzelnen Bandmitglieder begannen,
neue Wege zu erkunden. Breau verstimmte wie John Fahey seine Gitarre,
verkaufte seine gesamte elektrische Ausrüstung und begann eine neue
Solokarriere. Es sollten fast dreissig Jahre vergehen, bis er wieder
eine elektrische Gitarre besass, um erneut mit seiner
Herzensangelegenheit Simply Saucer auf der Bühne zu stehen.
Es dauerte aber noch viele weitere Jahre, bis die breite Öffentlichkeit
und Musikjournalisten endlich auch auf die bahnbrechende
Lanois-Aufnahmesession aufmerksam wurden. Die sechs Studiosongs,
kombiniert mit einem explosiven Live-Set (aufgeführt 1975 auf dem Dach
von Hamilton's damals neuem Einkaufszentrum in der Innenstadt), wurden
schliesslich 1989 in einer limitierten Vinyl-Ausgabe auf Bruce Mowat's
Mole Sound Recordings mit dem Titel "Cyborgs Revisited" veröffentlicht.
Eine erweiterte Version dieses Albums wurde 2003 von Sonic Unyon aus
Hamilton für den kanadischen Markt auf CD veröffentlicht. Die
ungewöhnliche Geschichte der Band und ihr grosser Vorteil, dass sie
nicht nur bei ihren Fans, sondern auch bei anderen Musikern ein enorm
grosses Ansehen genoss, hielten die Flamme am lodern und schufen eine
treue, weltweite Kult-Anhängerschaft, die bis heute von den überragenden
Qualitätzen der Band überzeugt sind. Anfragen von Fans, die Band zu
reformieren, erreichten Edgar Breau immer wieder, bis er schliesslich im
September 2006 zu einer erneuten Wiedervereinigung überredet wurde.
Bald darauf spielte die Band mit einer gestärkten Besetzung ausgewählte
Auftritte in ganz Nordamerika. Ausserdem nahmen Simply Saucer am
Terrastock Festival in Louisville, Kentucky, und am Scion Garage Fest in
Portland, Oregon, teil.
Erstaunlicherweise erlangte Simply Saucer für eine Band, die während
ihrer gemeinsamen Zeit nie ein vollständiges Album veröffentlichte,
ausserordentliche Bedeutung im Buch 'The Top 100 Canadian Albums' des
Musikjournalisten Bob Mersereau und belegte in der Umfrage unter
Spitzenreitern, Musikern und Kritikern der Musikindustrie einen durchaus
respektablen Platz 36 (!). Die erstaunliche Geschichte der "Band, die
sich weigerte zu sterben" war kurze Zeit später Gegenstand des Buches
von Jesse Locke, dem Herausgeber von 'Weird Canada' über die Gruppe
Simply Saucer, sowie eines Dokumentarfilms mit dem Titel 'Low Profile:
The Simply Saucer Story' des Torontoer Filmemachers Greg Bennett. Das
ultracoole Garage Rock Label In The Red aus Los Angeles veröffentlichte
schliesslich eine Deluxe-Edition von Simply Saucer's Klassiker "Cyborgs
Revisited". Eine weitere Studio-EP wurde in Detroit aufgenommen und auf
Schizophrenic Records veröffentlicht, während ein weiteres Label mit dem
Namen Logan Hardware Records aus Chicago eine
Doppel-Vinyl-Zusammenstellung von Raritäten veröffentlichte. Das
Indie-Label Mammoth Cave wiederum veröffentlichte eine weitere Platte
mit dem Publikumsliebling "Bullet Proof Nothing", dem Song, der
Inspiration und Titel für das Bestseller-Buch 'Treat Me Like Dirt'
(Bongo Beat Books) der Torontoer Autorin Liz Worth lieferte, eine
Geschichte der Punk- und Undergroundszene von Ontario.
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