THE POP - Go! (Arista Records AB 4243, 1979)
Als sich noch während, spätestens aber nach dem Abflauen der ersten Punk-Welle der Power Pop zu etablieren begann, war der Musikmarkt eigentlich auch davon schon wieder übersättigt. Glorreiche Gruppen wie beispielsweise Eric Carmen's Raspberries sorgten schon einige Jahre früher für diesen anmachenden, recht rockig inszenierten Pop, der mal kauziger, mal geglätteter, immer aber ein bisschen zwischen den Stilschubladen fröhlich hin- und herpendelnd, nicht eindeutig kategorisiert werden konnte. Eines war diesen Power Pop Gruppen jedoch immer gemein: Sie konnten hervorragende und sehr eingängige Melodien komponieren und bedienten sich bei der stilistischen Umsetzung der gängigen Modetrends wie etwa dem Punk oder der New Wave. Beispiele für diese Art von Power Pop waren etwa die vor allem in den USA sehr bekannten The Cars oder The Sorrows (nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen 60s-Band) aber auch The Shoes. Bis etwa 1978 erfuhr der Begriff Power Pop keine sonderliche Verbreitung, bis er von Musikjournalisten wieder aufgegriffen wurde, die ihn als Euphemismus für poppigere Punk-Gruppen verwendeten, um Punk in kommerziellere Bahnen zu lenken. Zu dieser Zeit wurden Künstler wie Elvis Costello, Dave Edmunds, Nick Lowe, aus dem direkten Punk-Umfeld stammende Bands wie die Rich Kids und The Buzzcocks ebenso wie Protagonisten des Mod-Revivals wie The Jam oder The Vapors als Power Pop bezeichnet. Auch bei der Kleidung dieser Gruppen zeigte sich häufig der Einfluss der Mod-Szene oder der British Invasion mit ihren einfarbigen Anzügen, schmalen Krawatten und Kurzhaarfrisuren. Einige Bands, wie The Romantics, fielen allerdings auch durch New Wave Haarschnitte und Leder-Outfits auf.
Mit seiner Eingängigkeit schaffte es der Power Pop, zu einem der sich am längsten haltenden Trends der Popmusik zu werden. Er übt bis heute grossen Einfluss auf viele Gruppen aus, in untereinander verwandten Genres wie etwa dem Indiepop, wie ihn beispielsweise die Band Teenage Fanclub spielt, dem Alternative Rock etwa der Cardigans, The Dandy Warhols, Fastball und Maxïmo Park, aber auch dem Pop-Punk der Gruppen Bowling For Soup, Good Charlotte, Jimmy Eat World, Simple Plan und den vielleicht Bekanntesten aus diesem Bereich, nämlich Weezer und schliesslich auch dem Britpop der Babyshambles, The Libertines oder Supergrass. Die kommerziell seit Jahren äusserst erfolgreiche Indie Rockband Gruppe Green Day wiederum bekannte sich dazu, seit ihrem Album "21st Century Breakdown" einen vollen Genrewechsel vom Punk hin zum Power Pop vollzogen zu haben.
Power Pop war aber letztlich auch die Bezeichnung für einen Musikstil zwischen Rock und Pop, der sich durch kurze 3 1/2 Minuten lange Songs, ausgestattet mit einfachen Arrangements, trotzdem starken Melodien und bisweilen markanten Riffs auszeichnete und hauptsächlich von der Popmusik der 60er Jahre, der Mods, der Beatmusik und teils vom typischen amerikanischen Pop der 60er Jahre inspiriert war. Der Power Pop der 70er und 80er Jahre fiel teilweise mit der Punk- und New Wave-Bewegung zusammen und hatte hörbaren Einfluss auf den modernen Pop-Punk und Indie-Pop. Der Begriff Power Pop wurde angeblich zum ersten Mal von Pete Townshend von The Who benutzt, als er sich 1967 bezüglich des Stils seiner Band folgendermassen äusserte: "Power pop is what we play, what the Small Faces used to play, and the kind of pop the Beach Boys played in the days of "Fun, Fun, Fun" which I preferred". "Wir spielen Power Pop, das, was die Small Faces früher gespielt haben, und die Art von Popmusik, die die Beach Boys in den Zeiten von "Fun, Fun, Fun" gespielt haben, was mir besser gefiel". Neben den bereits genannten Beach Boys und The Who galten The Kinks, The Move und vor allem die Beatles als musikalischer Ursprung des Power Pop, auch die Everly Brothers spielten Mitte der 60er Jahre bereits einen als Power Pop kategorisierbaren Musikstil. Auch Bands der 70er Jahre wie The Easybeats, Badfinger, Big Star und The Raspberries wurden nachträglich dem Powerpop zugeordnet.
Das selbstbetitelte erste Werk der Band The Pop war ein wahrer Klassiker des Power Pop, er klang roh, frisch und unverbraucht und atmete noch stark den Geist der rotzigen Punk-Aera. Da klangen sie noch sehr viel mehr nach Iggy Pop als nach The Cars, gaben sich noch keiner grossen Anstrengung hin, ausgefeilte Arrangements in ihre Songs zu legen, sondern spielten einfach ziemlich locker und ziemlich gut drauflos, was den Titeln des Albums auch sehr gut stand. Zufälligerweise sass damals noch David Robinson bei The Pop am Schlagzeug, jener Trommler, der später bei The Cars landen sollte, und auch eben jener David Robinson, der zuvor bei den genialen Modern Lovers zumindest auf deren frühen EPs und Singles zu hören gewesen war. Von Allan Rinde kernig in Szene gesetzt und von den beiden Vokalisten David Swanson und Roger Prescott hinreissend besungen, mutierte das Debutalbum, das auf dem Automatt Label erschienen war, sehr schnell zum Genre-Klassiker. Das zweite Album "Go" wurde dann wesentlich glatter gebügelt, verlor indes nichts von der Attraktivität, die von der Gruppe The Pop ausging: Das zweite Album war halt einfach poppiger und massentauglicher in Szene gesetzt. Die Songs waren genauso fabelhaft wie beim Debütalbum, da gab es nichts zu bemängeln. Nur die Art, wie die neuen Songs produziert wurden, liess darauf schliessen, dass die Gruppe erwachsen werden und ein etwas breitgefächerteres Zielpublikum erreichen wollte. Das Zweitwerk wurde von Earle Mankey produziert, und der besass vor allem ein umfangreiches Melodic Pop-Portfolio, das weit in die 60er Jahre zurückreichte.
Zu Earle Mankey's Produktionen gehörten etwa Alben von den Sparks, den Runaways und von The Dickies, den Long Ryders und insbesondere von Concrete Blonde, von deren Alben er die meisten produziert hatte. Seine stilistische Bandbreite deckte dabei also hauptsächlich den Power Pop, die New Wave und durchaus auch den Post Punk ab, wobei er insbesondere durch seine Arbeit mit den Long Ryders auch immer ein starkes Melodiegefühl zeigte, von welchem The Pop unbedingt profitierten. Das Album "Go" war vor allem recht powervoll abgemischt und ähnelte vom Gesamtsound ein bisschen den Produktionen von Ron Nevison, der in jener Zeit Alben von Eddie Money, UFO, Jefferson Starship und der Michael Schenker Group in Szene gesetzt hatte. Dieser kraftvolle Mixdown zeichnete praktisch alle auf dem Album befindlichen Songs aus, angefangen vom Opener "Under The Microscope", der gleich eine kraftvolle Marke setzte, die sich letztendlich durch das gesamte Album zog. "Shakeaway" schloss hier nahtlos an den Opener an, zeigte eine bärenstarke Band mit einem fabelhaften Groove und tollen gesanglichen Leistungen. Das nachfolgende "Beat Temptation" erinnerte mit seinem Groove und seinem schönen Arrangement ein bisschen an die frühen Jahre der Band A Flock Of Seagulls und pendelte angenehm zwischen New Wave und hochmelodiösem Power Pop.
Zu den Höhepunkten des Zweitlings gehörte zweifellos auch der Song "Go". Die Titelnummer des Albums war im Grunde eine exakte Kopie der britischen Band The Clash. Das Stück besass alle Zutaten britischen Post Punks, zeigte einen harten Beat, eine grandiose Mitgröhl-Melodie und jede Menge kraftvolle Gitarrensounds. Auf der anderen Seite wandelte die Gruppe aber auch stilsicher zwischen den typischen 60s- und 70s-Mustern, griffen etwa im Titel "I Want to Touch You" jene Merkmale auf, derer sich später auch die Cars und insbesondereThe Romantics oder The Fixx bedienten. Bisweilen waren sogar typische Muster des Poprocks von Bryan Adams herauszuhören, etwa im Titel "She Really Means That Much to Me". Und noch eine weitere musikalische Reminiszenz war herauszuhören: In "Waiting For The Night" erinnerten The Pop fast schon frappant an eine der frühen und ganz fabelhaften Power Pop Bands: The Dwight Twilley Band. Die Nummer bestach durch eine tolle mehrstimmige Gesangsarbeit und das Stück zeigte einen herrlichen Flow.
Warum es die Band The Pop letztlich nicht schaffte, kommerziell den erhofften Durchbruch zu schaffen, lag möglicherweise im Umstand begründet, dass sich die damalige Musikwelt extrem rasch veränderte: Kaum waren Power Pop und Punk in aller Munde, wich die Power der Gitarren der Synthesizer-Landschaften der zweiten Generation der New Wave, nachdem die ursprüngliche New Wave kaum da auch schon wieder weggefegt worden war. Der Rest der 80er Jahre war dann geprägt von vielen stilistischen Wandlungen, von denen einige auf traditionellem Musikgut fussten und Bands wie eta Frankie Goes To Hollywood Tür und Tor öffneten, andere Gruppen und Solisten jedoch ergaben sich der digitalen Oberflächlichkeit und hantierten zumeist glück- und manchmal auch talentlos mit digitalen Schlagzeug-Computern und Synthesizer-Software, die sie zwar nie ganz verstanden, aber klanglich offenbar als sehr innovativ und zukunftsweisend verstanden. Der ganze synthetische Kram wich allerdings schon gegen Ende der 80er Jahre wieder dem bodenständigen und kreativen Sound selbstgespielter Instrumente, und das war gut so. Leider waren damit aber Bands wie The Pop letztlich entweder zu früh, oder aber zu spät mit ihrer Musik. Oder anders formuliert: Hätte die Band gegen Ende der 80er Jahre einen weiteren Versuch mit einem dritten Album unternommen, hätte sie mit ihrem powervollen Pop-Rock womöglich ein starkes Comeback feiern können. Doch das sollte nicht sein. Schade ist auch, dass es das Album "Go", ebenso wie das Debutalbum, bis heute nicht als CD gibt. Beide Platten wurden später nicht mehr neu aufgelegt. Die originalen LPs sind jedoch bis heute problemlos und recht günstig auf dem Gebrauchtmarkt zu finden.
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