THRICE MICE - Thrice Mice! (Philips 6305 104, 1971)
Infiziert vom Fieber der Beatles-Mania beschlossen die Brüder Rainer und Werner von Gosen im Frühsommer 1966, eine Beat-Band zu gründen. In Flensburg geboren und in Hamburg aufgewachsen, besuchten sie dort das Alexander von Humboldt-Gymnasium im Ortsteil Harburg. Rainer und Werner, beide musikalisch durch Klavierunterricht vorgebildet, übernahmen Bass und Gitarre, ihr Mitschüler und Freund Arno Bredehöft spielte das Schlagzeug. Der Name Thrice Mice (dreimal Mäuse) liess auf ein gewisses Understatement schliessen, wollten die Jungs doch in die erste Liga der damaligen Bandszene aufsteigen. Möglichkeiten dazu boten die zu diesem Zeitpunkt überall stattfindenden Beat-Wettstreite, an denen die Band mit grossem Erfolg teilnahm.
Im August 1966 gewann sie den ersten Preis der Beat Band Battle der Hamburger Gymnasien. Veranstaltet vom Gymnasium Hamburg-Alsterdorf setzten sie sich gegen sechs weitere Konkurrenz-Bands durch. Das Hamburger Abendblatt fand für diese Veranstaltung folgende Schlagzeilen: "Dem Musiklehrer war die Beat-Schlacht zu laut" und "Schiedsrichter sass vor der Tür!". Im Verlauf des Artikels vom 24.August 1966 hiess es weiter: "Ohrenbetäubende Beat-Musik, ohrenbetäubender Beifall, 7 Beat-Bands aus Hamburger Gymnasien kämpften im Schweisse ihres Angesichtes um den ersten Preis der Beat Band Battle. Die Aula kochte. Nur einer schlich sich während der Schlacht aus der Tür. Dem Musiklehrer war es zu laut geworden. Dabei sollte er als sachverständiges Jurymitglied Preisrichter spielen. Das tat er auch, aber mit Distanz. Er setzte sich im Flur vor der Aula auf eine Bank und liess die Musik dort auf sich wirken. Als dann nach zwei Stunden der Lärm im Saal verebbt war, fällte er in aller Ruhe seinen Spruch. Sieger der Schlacht in der Aula: The Thrice Mice vom Humboldt-Gymnasium in Harburg".
Bemerkenswert war, dass Thrice Mice, obwohl nicht Schüler des veranstaltenden Gymnasiums, trotzdem siegten und die Bands des heimischen Gymnasiums auf die Plätze verwiesen. Dies war ein erster Hinweis auf den Ehrgeiz und das Können der drei Jungs. Der Sieg bei der Beat Battle brachte ihnen Ansehen in der auch zu diesem Zeitpunkt schon vielfältigen und bandreichen Hamburger Szene. Die Anerkennung erfuhr einen weiteren Höhepunkt, als Thrice Mice auch als Sieger im Beat-Wettstreit der Harburger Anzeigen und Nachrichten, einer grossen Hamburger Lokalzeitung, hervorgingen. Die Veranstaltung fand im Februar 1967 in der Harburger Friedrich Ebert-Halle vor ungefähr 1200 Zuschauern statt. 24 Bands waren angetreten. Thrice Mice siegten mit fast der Hälfte der Stimmen des Publikums und ein Jurymitglied, delegiert vom Hamburger Starclub, erklärte: "Für mich haben Thrice Mice am besten gespielt".
Die Veranstaltung fand ihr kongeniales Presseecho und der Musikkritiker Willi Hofmann versuchte sich an einer soziologischen und kulturhistorischen Erklärung: "Man muss betonen, dass der Gedanke, von solch offizieller Warte, wie es die Presse heute ist, zu der Volksbewegung des Beat Stellung zu nehmen, ausserordentlich zu begrüssen ist. Wie alle Volksbewegungen kommt der Strom von unten, von den undifferenzierten und schlichten Bewusstseinslagen. Das Naturereignis Beat ist ein riesiger Protest gegen die Zerfaserung der modernen Jazz-Musik, gegen alles Alte und Morsche und gegen Zwang und jegliches Korsett. Es funktioniert wie die Posaunen von Jericho, und es ist ein Wunder, dass die Ebert-Halle bei dem Lärm keinen Schaden nahm. Es ist auch ein Sieg des elektrischen Stromes, den man bekanntlich mühelos verstärken kann und in dem die Singstimmen untergehen, es ist uralte Magie und moderne Technik, Ekstase und Monotonie zugleich. In der stilistischen Enge der wenigen Akkorde und Rhythmen unterscheiden sich die Bands durch die persönliche Leistung. Das pausenlos Hämmernde und das Grelle entspricht der Pop-Art in der Malerei, ein Protest gegen alle pintige Leisetreterei. Keine Rede von Schwüle, es ist der Ausdruck des ganz Direkten ohne jede Umschweife, echtes Zeichen der Zeit doch im Wesen uralt. Die Jugend im Saal konsumierte den Lärm meist mit tiefernsten Gesichtern".
Ob die anwesenden Fans dies genauso empfanden darf bezweifelt werden. Jedenfalls fanden Rainer und Werner von Gosen nach der Veranstaltung vor ihrer Haustür Tulpen, die ihnen junge Anhängerinnen als Zeichen ihrer Verehrung gestreut hatten. Dies war jedoch nicht der einzige Lohn der schweisstreibenden Arbeit. Als Preis hatte der Veranstalter für die vier erstplatzierten Bands die Möglichkeit einer Schallplattenaufnahme ausgelobt, einer EP, auf der sie sich jeweils mit einem Titel präsentieren durften. Trice Mice entschieden sich für die Eigenkomposition "An Invitation". Dieser Titel, der in seiner Art etwas an The Who erinnerte, gab der Band die Möglichkeit, sich professionell durch Vorlage eines Tonträgers weiter nach oben zu arbeiten. Die EP wurde soäter zu einer sehr gesuchten Rarität. Die lokalen Erfolge der Band hielten an und Thrice Mice mussten eine Menge von Auftritten absolvieren, betreut vom dritten von Gosen-Bruder, Jürgen, der als Roadmanager der Band half. Ein Bruch in der Bandgeschichte erfolgte, als Werner von Gosen 1968 zur Bundeswehr eingezogen wurde. Arno Bredehöft erhielt zu diesem Zeitpunkt ein Angebot der Beathovens und verliess die Band für ungefähr ein Jahr. Als Ersatz kamen Gerhard Adlung als neuer Schlagzeuger und Hans-Hermann Jäger an der Orgel in die Band. Nach Beendigung des Wehrdienstes stieg Werner von Gosen wieder in die Band ein; Arno Bredehöft kehrte ebenfalls wieder zurück. Die Urbesetzung spielte wieder zusammen.
Die Band war sich zu diesem Zeitpunkt allerdings bewusst, dass die Dreierbesetzung ihrer Musik bestimmte Grenzen setzte, die nur durch weitere Bandmitglieder überwunden werden konnten. Mit Karl-Heinz Blumenberg (Gesang, Altsaxophon, Perkussion, Querflöte, Gitarre), Wolfgang Buhre (Tenor-, Alt- und Sopransaxophon, Klarinette und Perkussion) und Wolfram Minnemann (Orgel, Klavier, Gitarre) fanden sich drei kongeniale Mitstreiter. Alle Drei verfügten bereits über erhebliche musikalische Erfahrungen. Karl-Heinz Blumenberg hatte zuvor Jazz, Skiffle und Folklore gespielt; Wolfgang Buhre kam vom Jazz und hatte schon mit Chris Barber und Monty Sunshine sowie Albert Nicholas, einem berühmten Klarinettisten, Musik gemacht; Wolfram Minnemann, ebenfalls vom Jazz kommend, hatte zuvor mit einigen Mitgliedern der legendären City Preachers Folklore gespielt. Damit hatte sich die Besetzung gefunden, die Anfang 1971 das gleichnamige Album auf Philips Records veröffentlichte.
Die musikalischen Lebensläufe der einzelnen Gruppenmitglieder veranschaulichen, welche verschiedenen musikalischen Strömungen und stilistischen Auffassungen nun unter einen gemeinsamen Hut gebracht werden mussten. Die Gruppe erarbeitete sich die Titel im Kollektiv. Nachdem in der Anfangszeit die übliche Beat- und Popmusik gespielt, dann sich am Soul versucht wurde, war dies nun Makulatur. Die Band sah durch das Nachspielen internationaler Hits die konsequente Linie zur eigenen Musik beeinträchtigt. Im Promotionstext der Rolling News ihrer damaligen Plattenfirma wurde der aktuelle Zustand zutreffend wiedergegeben. Dort hiess: "Heute stützt sich die Thrice Mice' Musik auf eine mittelschwere Rock-Basis, die allerdings sehr variabel ausgelegt ist. Jazzeinflüsse sind unverkennbar, ein klassisches Motiv lieferte ihnen ihren grossen Reisser "Vivaldi's Revival", mal eine Progressivfärbung, mal eine Blueswendung. Wir wollen uns keinen Stempel aufdrücken lassen, sagen Thrice Mice. Es gibt Gruppen, die erkennt man beispielsweise immer an ihrer Art Rhythmus. Das mag seine Vorteile haben, aber uns würde es einengen. Zumal jeder von uns mindestens zwei Instrumente spielt. Wir sind offen nach allen Seiten, und wir finden, dass wir dadurch eine Menge mehr ausdrücken können".
Wie sich das äussert, zeigte die Thrice Mice LP. Sie enthielt vier Stücke. Zunächst das erfolgreiche "Vivaldi". Dann "Jo Joe", die eigenwillige Lebensphilosophie eines Mannes, gegenwartsbezogen, aber ebenso sprunghaft wie diese Gegenwart. Für das dritte Opus stand eine Idee von Joachim Ringelnatz Pate: "Fancy Desire", die Geschichte vom Reh im Park, dass sich als Gipsfigur entpuppt. Und dann "Torekov", ein Stück mit einer ganz eigenartigen Story. Einige Mitglieder von Thrice Mice campierten in Schweden und freundeten sich dort mit einer hübschen Finnin an, die immer, wenn sie zärtlich wurde, in englischer Sprache die unwahrscheinlichsten Dinge erzählte. Die Erzählungen dieser Finnin verarbeite die Gruppe zum Textgerüst des Titels "Torekov", benannt nach dem Ort, wo damals die Zelte standen. Die Aufnahmen zum Album fanden im November und Dezember 1970 in den renommierten Windrose Dumont Studios in Hamburg statt. Zuvor hatte sich die Band auch überregional einen Namen gemacht. So trat sie als eine der wenigen deutschen Bands Ostern 1970 beim Pop- und Bluesfestival in der Hamburger Ernst Merck Halle auf, wo ihnen über 10000 Fans zujubelten.
Noch gigantischer war ihr Auftritt beim legendären Fehmarn-Festival vom 4. bis 6. September 1970, wo auch der letzte Live-Auftritt von Jimi Hendrix vor dessen Tod stattfand, als sie vor 25000 begeisterten Fans spielten. Der berühmte Alexis Korner hatte sie angekündigt und wenige Minuten später vor Begeisterung bei ihnen mitgespielt. Von diesem Auftritt wurden später zwei Titel für eine Wiederveröffentlichung des Albums auf CD verwendet, das beim Label Long Hair Music erschien. Thrice Mice hofften ihren Status als semi-professionelle Band mit dem ersten Album zu verbessern. Anfang 1972 läutete sich jedoch das Ende der Band ein, als Rainer von Gosen aus beruflichen Gründen nach Frankfurt verzog. Die verbliebenen Gruppenmitglieder versuchten mit wechselnden Besetzungen Thrice Mice am Leben zu erhalten, letztlich wurde aber die Auflösung der Band beschlossen. Werner von Gosen und Karl-Heinz Blumenberg spielten mit Altona zwei Alben ein. Nach Beendigung seines Engagements bei der Gruppe Altona kehrte auch Werner von Gosen dem Musikbusiness den Rücken. Karl-Heinz Blumenberg war später mit der Band Leinemann erfolgreich; Wolfgang Buhre blieb als Musiker aktiv; Wolfgang Minnemann verschlug es nach Portugal und Arno Bredehöft verstarb.
No comments:
Post a Comment