ROSALIE CUNNINGHAM - Rosalie Cunningham
(Esoteric Antenna Records EANTCD1075, 2019)
Es gibt Platten, die eigentlich fast schon alles bieten, was einen Genre-Klassiker ausmachen könnte - und trotzdem gehen sie sang- und klanglos in der Flut der Veröffentlichungen unter. Aber fuzzgetriebenen, Spinett-geladenen, gut arrangierten und ziemlich berauschenden Psychedelic Rock bringt man letztlich wohl auch nicht unbedingt mit einer Frau in Verbindung, schon gar nicht mit Einer, die aber auch noch über sowas von einer tollen Stimme verfügt, dass sie sich eigentlich auch für jeden anderen Musikstil, der weitaus eher kommerzielle Erfolge versprechen würde, entscheiden könnte. Und um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, beliess es Madame, erfreulicherweise muss man sagen, auch nicht bei den ebenfalls eher genreüblichen Dreiminuten-Schwurbeleien, sondern verlor sich auch mal in knapp vierzehn ausufernden flippigen Minuten doch ziemlich in den Rauchschwaden, die vermutlich nicht von Räucherstäbchen stammten. Beruhigend zu wissen ist allenfalls, dass Keiner Mühe haben würde, dieses Scheibchen zu finden, so er sich dann diese Scheibe einfangen möchte: Sowohl auf Vinyl, als auch auf CD kann man diesen Trip käuflich erwerben.
Ich hatte den Namen dieser Dame zuvor noch nie gehört, war aber völlig überrascht, als ich ihre Stimme zum erstenmal hörte und noch überraschter, als ich nachforschte, was diese Dame musikalisch sonst noch so getrieben hatte. Seit ihrem letzten Auftritt mit der Band Purson im Dezember 2016 hatte die Sängerin, Songwriterin und Multi-Instrumentalistin ihre Karriere leise neu erfunden und ging aus ihrem selbst auferlegten musikalischen Winterschlaf als visionäre Solo-Künstlerin hervor. Das diesjährige, gleichnamige Debütalbum ist das Ergebnis einer längeren Reflexionsphase und zeigt ihr stärkstes und gewagtestes Songwriting, seit sie Musik schreibt und spielt und reicht vom dreiminütigen Popsong à la Beatles bis zur knapp viertelstündigen epischen Prog/Psych Rock-Saga, die den Hörer auf eine wegtragende Klangreise entführt.
Für die 28-jährige Rosalie Cunningham ist nun quasi ihr kreativer Frühling erblüht, allerdings nicht ohne ein paar Geburtswehen. So meinte sie in einem Interview: "Nach dem Ende der Band Purson habe ich weiter Songs geschrieben, nicht für ein Album, eine Band oder etwas Besonderes - es war rein kathartisch. Unbewusst davon befreit zu sein, Musik für eine Band zu schreiben, die live auftreten soll, lässt mich ehrlichere Ausdrucksweisen finden. Einige der Texte sind ziemlich autobiographisch und ich habe neue Genres entdeckt. Ohne wahrgenommenen Druck konnte ich mir viel Zeit für Arrangements nehmen und das hat der musikalischen Landschaft im Vergleich zu früheren Arbeiten gut getan. Alles ist am richtigen Ort, ohne dass man sich dazu gezwungen fühlt. Es hat auch geholfen, grosse Vielfalt hervorzubringen, da ich nicht versucht habe, es zu einem zusammenhängenden Werk zu machen, obwohl ich der Meinung bin, dass es von Natur aus eines geworden ist".
Das Album ist das neueste Kapitel einer faszinierenden Karriere, die im Alter von nur 12 Jahren begann, als die in Southend Essex, geborene Rosalie Cunningham zum ersten Mal mit ernsthafter Absicht eine Gitarre aufnahm. Schon zuvor hatte sie sich Melodien auf dem Klavier ausgedacht und kleine Lieder geschrieben, aber ein echtes Interesse an der Gitarre zu entwickeln war der Auslöser für die Gründung ihrer ersten Band in der Schule mit dem Namen "Suzie's Lip", da war sie gerade mal 13 Jahre alt. Rosalie ist das älteste Kind eines Musikers und Journalisten und einer Yogalehrerin. Sie wuchs mit ihren drei Geschwistern in einer Umgebung auf, in der ständig Musik lief. Fasziniert von den Beatles, Slade, Pink Floyd, David Bowie, den Small Faces, Genesis und Black Sabbath, erreichte ihre Kreativität im Jahre 2007 erstmals ein breiteres Publikum, als sie ihre erste professionelle Band gründete, die rein weiblich besetzte, Gothic-psychedelische Gruppe Ipso Facto, mit welcher Cunningham drei Singles und ein Mini-Album veröffentlichte, als Support Act für renommierte Bands wie Magazine und The Last Shadow Puppets spielte und kontinuierlich zu einem neuen Liebling der Festival-Szene wurde.
Nach der Trennung von Ipso Facto tauchte die Künstlerin in die Session-Welt ein, gastierte mit zahlreichen Bands und Künstlern und trat in TV-Sendungen wie "Later with Jools Holland", "BBC Electric Proms" und NBC's "Jay Leno Show" auf. Im Jahre 2011 startete sie die mit stark psychedelischen Einflüssen ausgestattete zweite Band Purson. Beim Indie-Label Rise Above veröffentlichte Purson das erstes Album "The Circle & The Blue Door" (2013), das die Singles "Rocking Horse" und "Leaning On A Bear" sowie die Live-Favoriten "Tragic Catastrophe" und "Spiderwood" enthielt. Auf das Album folgte eine EP ("In The Meantime") und 2016 das zweite Album "Desire's Magic Theatre" auf Spinefarm Records. Darauf enthalten waren mit "Electric Landlady" und "The Sky Parade" zwei wundervolle Psychedelic Rock-Nummern.
Nachdem Rosalie Cunningham für die Band Purson posthum die Single "Chocolate Money" geschrieben hatte, nahm sie mit ihrem Vater ein Cover von "Strawberry Fields Forever" der Beatles auf. Ihre Liebe zu den Beatles war einer der Gründe, warum sie ihr späteres Material gerne bei der Coverband The Sky Diamonds spielte, einer Spass-Truppe, in welcher sie mit ihrem Vater und ihrem Partner Rosco Levee zusammen spielt.
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