Jan 21, 2016


PETE CARR - Multiple Flash (Big Tree Records BT 76009, 1978)

Gut möglich, dass wer den Namen Pete Carr noch nie gehört hat, den Gitarristen in Wirklichkeit schon hundertfach gehört hat, denn der brilliante Ausnahmekünstler aus Daytona, Florida war lange Zeit einer der begehrtesten und meistgebuchten Studiocracks für berühmte Musiker aus allen musikalischen Bereichen. So findet sich sein Gitarrenspiel auf etlichen Welthits wieder, wie zum Beispiel auf Paul Simon's "Kodachrome", Rod Stewart's "Sailing", den Bob Seger Hits "Beautiful Loser", "Night Moves" und "Against The Wind", neben unzähligen anderen. Er gehörte auch den hochkarätigen Profi-Musikern der legendären Muscle Shoals Studios an.

Pete Carr war auch die eine Hälfte der LeBlanc Carr Band, die mit ihrer Single "Falling" aus dem Album "Midnight Light" in Amerika im Jahre 1977 einen Top Hit feiern konnte. Die LeBlanc Carr Band war indes ein reines amerikanisches Phänomen, das ausserhalb der Staaten kaum beachtet wurde. Und so ist es leider auch im Falle der beiden exzellenten Soloalben von Pete Carr, die dieser auch nur in Amerika veröffentlicht hatte, und die schon damals nur als Importe hierzulande zu kriegen waren, was den Verkaufszsahlen ausserhalb der Staaten nicht gerade förderlich war. Kurzum: Die erste LP "Not A Word On It" von 1976, sowie dieses zweite Album von 1978 waren damals - und sind es heute - kaum bekannt. 

Als Leadgitarrist der Muscle Shoals Studios war Pete Carr offen für alle möglichen stilistischen Bereiche, was ihn zu einem extrem vielseitigen und wandelbaren Musiker machte, der universell eingesetzt werden konnte. So wurde er für Plattenaufnahmen gebucht von Bobby Womack und Wilson Pickett genauso wie von Cat Stevens, Paul Anka oder Joe Cocker und Conny Francis. Er stand auch auf der Bühne neben Paul Simon und Art Garfunkel bei deren legendärem Konzert im New Yorker Central Park am 19. September 1981.

Am Anfang stand als erste Station von Pete Carr's Karriere die Mitgliedschaft in der Band Hourglass, jener Combo, die in den ausgehenden 60er Jahren schliesslich zur Gründung der Allman Brothers Band führte, denn Hourglass war die Band der beiden Allman Brüder Duane und Gregg. Gleich nach dem Split der Band im Jahre 1968 ging Carr zurück nach Florida und begann seine Karriere als Studiomusiker, machte sich dank seiner vielseitigen Art, Gitarre zu spielen sehr schnell einen Namen, was ihn natürlich leider auch daran hinderte, an eine Solokarriere überhaupt zu denken. Das ist schade, denn wenn man sich die hervorragende Platte "Multiple Flash" anhört, wünschte man sich, es gäbe mehr eigenes Material dieses Künstlers zu hören. Bis auf zwei Ausnahmen gibt es hier ausschliesslich Musikstücke aus der Feder von Pete Carr zu hören. Sein hier zum Besten gegebener Stilmix aus Jazz und Funk, über Balladen und Country & Western-Einflüssen bis hin zu Rock'n'Roll-Licks ist wirklich brilliant, aber letztlich wohl doch zuviel für den normalen Zuhörer. Man nennt solche Platten manchmal etwas abfällig 'Musiker-Platten', die zwar von Kollegen hoch geschätzt, vom breiten Publikum aber eher als Ueberforderung angesehen und folglich ignoriert werden.

Bis auf das bekannte "Canadian Sunset" des Eddie Haywood Orchesters aus den 40er Jahren und der Bob Dylan Komposition "Knocking On Heaven's Door" finden sich hier ausschliesslich Eigenkompositionen von Pete Carr, von denen die herausragenden Stücke wohl das Titelstück, aber auch "Rings Of Saturn", "Take Away The Wheels" und "The Southern Cross" sind. Pete Carr hatte für diese Aufnahmen einige der versiertesten Begleitmusiker aufgeboten, die auch zur Crème de la Crème der Muscle Shoals Studios gehörten, wie etwa der Keyboarder Steve Nathan, der für Spyro Gyra tätig war, aber auch auf Platten von Glenn Frey, Mark Knopfler, Queensryche oder der Atlanta Rhythm Section zu hören ist. Ausserdem Saxophonist Harvey Thompson, der in Diensten zahlreicher Soul- und Funk-Stars stand, jedoch auch auf Platten von Donovan, Canned Heat oder Steve Winwood und Lynyrd Skynyrd mitspielte. Schlagzeuger Roger Hawkins wiederum war einer der Mitbegründer der Muscle Shoals Studios und ist wohl den meisten Musikhörern als Mitglied der legendären Band Traffic um Steve Winwood und Jim Capaldi bekannt.

Der Höhepunkt dieser enorm vielseitigen Platte dürfte allerdings die Bob Dylan-Nummer "Knocking On Heaven's Door" sein. Es gibt unzählige Versionen dieses Songs, jedoch dürfte diese hier von Pete Carr insgesamt eine der stimmigsten sein. Sie lebt vom rhythmischen Pendeln zwischen Pop-Ballade und Reggae und bietet eines der gefühlvollsten Gitarrensoli überhaupt. Es ist bedauerlich, dass Pete Carr seinen Hauptfokus stets auf seine Arbeit als Studiomusiker gelegt hat und nicht ernsthafter eine Karriere als Solokünstler angestrebt hat. Ich bin überzeugt, er hätte sich einer wachsenden Popularität erfreuen können. So blieb er letztlich meist im Hintergrund und hat etliche tolle Platten mit seinem hervorragenden Gitarrenspiel veredelt.

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