LITTLE FEAT - Dixie Chicken (Warner Brothers Records BS 2686, 1973)
Dass Little Feat zu Beginn der 70er Jahre trotz zweier herausragender Alben keinen leichten Start hatten, war zwar leider nicht schön, schmälerte die Zuversicht der Musiker aber keineswegs. Dass der Band aber das finanzielle Wasser in dieser Zeit oftmals bis zum Halse stand, war ebenso präsent. Es gab also tatsächlich eine hochkarätige Band, die bis dahin zwei wirklich hochkarätige Alben ("Little Feat" und "Sailin' Shoes") hingelegt hatte und dafür von der gesamten Branche fast gänzlich ignoriert wurde. Eine Situation zum Haare raufen und eine Ignoranz, die heute wohl nicht mehr nachvollziehbar ist. Dass damals nicht alle Bandmitglieder das Handtuch warfen, war vor allem Lowell George zu verdanken. Er glaubte hundertprozentig an die Gruppe, wusste, dass die Band fantastisch war und er wusste auch, dass seine Songs überdurchschnittlich waren. Damals machte er sich als Admiral, der sein Flaggschiff zusammenhielt, einen Namen. Ein Mann, der an sich glaubte und der vor allem ein Ziel hatte: Die damals schon etwas eingetrocknet wirkende, manchmal schlappe Veranstaltung Namens Rockmusik in den Hintern zu treten. Trotzdem liess sich nicht ganz verhindern, dass die Band nach dem Misserfolg von "Sailin Shoes" weitgehend auseinander brach. Alle Mitglieder, auch der Admiral, verdingten sich - öfters mal gemeinsam - als Studiomusiker. Nur Roy Estrada, der kauzige Bassist, hatte die Band im Frühjahr 1972 ganz verlassen.
Lowell George musste, um die Band zu halten, in die Offensive gehen. Obwohl zunächst nur ein Job an der Bassgitarre vakant war, hielten er und Bill Payne Ausschau nach den Musikern, mit denen die Band zu dem geformt werden sollte, was beiden als Ideal vorschwebte. Ein exakt laufender Zwölfzylinder, mit qualitativ anspruchsvollem und vor allem total eigenständigem Output. Ein Rock'n'Roll-Feuerwerk eben. Mit Kenny Gradney, der den Job als exzellenter Bassist übernahm, war ein Anfang gemacht. Ihm folgten Paul Barrere als zweiter Gitarrist und Sam Clayton, der die Arbeit an Congas, einem zweiten Schlagzeug und allerhand anderen Rhythmusgerätschaften zu übernehmen hatte. Das war's also: Die frisch zusammengestellte Band Little Feat hatte sich gefunden. In dieser neuen Bandbesetzung ging es ans Werk von "Dixie Chicken". Klar hatte der Admiral schon gewisse Vorstellungen, wie dieses Album aussehen sollte. Dafür hatte er mit einigen Songs schon einen mächtigen Eckpfeiler gesetzt. Der wurde nun, zusammen mit den anderen Musikern, systematisch ausgebaut und ergänzt. "Dixie Chicken Chicken" geriet zu einem weiteren Meilenstein, nicht nur Little Feat's, sondern in der eigentlichen Geschichte der Rockmusik.
Und trotzdem: Das Album "Dixie Chicken" brachte der Band zwar höchste Anerkennung, aber wieder nicht den hochverdienten Durchbruch. Das wiederum hervorragend produzierte Werk lieferte zehn Songs der oberen und obersten Kategorie ab. Spannungsreich instrumentiert, herrlich vertrackt, aufgebaut auf einer herausragenden, völlig entspannt wirkenden Rhythmusbasis, der es, auf ausgesprochen hohem Niveau gelang, die unterschiedlichsten Stilelemente miteinander zu kombinieren, ja regelrecht zu verweben. Immerhin gelang es Little Feat im Laufe des Jahres 1973, sich als ein ganz heisser Live-Act zu profilieren, der quer durch die USA, vor allem aber an der Westküste und in Dixie Land hohes Ansehen zu erwerben. Die treue Fangemeinde der Band wuchs kontinuierlich an und es schien wirklich nur noch eine Frage der Zeit zu sein, wann der erste echte Nummer-1 Hit die Band ganz nach oben bringen würde. Dennoch war's zwischen Studio und Live-Acts nötig, die Familien zu ernähren, weshalb alle Mitglieder wieder hauptsächlich als Studiomusiker weiter arbeiteten. Auch Lowell George ging zähneknirschend diesen Weg, zumal ihre Plattenfirma Warner Brothers, von Beginn an das Label der Band, nicht helfend einspringen wollte oder konnte (dazu hatten die damals viel zu viele Acts am Start). Der mühsamst erarbeitete Stern begann nun doch wieder zu sinken. Es war der Produzent Bob Cavallo, der nicht nur Little Feat's Potential richtig einzuschätzen wusste, sondern auch den Bandmitgliedern zu neuer Motivation verhalf. Gemeinsam stemmten sie 1974 das Nachfolger-Projekt "Feats Don't Fail Me Now' aus dem Boden, und damit kam dann endlich auch der erhoffte Durchbruch.
Nach diesem Ausflug in die Bandhistorie (an dem vielleicht der eine oder andere ermessen kann, wie sehr die Musiker miteinander gelebt und gelitten haben) soll hier natürlich vor allem die LP "Dixie Chicken" die Würdigung erhalten, die sie wahrlich verdient hat. Das Werk eröffnet gleich mit dem Titelsong. Besser kann's auch gar nicht losgehen. "Dixie Chicken" ist ein gemütlicher Shuffle, der sich mit seinem genialen Text auf allerhöchstem Niveau durch seine knapp vier Minuten schunkelt: Das Stück ist eine wahre Freude und avancierte an Konzerten meist zu einer Top-Nummer, die zu einer langen Jam ausgebaut wurde. Mit dem Song "Two Trains" war Lowell George ein mindestens ebenbürtiges Stück gelungen. Herrlich vertrackt, hoch melodiös und wieder mit einem phantastischen Text. Gleiches gilt für das wunderschöne, fast zerbrechlich wirkende "Roll Um Easy", das der Admiral wieder überaus ergreifend zu singen verstand. Mit "On Your Way Down" hatte Bandleader Lowell den legendären George Allen Toussaint als Songwriter mit ins Boot geholt. Der war schon damals Garant für hochwertigste Songs und hatte mit diesem Stück wohl seine bis dato, vielleicht aber sogar insgesamt, beste Nummer geschrieben. Ein wunderbar soulig-dahinzuckelnder Track, den Little Feat in höchster Perfektion (man achte auf die sparsame, aber punktgenau eingesetzte Fender Rhodes) umsetzten.
Was folgt ist das förmlich dahinschmelzende "Kiss It Off". Eine bottlenecklastige Nummer, die aber genauso Little Feat's Potential, vor allem aber jenes von Lowell George in seiner Eigenschaft als Songwriter offenbart, wie im Grunde all die anderen Titel dieses Albums. Ein balladeskes Stück, das ganz nah an der Gänsehautgrenze schrammt und mehr als alle anderen von George's unnachahmlichem Gesangsstil profitiert. Mit "Fool Yourself" verewigt sich erstmals Fred Tackett mit einer wunderschönen, selbstgeschriebenen Hymne bei Little Feat. Er war von da ab immer eng mit der Band verbunden und ist heute, auch wenn Little Feat fast nur noch Live-Acts zu Markte tragen, ein nicht wegzudenkender Kreativkopf, der Trompeten, Cajun-Harmonica und vor allem die E-Mandoline in Little Feat's eh schon weitreichende Instrumentierung einbringt. Lowell George sang dieses Stück wieder wie ein junger Gott. Ein wunderschöner, nachdenklicher Titel. "Walking All Night" ist der erste Output des Songwriter-Gespanns Barrere/Payne, die damit gleich eine regelrechte Duftmarke setzten. Bei beiden stimmte über die Jahre hinweg die Chemie besser als zwischen ihnen und dem Admiral, der seine ureigene Ideen von einem guten Song hatte und auch vehement daran festhielt. Wie sehr sich Barrere und Payne gemeinsam in die Band einbrachten, war aber erst ab dem "Last Record Album", respektive der "Time Loves A Hero" zu hören, als deutliche Jazz- und Funkeinflüsse zu verzeichnen waren, die Band aber trotzdem immer Little Feat blieb.
Der Admiral selbst läuft dafür postwendend mit einem seiner grossartigsten Titel überhaupt auf: "Fat Man In The Bathtub". Dieser Song ist auch aus heutiger Sicht noch immer eines der herausragenden Stücke der Band: Rhythmisch vertrackt, voller Witz und Poesie mit genialer Slide-Gitarre und dem punktgenauen Einsatz von Cowbells. Mit "Juliette" folgt eine ganz frühe Nummer des Admirals, die er schon in den 60er Jahren geschrieben hat. Sie hätte nicht früher erscheinen dürfen, denn dieses Stück passt perfekt auf die "Dixie Chicken'" Platte. Ein ganz fantastischer, schwül-hitziger Track, der vor allem wieder von der vertrackten Feat'schen Rhythmik und George's einzigartiger Stimme lebt. Bei dieser und auch bei der nächsten Nummer weiss dann keiner mehr so genau, ob Little Feat nun der Westcoast- oder vielleicht sogar doch der Southern-Szene zuzuordnen sind. Sie sind wohl letztlich weder noch, denn sie hat ganz einfach ihren ureigenen typischen "Little Feat"-Sound. Letzter Song des Albums ist das schwerblütige Instrumental "Lafayette Railroad", das Lowell George zusammen mit Bill Payne geschrieben hat. Ebenfalls eine sumpfig-brodelnde, schwül-heisse Nummer, bei der man ständig irgendwie versucht ist, einen Ventilator herauszuhören.
Kurzum mein ganz persönliches Fazit: Mit "Dixie Chicken" haben Little Feat ihr erstes, multi-instrumentiertes und vermutlich auch ihr bis dahin homogenstes Album vorgelegt. Eine Scheibe, wie sie der Himmel nicht besser hätte hinzaubern können. Eingängig-vertrackt, voller Herzblut und Rhythmik, mit witzigen, teils hochintelligenten Texten und einer der besten Stimmen, die die Rockmusik hervorgebracht hat. Eine Scheibe, die vom ersten Take an zündet, nicht einen Schwachpunkt aufweist und einen für immer gefangen hält. Der Rock & Roll Heaven auf Erden.
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