Aug 24, 2016


DEMOLITION STRING BAND - Pulling Up Atlantis
(Okra-Tone Records OKRA 4964, 2001)

Die Brücke zwischen Tradition und Moderne im alternativen Country Bereich schlägt diese New Yorker Band um Sängerin Elena Skye traumwandlerisch sicher. Jeder einzelne Song zeugt von handwerklichem Können und einer Vorliebe für einen urwüchsig-kantigen Sound, schwarze, tiefgründig-bluesige Balladen sind ebenso überzeugend wie ihre knochentrockenen Roots-Rock Songs, die speziell bei Boo Reiners’ ausgedehnten, psychedelischen Soli an andere in der Grosstadt verwurzelten Folk Rock-Künstler wie Jerry Garcia und Neil Young erinnern. Messerscharf produziert von Eric "Roscoe" Ambel, der mit seiner Gitarre das eine oder andere Mal für ordentlichen Druck sorgt, der nicht selten an seine Band The Del-Lords erinnert. In der alternativen Country-Szene in und um New York schon seit 1995 aktiv, veröffentlichte die Gruppe, oder vielmehr das Duo Skye / Reiners plus Gastmusikern ihr zweites Album "Pulling Up Atlantis" im Jahre 2001 und überraschte darauf mit einer wunderbaren Mixtur aus besagtem Alternative Country (was immer das letztlich auch sein mag) und einer gehörigen Prise Soul-Rock und Rhythm'n'Blues, wofür vor allem die Stimme von Elena Skye verantwortlich zeichnete. Die Sängerin glänzte auf dem Album mit ihrer swingenden Stimme, die den Songs sehr viel eigenen Charakter verlieh, was die Platte von vergleichbaren Veröffentlichungen anderer Künstler und Bands deutlich abhob. Der typische Bakersfield Honky Tonk Style sorgte hingegen, ausgehend von den instrumentalen Arrangements, für die der Gitarrist Boo Reiners sorgte, für wohlklingenden, ab und an recht rockigen Country-Sound.

Was die Musik auf der Platte so interessant macht ist die Verschmelzung so vermeintlich unvereinbarer musikalischer Einflüsse wie Honky Tonk und Punk Rock, traditioneller Bluegrass und wehmütiger Country Blues, wobei festzuhalten ist, dass die eher punkig-rockigen Akzente eindeutig von Produzent Eric Ambel ausgehen. Er sorgt praktisch bei jedem Song, sei er auch noch so traditionell ausgerichtet, stets für die nötige Portion Dreck, sodass selbst wimmernde und den gemütlichen sogenannten "Old Time String Bands" nachgezeichnete Country-Stücke noch irgendwie rockig klingen. In diesen Momenten erinnert der Sound der Demolition String Band ab und zu an Gram Parsons' Flying Burrito Brothers, oder auch an eine rockige Variante der Ozark Mountain Daredevils. Die Biographien der beiden Hauptakteure Elena Skye und Boo Reiners ähneln sich und es war wohl irgendwie logisch, dass sie sich irgendwann über den Weg laufen mussten. 

Als Tochter eines Professors an der Universität von Chicago, der in seiner Freizeit gerne mal auf die Bühne stieg, um mit lokalen, zumeist schwarzen Folk- und Blues-Musikern zu spielen, lernte Töchterchen Elena bereits mit 14 Jahren die Mandoline zu spielen. Innert weniger Monate spielte sie bereits in lokalen Bluegrass Bands mit, gefördert und gelehrt von Jethro Burns, dem bekannten Mandolinenspieler des Duos Homer & Jethro. Als zu Zeiten des Colleges dann ihre Liebe für die Ramones entflammte, startete Elena Skye nacheinander zwei Bands, zuerst die Gruppe Minx, danach die Combo BelleSkye, ein Power-Trio, in welchem elena den elektrischen Bass spielte. Zusammen mit ihrer damaligen Gitarristin Caren Belle, komponierte sie auch später zusammen Songs, unter anderem auch solche für die spätere Demolition String Band. Gemeinsam komponierten sie auch Songs für andere Künstler, kamen in dieser Eigenschaft auch zu einem Vertrag mit dem renommierten Musikverlag Peer International in Los Angeles, bevor Skye nach Hoboken umzog um dort einen sehr populären Buchladen zu eröffnen, in welchem regelmässig Musiker spielten.

Einer dieser Musiker war dann der Gitarrist Boo Reiners, der Sohn eines Predigers aus North Carolina, der quasi auf musikalische Weise Psalme verbreitete. Er spielte traditionellen Bluegrass, war ausgebildet am Banjo und spielte ebenfalls schon Konzerte seit er 14 Jahre alt war. Während seine Einflüsse vor allem die Gruppen Grateful Dead und die Nitty Gritty Dirt Band, insbesondere wegen deren Gebrauch des Banjos, waren, wechselte auch er zu College-Zeiten die Musikrichtung und spielte in einer Band mit, die eher dem locker swingenden Bluesrock etwa der Band NRBQ verpflichtet war. In dieser Band spielte Boo Reiners die Leadgitarre und legte das Banjo einige Zeit beiseite. Auch er siedelte nach Hoboken um, nachdem er in und um San Francisco einige Jahre in lokalen Bluegrass und Rhythm'n'Blues Bands gespielt hatte. In Hoboken schloss er sich einer relativ verrückten Truppe an, die sich Sweet Lizard Illtet nannte, die auch ein Album für Warner/Reprise Records veröffentlichte. Die Band spielte eine abstruse Mixtur aus Last Poets-inspiriertem Rap und arbeitete mit Samples aus dem Jazz-Bereich, während Boo Reiners dazu sein Banjo spielte (!). 

Unter dem Namen The Demolition String Band begannen Elena Skye und Boo Reiners als ein Akustik-Duo, das hauptsächlich an speziellen Anlässen, auf Vernissagen oder Lesungen aufspielte, zumeist im East Village, mit einer Schlüsselrolle in Greg Garing's gefeierter Alphabet City Opry Show. Zeitweise wuchs das Akustik-Duo zu einer richtigen Band, und da spielte die um einige Musiker erweiterte Truppe dann in Clubs und Kneipen als veritable Honky Tonk Band, ebenfalls unter dem Namen The Demolition String Band. Skye und Reiners waren ausserdem in ein Side Project involviert, das den Namen "Blackwater Shoals" trug, mit Buddy Woodward von der Band Nitro Express. 1998 nahm das neu lancierte Independent Label North Hollow Records das Duo unter Vertrag und ermöglichte die Veröffentlichung der ersten Platte mit dem Titel "One Dog Town", mit welcher die Gruppe danach auf Tournee durch ganz Amerika ging. Ein Jahr später veröffentlichte die Demolition String Band ein süffiges Country Remake von Madonna's "Like A Prayer" als Single, gefolgt vom im Oktober 2001 veröffentlichten zweiten Album "Pulling Up Atlantis".

Für die Aufnahmen zum Album "Pulling Up Atlantis" konnte das Label Okra-Tone Records erneut den renommierten Eric "Roscoe" Ambel als ausführenden Produzenten verpflichten, das bekannte Roots Rock Schwergewicht, der schon das Debut-Werk der beiden Musiker produziert hatte. Zu den für die Studioaufnahmen verpflichteten Gastmusikern auf "Pulling Up Atlantis" gehörten unter anderem der dynamische Pedal Steel-Virtuose Robert Randolph, ausserdem gehörten neu zur Stammformation auch Louie Appel, der zuvor in der Band von Southside Johnny, den Asbury Jukes, spielte sowie Michael Smith, der ehemalige Schlagzeuger der Gruppe Husband, sowie Winston Roye aus der Band von Alana Davis am Bass. Das Werk bietet eine tolle Mixtur aus Rock, bluesigen Balladen, pulsierenden City Grooves und ländlichen traditionellen Liedern gleichermassen und leben voe allem von der ausdrucksstarken Stimme von Elena Skye. Es ist eigentlich erstaunlich, dass die Gruppe insbesondere mit diesem zweiten Album nicht den Durchbruch geschafft hat.

Denn neben der bereits erwähnten Neuauflage von Madonna's "Like A Prayer" im Bluegrass-Stil bietet das Album etliche weitere musikalische Trouvaillen, so etwa den Opener "Garden Of Love", der vor allem die Handschrift des Produzenten Eric Ambel trägt: Der Song ist fett und rockig produziert und könnte genauso gut auch auf einem Album der Georgia Satellites oder Tom Petty zu finden sein. Es ist genau diese Balance, die das Werk so interessant macht. Auf der einen Seite beseeltes Rocken, auf der anderen Seite die traditionelle Country- und Americana-Ausrichtung. Man kann aber trotzdem nicht von einem klassischen Roots Rock-Album sprechen, denn der Anteil an Rock ist so punktgenau eingesetzt, dass er zumeist nur für's berühmte Tüpfelchen auf dem i sorgt, aber nie durchwegs durch die Platte fetzt. Auf jeden Fall hat die Demolition String Band mit diesem Album, das weltweit vertrieben worden ist, doch eine gewisse Resonanz erhalten, sodass die beiden Musiker Elena Skye und Boo Reiners bis heute mit der Demolition String Band aktiv sind und auch nachwievor schöne Platten veröffentlichen und viele Konzerte bestreiten. Trotzdem ist das Duo hierzulande immer ein Geheimtipp geblieben.






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