THE ALLMAN BROTHERS BAND - Wipe The Windows, Check The Oil, Dollar Gas
(Capricorn Records 2CX 0177, 1976)
Gegründet 1969, bestand die Allman Brothers Band ursprünglich aus Duane Allman (Gitarre), Gregg Allman (Gesang und Keyboards), Richard 'Dickey' Betts (Gitarre), Berry Oakley (Bass), Butch Trucks (Schlagzeug) und Jai Johanny 'Jaimoe' Johanson (Perkussion). Die eigentlichen Allman-Brüder, Duane und Gregg, spielten zuvor in verschiedenen Gruppen wie den Escorts, den Allman Joys und zuletzt Hour Glass. Als Hour Glass ihren Plattenvertrag verloren, gründete Duane die Allman Brothers Band. Als das Debutalbum "The Allman Brothers Band" im November 1969 veröffentlicht wurde, gab es die Band gerade mal ein paar Monate. Die erste Bandkonstellation hielt bis zu Duane Allmans tragischem Motoradunfall 1971 und brachte drei Platten hervor, die auch heute noch als Blaupausen für das spätere Genre des Southern Rock galten. Die Allman Brothers spielten dabei einen bluesigen, flüssigen Rock mit leichten Country-Elementen und man könnte sie genauso der Frühphase des harten Rocks oder Hardrocks zuordnen. Die akustische Nähe war durchaus vorhanden.
Mit "Eat A Peach" veröffentlichten die Allman Brothers nach dem durchschlagenden Erfolg ihres Live-Doppelalbums "At Fillmore East" ein weiteres ein Doppelalbum mit Studio- und Liveaufnahmen. Es erschien im Februar 1972 und war das letzte Album mit dem kurz zuvor verstorbenen Duane Allman. Das Album war denn auch ihm gewidmet. Mit dem Album "At Fillmore East", das im Juli 1971 erschienen war und Platz 13 der US-Charts erreichte, war den Allman Brothers der kommerzielle Durchbruch gelungen. Die Band hatte in den Criteria Studios in Miami drei Titel für ein nächstes Album aufgenommen, als Duane Allman am 29. Oktober 1971 bei einem Motorradunfall starb. Darunter war auch das Stück "Little Martha", das einzige Lied der Band, das Duane Allman alleine komponiert hatte. Für "Eat A Peach" wurden zusätzlich Liveaufnahmen aus dem Fillmore East verwendet, vor allem die legendäre "Mountain Jam", die über eine halbe Stunde dauernde Improvisation über Donovans Thema "There Is A Mountain", sowie drei Stücke, welche die Band nach Duane Allmans Tod aufnahm. Das von Gregg Allman geschriebene erste Stück des Albums, "Ain't Wastin' Time No More" reflektierte dabei das trotzige Weitermachen nach dem Verlust seines Bruders. Das Album erreichte Platz 4 der Billboard 200, die Singles "Ain't Wastin' Time No More" Platz 77, "Melissa" Platz 86 und "One Way Out ebenfalls" Platz 86 der Billboard Hot 100. Wurden die Allman Brothers zumindest in ihrer Frühphase vor allem als Liveband hoch geschätzt, so änderte sich dies mit der Veröffentlichung des nächsten Studioalbums, dem ersten Werk, auf welchem Duane Allman nicht mehr zu hören war: "Brothers And Sisters".
Während der Arbeiten an dem Album "Brothers And Sisters" verunglückte der Bassist Berry Oakley mit dem Motorrad, er war deshalb nur auf den ersten beiden Stücken des Albums zu hören. Da zur gleichen Zeit drei Tourneetechniker ebenfalls verunglückt waren, wurde der ursprünglich geplante Albumtitel "Lighnin' Rod" (Blitzableiter) geändert in "Brothers And Sisters". Das Album war kommerziell überaus erfolgreich und blieb fünf Wochen auf Platz 1 der US-amerikanischen Albumcharts Billboard 200. Die Singleauskopplung "Ramblin' Man" von Dickey Betts stieg bis auf Platz 2 der Billboard Hot 100. Betts schrieb auch den beschwingten Instrumentalklassiker "Jessica", welcher als Singleauskopplung Platz 65 der Billboard Hot 100 erreichte, sowie die Songs "Southbound" und "Pony Boy". Das Frontcover zeigte eine Fotografie von Vaylor Trucks, dem Sohn des Schlagzeugers Butch Trucks, die Rückseite Brittany Oakley, die Tochter des Bassisten Berry Oakley. Die Innenseite zeigte ein grosses Foto von Bandmitgliedern, Roadies, Ehefrauen, Freundinnen und Kindern der Musiker. Die RIAA zeichnete das Album bereits kurz nach Erscheinen mit Gold und im Winter 1995 mit Platin aus. Vor Beginn der Aufnahmen zum nächsten Studiowerk "Win, Lose Or Draw" gab es Spekulationen über eine Trennung der Gruppe. Sowohl Gregg Allman als auch Dickey Betts hatten mit "The Gregg Allman Tour", beziehungsweise "Highway Call" im Jahre 1974 ein Album ihres jeweiligen Soloprojektes veröffentlicht. Die Aufnahmen zu "Win, Lose Or Draw" waren geprägt von den Spannungen und personellen Problemen innerhalb der Band. Es war das letzte Studioalbum der Gruppe vor ihrer ersten Trennung im Jahre 1976 und wurde von Johnny Sandlin und der Band selbst produziert. Im Jahr der Veröffentlichung kam es zu Auftritten im Rahmen der Präsidentschaftskandidatur Jimmy Carters. Das Album erhielt gemischte Kritiken. Bruce Eder schrieb auf Allmusic, dass "Win, Lose Or Draw" eine unerwartet arme Vorstellung wäre und dass ausser dem Stück "Can't Lose What You Never Had" kaum etwas Erstklassiges enthalten wäre. Hingegen schrieb etwa Tony Glover im Rolling Stone Magazin, dass die Gruppe die mit dem ersten Album begonnene Tradition fortsetzen und hier weitere und bessere Lieder ergänzen würde. Es würde mit jedem Hördurchgang neue Feinheiten zu vernehmen sein und das Zusammenspiel wäre so gut wie immer.
Es war einerseits abzusehen, letztlich aber auch nur logisch, dass sich die Band und ihre Plattenfirma Gedanken machen mussten, wie es weitergehen würde. So entschloss man sich, ein weiteres Livealbum zu veröffentlichen, denn trotz aller Spannungen innerhalb der Band und relativ vielen Diskussionen über eine kreative Zukunft der Gruppe wussten alle um die grossen Live-Qualitäten der Allman Brothers Band. "Wipe The Windows, Check The Oil, Dollar Gas" wurde ursprünglich als Doppel-LP ein halbes Jahr nach der Trennung der Band im Mai 1976 aufgrund immer grösserer persönlicher Differenzen veröffentlicht. Es war historisch betrachtet das zweite reine Livealbum der Gruppe nach "At Fillmore East" und wiederholte bis auf "In Memory Of Elizabeth Reed" keine von jenem Album bekannten Songs, sondern zeigte grösstenteils Livematerial der letzten beiden Studioalben. Im Gegensatz zum ersten Livealbum fehlte hier der verstorbene Duane Allman als zweiter Gitarrist, der auch nicht durch eine neue Besetzung an der Gitarrenposition ersetzt wurde. Dies führte zu einer Neuausrichtung des Bandsounds, der schon auf den beiden vorangegangenen Studioalben "Brothers And Sisters" und "Win, Lose Or Draw" vorweggenommen wurde. Daher erhielt "Wipe The Windows, Check The Oil, Dollar Gas" nie die gleichen herausragenden Bewertungen und Verkaufserfolge wie "At Fillmore East". Der Titel des Livealbums war dem Song "Too Much Monkey Business" von Chuck Berry entlehnt worden. Viele Fans der Livemusik der Allman Brothers erachten die hier präsentierte Version des Bandklassikers "In Memory Of Elizabeth Reed" als die atmosphärischste und gefühlvollste Version dieses Jams. Auch ich bin ein grosser Fan dieser Version, jedoch nicht nur dieses Titels. Entgegen den eher gemässigten damaligen Plattenkritiken konnte ich bis heute kein in sich stimmigeres Livealbum der Allman Brothers ausmachen als "Wipe The Windows, Check The Oil, Dollar Gas". Der Grund lag vielleich darin, dass sich die Band hier in einem stilistischen Umbruch zeigte und einen Gesamtsound vorlegte, den sie weder vorher noch später wieder präsentierten.
Das Live-Album wurde von Capricorn-Chef Phil Walden Ende 1976 als nächstes Doppelabum der Band veröffentlicht, die sich bereits Mitte des Jahres vollkommen zerstritten aufgelöst hatte. Gregg Allman hatte in einem Prozess gegen einen Beschäftigten der Band wegen Drogenhandels ausgesagt und diesen schwer belastet, anstatt sich auf den "Fifth Amendment" der amerikanischen Verfassung zurückzuziehen und die Aussage zu verweigern. Der Rest der Band hatte dies als starken Affront gegen sich selbst gewertet und jegliches weiteres Spielen mit Allman abgebrochen. Der Plattenfirma Capricorn Records ging es zu dieser Zeit sehr schlecht, besonders weil nun auch das Flaggschiff in Form der Allman Brothers Band untergegangen war und damit keine weiteren Alben mehr zu erwarten waren. Von dem Album "Wipe The Windows, Check The Oil, Dollar Gas" erhoffte sich Walden starke Verkäufe und damit noch einmal schnelles Geld.
Die Band selbst hatte sich einer Veröffentlichung zunächst verweigert, konnte ihn aber nicht verhindern. Zudem unterstellten Kritiker dem Album durch nur mässigen Mix einen schlechten Sound. Der Schlagzeuger Jaimoe sagte in der Duane Allman Biographie 'Skydog - The Duane Allman Story', dass er das Album die ersten Jahre nach 1976 nicht einmal angehört habe. Nachdem er dies dann auf Rat eines Bekannten irgendwann doch tat, wer er allerdings überrascht, wie gut doch die Aufnahmen waren, die aus fünf Konzerten aus dem Zeitraum von 1972 bis 1975 kamen: dem Winterland in San Francisco (26.11.1973), The Warehouse, New Orleans (31.12.1972), der Summer Jam in Watkins Glen New York (28.7.1973), Bakersfield (22.10.1975) und dem Oakland Coliseum (24.10.1975). Tatsächlich erreichte das Album nur Rang 75 der Billboard Pop Charts und verschwand nach 10 Wochen ganz. Der Jam "In Memory Of Elizabeth Reed" erschien als dritte Live-Version, hier allerdings deutlich mehr keyboardlastig durch das Piano von Chuck Leavell in einem längeren Solo, was ungewohnt klang, wenn man die beiden Versionen aus den Alben "Idlewild South" und "At Fillmore East" kannte. Insgesamt war die teilweise sehr schlechte Kritik über das Album "Wipe The Windows, Check The Oil, Dollar Gas" bestimmt nicht gerechtfertigt, auch wenn die Kritik an der Plattenfirma sicher stimmte, dass diese mit der aufgelösten Allman Brothers Band noch einmal das schnelle Geld machen wollte; und das, obwohl die Band sich gegen eine Veröffentlichung des Albums ausgesprochen hatte. Wenn man sich dieses Doppelalbum heute anhört, so kann man sich darauf wahrscheinlich keinen vernünftigen Reim mehr machen, denn die Aufnahmen klingen wunderschön, sehr relaxed und lassen keinen Moment lang den Gedanken aufkommen, hier wäre eine zerstrittene Band am musizieren gewesen.
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