Jul 22, 2021


GARY SHEARSTON - Dingo (Charisma Records CAS 1091, 1974)

Bereits in den 60er Jahren hatte der australische Singer und Songwriter Gary Shearston hervorragende Platten veröffentlicht, die jedoch lediglich in Australien und Neuseeland eine grössere Verbreitung fanden, während der Musiker hierzulande und auch in Amerika weitestgehend unbekannt blieb. Seine sehr persönliche musikalische Mixtur aus australischer Folklore und amerikanisch gefärbtem Folk- und Troubadour-Sound brachte ihm damals den Spitznamen 'Aussie Dylan' ein. Einer seiner Songs mit dem Titel "Sometime Lovin'" bescherte dem Folk-Trio Peter, Paul & Mary einen Hit. Trotzdem blieb Gary Shearston ein rein australisches Phänomen, dessen Platten sich in seiner Heimat ausgesprochen gut verkaufen konnten. Gary Shearston wurde im Städtchen Invernell in New South Wales geboren als Sohn von Audrey Lilian und James Barclay Shearston. Sein Vater diente im Zweiten Weltkrieg, weshalb Gary Shearston zusammen mit seiner Muitter bei den Grosseltern in Tenterfield lebte. diese Zeit in seiner Kindheit prägte den späteren Songschreiber massgeblich, und später lebte er auch selber in diesem Haus, bis er starb.

Nach seiner Zeit im Newington College von 1950 bis 1955 wandte sich Gary Shearston zuerst dem Journalismus zu, wechselte aber bald darauf zum Fernsehen, wo er unter anderem eine erfolgreiche Kindersendung moderierte und begann schliesslich in den frühen 60er Jahren, Songs zu schreiben. Dies, nachdem er nach Sydney umgesiedelt war. Er bewegte sich schon früh in der dortigen lokalen Folkszene und bestritt regelmässig Auftritte in den Clubs und Pubs in und um Sydney. Nach einigen Jahren, in denen der Troubadour eine treue und stetig wachsende Anhängerschaft gewinnen konnte, wurde er im Jahre 1968 von der Plattenfirma Warner Brothers unter Vertrag genommen, praktisch zeitgleich mit Van Morrison. Probleme bekam Gary Shearston, als er nach New York einreiste, um dort Konzerte zu bestreiten, welche die Plattenfirma für ihn organisiert hatte. Weil er sich in seinen Songs unter anderem offen negativ zum Vietnamkrieg äusserte und sich auch aktiv für die Rechte der australischen Ureinwohner, die Aboriginies, stark machte, wurde ihm in den USA die Arbeitserlaubnis verwehrt, weshalb er dort nicht weiter musizieren konnte, geschweige denn Platten veröffentlichen. Nachdem er für Warner Brothers ein komplettes Studioalbum aufgenommen hatte, verweigerte das Label nach Aberkennung seiner Aufenthalts- und Arbeiterlaubnis in den USA deren Veröffentlichung, weshalb das ganze Album in den Archiven der Plattenfirma verschwand.

1972 reiste Gary Shearston nach England und begann damit, einige seiner bereits früher eingespielten Songs, zusammen mit neuem Material, in diversen Tonstudios aufzunehmen. Er erhoffte sich dadurch den Zugang zum britischen Musikmarkt, der zumindest logistisch eng mit jenem in Australien verbunden war. Frühere Platten von ihm waren zumindest in England über Import erhältlich, auch wenn die Verkaufszahlen kaum nennenswert waren. Es war schliesslich Tony Stratton-Smith, der Gary Shearston an einigen Konzerten besuchte und ihn daraufhin zu seinem Plattenlabel Charisma Records holte. Er bot ihm einen Vertrag über zwei Langspielplatten an, und die erste LP, die daraufhin erschien, war "Dingo", die Platte, auf welcher sich schliesslich einige neue und einige ältere Stücke von Gary Shearston befanden, die der Musiker allesamt in London aufgenommen hatte. Herausragende Komposition war eine Coverversion des Cole Porter Songs "I Get A Kick Out Of You", die von Charisma Records auch prompt als Single veröffentlicht wurde und die schon bald so oft im Radio gespielt wurde, dass sich auch die Single ziemlich gut verkaufen konnte. Bis zuletzt war "Dingo" das international erfolgreichste Album von Gary Shearston, von keiner anderen LP konnte der Künstler so viele Exemplare absetzen.

Gemessen am relativ beachtenswerten Erfolg von "Dingo" und insbesondere der Single "I Get A Kick Out Of You" (mit der B-Seite "Witnessing") war die zweite, im Folgejahr auf Charisma Records erschienene Platte mit dem Titel "The Greatest Stone On Earth And Other Two-Bob Wonders" eine herbe Enttäuschung, denn sie konnte sich kaum verkaufen, zumal sie auch keine Singleauskopplung erfuhr. Von "Dingo" wurde immerhin noch eine zweite Single veröffentlicht, nämlich "Without A Song", mit der B-Seite "Aboriginie". Doch auch diese Single verschwand mehr oder weniger ungehört in den Grabbelboxen, obwohl auch diese beiden Kompositionen sehr schön ausgestaltet und interpretiert worden waren. Besonders das Mitwirken einiger damals recht populärer Begleitmusiker hätte eigentlich für Gary Shearston das nötige Airplay bedeuten müssen, denn auf seinem Album "Dingo" spielten unter anderem Jon Field von July und Jade Warrior, sowie Tommy Eyre mit, der zuvor mit Mark-Almond und Riff Raff musizierte. Dazu gesellte sich an der elektrischen Violine auch Graeme Smith von String Driven Thing, jener Folkrock-Band, die ebenfalls bei Charisma Records unter Vertrag stand.

Beim 1975er Nachfolger "The Greatest Stone On Earth And Other Two-Bob Wonders" fanden sich auf der musikalischen Gästeliste immerhin Bekanntheiten wie etwa der Steel Guitar Spieler B.J. Cole, der Schlagzeuger Barry DeSouza, der Keyboarder Robert Kirby von The Strawbs und Jon Astley, der viele Sachen für The Who gespielt hatte. Trotz dieser illustren Namen versäumte es das Label Charisma Records, daraus und auch aus den vortrefflichen Kompositionen, Kapital zu schlagen. Beide Alben blieben verkaufstechnisch weit hinter den Erwartungen zurück, weshalb danach Schluss und Gary Shearston erneut ohne Plattenvertrag war. Er schlug sich jedoch noch fast ein Jahrzehnt in England durch, jedoch ohne weitere Alben zu veröffentlichen, bevor er im Jahre 1984 nach Australien zurückkehrte. Dort konnte er sich jedoch bald als versierter Folk-Troubadour etablieren, der sich dabei noch immer konsequent auf seine Stärken berief: Engagierte Songtexte, oft sehr politisch und gesellschaftskritisch, und dazu eine Musik, die der australischen Kultur am nächsten stand. Viel von seiner westlich geprägten Pop- und Rock-Attitüde streifte der Musiker dabei fast vollständig ab.

Gary Shearston trat der anglikanischen Kirche bei und blieb als Folksänger weiterhin aktiv, veröffentlichte sein letztes Studioalbum im Jahre 2012 mit dem Titel "The Great Australian Groove", eine musikalische Hommage an seine Heimat. Er starb am 1. Juli 2013 in seinem Haus in Armidale, New South Wales.









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