Sep 16, 2020


THE LILAC TIME - The Lilac Time (Swordfish Records SWF LP6 , 1987)

Zunächst nur in England beim kleinen Independent Label Swordfish Records erschienen, legte die weltweit operiernde Firma Fontana Records das Debutlabum von THE LILAC TIME im darauffolgenden Jahr nochmals auf und vertrieb die Platte auf der ganzen Welt (in Amerika durch das entsprechende Pendant, Mercury Records). Dies zeigt wohl sehr eindrücklich, wie erfolgreich Stephen Duffy mit seinen Mitstreitern von Anfang an musizierte, was für wundervolle Stücke er schrieb und wie universell er seine Vorstellung von Folkrock interpretierte, dass sie auch ein grosses Publikum weltweit erreichen konnte. Der Anfang war indes doch nicht ganz so einfach, wie sich das vielleicht lesen mag, denn der Musiker trug ein grosses Erbe mit sich, dem er erst einmal gerecht werden musste. Duffy war Gründungsmitglied von Duran Duran, die weltweit erfolgreiche Band, die er zusammen mit John Taylor, den er beim gemeinsamen Studium an der Birminghamer Universität kennenlernte gegründet hatte. Er blieb bei der Band als Sänger, Texter und Bassist, bis die Band bei EMI unterschrieb. Dann stieg er aus und gründete in kurzer Folge erst TIN TIN mit Andy Growcott von Dexy's Midnight Runners und Bob Lamb (UB40), spielte später das Chill Out Album "Designer Beatnik" unter dem Namen DR. CALCULUS ein, bevor er 1986, zusammen mit seinem älteren Bruder Nick Duffy die Band The Lilac Time gründete, die zuerst nur aus den beiden Duffy-Brüdern plus dem gemeinsamen Freund Michael Weston bestand. In dieser Besetzung entstand das wundervolle Debut Album, das im darauffolgenden Jahr erschien.

Stephen Duffy ist ein Kind der 60er Jahre, das mit den Sounds der Beatles aufwuchs. In den 70er Jahren kamen dann Bob Dylan, Leonard Cohen und Joni Mitchell dazu. All diese Musiker prägten Stephen Duffy für sein späteres Songwriting, zusammen mit den englischen Folkies von Pentangle und Fairport Convention. Als seinen grössten und nachhaltigsten musikalischen Einfluss nennt Duffy jedoch The Incredible String Band, von deren fast mystischen Folkrock-Songs er sehr beeindruckt war, und die ihn auch nicht mehr losliessen. Gerade auf dem Debutalbum von The Lilac Time kann man da und dort Einflüsse dieser Band ausmachen. Aber auch vermeintlich ganz einfach strukturierte Popsongs, wie sie auch die Beatles raffiniert arrangieren konnten, erhielten von Stephen Duffy diesen leicht mystischen Touch, der aus auf den ersten Blick banal scheinenden Liedchen perfekt in Szene gesetzte Kleinodien machte, die mal fragil, mal anspruchsvoll, oft auch elegant und geheimnisvoll wirkten, wobei sich der Songwriter auch nicht scheute, mal durchaus auch schräge oder leicht abstrakte Klänge in seine Songs einzubauen, genauso wie es zum Beispiel die Incredible String Band in ihrer frühen "Wee Tam"-Phase auch gemacht hatte. Man ist versucht, den Stil dieser ersten Lilac Time Platte mit mystischem Folkrock zu bezeichnen. Allerdings wirkt die Platte über weite Strecken auch durchaus bodenständig, was natürlich dabei half, auch ein breiteres Publikum zu erreichen.

Die zehn Songs des Albums bilden ein enorm vielseitiges musikalisches Programm, das aber jederzeit zusammenhält und nicht zerfranst. Der Einsteiger "Black Velvet" ist ein mehrheitlich akustisch gehaltenes Folkstück, das aufgrund seiner Akkordfolge durchaus auch von zum Beispiel Nick Drake stammen könnte. Das nachfolgende "Return To Yesterday" hingegen klingt schon fast nach typisch amerikanischem Country Rock, wohingegen "Rockland" ein für die damalige Zeit äusserst innovatives Popstück mit angesagten Keyboardsounds darstellte, das jedoch nicht dem puren Zeitgeist gehuldigt war, sondern auch heute noch erfrischend und aussergewöhnlich klingt. Die musikalischen Arrangements mit all ihren aussergewöhnlichen und punktgenau gesetzten Raffinessen sind letztlich das Geheimnis der Langlebigkeit dieser Songs, die anscheinend keinem Alterungsprozess unterliegen, und die genauso auch heute noch geschrieben und arrangiert werden könnten. Neben traurigen Liedern wie "Love Becomes A Savage" oder "The Road To Happiness" in gelittener Mol-Tragik stehen fröhliche, unbeschwerte musikalische Aufsteller wie "You've Got To Love" oder "Together" - letztere mit eindeutigem Mitsing-Charakter.

Das Paradestück dieses Debutalbums aber dürfte das finale "Trumpets From Montparnmasse" sein, ein instrumentales Stück, das frappant an Andy Partridge's aussergewöhnlichen Poprock seiner Band XTC erinnert. In der Folge hatten der bekannte englische Produzent John Leckie und Andy Partridge die Band auch unter ihre Fittiche genommen und mit ihnen im Jahre 1990 deren Album "And Love For All" produziert.

Stephen Duffy hat mit seinem Bruder unter dem Banner The Lilac Time insgesamt fünf Alben realisiert. Er hat später auch Soloplatten veröffentlicht, wovon eines ein bemerkenswertes Projekt mit dem hochangesehenen britischen Geiger Nigel Kennedy unter dem Titel "Music In Colors" war, das 1993 erschien und für Stephen Duffy ein grosses Renommée bedeutete.

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