Feb 5, 2016


NO DICE - No Dice (EMI Records 1C 064-60 006, 1977)

Jeder Musikliebhaber hat so seine ganz eigenen paar Scheiben in der Sammlung, die ihm so sehr ans Herz gewachsen sind, dass er mitunter nicht einmal genau sagen kann, warum. Vielleicht ist es ein Plattencover, das einem sofort anspricht und einen bleibenden Eindruck hinterlässt, oder ein bevorzugter Musikstil, der auf dieser einen ganz bestimmten Platte einfach am perfektesten herüberkommt. Oder es sind ganz einfach Platten, bei denen man sofort einen Zugang findet, den man sich nicht erklären kann. Musik, die scho n beim allerersten Anhören direkt ins Herz trifft, ohne dass man genau sagen könnte, warum. Vielleicht, weil man sich spontan in die gehörte Musik verliebt ? Das erste von zwei Alben der britischen Formation No Dice ist für mich so eine Liebe. Kein Song darauf hat sich für mich bis heute in irgendeiner Form abgenutzt, nichts klingt irgendwie verschlissen - noch immer kann ich mir diese Platte hingebungsvoll anhören und mich wie beim ersten Hördurchgang drüber freuen.

No Dice war eine britische Power Pop Formation, die im Jahre 1977 eindeutig zur falschen Zeit am falschen Ort war. Sie fiel, wie so viele andere hervorragenden Bands auch, dem im Pop/Rock-Mainstream fast alles verdrängenden Punk zum Opfer. Da nützten weder perfektes Songwriting, noch instrumentale Kompetenz oder eine charismatische Ausstrahlung der Protagonisten etwas. War es nicht Rotz, war es nicht hip, so lautete damals leider das Credo in der Musikszene (von damals schon längst etablierten Superstars einmal abgesehen). Was gab es da nicht an tollen unentdeckt gebliebenen Bands aus allen Ecken der Welt...Liar zum Beispiel, Arrogance, Nantucket, Nutz auch, oder eben No Dice. Erst einmal fiel einem natürlich das gelungene, im verblichenen Vintage-Style gehaltene Cover-Artwork auf dem strukturierten Karton auf, das in einer sieben Bilder umfassenden visuellen Darstellung eine Möglichkeit zurr Selbstverteidigung für eine Dame zeigt - eine hochoriginelle Idee, die der Graphik-Designer Geoff Halpin in Szene setzte. Halpin hat auch andere namhafte Künstler bei der Umsetzung der graphischen Arbeiten an ihren Produkten unterstützt, zum Beispiel Ozzy Osbourne. 

Musikalisch bot das Quintett um Sänger Roger Ferris, Gitarrist Dave Martin, Keyboarder Dave Moore, Bassist Gary Strange und Schlagzeuger Chris Wyles eine süffige Mixtur aus vorwärtstreibendem Rock, der in seiner Kernigkeit streckenweise an die Rolling Stones in der Zeit mit Mick Taylor erinnerte auf der einen Seite, und andererseits aber auch eingängie und absolut hitverdächtige Pop-Schmachtfetzen, die auf jeden Fall hätten punkten müssen. Mit "Silly Girl" spielte die Band zum Beispiel einen Song, der aufgrund seiner eingängigen Melodie schon fast ein Hit hätte sein müssen. Der Opener "Why Sugar" wiederum war ein waschechter Stones-Rocker mit einem schon fast sexy verschleppten Rhythmus.

Als Gastmusiker wirkte der legendäre Saxophonist Jimmy Jewell mit - eine legendäre Figur in England's Studiomusiker-Szene, der zu enorm vielen erfolgreichen Platten seine Saxophon-Klänge beisteuerte, unter anderem für die Keef Hartley Band, für McGuinness Flint, Gallagher & Lyle, Roger Daltrey, Don Cherry und gar für die Blueslegende Lonnie Brooks.

No Dice veröffentlichten im darauffolgenden Jahr noch eine zweite LP mit dem Titel "Two Faced", koppelten daraus eine Single aus und ernteten damit immerhin ein gewisses Radio-Airplay. Der Titel hiess "Come Dancing", war um einiges Dancefloor-tauglicher als noch der Power-Pop/Rock auf dem Debutalbum und wurde in der 12" Maxi-Variante in den Diskotheken rege gespielt. Danach war Schluss. 

Gitarrist Dave Martin tauchte nach einer wenig beachteten Zwischenstation bei der christlichen Pop-Band Nutshell im Jahre 1984 wieder auf bei den Box Of Frogs, jener ebenfalls nur kurzlebigen Bluesrock-Band um ehemalige Mitglieder der Yardbirds, der mit Ray Majors, Jeff Beck, Rory Gallagher und dem Medicine Head Sänger John Fiddler auch weitere prominente Musiker angehörten. Dort nannte er sich "Dzal". Keyboarder Dave Moore tauchte erst Jahre später bei den reformierten Spooky Tooth wieder auf, und wirkte im Jahre 2006 auch bei der Progressive Rock Band Mostly Autumn mit.



No comments:

Post a Comment