Nov 4, 2022


RAMONES - Acid Eaters (Chrysalis Records CHR 6052, 1993)

Die legendären Ramones schufen Mitte der 70er Jahre eher ungewollt eine neue Musikrichtung, da sie eine Abneigung gegen die damals produzierte Rockmusik im Zeitalter von Pink Floyd und Led Zeppelin hatten. Ihre Musik orientierte sich an wenigen Vorbildern wie The Who, den Kinks, den Beach Boys, den Stooges, MC5 und dem amerikanischen Rock'n'Roll der 50er Jahre. Typisch waren einfache Harmonien und Strukturen sowie das völlige Fehlen von Soli, Intros oder Übergängen. Sie bildeten damit die totale Antithese zu Stilrichtungen wie Artrock, Progressive Rock oder Fusion. Dafür waren ihre Songs durch extreme Geschwindigkeit und Lautstärke gekennzeichnet. Ebenso simpel wie die Kompositionen waren auch die Songtexte gehalten, die oft an Kinderreime erinnerten, in ihrer Thematik aber explizit auf die sozialen Probleme und Fragestellungen der 70er Jahre eingingen. Die Mitglieder ersetzten ihren jeweiligen Familiennamen durch Ramone und erweckten damit beim Beobachter den Eindruck eines Verwandtschaftsverhältnisses. Der Name Ramone war indes dem Pseudonym Paul Ramon entliehen, das Paul McCartney in den Anfangstagen der Beatles im Jahre 1960 für eine Schottlandtournee benutzte, welche die Gruppe damals noch unter dem Namen The Silver Beetles als Begleitband von Johnny Gentle absolvierte.

Die Ramones wurden am 28. Januar 1974 in New York bei einer Probe in den Performance Studios gegründet, die von Tamás Erdélyi (später bekannt als Tommy Ramone) und Monte Melnick, späterer Tour-Manager, betrieben wurden. Die Erstbesetzung bestand aus John Cummings an der Gitarre, Douglas Colvin an Bass und Gesang, und Jeffrey Hyman am Schlagzeug. Alle drei kamen aus dem New Yorker Stadtteil Queens. Nach einiger Zeit begannen sie, sich die bekannten Künstlernamen zu geben, und wurden als Ramones bekannt. Colvin (Dee Dee Ramone) erkannte, dass er nicht gleichzeitig Bass spielen und singen konnte, also wurde Jeffrey Hyman (Joey Ramone) der neue Sänger, allerdings bestand nun die Notwendigkeit, einen neuen Schlagzeuger zu suchen. Nachdem einige Kandidaten getestet wurden, wurde Tommy Ramone neuer Schlagzeuger der Band. Sie begannen, ihre ersten Konzerte in New York zu spielen, vor allem in Clubs wie dem CBGB, wo auch andere Gruppen der Zeit, wie Blondie, Richard Hell & The Voidoids und die New York Dolls, spielten. Diese ersten Konzerte wurden von Zeitzeugen als legendär beschrieben, da die Ramones lauter und schneller spielten als alle ihre Konkurrenten; die Konzertdauer betrug zwischen 20 und 30 Minuten. In dieser Zeit kam die Band auch in Kontakt mit der New Yorker Kunstszene; dies führte sie unter anderem mit Seymour Stein zusammen, der sie für das Plattenlabel Sire Records unter Vertrag nahm, auf dem 1976 ihre Debüt-LP "Ramones" veröffentlicht wurde.

1979 spielten die Ramones eine Rolle in dem Film Rock'n'Roll Highschool von Roger Corman, zu dessen Filmmusik sie diverse Stücke beisteuerten. An dessen Ende, während eines Konzertes der Band, ging die titelgebende High School in Flammen auf. In der Planungsphase des Filmes gab es Überlegungen, den Film mit Disco-Musik zu unterlegen, man entschied sich dann aber für die Ramones. Trotz der Mitarbeit in dem Film blieb der grosse Durchbruch in den USA allerdings aus. Die Ramones spielten weiterhin in kleineren Clubs und verkauften relativ wenig Schallplatten. Nachdem selbst die Zusammenarbeit mit dem Bombast-Produzenten Phil Spector für das Album "End Of The Century" nicht den gewünschten Erfolg zeigte, beschränkte man sich darauf, ausgiebig zu touren, um damit den Lebensunterhalt zu bestreiten. Tommy Ramone verliess die Gruppe bereits 1978, da ihm die immer stärker werdende Tourneetätigkeit nicht zusagte und er sich lieber auf eine Tätigkeit als Produzent konzentrieren wollte. Er wurde durch Marc Bell (Marky Ramone) ersetzt, eine bekannte Grösse der New Yorker Szene (unter anderem Schlagzeuger von Richard Hell & The Voidoids). Gesundheitliche Probleme durch erheblichen Alkoholkonsum zwangen diesen zu einer Pause, die Lücke füllte Richard Beau (Richie Ramone) im Angestelltenverhältnis. Drei Alben später verliess er wegen eines Streits über die Beteiligung an Erlösen aus dem T-Shirt Verkauf die Ramones, und Marky Ramone, der nun abstinent war, wurde wieder eingesetzt. In der Übergangszeit spielte Clem Burke, der Schlagzeuger von Blondie, für zwei Auftritte als Elvis Ramone das Schlagzeug.

Live-Auftritte der Band folgten einem immer gleichen Schema: Unmittelbar vor dem Betreten der Bühne wurde der Titel "The Good, The Bad And The Ugly" von Ennio Morricone von Band abgespielt; danach begann das Konzert. Pausen wurden selten gemacht; und wenn, dann nur, damit Dee Dee Ramone den nächsten Song anzählen ("one-chew-free-far" anstatt "one, two, three, four") konnte. Zu dem Song "Pinhead" hielt Joey Ramone meist ein Schild mit der Aufschrift 'Gabba Gabba Hey!' in die Luft, zusätzlich sprang während des Songs ein mit einer Maske verkleideter Roadie über die Bühne. Innerhalb der Band gab es über lange Jahre erhebliche Differenzen. Besonders Joey und Johnny hatten längere Zeit nicht miteinander gesprochen. Dies lag daran, dass Johnny Joey für einen eher schlechten Sänger hielt und dass Johnnys spätere Ehefrau Linda ursprünglich Joeys Freundin war; aber auch die politischen Überzeugungen der beiden waren gegensätzlich. Joey war eher liberal eingestellt; Johnny Anhänger der konservativen Präsidenten Ronald Reagan und George H. W. Bush. Diese Differenzen konnten sie bis zu ihrem Tode nicht mehr beilegen.

Dee Dee Ramone verliess im Jahre 1989 die Band, um eine Karriere als Rapper (Dee Dee King) zu verfolgen; er blieb den Ramones aber weiter als Songschreiber verbunden. Sein Nachfolger wurde der bis dato unbekannte C. J. Ward (C. J. Ramone), der der Legende nach zunächst aus dem Strafarrest des United States Marine Corps entlassen werden musste. Der weiter ausbleibende grosse Erfolg zu Zeiten von Bands wie Nirvana, Pearl Jam und The Offspring, die alle mehr oder weniger von den Ramones beeinflusst waren, führte dazu, dass die Band sich im Jahre 1996, nach insgesamt 22 Jahren Karriere, schliesslich auflöste. Eines der letzten Konzerte fand in Buenos Aires statt. Im Vorprogramm spielten Iggy Pop und Die Toten Hosen, zudem stand die damals noch wenig bekannte Band Rammstein zwischen dem 23. und 30. Januar 1996 bei acht Deutschlandkonzerten der Adios Amigos Tour der Ramones als Special Guest auf der Bühne. Das letzte Konzert fand am 6. August 1996 im Palace in Hollywood statt. 2001 starb Joey Ramone nach langer Krankheit an Lymphdrüsenkrebs; vorher hatte er noch Gelegenheit, seine Soloplatte "Don’t Worry About Me" fertigzustellen, die posthum erschien. 2012 erschien von Joey Ramone ein weiteres sogenanntes 'Lost Album' namens "Ya Know!", für das Demoaufnahmen verwendet wurden. Dee Dee Ramone bekam seine langjährige Drogenabhängigkeit nicht in den Griff und starb 2002 an einer Überdosis Heroin. Johnny Ramone starb 2004 an Prostatakrebs. Tommy Ramone starb am 11. Juli 2014 an Gallengangskrebs.

Das Album "Acid Eaters" (zu deutsch 'LSD-Esser') war das dreizehnte Studioalbum der Ramones. Es erschien im Dezember 1993 und enthielt ausschliesslich Coverversionen anderer Musiker und Bands. Die Ramones hatten seit dem Beginn ihrer Karriere Musiktitel anderer Interpreten in ihrem Repertoire, darunter etwa "Needles And Pins" der Searchers, "Surfin’ Bird" von The Trashmen und "Let’s Dance" von Chris Montez. Für das Album "Acid Eaters" spielten die Ramones unter anderem Coverversionen der Rolling Stones, der Who, The Byrds, Creedence Clearwater Revival, der Troggs und von Jan And Dean ein. "Acid Eaters" wurde von Scott Hackwith produziert und war das zweite Album der Ramones ohne ihr Gründungsmitglied Dee Dee Ramone und somit das zweite mit seinem Ersatzmann C. J. Ramone. Pete Townshend wirkte als Backgroundsänger beim Stück "Substitute" (The Who) mit. Aus dem Album wurden die Singles "Journey To The Center Of The Mind" (mit der B-Seite "Surfin’ Safari"), "Substitute" (mit der B-Seite "Can’t Seem To Make You Mine") sowie "7 And 7 Is" (mit der B-Seite "Out Of Time") ausgekoppelt, die sich jedoch alle nicht in den Charts platzieren konnten. Das Album "Acid Eaters" konnte Platz 179 der Billboard 200 erreichen, hielt sich jedoch nur eine Woche in den Charts. Stephen Thomas Erlewine von Allmusic attestierte dem Album, eines der damals besten Ramones-Alben seit langem zu sein, vergab jedoch nur zwei von fünf möglichen Sternen. Der Rolling Stone schrieb, dass das Album eine liebevolle Sammlung von Klassikern der 60er Jahre sei und vergab drei von fünf Sternen.

Viele Rockbands nennen die Ramones als einen ihrer Einflüsse. Motörhead haben den Ramones 1991 mit "R.A.M.O.N.E.S." ihre Anerkennung erwiesen, viele andere Bands haben Coverversionen der Ramones im Programm. Mehrere Tribut-Sampler existieren, der bekannteste ist die im Jahre 2004 erschienene Sammlung "We’re A Happy Family – A Tribute To Ramones", auf der Bands wie Metallica, die Red Hot Chili Peppers, Rob Zombie, Kiss, U2 und Marilyn Manson vertreten sind. Auch von Musikjournalisten wurde die Gruppe ausgiebig gewürdigt. Beispielsweise fanden sich die Ramones im US-Musikmagazin Spin auf Platz zwei in einer Liste der 'Greatest Band of all Time', hinter den Beatles und vor Led Zeppelin. In den verschiedenen Listen der Zeitschrift Rolling Stone tauchten die Ramones ebenfalls auf, unter anderem zweimal bei den besten Alben aller Zeiten ("Ramones" auf Platz 33, "Rocket To Russia" auf Platz 105) sowie auf Rang 26 der 100 grössten Musiker aller Zeiten. 2002 wurden die Ramones in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen.


Im September 2005 eröffnete in Berlin das weltweit erste Ramones-Museum. Am 10. Mai 2005 startete in Berlin unter der Regie von Jörg Buttgereit das Ramones-Musical 'Gabba Gabba Hey – A Lower East Side Love Story' mit Jürg Plüss und Katja Götz in den Hauptrollen und Rolf Zacher in mehreren Nebenrollen. Im Februar 2011 wurden die Ramones von der National Academy of Recording Arts and Sciences mit einem Grammy Lifetime Achievement Award für ihr Lebenswerk geehrt. Vier Vertreter einer ausgestorbenen Trilobitengattung wurden nach den Ramones benannt: Mackenziurus johnnyi, M. joeyi, M. deedeei und M. ceejayi. Stephen King ist ein Fan der Band und lässt in seinen Büchern oft die Ramones auftauchen; für die Verfilmung des Romans Friedhof der Kuscheltiere komponierte die Band den Titelsong, für das Sequel steuerten sie den Song "Poison Heart" bei. In der Zeichentrickserie Oggy und die Kakerlaken wurden die Kakerlaken nach den Bandmitgliedern benannt. In der Simpsons-Episode Rosebud (deutscher Titel: Kampf um Bobo) hat die Band einen Auftritt, bei dem sie Mr. Burns ein Geburtstagsständchen vorträgt.









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