THE CHURCH - The Blurred Crusade (Parlophone Records PCSO 7585, 1982)
Eine der schönsten Alternative Rock-Platten mit echtem Jingle Jangle-Flair kam 1982 von der australischen Alternative Rockband The Church, die teils in allerbester Byrds-Manier diesen unverschämt lockeren, fluffigen 60er Jahre Rock-Sound mit den Tamburinen, akustischen und nicht effektüberladenen elektrischen Gitarren und mehrstimmigen Gesangsarrangements auf unwiderstehliche Art beinahe wiederbelebte. Am 22. Februar 1982 veröffentlicht, war dies das zweite Album der Gruppe, die anfänglich unter dem Banner der New Wave einen erdigen und sehr melodiösen Alternative Rock Cocktail mixte, der zwar einerseits zeitgemäss, andererseits aber auch unglaublich zeitlos wirkte. Schon auf dem Erstlingswerk, dem anfänglich nur in Australien und den USA veröffentlichten Album "Of Skins And Heart", das später auch im Rest der Welt unter dem schlichten Titel "The Church" vertrieben wurde, spielte die Band diesen Sound, der bald weltweit viele Fans begeistern würde. Gegründet wurde die Band 1980, spielte erste Gigs mehrheitlich im Raum Sydney, schuf sich aber innert kürzester Zeit eine beachtliche Fangemeinde und es dauerte nicht lange, dass die Gruppe einen Plattenvertrag ergattern konnte, der zu den Aufnahmen für das erste Album führte, das auch gleich nach der Veröffentlichung in die Top 30 gelangte. Die ausgekoppelte erste Single "The Unguarded Moment" erreichte gar Rang 22 in den australischen Charts. Schon das zweite Album "The Blurred Crusade" erklomm die Top 10 und die Single "Almost With You" schaffte es auf Platz 21. Zu diesem Zeitpunkt bestand die Band aus dem Leadsänger, Gitarristen, Bassisten und Keyboarder Steve Kilbey, dem Lead Gitarristen Peter Koppes, dem Gitarristen Marty Willson-Piper und dem Schlagzeuger Richard Ploog, der den ausgeschiedenen Original-Drummer Nick Ward ersetzt hatte.
Die Band präsentierte mit ihrem Album "The Blurred Crusade" zu einer Zeit, in welcher es chic wurde, synthetische Klänge zu produzieren, mehrheitlich mit elektronischen Keyboards und Schlaginstrumenten zu experimentieren ein Album, das so ziemlich konträr zu diesen angesagten musikalischen Strömungen stand. Das Album klang äusserst bodenständig, erinnerte frappant an die Byrds ("Almost With You", "Just For You"), verströmte aber auch das Rock-Flair etwa von Tom Petty & The Heartbreakers, so etwa in den Stücken "Field Of Mars" oder "You Took". Hauptsongschreiber war Steve Kilbey, der stets auf eine warme und erdige Umsetzung seiner Kompositionen wert legte und dabei vor allem den eingesetzten Gitarren möglichst wenig Effekte beimischte, um einen unverzerrten reinen Klang (das typische Jingle Jangle Feeling) zu erzielen. Gerade diese Schlichtheit in der instrumentalen Umsetzung macht die Platte wohl letztlich so zeitlos. Sie könnte aufgrund der Song-Arrangements gleichermassen von Ende der 60er Jahre stammen, wie sie beispielsweise auch erst dieses Jahr hätte erschienen sein können. Solche Musik damals zu produzieren war sicherlich nicht ganz einfach, da viele Plattenfirmen, Toningenieure und auch Musiker gerne mit den neuesten technischen Möglichkeiten experimentieren wollten. Der Begriff Alternative Rock hat ja bis heute nichts von seinem leicht negativen Beigeschmack verloren, wonach es sich dabei um Musik handeln könnte, die vielleicht nicht für Jedermann's Geschmack gemacht ist. Schon deshalb würde ich persönlich die Band The Church nicht wirklich als alternative Rock Band bezeichnen, denn dafür sind ihre Stücke einfach insgesamt zu eingängig, zu leichtfüssig und zu bodenständig.
Beim zweiten Album "The Blurred Crusade" war erneut, wie bereits beim Debutalbum, Bob Clearmountain wieder der Mixer und er trat diesmal auch als Produzent auf. Es war dabei musikalisch und stilistisch von einer Konsistenz und Komplexität, auf die das Vorgängeralbum nicht annähernd hingedeutet hatte. Die Lieder waren sehr gut abgemischt, die Gitarrenarrangements anspruchsvoller und die Komposition ausgefeilter. Richard Ploogs weiches Schlagzeugspiel, das mehr Betonung auf die Toms legte, passte wesentlich besser zum sich entwickelnden Bandstil als das seines Vorgängers. Mit "Almost With You" gab es zudem die zweite Hit-Single der Band, die in den australischen Charts bis auf Platz 21 kletterte − sicherlich eines der typischsten Lieder von The Church aus dieser Phase. Aufgrund des erneuten Erfolges ging die Band auf eine zweite Australien-Tournee. Auch in Europa erschien das Album und verkaufte sich so gut, dass Ende 1982 die erste mehrmonatige Tour durch Europa startete. Die Band hatte 1982 ausserdem fünf Demostücke für ihr US-amerikanisches Label Capitol Records aufgenommen, das "The Blurred Crusade" nicht veröffentlicht hatte und weitere Aufnahmen der Band hören wollte. Dort konnte man mit diesen Demos jedoch nichts anfangen und liess die Band fallen. Steve Kilbey wollte die Lieder aber trotzdem veröffentlichen und so erschien Ende 1982 in Australien die EP "Sing-Songs". Im Vergleich zu "The Blurred Crusade" war diese EP eher spartanischer instrumentiert und abgemischt. Die EP ging mehr oder weniger unter, wurde später aber zu einer der meistgesuchten Platten der Band. Drei Stücke schafften es im Laufe der Jahre auf Compilations, aber erst 2001 waren mit der Veröffentlichung der CD "Sing-Songs / Remote Luxury / Persia" alle Stücke wieder auf einem Tonträger in der ursprünglichen Reihenfolge erwerbbar.
Im Mai 1983 wurde "Seance" veröffentlicht, das dritte Album der Band. The Church produzierte erstmals selbst, der Mix jedoch wurde von Nick Launay durchgeführt. Er mischte über das Schlagzeug, vor allem über die Snare, einen leicht verzerrten, stakkatoartigen Sound, mit dem die Band nicht zufrieden war. Sie forderten Launay auf, die Stücke neu abzumischen, der diese Effekte aber nur ein bisschen zurückdrehte. Man kann das besonders bei der Single "Electric Lash" sehr deutlich hören. Richard Ploog fand den Sound scheusslich und die Band soll dazu gesagt haben, dass das Resultat nicht The Church wäre. Es enthielt aber zum Beispiel mit "Now I Wonder Why" und "Fly" trotzdem einige Lieder, die als absolut typisch für The Church galten. Insgesamt kam das Album nicht so gut an wie die Vorgängeralben, weil es düsterer und kryptischer war. Es verkaufte sich schlechter und die Käufer fingen an, das Interesse an der Band zu verlieren. Die Musikpresse in Europa und den USA jedoch war begeistert und das Creem Magazine in den USA betitelte die Band als eine der besten der Welt.
Steve Kilbey schrieb für "Seance" den Hauptteil der Songs und hatte dafür insgesamt zwanzig Stücke zu Hause auf seiner 4-Spur-Maschine aufgenommen. Er ermutigte die anderen Bandmitglieder jedoch, eigene Songs zu komponieren. Ihm war klar, dass es auf die Dauer nicht gut gehen kann, wenn die anderen Bandmitglieder immer gesagt bekommen, was sie spielen sollen. Am Ende gelangte aber trotzdem nur ein Stück auf das Album, das nicht nur von ihm geschrieben war: das sehr experimentelle "Travel by Thought". Kilbey und Willson-Piper hatten für dieses Album auch das Stück "10,000 Miles" gemeinsam komponiert, es wurde vom Plattenlabel jedoch als unbrauchbar angesehen, was Kilbey sehr verärgerte, da er das Stück als essentiellen Bestandteil des Albums ansah. Später kam es dann aber doch noch auf dem Album "Remote Luxury" heraus. 1984 wurden die beiden EPs "Remote Luxury" und "Persia" in Australien veröffentlicht, waren jedoch kommerziell nicht sonderlich erfolgreich. Im Vergleich zu "Seance" waren die Lieder nicht so düster, sondern poppiger und wurden durch die Keyboards des Gastmusikers Craig Hooper ergänzt. Mit "No Explanation" gab es sogar so etwas wie einen fröhlichen, lockeren Sommersong. "Maybe These Boys" war wiederum eines der atypischsten Stücke der Band und wurde in Fankreisen und von der Band als misslungen angesehen. Wieder wurden fast alle Stücke nur von Kilbey geschrieben.
Ausserhalb Australiens kamen diese beiden EPs zusammen als ein Album heraus, das den Titel "Remote Luxury" trug. In den USA war das die erste Veröffentlichung seit dem Debütalbum. Aufgrund des dort geweckten Interesses folgte die erste Tournee durch die USA im Oktober/November 1984. In New York und Los Angeles kamen jeweils 1000 Besucher pro Auftritt, an anderen Orten dagegen teilweise nur 50. Die Tour endete daher finanziell verlustreich. Insgesamt war die Band 1984 auf ihrem ersten kleineren Tiefpunkt angelangt. Die Erfolge der ersten beiden Alben hatten sich nicht wiederholen lassen und die Kreativität der Band liess nach. Steve Kilbey war der Ansicht, "Seance" und "Remote Luxury" hätten bessere Alben werden können, als sie es tatsächlich waren. Sein Songwriting sei damals schlechter geworden, die Band habe schlechter gespielt und sie seien in einem Meer von Apathie und nachlassendem Enthusiasmus versunken. 1985 wurde es dann zunächst ruhig um die Band. Die einzelnen Bandmitglieder verbrachten ihre Zeit in Stockholm, Sydney und auf Jamaika. So war die einzige Veröffentlichung des Jahres das erste Solowerk von Steve Kilbey: die Single "This Asphalt Eden". 1986 erschien mit "Heyday" eine Platte, mit der eine Vollendung des individuellen Stils angestrebt war. Übersetzt bedeutete der Titel etwa Blütezeit oder Hochgefühl und drückte damit treffend aus, dass die Band mit diesem Album ihre volle Kreativität wiedererlangt hatte. Zum ersten Mal wurden fast alle Lieder von der Band gemeinsam geschrieben. Produzent Peter Walsh hatte die Stilelemente geschickt zusammengemischt und einen sehr warmen, organischen Sound produziert. Unterstrichen wurde dies mit dem Ersatz der Keyboards durch echte Streicher und Bläser. Viele Feinheiten der Stücke erschlossen sich erst nach mehrmaligem Anhören. Aus künstlerischer Sicht war es das bis dahin ausgereifteste Album der Band und stilistisch ebnete es den Weg für die nachfolgenden Platten.
Nachdem das Album auch in Europa und den USA herausgekommen war, wurde es von der dortigen Musikpresse als Klassiker bezeichnet. Im April 1986 begann die Band eine mehrmonatige Tournee durch diese Gebiete. Dabei verliess Marty Willson-Piper für eine Woche die Band, sodass der Auftritt am 10. Juni 1986 in Hamburg ohne ihn stattfand. Die Gründe dafür waren Spannungen innerhalb der Band, die sich aufgrund vieler kleiner Frustrationen während der langen Europa-Tournee aufgebaut hatten. Auch dieses Album war in Australien kommerziell nicht erfolgreich genug und als Folge davon liess EMI die Band fallen. Die Pläne des Plattenlabels für ein Live-Doppelalbum namens "Bootleg" wurden ebenfalls gestrichen. Die Situation der Band stellte sich in Australien als zunehmend schwierig heraus. Sie waren in den USA und Europa zu dem Zeitpunkt wesentlich erfolgreicher. Ein Wunsch der Band war es schon seit längerem gewesen, in Europa aufzunehmen − nicht aufgrund besserer technischer Möglichkeiten, sondern wegen der anderen Atmosphäre. Und mit dem Verlust des Vertrages mit EMI ergab sich nun die Möglichkeit, wenn auch nicht in Europa, so doch in den USA: Arista Records nahm die Band 1987 für vier Alben unter Vertrag. Auch andere Plattenlabel hatten Interesse gezeigt, das Angebot von Arista war für die Band jedoch am attraktivsten.
1988 war das Jahr des grossen kommerziellen Erfolges der Band. Mit dem Album "Starfish" und der Single "Under The Milky Way" gelang ihr der bisher grösste Hit, der weltweit in verschiedensten Charts vertreten war. Die Single war und ist eines der zugänglichsten Lieder, das die Band je geschrieben hat, und kam auch bei einer breiteren Masse an Hörern an. In den USA war es ein Dauerbrenner bei den College-Radiosendern. 1989 wurde es als beste Single mit dem ARIA-Award der Australian Recording Industry Association ausgezeichnet. Der warme, weiche Mix des Liedes kombinierte die sonore Stimme Kilbeys geschickt mit der eingängigen Akkordfolge der Akustikgitarre, dem zurückhaltenden Schlagzeug und der verspielten E-Gitarre. Die ansonsten eher kryptischen Texte Kilbeys erwiesen sich hier als Glücksfall: Der Refrain war mit dem Text "Wish I knew what you were looking for, might have known what you would find" einerseits offen und interpretierbar. Andererseits hatte er aufgrund seiner Einfachheit sowie der Bilder und Emotionen, die beim Hörer ausgelöst werden konnten, einen hohen Wiedererkennungs- und Identifikationswert. Dieser grosse Erfolg kam überraschend, auch wenn die Produzenten das Potential des Liedes erkannt und ihm besonders viel Aufmerksamkeit geschenkt hatten. Kilbey hatte mehrfach betont, dass er nicht gezielt Hits schreiben könne. Wenn er wüsste wie es ginge, würde er es tun. Und als er es mal versucht habe, sei es ein totaler Misserfolg gewesen. Er weigerte sich jedoch zu sagen, welches Album und welche Stücke er damit meinte.
Das Album wurde in Los Angeles von Waddy Wachtel und Greg Ladanyi produziert, aufgenommen und abgemischt. Die Zusammenarbeit mit ihnen war für die Band eine grosse Herausforderung, da es eine Reihe von Konfliktebenen gab. Kilbey: "Das war australische Hippies gegen Westküsten-Leute, die genau wissen, wie sie die Dinge erledigt haben wollen. Wir waren undisziplinierter als ihnen lieb war". Kilbey sah das aber nicht als Nachteil an, sondern als eine aufgrund dieser Konflikte fruchtbare Zusammenarbeit, die das Album sehr positiv beeinflusst hätte: "Ich glaube nicht, dass wir die besten Freunde wurden. Aber das ist nicht das Entscheidende. Entscheidend ist das Album. Die Idee war, all ihr Wissen zu nutzen, um das Album zu machen, das wir schon immer machen wollten". Sie waren durch die Produzenten auch dazu gebracht worden, Techniken zu benutzen, die sie vorher vermieden hatten. Unter anderem musste Steve Kilbey Gesangsunterricht nehmen, was seiner Stimme sehr zugutekam. Rückblickend hielt Kilbey diese Gesangsstunden für sehr wichtig, weil er dadurch eine Menge darüber lernte, was er mit seiner Stimme machen konnte. Er sei bis dahin davon ausgegangen, alles über Gesang zu wissen und nichts dazulernen zu können, sodass er durch diese Erfahrung auch für andere Bereiche eine neue Offenheit an den Tag legte. Der Aufenthalt der Band in Los Angeles war ein weiterer Aspekt, der das Album stark beeinflusst hatte. Dazu Steve Kilbey: "The Church kamen nach Los Angeles und lehnten sich gegen den Ort auf, weil uns niemand wirklich mochte. Ich hasste, wo wir lebten, ich hasste dieses scheussliche rote Auto, mit dem ich auf der falschen Strassenseite herumfahren musste. Ich hasste, dass niemand zu Fuss unterwegs war, und ich vermisste mein Zuhause". Und weiter: "Ein Grossteil der Texte von "Reptile", "Lost", "Destination" und "North, South, East, West" war davon beeinflusst.“
Im Vergleich zu den Vorgängeralben konzentrierte sich der Sound von "Starfish" wieder deutlicher auf die Gitarren. Kilbey: "Die elektrische Gitarre ist das ausdrucksstärkste Instrument, das es gibt. Die ganzen Keyboards, Bläser und Streicher haben unsere vorherigen Alben ruiniert". Die Produktion dauerte länger als bei den anderen Alben und die Aufnahmen wurden nach einer langen Probephase von vier Wochen überwiegend live durchgeführt. Ziel war es, den dynamischen Live-Sound der Band so gut wie möglich einzufangen. Aus Sicht der Band wurde dieses Ziel nur zum Teil erreicht. Willson-Piper sagte dazu, dass der entscheidende Unterschied zwischen einem echten Live-Auftritt und dem Versuch, eine entsprechende Atmosphäre auf einem Studioalbum herzustellen, die Tatsache sei, dort zu sein − den Auftritt in dem Moment zu sehen und zu hören, in dem er geschieht. Den Mix des Albums hielt die Band insgesamt für nicht so gelungen, da dieser relativ simpel und nicht mehrschichtig war.Beflügelt vom "Starfish"-Erfolg ging die Band nach einer äusserst aufreibenden, neunmonatigen Welttournee wieder ins Studio. Arista Records erwartete ein ebenso erfolgreiches Nachfolgealbum. War "Under The Milky Way" ein Zufallshit, so wurde diesmal genauer geplant. Der ehemalige Led Zeppelin Bassist und Arrangeur John Paul Jones war an die Band herangetreten und erklärte sich bereit, zu produzieren. Jones galt bereits als höchst innovativer, anspruchsvoller Produzent, der sich auch entsprechend rar machte. Die Band war begeistert, doch die Plattenfirma untersagte ihnen, mit Jones zu arbeiten. Da man den Erfolg von "Starfish" reproduzieren wollte, sollten The Church erneut im kalifornischen Los Angeles mit Waddy Wachtel aufnehmen.
Das neu entstandene Songmaterial unterschied sich deutlich von den "Starfish"-Stücken. Es dominierte natürlich wieder das Zusammenspiel der Gitarristen. Statt der dichten, psychedelischen Arrangements auf "Starfish" erschienen die neuen Stücke durchsichtiger, sparsamer arrangiert. Verstärkt setzten sie Akustikgitarren ein, was zu einem insgesamt sanfteren Klang führte. Dieser wurde jedoch auf einigen Songs mit Ambient-Klangeffekten angereichert, die aus einem David Lynch Film hätten stammen können: klirrendes Metall, Windrauschen und quietschende Maschinenteile. Steve Kilbeys Texte hatten diesmal jedoch eine ganz andere Färbung als die von Fernweh und Geheimnis geprägten Texte des Vorgängeralbums. Das Eröffnungsstück "Pharoah" war eine pechschwarze, kaum verklausulierte Auseinandersetzung mit den Erfolgsmechanismen der Musikbranche. Auch auf anderen Stücken liess sich ein resignierender Ton feststellen ("Monday Morning"). Dazu kamen von Science Fiction ("Essence") und Drogen ("Terra Nova Cain") inspirierte Passagen, die Kilbey frei assoziativ verknüpfte. Während der Aufnahmen zu dem Album, das "Gold Afternoon Fix" heissen sollte, wurde mehr und mehr deutlich, dass Schlagzeuger Richard Ploog zu einem Unsicherheitsfaktor geworden war. Alle Bandmitglieder hatten nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass Drogen im kreativen Prozess von The Church eine wichtige Rolle spielten. Ploogs Drogenabhängigkeit und ein sich rapide verschlechterndes Verhältnis zu Kilbey führten dazu, dass er von den Aufnahmen praktisch ausgeschlossen wurde. Ploog wurde nicht durch einen Session-Schlagzeuger oder eine neue Festbesetzung ersetzt, sondern Wachtel liess seine Schlagzeug-Sounds sampeln. Aus den digital gespeicherten Drumsounds wurde auf den meisten Liedern die Schlagzeugspur konstruiert. Der offizielle Standpunkt der Band war später, dass auch die anderen Mitglieder eher widerwillig an die Arbeit gegangen waren: Willson-Piper war im Begriff, Vater zu werden, und Kilbey war von Beziehungsproblemen gebeutelt.
Das Ergebnis dieser Widrigkeiten war eine Platte, die weder den Erfolgserwartungen noch den Ansprüchen der Band gerecht wurde. "Gold Afternoon Fix" warf mit "Metropolis" und dem zynischen "You’re Still Beautiful" zwei kleinere Hits ab, die jedoch beide nicht im Entferntesten an den Erfolg von "Under The Milky Way" und "Starfish" anschliessen konnten. Trotzdem wurden allein in den USA mehr als 200000 Exemplare des Albums verkauft. Der starke geschäftliche Druck und die privaten Probleme hatten aber ihre Spuren hinterlassen. Bandinterviews aus dieser Zeit zeigten dazu mehr als einmal eine äusserst gereizte Band. Vor allem Steve Kilbey vergraulte durch seine schlichte Weigerung, längere und zusammenhängende Antworten auf Fragen zu geben, zahlreiche Journalisten, was in einem gemischten Presse-Echo resultierte. Nach der Veröffentlichung ging die Band gut zwei Jahre lang auf Tournee. Richard Ploogs Platz am Schlagzeug übernahm der Patti Smith-Schlagzeuger Jay Dee Daugherty (Smiths Karriere hatte seit 1988 geruht). Kilbey bewertete "Gold Afternoon Fix" schon bald darauf als eine sehr gewöhnliche, uninspirierte Platte. "Sie war irgendwie zusammengeschustert und wir haben sie mit einem Produzenten gemacht, mit dem wir eigentlich nicht arbeiten wollten, wir waren an einem Ort, an dem wir nicht sein wollten; so ist das alles auseinandergefallen und sie war ganz einfach eine miserable Platte".
Die Arbeit am Folgealbum gestaltete sich nach dem Desaster von "Gold Afternoon Fix" sehr entspannt. Da der Erfolgsdruck nach der kommerziell enttäuschenden Platte eher niedrig war und die Band nicht mehr um jeden Preis einen Hit landen musste, liess man sie im Wesentlichen unbeobachtet. Jeden Tag traf man sich im Studio 301 in Sydney und improvisierte. Aus einer Vielzahl von Fragmenten, Ideen und Akkordwechseln kristallisierten sich einzelne Songs heraus, an denen dann gefeilt wurde. Willson-Piper schlug dazu vor, die Lieder mit kryptischen Ein-Wort-Namen zu benennen, die dem Hörer schon beim Lesen zum Herstellen von Assoziationen anregen sollten. Über die Improvisationen führte der schottische Produzent Gavin MacKillop Aufsicht. Die Bandmitglieder äusserten sich schon während der Arbeit sehr zufrieden mit Songmaterial und Produktion. Nach drei Monaten war das Album fertiggestellt. Der mysteriöse Titel "Priest=Aura" war zufällig entstanden: Ein spanisch sprechender weiblicher Fan hatte sich mit Kilbey unterhalten und ihm fiel auf, dass die Frau ein englisches Vokabelheft führte, in dem "priest = cura" eingetragen war. Kilbey hatte cura, das spanische Wort für Priester schlicht falsch als aura gelesen. Da die Betitelung der Songs ohnehin frei assoziativ war und Kilbey die Rolle des ungesteuerten Zufalls bei der Entstehung von Texten und Musik stets betonte, passte "Priest=Aura" ins Konzept. "Priest=Aura" übertraf in den Dimensionen jedes bis dahin entstandene The Church Album. Es enthielt 14 Songs mit einer durchschnittlichen Spieldauer von gut sechs Minuten, darunter das ausufernde, neunminütige Noise-Experiment "Chaos". MacKillop hatte die Band dazu angeregt, die Stücke in absoluter Freiheit aufzubauen und ermutigte sie zu Experimenten. Nicht zu unterschätzen ist der kreative Input von Jay Dee Daugherty, der nicht nur Schlagzeug, sondern auch Bass und Keyboardstimmen beitrug. Sein Spiel unterschied sich massiv von Richard Ploogs recht geradlinigem Stil. Daugherty verwendete das Schlagzeug wie ein orchestrales Instrument und spielte sehr detailreich, mit vielen Off-Beats und zahlreichen Perkussionsinstrumenten, was die ausgefeilten Gitarrensätze von Koppes und Willson-Piper ergänzte.
Willson-Pipers Spiel hatte eine neue Qualität erreicht, möglicherweise bedingt durch seine Erfahrungen mit der Gruppe All About Eve, bei der er seit 1991 festes Bandmitglied war. Auf deren 91er Album "Touched by Jesus" arbeitete Willson-Piper bei zwei Stücken mit David Gilmour zusammen, was diesen Entwicklungssprung erklären könnte. Um auch als Sologitarrist einen orchestralen Sound zu erreichen, hatte Willson-Piper auf "Priest=Aura" mit verschiedensten Effektgeräten experimentiert. Besonders auffällig ist der Einsatz eines Volume-Pedals, mit dem er Einzelnoten und Akkorde stufenlos ein- und ausblenden konnte und das auf dem Album stilbildend ist. Koppes sorgte hingegen für einen elegischen, streicherartigen Hintergrund und düster-rockige Rhythmen. Vom Standpunkt eines Major-Labels musste "Priest=Aura" im Vergleich zu "Starfish" als Flop gelten. Die Band selbst bezeichnete die Platte jedoch noch heute unverändert als künstlerischen Triumph und definitives The Church Album. Obwohl die Konzerte recht erfolgreich waren, sollte es bald nach "Priest=Aura" zum grössten Einschnitt der Bandgeschichte kommen. Angesichts der desolaten Finanzlage war Daugherty nicht dazu bereit, festes Mitglied zu werden. Nach der Tour stieg auch Gründungsmitglied Peter Koppes aus. Kilbey mutmasste: "Er hatte genug. Er hatte die Nase voll. Was letztendlich den Ausschlag gab war, dass wir getourt sind und es war komplett ausverkauft. Jede Nacht ausverkauft. Und dann beenden wir die Tour, es ist trotzdem kein Geld da und Peter fragt sich ‚Warum mach ich das eigentlich ?‘ Ich meine auch, dass er glaubte, einen Durchbruch als Solokünstler schaffen zu können, aber ich denke nicht, dass das so gelaufen ist, wie er sich das ausgedacht hatte". Einen weiteren sehr wichtigen Grund für den Ausstieg sah Kilbey in der unterschiedlichen Rezeption der Persönlichkeiten von Koppes und Willson-Piper und wie sich dies in Rezensionen und Artikeln niederschlug. Koppes war der eher ruhige und zurückhaltende Typ, während der Showman Willson-Piper vor allem live auf der Bühne auffälliger war. Konkret zeigte sich diese Rezeption in den Liner Notes zu dem Best Of Album "Almost Yesterday", in denen Koppes vorgehalten wurde, er wäre während der ersten Alben in einer Blues-Band besser aufgehoben und Willson-Piper der entscheidende Gitarrist gewesen. Kilbey betonte, dass gerade Koppes in der Anfangszeit der mit Abstand fähigste Musiker von ihnen gewesen sei. Schrieb Kilbey die Songs, war Koppes der Hauptverantwortliche für das Arrangement der früheren Platten.
Zunächst wurde wieder eine Phase mit vielen Soloprojekten eingelegt. Koppes versuchte sich an einer Solokarriere und scharte eine neue Band namens The Well um sich. Mit The Well verwirklichte er nach dem hochkomplexen "Priest=Aura" eher simple, psychedelische Rocksongs. Willson-Piper nahm mit All About Eve das Album "Ultraviolet" auf. Es führte die psychedelischen Experimente von "Priest=Aura" fort, verband sie mit Shoegazing-Elementen und bedeutete für All About Eve den kommerziellen Tod. Kilbey arbeitete mit Grant McLennan an einem zweiten Jack Frost Album namens "Snow Job", das erst 1996 erschien. Kilbey und Willson-Piper beschlossen, The Church als Zwei Mann-Projekt unter Einbeziehung von Gastmusikern weiterzuführen. Immer noch mit einem Plattenvertrag im Rücken, bauten sie Songs auf einem neuen Prinzip auf. Jeder Musiker spielte eine Vielzahl von Spuren ein, von denen schliesslich eher etwas subtrahiert wurde. Diese Arbeitsmethode verglichen die Musiker mit der Schaffensweise eines Bildhauers. Sie strebten eine Neuerfindung des The Church Sounds an, offen für unterschiedliche Stile, freie Songstrukturen und unkonventionelle Instrumentierungen. Marty Willson-Pipers Jugendfreund Andy Dare Mason, der schon dessen Soloalben produziert hatte, ergänzte das Produktionsteam. Zahlreiche Sessionmusiker erweiterten die Klangpalette. Folgenreich sollte die Berufung des neuseeländischen Schlagzeugers Tim Powles sein, der schon beim Jack Frost Projekt getrommelt hatte und später festes Mitglied von The Church werden sollte. Obwohl "Sometime Anywhere" von der Kritik weitgehend positiv aufgenommen wurde, wurde die Fangemeinde durch die Dominanz elektronischer Experimente eher abgeschreckt. Einen Gegensatz zum komplexen Sound der Platte bildete die Tournee. Ursprünglich waren ausgewachsene Konzerte mit Kilbey, Willson-Piper und Gastmusikern an Klavier, Schlagzeug und Violine geplant. Nachdem absehbar war, dass auch "Sometime Anywhere" floppen sollte, war die Band jedoch ihren Plattenvertrag und die finanzielle Unterstützung los. Kilbey und Willson-Piper zogen daher als Akustikgitarren-Duo durch kleinere Clubs und Kneipen.
Nach dem Verlust des Plattenvertrages schienen The Church am Ende zu sein. Kilbey und Willson-Piper begannen jedoch auch ohne Vertrag mit neuen Aufnahmen. Das Konzept eines Kernduos mit Gastmusikern wurde fortgesetzt und führte 1996 zu der Veröffentlichung des Albums "Magician Among The Spirits" auf dem eigenen Label Deep Karma. An diesem Album wirkten unter anderem die Utungan Percussionists, die Geigerin Linda Neil und wiederum Tim Powles mit. Dass Peter Koppes bei drei Songs als Gastmusiker und Co-Autor aufgeführt war, löste in Fankreisen Spekulationen über eine Rückkehr des Gitarristen aus. "Magician Among The Spirits" wurde von Steve Kilbey als ein Haufen Schrott bezeichnet. Das Album wies aber deutlich auf eine erneute Rückkehr zu gitarrendominierten Arrangements hin. Neu war der stärkere Krautrock-Einfluss. Das Titelstück von gut einer Viertelstunde Laufzeit kombinierte psychedelische Gitarrenklänge mit Ambient-Music. Die Platte enthielt erstmals seit 1982 eine Coverversion: mit "Ritz" nahmen The Church ihre Variante eines Steve Harley-Songs auf. Der Produzent Simon Polinski, der sich vor allem mit der Aboriginal-Band Yothu Yindi einen Namen gemacht hatte, produzierte dieses Gitarrenalbum im Grunde wie eine Ambient-Platte. Aufsehen erregte vor allem die Single "Comedown", die an den reinen Gitarrenklang der Blurred Crusade-Ära erinnerte. Das Album war schon allein dadurch zum Scheitern verurteilt, dass es über praktisch keinen Vertrieb ausserhalb Australiens verfügte. In Amerika und Europa war die Platte schon kurz nach Veröffentlichung wieder aus den Katalogen gestrichen worden. Der amerikanische Vertrieb machte pleite, sodass die Band um zahlreiche Kopien der CD kam, ohne bezahlt zu werden. Insgesamt lieferte die Band 25000 CDs an den amerikanischen Vertrieb, wofür sie 250000 australische Dollar bekommen sollte. Die genauen Zahlen der Verluste für die Band sind nicht offiziell bekannt, gingen aber mindestens in die zehntausende und beliefen sich möglicherweise auf bis zu 200000 australische Dollar. Für eine kleine Band wie The Church bedeutete dies fast den Todesstoss.
Insgesamt befand sich die Band, oder was davon übrig war, zu diesem Zeitpunkt am absoluten Tiefpunkt ihrer Karriere. Dazu Kilbey im Mai 1996: "Dies könnte sehr gut das Ende sein. Die Dinge brechen auseinander. Der Kern zerfällt. Unser Management, die ganze Sache ist zusammengebrochen. Wir haben keinen Plattenvertrag. Man schuldet uns sehr viel Geld und wir sind pleite. Wir versuchen über Anwälte, dieses Geld wiederzubekommen. Marty und ich haben keinen Kontakt mehr. Niemand managt uns im Moment. Dies könnte also wirklich das letzte Album gewesen sein". "Magician Among The Spirits" galt als Werk des Übergangs. Zum einen war Peter Koppes wieder in der Band präsent, zum anderen stellte sich immer deutlicher heraus, dass Tim Powles permanentes Mitglied geworden war und ein Schritt zurück vom Projekt zur Band möglich wäre. Die ungünstigen Umstände stellten diese Entwicklungen jedoch vorerst in Frage. Erneut folgte eine aktive, von Soloarbeiten ausgefüllte Phase. Der Workaholic Willson-Piper arbeitete innerhalb eines Jahres mit Brix Smith (The Fall, Adult Net), Linda Perry (4 Non Blondes), Cinerama und dem eigenen Projekt Seeing Stars (in der Besetzung von All About Eve ohne Sängerin Julianne Regan). Dazwischen entstanden Songs für ein Soloalbum. Kilbey schrieb den Soundtrack für den australischen Film 'Blackrock' und nahm mit seinem Bruder Russell ein Ambient-Album namens "Gilt Trip" auf. Folgenreicher sollte ein Projekt werden, welches im Prinzip The Church ohne Marty Willson-Piper war. Zusammen mit Tim Powles und Peter Koppes nahm Kilbey in wenigen Sessions genügend Material für eine komplette CD auf, die 1997 unter dem Bandnamen The Refo:mation und dem exzentrischen Titel "Pharmakoi/Distance-Crunching Honchos With Echo Units" erschien. "PDCHWEU", wie die CD in Fankreisen genannt wird, bündelte die ausufernden psychedelischen Experimente von "Magician Among The Spirits" in knapperen Songs. Peter Koppes erhielt viel Raum für sein Gitarrenspiel und zeigte, dass sein filigraner, klangflächenbetonter Stil durchaus ein Album zu tragen vermochte. Nach Aussage Kilbeys wurde dieses Album nur aus Freundlichkeit gegenüber Willson-Piper nicht unter dem Namen The Church veröffentlicht.
Es war vor allem Schlagzeuger Tim Powles, der die Band überzeugte, wieder zusammenzuarbeiten, und aktiv die Spannungen zwischen den Mitgliedern zu beseitigen versuchte. Koppes und Willson-Piper hatten Differenzen, da zumeist Willson-Piper im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stand. Und auch Kilbey und Willson-Piper hatten ihre Zusammenarbeit beendet. Mehrere erfolgreiche Konzerte in voller, elektrischer Besetzung folgten, doch Steve Kilbey gab dennoch das bevorstehende Ende der Band bekannt: Ein würdiges Abschlussalbum sollte es geben und The Church damit endgültig aufgelöst werden. Dieses Album sollte laut Kilbey ihr "Dark Side of the Moon" werden und trug den Arbeitstitel "Au Revoir Por Favor". Das Abschiedskonzert in Sydney war jedoch ein so durchschlagender Erfolg, dass vom Ende der Band nicht mehr die Rede war. Das entstehende Album sollte zunächst "Bastard Universe" heissen, was Willson-Piper aber zu negativ war. Man entschied sich schliesslich für den Titel "Hologram Of Allah". Aus Sorge über eine mögliche Fatwa wurde der Titel dann noch einmal in "Hologram Of Baal" geändert. Das Album war die erste selbstproduzierte Platte (Tim Powles hatte Erfahrungen als Produzent gesammelt und war im Begriff, sein eigenes Studio aufzubauen). "Hologram Of Baal" bedeutete eine Rückkehr zum klassischen, songorientierten The Church Sound, nahm aber verstärkt Einflüsse der 70er Jahre mit auf. Diese Platte enthielt mit "Glow Worm" nach 18 Jahren Bandgeschichte das erste reine Liebeslied aus Kilbeys Feder. Eine limitierte Auflage enthielt die fast achtzigminütige Bonus-CD "Bastard Universe" – eine mitgeschnittene Jam Session, die an den psychedelischen Progressive- und Krautrock der 70er Jahre erinnerte.
Nicht einmal ein Jahr später erschien die nächste Platte: das Cover-Album "Box Of Birds". Coverversionen waren bis auf zwei Ausnahmen auf den regulären Alben nicht vertreten; auf Konzerten spielten The Church aber nicht selten Versionen fremder Songs, etwa T. Rex’ "Life’s A Gas", Patti Smiths "Dancing Barefoot", Neil Youngs "Cortez The Killer" oder Hawkwinds "Silver Machine". Eigentlich hatten sie ein Live-Album geplant, ausserdem sollten zwei Coverversionen exklusiv im Fanzine 'North, South, East and West' veröffentlicht werden. Nachdem die Live-Platte trotz vorhandenen Materials nicht realisiert worden war, beschloss die Band, weitere acht Coversongs aufzunehmen und ein komplettes Album zu veröffentlichen. Die ungewöhnliche Auswahl der Songs warf ein überraschendes Licht auf Lieblingsplatten und Einflüsse: psychedelische Musik der 60er und 70er Jahre, Glam, Post Punk und Progressive Rock. Die ausgewählten Künstler: The Sensational Alex Harvey Band, The Beatles, Ultravox, Iggy Pop, Mott The Hoople, Hawkwind, Neil Young, Kevin Ayers, Television, The Monkees. "Box Of Birds" verfügte über zehn verschiedene, von Fans gestaltet Covermotive. Die Tournee wurde weitergeführt. Dabei erschien im Oktober 1999 Steve Kilbey nicht zu einem Konzert im New Yorker Ballroom. Er war verhaftet worden, als er versuchte, auf der Strasse Heroin zu kaufen. Die übrigen Bandmitglieder spielten das Konzert trotzdem: Willson-Piper spielte ein kurzes Solo-Set, dann traten die übrigen Musiker auf; ein Roadie übernahm die Bassparts und Willson-Piper improvisierte sich durch Kilbeys Texte. Kilbey verbrachte eine Nacht im Gefängnis und wurde dazu verurteilt, einen Tag lang die U Bahn-Stationen in Manhattan zu säubern. "Jeder alternde Rockstar sollte doch mindestens einmal wegen Drogen eingesessen haben", äusserte sich Kilbey später.
Die Aufnahmen zum folgenden Studioalbum gestalteten sich ausgesprochen langwierig, da die Musiker wieder zahlreiche Projekte verfolgten. Willson-Piper trat erneut mit den reformierten All About Eve auf; die Neuauflage war jedoch nur kurzlebig und führte aufgrund künstlerischer und persönlicher Differenzen zu keinem neuen Studiomaterial. Dazu veröffentlichte er nach fünf Jahren sein Soloalbum "Hanging Out In Heaven". Auch Koppes trat mit einem ruhigen, sparsam arrangierten Album namens "Simple Intent" hervor. Erst im Januar 2002 erschien das nächste reguläre Album von The Church, "After Everything Now This". Teils in Schweden, teils in Australien aufgenommen, war es wesentlich ruhiger gehalten als die Vorgänger. Die Musiker experimentierten mit sphärischen Klangflächen, die durch zahlreiche Effekte ganz allein mit den Gitarren realisiert worden waren. Erneut gingen The Church auf Welttournee; jedoch verzichteten sie im Wesentlichen auf E-Gitarren und spielten mit verstärkten, effektbeladenen Akustikgitarren und dem Gastpianisten David Lane. Tim Powles arbeitete zusammen mit Künstlern aus Sydney an Remixen sämtlicher Songs von "After Everything Now This", die Ende 2002 als "Parallel Universe" erschienen (eine zweite CD enthielt Restmaterial der Aufnahmesessions). Zurück in Australien gingen sie unmittelbar an die Produktion eines weiteren Albums, das bereits im Herbst 2003 in Australien veröffentlicht wurde: "Forget Yourself". Dieses Album reflektierte beinahe sämtliche von The Church bis dahin gepflegten Stil-Spielarten in dreizehn Liedern. Insgesamt war der Klang deutlich härter und rauer, da "Forget Yourself" nach den üblichen vorausgehenden Improvisationen so gut wie live mit nur wenigen Overdubs aufgenommen wurde. Die Kritik hob den frischen, monumentalen Klang und die enzyklopädische und doch ökonomische Verwendung ungewöhnlicher Gitarreneffekte hervor.
Bei Live-Auftritten oder im Studio wurde inzwischen gelegentlich die gewohnte Instrumenten- und Rollenverteilung aufgelöst und die Instrumente getauscht. Als Beispiel seien die Aufnahmen zu "Forget Yourself" genannt, wo bei "Sealine" eine Gitarre vom Schlagzeuger Tim Powles gespielt wurde und bei "Maya" Gitarrist Marty Willson-Piper das Schlagzeug bediente. Ein weiteres Beispiel sei die Tournee 2002, dort wurde beim Stück "Magician Among The Spirits" der Bass von Marty Willson-Piper gespielt und eine Gitarre von Kilbey. The Church hatten seit 2001 mit dem amerikanischen Marketing-Professor und The Church-Fan Kevin Lane Keller zusammengearbeitet, der die bis dahin desaströs gemanagte Band in ihren geschäftlichen Strategien beriet. Sie nutzen seither die Stärken des Independent-Systems, die sie mit neuen Vertriebswegen über das Internet kombinierten. Dazu wurde auf eine grössere Konzertpräsenz, mannigfaltige Projekte und die Konzentration auf das Stammland Australien gesetzt. Hinzu kamen von nun an zahlreiche Veröffentlichungen, die die regulären Studioalben begleiteten: die Jam Session Platte "Jammed" mit zwei langen Improvisationen, die Outtake-Sammlung "Beside Yourself" (die dennoch mit komplett neuen Songs aufgewertet wurde) und das Akustikalbum "El momento descuidado" (schlechtes Spanisch für den Titel ihres ersten Hits, "The Unguarded Moment"). "El momento descuidado" war dabei keine blosse Unplugged-Platte. In akustischer, kammermusikalischer Besetzung wurden vielmehr verschiedene Songs aus zwanzig Jahren zum Teil radikal umgebaut. Erstmals interpretierten sie auch wieder "The Unguarded Moment" (freilich in stark veränderter Form), obwohl sie sich von dem Song schon in den 80er Jahren distanziert hatten. In rein akustischer Besetzung, mit Peter Koppes am Klavier, spielten sie Ende 2004 mehrere ausgesprochen erfolgreiche Konzerte. 2005 wurde "El momento descuidado" in der Kategorie Best Adult Contemporary Album für die australischen ARIA-Awards nominiert, gewann jedoch nicht.
Ende 2005 erschien das Album "Back With Two Beasts", das als Nachfolger zu "Jammed" auch mit dem Untertitel "Jammed II" angekündigt worden war. Im Gegensatz zu "Jammed" enthielten die Stücke jedoch Gesang und beschränkten sich, bis auf eine Ausnahme, auf Liedlängen von unter sieben Minuten. Obwohl die Instrumente tatsächlich in Jam-Sessions aufgenommen worden waren, fiel dies bei den Stücken kaum auf, da ihre Struktur sich deutlicher an diejenige der regulären Alben anlehnte und weniger den für Jam-Sessions typischen Charakter des Zufälligen hatte. Die Überraschung in der Fangemeinde darüber, mit "Back with Two Beasts" von Aufbau und Klang eher ein reguläres Album in der Hand zu haben, war sehr gross und sie nahm es enthusiastisch auf. Es war, genau wie zuvor "Jammed", nur im Online-Shop der Band erhältlich und auf 1000 Exemplare limitiert. Die Band trat bei der Eröffnungsfeier der Commonwealth Games 2006 in Melbourne auf, bei der sie eine zusammen mit dem Melbourne Symphony Orchestra aufgenommene Version von "Under The Milky Way" spielten. Die Eröffnungsfeier wurde in vielen Ländern live im Fernsehen übertragen. Schätzungsweise über eine Milliarde Menschen schauten zu. Diese Version des Liedes wurde gleichzeitig auf einer CD names "Melbourne 2006: Commonwealth Games Opening Ceremony" veröffentlicht, die die Musik dieser Eröffnungsfeier enthielt. Am 17. April 2006 wurde das neue Studioalbum "Uninvited, Like the Clouds" veröffentlicht. Vorab erschien die "Block" EP, die es zunächst nur im Online-Shop auf der Homepage der Band gab. Als offizielle Radiosingle wurde "Easy" ausgekoppelt. Anfang Februar 2007 erschien mit "El momento siguiente" die Fortsetzung der akustischen Reihe. Die Besetzung wurde durch die Begleitband The Mood Maidens erweitert, darunter Amanda Brown, ehemals Geigerin bei den Go-Betweens. Zeitgleich zur Veröffentlichung ging die Band auf eine grössere Australien-Tour. Im April 2007 folgte eine ausgedehnte Europa-Tour, die im Gegensatz zu vielen Auftritten seit 2002 nicht semi-akustisch, sondern wieder elektrifiziert ablief.
Erstmals nahm die Band auch Lieder auf, die explizit als Soundtrack für einen Film gedacht waren. Der Buch-Autor Jeff VanderMeer hatte die Band für seinen 15-minütigen Kurzfilm 'Shriek' gewinnen können, der auf dem gleichnamigen Buch des Autors basiert und im August 2007 online und frei verfügbar veröffentlicht wurde. Erst deutlich später, in den letzten Tagen des Jahres 2008, wurde der Soundtrack unter dem Titel "Shriek: Excerpts from the Soundtrack" veröffentlicht, wobei eine Vermarktung als Soundtrack zum Buch (anstatt zum Film) stattfand. Im Juli 2007 erschien die Doppel CD-Kompilation "Deep In The Shallows". Im Gegensatz zu allen vorhergehenden Kompilationen, die sich meist als Best Of verstanden und vom persönlichen Geschmack des jeweiligen Zusammenstellers der Kompilation geprägt waren, enthielt "Deep In The Shallows" nichts anderes als alle A-Seiten der Singles von 1980 bis 2006. Dabei entsprachen die meisten Lieder genau der Version, wie sie auch auf dem jeweiligen Album erschienen war. Vereinzelt existierten jedoch Versionen, die extra für die Single-Veröffentlichung neu abgemischt oder gekürzt worden waren. Diese zum Teil äusserst raren Versionen wurden − falls existent − anstatt der Album-Version in die Kompilation aufgenommen. Im Einzelnen waren das "She Never Said", "When You Were Mine", "Ripple", "Louisiana", "Song In Space", "Unified Field" und "Easy". Das Booklet war aufwändig gestaltet und enthielt neben vielen Fotos eine fünfseitige Hommage an die Band, geschrieben von David Fricke, einem Redakteur des Musik Magazins Rolling Stone. Im September 2008 wurde das Stück "Under The Milky Way" von den Lesern des The Weekend Australian Magazine zum besten australischen Song der letzten 20 Jahre gewählt. Nachdem die Band mit Unorthodox Records zunächst ihr eigenes Label gegründet hatte, setzte im Februar 2009 die "Coffee Hounds" EP den Startpunkt für eine Reihe weiterer Veröffentlichungen in diesem Jahr. Die EP enthielt eine Cover-Version des Liedes "Hounds Of Love" von Kate Bush, das The Church in den Jahren vorher oft live gespielt hatten.
Kurze Zeit später wurde im März 2009 erstmals das nächste reguläre Album von The Church namens "Untitled #23" auf der zu diesem Zeitpunkt stattfindenden Tournee der Band in Australien verkauft. Die Veröffentlichung des Albums erfolgte am 4. April in Australien und am 12. Mai in den USA. Kurz zuvor erschien die "Pangea" EP (März 2009) als erste Single des neuen Albums, es folgten die "Operetta" EP (November 2009) und die "Deadman’s Hand" EP (April 2010). Im Jahr ihres dreissigjährigen Bestehens wurden The Church am 27. Oktober 2010 in die ARIA Hall of Fame aufgenommen. Ihr dreissigjähriges Jubiläum feierte die Band am 10. April 2011 mit einem erfolgreichen Konzert in der Sydney Opera, bei dem sie von einem Symphonieorchester begleitet und professionell gefilmt wurde. Im Mai 2014 erschien das Konzert als erstes offizielles Live-Album der Band auf Doppel-CD und DVD. Nachdem sich die Bandmitglieder zuvor ihren diversen Solo- und Seitenprojekten gewidmet hatten, gab Steve Kilbey im November 2013 die Arbeit an einem neuen Album bekannt. Ohne die genauere Nennung von Gründen erklärte er zudem, dass Marty Willson-Piper nicht zur Verfügung stände und durch den ehemaligen Powderfinger-Gitarristen Ian Haug ersetzt werden würde. Im September 2014 wurde die Veröffentlichung des Albums "Further/Deeper" auf der Website der Band für den 17. Oktober 2014 angekündigt. Am 27. Juni 2017 wurde mit der Vorabveröffentlichung des Videos für einen neuen Songs namens "Another Century" auf der Webseite der Band ein neues Album angekündigt, dessen Veröffentlichung am 6. Oktober 2017 unter dem Namen "Man Woman Life Death Infinity" erfolgte. Die Besetzung war dieselbe wie beim Vorgängeralbum.
Viele der älteren Alben von The Church wurden zu späteren Zeitpunkten neu aufgelegt, wobei sie zum Teil remastert und um Bonus-CDs erweitert wurden, die zusätzliche Musikvideos oder B-Seiten enthielten. Die Band hat im Laufe ihrer Geschichte nur wenige Chartplatzierungen erreicht, die bekannteste und erfolgreichste davon gelang mit der Single "Under The Milky Way" im Jahre 1988. Abgesehen davon haben es noch einige weitere Alben und Singles in diverse Charts geschafft. "The Blurred Crusade" wirkt heute, rückblickend betrachtet, noch immer wie ein Fels in der Brandung, wie ein zeitloses, hoch melodiöses Werk in einer immer schneller vergänglichen Musikwelt. Es ist eine dieser Platten, von der man noch in 20 Jahren schwärmen wird, weil sie immer noch aktuell klingt, vor allem aber auch, weil sie kompositorisch 10 wahre Perlen präsentiert, deren Glanz wundervoll weiter scheint und die keiner hörbaren Alterung unterliegen. Wundervoll.
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