Feb 4, 2025


ROCCO - Rocco (20th Century Records T-505, 1976)

Der neuseeländische Maori-Soulsänger Leo De Castro, der sich vom progressiven Rock seiner früheren Band Friends abwandte, begann als Solokünstler mit einer bunten musikalischen Mixtur, die aus Elementen des Funk, des Soul, des Rock und auch dem Blues einen ziemlich interessanten und abwechslungsreichen Cocktail servierte. Es war ein Stil, den der Musiker für den Rest seiner Karriere verfolgen würde. Das De Castro Line-Up wurde von Steve Webb und Rob Gray (beide Keyboards), dem ehemals bei den Bands Carson und der australischen Rock'n'Roll-Legende Daddy Cool tätig gewesenen Lan 'Willy' Winter (Gitarre) und John Young (Bass) komplettiert. Später zog Leo De Castro nach Sydney, wo er sich der Funk Band Johnny Rocco anschloss. Die Band benannte sich nach dem gleichnamigen Bösewicht, den der Schauspieler Edward G. Robinson im Film 'Key Largo' aus dem Jahre 1948 spielte. Diese in Sydney ansässige Gruppe von Jazz- und Funk-Musikern spielten eine LP ein, zusammen mit einem der wenigen Maori-Sänger, die sich in den 70er Jahren in australischem Soul-Funk und anderer Musik einen Namen machen konnte. De Castro spielte in einigen weiteren Bands mit, aber mit relativ wenig Erfolg.

Wie viele urbane indigene Musiker auf der ganzen Welt, die von der europäischen Kultur beeinflusst wurden, hatten auch Maori-Musiker oft eine Heimat in der afrikanischen Musik-Diaspora gefunden:Soul, Funk, Reggae und seit einigen Jahren auch Hip Hop. De Castro's Einflüsse waren jedoch wesentlich bodenständiger und folgten dem damals gerade in Australien sehr populären Boogie Rock, der seine Wahlheimat ziemlich fest im Griff hatte. Die ursprüngliche Version der Johnny Rocco Band, die im Februar 1974 gegründet wurde, bestand aus Mark Punch (Gitarre, Gesang; Ex-Mother Earth), Tony Buchanan (Saxophon; Ex-Daly Wilson Big Band), Tim Partridge (Bass; Ex-King Harvest, Mighty Kong) und Russell Dunlop (Schlagzeug; Ex-Levi Smiths Clefs, SCRA, Mother Earth). Sie waren eine der ersten australischen Bands, die Funk und Soul in das Pub Rock-Format integrierten. Leo und Mick Kenny (Keyboards; Ex-Levi Smiths Clefs) traten Ende 1974 zusätzlich der Gruppe bei. Die Band nahm eine erste Version des Stücks "Heading In The Right Direction" auf, die gemeinsam von Mark Punch und Garry Paige geschrieben worden war. Die Sängerin Renée Geyer machte das Lied später durch eine eigene Version berühmt.

Die Johnny Rocco Band war vor allem live eine ziemliche Attraktikon. Das ergab sich zuerst einmal aus dem Umstand heraus, dass die Gruppe zeitweise mit einiger personeller Verstärkung auftrat, bei deren Gelegenheit sie manchmal fast schon ein veritables Big Band Format angenommen hatte, was dazu führte, dass bekannte und weniger bekannte Titel öfters mal zu richtig ausgedehnten Jam-Variationen ausuferten. Insbesondere Bläsersätze und viele Keyboard-Einlagen prägten den Live-Sound und verliehen ihren Songs dadurch einen sehr breit gefächerten Charakter. Besonders auch De Castros Live-Stimme hatte es dem immer zahlreicher werdenden Publikum angetan - auf Tracks wie "Baby's Gonna Make It" klang er beispielsweise schon fast tiefschwarz und brauchte sich vor Konkurrenten aus den USA überhaupt nicht zu verstecken.

Zu der Zeit trat die Gruppe oft auf, sammelte so auch viele Erfahrungen und bereitete sich lange darauf vor, dieses Album aufzunehmen. Der Original-Gitarrist Mark Punch war gerade zu Renée Geyers Band gegangen, aber er war noch bei der Johnny Rocco Band geblieben, um mindestens zwei der Tracks für das spätere Album mit aufzunehmen - Songs, die er mitgeschrieben hatte: "Heading In The Right Direction", das bald eine Hit-Single für Renée Geyer auf deren Soloalbum "Ready To Deal" wurde, sowie "Sweet Kisses", das Geyer später ebenfalls aufnehmen würde (für ihr Album "Winner"). Das hervorragend produzierte Album präsentierte auch ein paar tighte Instrumental Funk-Workouts mit Jazz-Touch, toller Flöte und ein früher Talkbox-Klassiker mit dem Titel "Number 43", sowie grossartige Percussion-Einlagen von Sunil De Silva. Das später schlicht "Rocco" betitelte Werk wurde ein ganz formidables und stilistisch sehr breit ausgelegtes Album.

Während das Album in Australien auf dem Kleinlabel The Ritz Gramophone Company veröffentlicht wurde, kam auch ein internationaler Deal mit dem amerikanischen Plattenlabel 20th Century Records zustande. Die Band wurde in der Folge schlicht in Rocco umbenannt, und es wurde ein Vertriebs- und Managementvertrag mit der Reizner Music Corporation unterzeichnet. Die Singleauskopplung "Heading In The Right Direction" mit der B-Seite "Funky Max" erschien im August 1975. Harris Campbell hatte Punch abgelöst, der später ebenfalls zur Renée Geyer Band wechselte. Die Johnny Rocco Band veröffentlichte das Album "Rocco" im Mai 1976, das eine zweite Single "Gonna Have A Good Time" mit der B-Seite "Who's This Guy" abwarf. Trotz etlicher weiterer toller Songs auf dem Album wie "Funky Max" oder "Rocco" blieb der Gruppe jedoch der grosse Durchbruch verwehrt, wohl auch, weil die grosse Funk-, Soul- und Disco-Welle zu jenem Zeitpunkt insbesondere in den USA bereits am abklingen war. Rocco kamen wohl einfach etwas zu spät mit ihrem Album, was angesichts der tollen Musik und der absolut tighten und fetten Produktion wirklich schade ist. Weil sich somit ein weitreichender Erfolg nicht abzuzeichnen schien, trennte sich die Gruppe Rocco schliesslich Ende 1976. 

Leo De Castro gründete in der Folge die Kiwi-Band Cahoots mit Tui Richards (damals Ex-Powerhouse), Billy Rylands (Gitarre, Ex-Freshwater und Stevie Wright Band), Phil Pritchard (Gitarre; Ex-Highway und Miss Universe), George Limbidis (Bass, Ex-Highway und Miss Universe) und Doug McDonald (Schlagzeug, Ex-Powerhouse). Im Mai 1977 wurde die Band als 'Leo De Castro And Rocco' aktiv. Am Ende des Jahres war es dann die Leo De Castro Band. Es folgte eine erneute Umbenennung in Heavy Division im Jahre 1978 mit Richards, Russell Smith (Gitarre, Ex-Firma Caine, Mighty Kong, Billy T), Tim Partridge (Bass,  Ex-Kevin Borich Express) und John Watson (Schlagzeug). Nennenswerte und zählbare Erfolge blieben jedoch aus, weshalb der hervorragende Sänger Leo De Castro im Endeffekt ein rein australisches und neuseeländisches Phänomen blieb.





FIVE DOLLAR SHOES - Five Dollar Shoes
(Neighborhood Records NRS-47002, 1972)

Sie hatten vielleicht ein wenig den Sex-Appeal der New York Dolls, viel musikalisches Poprock-Gebräu und schmissen noch eine gehörige Portion Glam Rock hinzu. Dass diese Kombination scheitern würde, war nicht unbedingt vorauszusehen, zumal sich der klassische Glam Rock 1972 gerade in den Startlöchern befand. Interessant war vor allem die Tatsache, dass hier eine Band angetreten war, die mit kräftiger Unterstützung damaliger Profimusiker ein Album einspielte, das sich in qualitativer Hinsicht so gar nicht hinter der grossen und wesentlich prominenteren Konkurrenz zu verstecken brauchte. New York City war damals ohnehin das angesagte Pflaster für die ersten richtigen Glam Rock Bands, und die Truppe um den später auch für den legendären Jobriath Boone aktiven Musiker Gregg Diamond, der auch bei The Creatures spielte, präsentierte auf diesem leider einzigen Album durchaus Songs von Weltklasse-Niveau. Zusammen mit den weiteren Musikern Mike Millius, Tom Graves, Jim Gregory und Scott Woody war die Band Five Dollar Shoes in und um New York durchaus recht populär. Ihr gleichnamiges Album wurde in den legendären Electric Lady Studios in New York City's Greenwich Village aufgenommen. Der Umstand, dass laut nie verstummen wollenden Gerüchten bei den Aufnahmesessions damals auch die beiden in der Band Wicked Lester aktiven Musiker Gene Simmons und Paul Stanley als Background Sänger beteiligt gewesen sein sollen, also jene beiden Hauptakteure der später so erfolgreichen Formation Kiss, machte dieses Album schon früh zu einem begehrten Sammelobjekt insbesondere brettharter Kiss-Fans.

"Five Dollar Shoes": Das war schlussendlich eine jener Platten, die man ungefähr zu Mitte der 70er Jahre schon als 5 Mark-Ramschplatte an den Wühltischen allüberall finden konnte. Inzwischen dürfte die Platte äusserst selten sein, und man findet sie nicht mehr unbedingt an jeder Ecke. Obwohl die Platte damals floppte, war sie allerdings wirklich super. Gerade wenn man sich heute solche Platten anhört, dann kann man sich echt fragen, ob der Musikmarkt damals - 1972 - wirklich so übersättigt war, dass man solche Perlen quasi einfach links liegen lassen konnte. Es gab hier durchaus Parallelen zu Mott The Hoople, frühem 70er Rolling Stones-Rock und eben jede Menge frühen Glam Rock zu hören. Vielleicht waren Five Dollar Shoes schlicht und einfach zu früh mit ihrem Album. Womöglich hätten sie ein Jahr später wesentlich mehr Aufmerksamkeit auf sich gezogen, als die erste Glam Welle so richtig Fahrt aufnahm. Hört man sich nämlich ihre exzellenten Songs an, so kann man sich diese durchaus irgendwo zwischen damaligen T. Rex und New York Dolls vorstellen.

Rockig und insbesondere exzellent abgemischt offenbarten sich dem Hörer hier zehn absolut zeitlose, und all die Jahre hindurch ziemlich aktuell gebliebene Gassenhauer, die samt und sonders über so etwas wie Hit-Charakter verfügten. Aufgenommen übrigens von keinem Geringeren als Eddie Kramer in den bereits erwähnten Electric Lady Studios, was alleine schon die hohe Qualität der Band verriet. Die Band bestand aus dem Top-Gitarristen Scott Woody, dem Bassisten Jim Gregory, dem Harper und Vokalisten Mike Millius, dem nicht minder exzellenten Keyboarder Tom Graves und dem eingangs erwähnten, sehr versierten Schlagzeuger Gregg Diamond. Von den anderen Musikern der Band gab es später keine nennenswerten Gastspiele in der Rockmusik mehr. Gregg Diamond aber machte sich einen Namen in der Disco-Szene. Das Musikmagazin Billboard bezeichnete ihn gar als einen wahren Pionier der Disco-Musik.

Gregg Diamond hatte bereits einige Jahre vor Five Dollar Shoes im Musikgeschäft gearbeitet, bevor ihm in der zweiten Hälfte der 70er Jahre im Zuge der Disco-Welle der Durchbruch als Produzent und Musiker gelang. Als Schlagzeuger arbeitete unter anderem für die Folk-Sängerin Melanie und den Singer/Songwriter Michael Wendroff. Ausserdem gehörte Diamond zur Band The Principal Creatures rund um den Glam Rock-Sänger Jobriath. In dieser Funktion spielte er auch auf dessen zweitem Album "Creatures Of The Street" mit. Diamonds kommerzieller Durchbruch gelang im Jahre 1976 mit einer Albumproduktion für die eigentlich als Pornodarstellerin bekannt gewordene Sängerin Andrea True. "More, More, More" enthielt mit dem von Diamond geschriebenen Titelsong einen weltweiten Hit, der sich als Disco-Klassiker etablierte und über die Jahrzehnte auch in zahlreichen Filmen Verwendung fand. Diamond arrangierte sämtliche Aufnahmen der LP, ausserdem spielte er unter anderem Klavier und Perkussion. Gemixt wurde das Album von Tom Moulton. Mit Andrea True feierte Gregg Diamond weitere kleinere Hits: "Party Line" (1976) und "N.Y. You Got Me Dancin'" (1977) standen hoch in den amerikanischen Disco-Charts.

Noch 1976 folgte eine Zusammenarbeit mit George McCrae auf dessen Album "Diamond Touch". Danach gründete Diamond sein Studio-Projekt Bionic Boogie, das ihm mit wechselnden Musikern einige Hits in den Disco-Charts bescherte. Besonders erfolgreich war die erste LP "Bionic Boogie" (1977), die sich als einzige seiner Werke auch in den Top 100 der Billboard Albumcharts platzieren konnte. Besondere Aufmerksamkeit erhielt das Cover des Albums, das eine futuristisch gekleidete Frau zeigte, die an einem mit ihrer Brust verbundenen Metallregler drehte und so scheinbar langsam die Temperatur oder Lautstärke in ihrem Körper erhöhte. Die Songs "Dance Little Dreamer" und "Risky Changes" standen 1978 drei Wochen auf Platz eins der Disco-Charts, die folgenden Alben "Hot Butterfly" (1978, unter anderem mit Luther Vandross) und "Tiger Tiger" (1979, mit Jocelyn Brown) waren ebenfalls in den Diskotheken gefragt. Diamond veröffentlichte auch unter seinem Namen zwei Alben; "Star Cruiser" (1978) schaffte den Sprung in die Top Ten. Als Produzent wurde Gregg Diamond 1977 auch für Gloria Gaynors Album "Glorious" verpflichtet. Nachdem die Disco-Welle ihren Höhepunkt überschritten hatte, zog sich auch Gregg Diamond aus dem Musikgeschäft zurück.


Der Gitarrist Scott Woody spielte als Studio- und Tourmusiker einige Jahre beim deutschen Musiker Klaus Nomi, der Sänger Mike Millius, der bereits 1969 ein nur wenig beachtetes Soloalbum veröffentlicht hatte ("Desperado", UNI Records), zog sich ganz zurück, während sich der Bassist Jim Gregory einigen Plattenproduktionen und -projekten von Gregg Diamond anschloss und 1987 auf einem Album von Peter Wolf (The J. Geils Band) mitspielte. Das von Pacific Eye & Ear designete Frontcover Artwork war äusserst geschmackvoll gezeichnet und mit abgerundeten Kanten versehen ein echter Hingucker. Leider gibt es die wundervolle Platte von Five Dollar Shoes bis heute nicht in einer restaurierten Version zu kaufen, weder als CD, noch als Wiederveröffentlichung auf Vinyl. Doch wer sich einmal die Mühe macht, nach der Original-LP umzusehen wird belohnt mit 10 erstklassigen Rock Songs, die zwar dem Geist der Zeit entsprachen, heute aber rückwirkend noch immer sehr frisch und zeitgemäss wirken. Es zeigt sich eben oft erst viele Jahre später, wie gut manche Songs doch einmal waren, wenn man sie sich noch mehr als vier Dekaden später genüsslich reinziehen kann, und sie dabei noch immer so zeitlos und interessant klingen wie damals. "Five Dollar Shoes" ist eine sträflich unterbewertete Platte, damals wie heute. 







HARMONIUM - Les Cinq Saisons (Celebration Records CEL-1900, 1975)

Die kanadische Band Harmonium aus Québec startete anfänglich als Folk-Gruppe mit französisch gesungenen Liedern, bevor sie sich stärker dem progressiven Rock zuwandte und 1975 mit ihrem zweiten Werk ein Konzeptalbum vorlegte, das im weitesten Sinne als Progressiver Folkrock bezeichnet werden kann. Vom ursprünglich akustischen Trio zur fünfköpfigen Gruppe erweitert, kreierten die Musiker um Sänger und Songschreiber Serge Fiori eine akustische Welt, die aus fünf Jahreszeiten besteht. Dabei widmeten sie jeder der bekannten vier Jahreszeiten je einen Song, sowie einer fünften Jahreszeit namens "Harmonium" fast eine ganze LP-Seite im Longtrack "Histoires sans Paroles".

Das Album "Les Cinq Saisons", das auch unter dem etwas längeren Titel "Si On Avait Besoin d'Une Cinquième Saison" bekannt ist, startet mit "Vert" (grün), das logischerweise den Frühling akustisch begrüsst. Und das tut der Song mit einer verhaltenen Flöte, die im Verlaufe des Songs weitere intrumentale Unterstützung erhält durch die weiteren Instrumente der Band, und dieser Einstieg ist sehr natürlich, fröhlich unbekümmert und wiederspiegelt den Frühling gekonnt und harmonisch. Der Sommer-Song "Dixie" geht dann in eine leicht jazzige Richtung, erinnert ein bisschen an den typischen Vaudeville-Sound der 40er Jahre, swingt auf sehr lockere Weise und ist zwar eher untypisch für die Band, jedoch sehr "summerlike" und man spürt das Flirren der Hitze förmlich aus den Noten. Der Herbst heisst hier "Depuis L'Automne" und ist ein Longtrack, der es auf über 10 Minuten Lauflänge schafft, all die abwechslungsreichen Stimmungen des Herbstes gekonnt abzubilden, angefangen vom noch lieblichen Spätsommer über die sich ändernden Farben der Natur bis hin zum kalten, feuchten und grauen Novembermorgen. Den Spannungsbogen kredenzen die Musiker hier gekonnt mit Arrangementspielereien und erzeugen damit abwechslungsweise September-Unbekümmertheit, über erste Oktober-Melancholie bis hin zur November-Depression, die man auch wirklich spüren kann. Der Winter schliesslich heisst dann "En pleine Face" (im ganzen Gesicht) und lässt einem die Kälte an den Backen spüren, aber auch die Schönheit einer verschneiten Winterlandschadft vor dem geistigen Auge erkennen.

Das Paradestück dann Harmonium's selbst erdachte fünfte Jahreszeit, dokumentiert und spürbar gemacxht im Longtrack "Histoires sans Paroles", das eine über 17 Minuten lange akustische Reise durch viele unterschiedliche klimatische Erfahrungen bietet: Von heiss über kalt, von trocken bis verregnet: Hier erlebt die Seele des Hörers alle Höhen und Tiefen gleichzeitig, nicht hinter- oder nacheinander, sondern bunt und wild zusammengenommen. Die Band spielt hier gekonnt mit Gefühlen, mit Stimmungsschwankungen und mit gefühlvoll inszenierten Wechseln im musikalischen Gesamtbild, die trotz manchem vertrauten Klangbild wie zum Beispiel einem klar bei Mike Oldfield belehnten instrumentalen Thema, das auch auf dessen LP "Tubular Bells" hätte sein können, trotzdem immer kompakt und harmonisch bleiben und den Zuhörer am Ende in wundervoller Behaglichkeit zurücklässt, nachdem eine Tour de Force der Empfindungen nach etwas mehr als einer Viertelstunde das Seelenwetter wieder zur Ruhe kommen lässt. Für die erhabensten Momente nicht nur hier, sondern bei allen Stücken dieser wundervollen LP sorgen die Flöte, das Mellotron und die akustische Gitarre, die bei diesem Werk sehr stark eingesetzt werden. Der Gesang ist eher verhalten, hilft meist vor allem die Stimmungen mit Worten zu bekleiden und ist insgesamt äusserst spärlich vorhanden. Den grössten Teil der Platte hört man instrumentale Musik, was es dem Hörer erlaubt, seine eigenen Gefühle in der gehörten Musik zu suchen und zu finden, was eine sehr schöne Erfahrung ist bei diesem Werk.

Diese LP hat das gewisse Etwas. Dieses bestimmte Element an Nachhaltigkeit, das es fühlbar, spannend und unvergessen macht. Vielleicht ein bisschen wie Jethro Tull's "Thick As A Brick", auch wenn Harmonium den folkigen Anteil in ihrer Musik noch stärker gewichtet als der manchmal doch eher rockige Ian Anderson mit seiner Truppe. Das Musikmagazin Rolling Stone listete 2015 das Werk auf Rang 36 der 50 besten, je veröffentlichten Progressive Rock Platten.