BRIAN DAVISON'S EVERY WHICH WAY - Brian Davison's Every Which Way
(Charisma Records CAS 1021, 1970)
Zuvor hatten Emerson und Jackson mit Gary Farr And The T. Bones gespielt, Emerson auch kurzfristig noch bei den V.I.P., bevor sich das Quartett Keith Emerson, Brian Davison, Lee Jackson und David O’List gleichzeitig als Backingband der Popsängerin P. P. Arnold und als The Nice formierten. Bei Konzerten traten sie gleichzeitig als The Nice im Vorprogramm und als Begleitband der Sängerin auf. Das Plattenlabel Immediate Records wurde auf die Band aufmerksam und verschaffte ihr einen Plattenvertrag im Oktober 1967. Noch im selben Jahr erschien die erste LP der Band. Weitere Alben folgten. Die Band feierte weltweit grosse Erfolge. Anfang 1970 lösten sich The Nice auf. Davison legte erst einmal eine Pause ein, um sich über sein weiteres Musiker-Dasein klar zu werden. Im Frühsommer 1970 fanden sich dann binnen kurzer Zeit die fünf Bandmitglieder des neuen Projekts Every Which Way zusammen. In einem Interview im Melody Maker vom 08 August 1970 erzählte Brian Davison, wie die Band zusammenfand: "Alles fing damit an, dass ich mir während der Zeit, als ich mit The Nice auf Tournee war, bewusst wurde, welche Musik mir wirklich gefällt. Ich traf verschiedene Leute auf meinen Reisen und schätzte ihre Musik. Es war nicht so, dass ich mir die Leute bewusst für eine künftige Band ausgesucht hatte, aber nachdem sich The Nice aufgelöst hatten, erinnerte ich mich wieder an sie. Alan hatte ich schon immer gemocht. Er ist einer der lebendigsten Bassisten, die ich je gehört habe. Dann haben wir ein oder zwei Sologitarristen ausprobiert, aber diese passten nicht so recht zur Band, so dass Alan meinte, dass wir es mit John, den er bereits kannte, versuchen sollten. John hat sich echt gut bei uns eingeführt".
In einem zweiten Interview vom 31.10.1970 sagt er: "Ich hatte keine spezielle Band im Kopf, als sich The Nice auflösten. Ich habe es langsam angehen lassen, und das ist auch der einzige Weg, wie man etwas erreichen kann. Zuerst habe ich an die Leute gedacht, von denen ich wusste, dass sie gute Musiker sind. Ich glaube Graham Bell und Jeff Peach waren die ersten. Ich wusste, dass Graham ein sehr guter Sänger ist und Jeff habe ich anlässlich verschiedener Auftritte spielen gehört. Das grösste Problem war, einen Gitarristen zu finden. In den letzten 5 Monaten haben wir das Album aufgenommen und der Kern der Band steht, aber was die Auftrittsmöglichkeiten angeht, ist alles sehr enttäuschend. Wenn du lediglich hier und da einen Auftritt hast, fehlt die Ausgewogenheit, obwohl alle Auftritte bisher mit der Ausnahme desjenigen im Marquee gut waren. Als wir das Album aufgenommen haben, lief alles so, wie wir uns das vorgestellt hatten. Aber wir müssen weiter voran kommen. Wenn wir stetig weiterarbeiten können, wird alles noch viel besser. Live spielen wir das gesamte Album und zusätzlich das Stück "Days Of 49" von Bob Dylan".
Es ist auffällig, dass die Band innerhalb kürzester Zeit in der Lage war, ein dermassen spannungsreiches und sehr eigenständiges Album aufzunehmen. Ein dem Sound der "Every Which Way" LP vergleichbares Album dürfte nicht existieren. Mit der speziellen Auswahl seiner Mitmusiker hatte Brian einen Sound geschaffen mit vielen gefälligen kleinen Nuancen und Anspielungen, geprägt von erstklassigem Gesang und den Soli der Gitarre und der Blasinstrumente, angetrieben von einer kraftvollen Rhythmusgruppe. Musikalisch hatten sie den magischen Kompromiss zwischen unterhaltsam und verbindlich gefunden, wobei das erste Anhören nur ein Appetitanreger sein konnte und noch nicht alle Kostbarkeiten erkennen liess. Die Band gewährte Graham Bell, früher bei der Band Skip Bifferty aktiv, die Möglichkeit, seine bis dato unterschätzten Gesangs- und Kompositionstalente zum Ausdruck zu bringen. Tatsache war, dass Graham Bell auch die meisten der Songs des Albums komponiert hatte. Brian Davison hierzu: "Ich habe der Band gesagt, dass, wenn sie eine Idee haben, sollen sie sie niederschreiben. Es sollte nicht alles von einer Quelle herrühren. Über die Jahre haben sich eine Menge Ideen angesammelt und nun gibt es eine konkrete Möglichkeit, diese zu verwirklichen".
Brian Davison hatte eine freundliche und verbindliche Art. In seinen Ansichten und Aussagen war er jedoch nicht kompromissbereit. Nach der Auflösung von The Nice blieb er stur: Er sagte nichts über die Gründe der Auflösung, noch wie er sich danach fühlte: "Es wäre nur sinnlose Zeitverschwendung darüber zu reden. Die Band gibt’s nicht mehr und damit hat es sich". In seinem Interview in der Ausgabe des Melody Maker vom 31.Oktober 1970 hatte Brian Davison vielleicht schon eine Ahnung, dass die Band nur kurzlebig sein würde. Insbesondere beklagte er fehlende Auftrittsmöglichkeiten. Ein Auftrittsplan, der nur von vier Auftritten in fünf Monaten zeugte, tat selbst einer unbekannten Band weh. Aber wenn man Brian Davison war und gerade eine neue Band gegründet hatte mit der Absicht, volle Pulle loszulegen, war es noch schlimmer. Das Leben eines Musikers verlief nicht immer glücklich und der Bandleader hatte die Aufgabe, Enttäuschungen soweit wie möglich zu kompensieren, wie irritierende kleine Ungeschicklichkeiten wieetwa jenes, dass bei der LP das Albumlabel auf die falsche Seite gepresst wurde, wie es tatsächlich passierte.
Nach der Auflösung der Band wechselte der Sänger Graham Bell zu Arc, aus der später Bell & Arc hervorgingen, die bereits 1971 ein Album auf Charisma Records veröffentlichten. In dieser Band traf Graham Bell wieder auf seine alten Kollegen der Band Skip Bifferty. Nach deren Auflösung 1972 machte Bell als Solokünstler weiter. Brian Davison liess sich mit neuen Bandprojekten etwas Zeit und gründete erst wieder im August 1973 zusammen mit seinen ehemaligen Nice-Mitstreitern Lee Jackson und dem Keyboarder Patrick Moraz die Band Refugee, die stark an The Nice erinnerten. Auch diese Formation hielt nicht lange durch, da Patrick Moraz im August 1974 Rick Wakeman bei Yes ersetzte. Brian Davison arbeitete anschliessend als Session-Musiker. Im Frühjahr 2006 war er mit den reformierten Nice auf Tournee. Sogenannte 'Supergruppen' leiden häufig darunter, dass sie so super und berühmt sind. Nur wenige behalten die Bodenhaftung und finden aus der Einbahnstrasse des riesigen Hypes wieder heraus. Typisch für die anderen ist, dass sie sich zurückziehen und sich mit möglichst vielen Gleichgesinnten umgeben. Jeder Egomane will verhätschelt sein oder geht es vielleicht am Ende doch nur ums Geld ?
Der Schein oder Anschein von Grösse verkauft sich eben bestens, meist aber auf Kosten der Musik, die dem Hype nicht gerecht wird. Glücklicherweise gibt es aber auch Ausnahmen, wofür das vorliegende Album das beste Beispiel ist. Nachdem sich The Nice aufgelöst und zwei Mitglieder (Keith Emerson und Lee Jackson) bereits neue Bands gegründet hatten, machte Brian Davison das einzig richtige, nämlich in Ruhe nachzudenken und die Lage zu analysieren. Nachdenken darüber, was er tun wollte und wohin es sich zu orientieren galt. Nach und nach schloss er sich mit einigen Freunden zu einer neuen Band zusammen und "Every Which Way", sowohl Band wie Album, war genau das Richtige. Es gab keinen Hit auf dem Album. Das war auch nicht anders gewollt. Fünf Leute spielten zusammen und gaben ihr Bestes. Als Bandleader hätte Brian das Recht gehabt, die Band als Mittel zur Präsentation seines Schlagzeugspiels zu nutzen. Aber das war nicht seine Art. Dafür war er zu diszipliniert; als Musiker hatte er sich unter Kontrolle. Graham Bell komponierte die meisten Titel des Albums. Er hätte also auch die Richtung bestimmen können. Tat er aber nicht. Jeff Peach spielte hervorragend Saxophon und Flöte: Hätte also sein Album werden können. Wurde es aber nicht. Es war auch nicht Allan Cartwright's oder John Hedleys’s Album. Staddessen war es ein richtiges Band-Album. Die Band spielte darauf eine leise Musik. Spannend erklang sie aus den hohen Wattzahlen der Lautsprecher. Akustikgitarre, Gesang und Sopransaxophon vermischten sich, nahmen Gestalt an und schufen einen Rhythmus und eine Atmosphäre, in der jeder nahm und gab. Der Schlussteil von Graham Bell’s "Castle Sand" war so phantastisch, dass er nur in absolut stiller Konzentration wahrgenommen werden sollte. Und selbst dann konnte man beim ersten Hören des Titels die Hälfte seiner Schönheit und seines Aufbaus nicht mitkriegen.
Das Album war so konzipiert, dass man es häufig hören musste, um die ganze Schönheit der Musik mitzubekommen. Was Brian Davison angeht, so hatte er meiner Meinung nach nie besser gespielt als auf diesem Album und zeigte grösstes Einfühlungsvermögen für das Spiel der anderen Bandmitglieder. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Das war eine Gruppe. Das Album war bestimmt kein Superalbum. Hier gab es keine Superstars. Die Musik war in vielfacher Hinsicht umfassender, gleichzeitig aber auch entspannter als das, was viele sogenannte 'Supergroups' bieten. Sie erforderte ein konzentriertes Zuhören. Aber wenn einmal ein Zugang zu ihr gefunden war, würde sie bleiben und den Zuhörer berühren, weit über den Zeitraum hinaus, als die Musik mancher so genannter 'Supergruppen'. Zwischen der Band und der Plattenfirma gab es erhebliche Meinungsunterschiede darüber, in welche Richtung sich die Musik entwickeln sollte. Das war letztlich ebenfalls mit ein Grund dafür, weshalb sich Every Which Way schon nach kurzer Zeit wieder trennten: So viele Talente, die unterschiedlicher kaum sein konnten, und die dennoch ihre eigenen Ego's nicht in den Vordergrund stellen wollten zugunsten einer vielleicht eher unspektakulären, dafür aber umso mehr einer wundervollen, in sich stimmigen und sehr unaufdringlichen Musik. Ein wahres Kleinod, das für mich immer schon einen ganz wichtigen Stellenwert in der Rockgeschichte darstellt.
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